Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biografie Tillich
3. Definition Symbol allgemein
4. Merkmale des Symbols
4.1 Die Uneigentlichkeit
4.2 Die Anschaulichkeit
4.3 Die Selbstmächtigkeit
4.4 Die Anerkanntheit
5. Das religiöse Symbol
6. Symbolbedeutung
6.1 Die phänomenologische Methode
6.2 Die ontologische Methode
7. Die Bedeutung des Symbols für die Existenzanalyse
8. Die Genesisgeschichte als religiöses Symbol
9. Fazit
10. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Das Symbol ist die Sprache der Religion. Es ist die einzige Sprache in der sich Religion direkt ausdrücken kann.“1
Dieses Zitat bildet die Hauptthese des Religionsphilosophen Paul Tillichs in seinen Reden über sein Symbolverständnis. In Tillichs theologischen Aufsätzen und Werken lassen sich zahlreiche Auseinandersetzungen und Gedankengänge seinerseits mit dem religiösen Symbol finden. Es ist ihm ein Anliegen, auf die Aktualität dieser Symbole, mit ihren Antworten auf existenziellen Fragen, hinzuweisen und die Wahrheit der christlichen Botschaft hinter den religiösen Symbolen auch für die heutige Zeit neu zugänglich zu machen.2
Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit den Theorien, Deutungen und Methoden des großen Denkers Paul Tillichs rund um sein Symbolverstehen. Dabei kann sie dem Umfang Tillichs Überlegungen bezüglich des religiösen Symbols nicht gerecht werden und zeichnet nur ausgewählte Aspekte seines Symbolverständnisses auf.
Um eine Idee von der Person Tillichs zu bekommen, wird zu Beginn ein Einblick in die Biografie Tillichs gewährleistet. Danach wird eine Definition zum allgemeinen Symbolverständnis gegeben, bevor dann auf Tillichs Symbolverständnis eingegangen wird. Im Anschluss beschäftigt sich diese Arbeit mit Tillichs Definition vom religiösen Symbol, seinen Methoden zum Erschließen dieser Symbole und ihrer Bedeutung bezüglich existenzieller Fragen. Bevor ein abschließendes Fazit folgt, wird Tillichs Symbolverständnis noch anhand der Genesisgeschichten verdeutlicht.
2. Biografie Tillich
Paul Tillich wurde am 20. August 1886 als Pfarrerssohn von Johann Tillich in Starzeddel bei Guben geboren. Ab 1898 besuchte er das Gymnasium und bestand 1904 seine Abiturprüfung in Berlin.3 Bereits in seiner Schulzeit zeigte er großes philosophisches Interesse4. Nach seinem Abitur begann er sein Studium an der theologischen Fakultät der Universität Berlin, welches er in Tübingen und Halle fortsetze. 1909 legt Tillich sein erstes theologisches Examen ab. Ein Jahr später folgt die Promotion zum Doktor der Philosophie, 1912 das zweite theologische Examen.5 Kurz darauf wurde Tillich als Hilfsprediger tätig6, bis er ab dem Beginn des Krieges 1914 als Feldprediger wirkte7. 1919 durfte er schließlich seine erste Stelle als Privatdozent der Theologie an der Universität Berlin antreten8. Die folgenden Jahre von 1924 bis 1929 habilitierte er zuerst in Marburg, dann in Dresden9. Zu Anfang dieser Zeit entstanden seine ersten Texte über religiöse Symbole10. Als er 1929 an die Frankfurter Universität berufen wird, habilitiert er zum ersten Mal als Professor der Philosophie. Zu seiner Zeit in Frankfurt wurden einige seiner Schriften von den Nationalsozialisten verboten und schließlich sogar verbrannt. Die Lage in Deutschland wurde für Tillich immer gefährlicher, woraufhin er Deutschland verlassen musste. Im amerikanischen Exil bekam er schon bald ein Angebot für eine Lehrstelle an einer Universität in New York. Von da ab an lebte und unterrichtete er hauptsächlich in den USA.11 1965 starb er schließlich in Chicago12.
3. Definition Symbol allgemein
Der Begriff Symbol ist von dem griechischen Wort „symbolon“ abgeleitet und bedeutet ursprünglich so viel wie „Kennzeichen“ oder „Erkennungszeichen“. Im alltäglichen Gebrauch versteht man unter Symbol im weitesten Sinne ein Sinnbild.13 Die Bedeutung oder der Sinn eines Symbols wird bildhaft/gegenständlich dargestellt, ohne dass das Symbol einfach zum Abbild des Dargestellten wird. So wird ein Symbol immer aus zwei Teilen zusammengesetzt: Einem sichtbaren gegenständlichen und einem unsichtbaren Teil. Das Symbol repräsentiert etwas Unanschauliches, das so nicht greifbar ist und erst durch das Symbol zur Anschauung gebracht wird. Gegenstand und Bedeutung sind dabei eng aneinandergebunden. Grundsätzlich kann alles Gegenständliche zu einem solchen Sinnbild werden.14
Im alltäglichen Leben sind unterschiedlichste Symbole allgegenwärtig, sogar unumgänglich. Wörter, in Form von Sprachsymbolen, helfen uns, uns auszudrücken und uns verständlich zu machen. Wir machen Gebrauch von Bildsymbolen, z.B. als Verkehrsschilder oder als Warnhinweise für giftige Substanzen. Gruppenzugehörigkeiten und Identität werden durch Symbole zum Ausdruck gebracht (z.B. durch Nationalflaggen beim Fußballspiel). Gefühle werden durch symbolische Handlungen wie z.B. Begrüßungen, dem Überreichen von ausgewählten Geschenken, dem Feiern von Hochzeiten oder in Beerdigungen ausgedrückt.15
Vor allem aber, darauf liegt auch Tillichs Fokus, sind Symbole wesentliche Merkmale für Religion. Symbole sind die Art und Weise, wie sich die andere Wirklichkeit Gottes in unserer Wirklichkeit zur Sprache bringt.16 Erst sie ermöglichen religiöse Identifikation, Sprache und Handlung. Das Symbol ist „ein Mittel religiöser Erkenntnis“17, welches die unsichtbare Wirklichkeit greifbar macht.18
4. Merkmale des Symbols
Um den Begriff des Symbols genauer zu bestimmen, setzt Tillich dem Symbol vier gemeinsame Merkmale voraus, die er bereits 1929 in seinem Aufsatz über das religiöse Symbol festhält.
4.1 Die Uneigentlichkeit
Die Uneigentlichkeit ist das erste und elementarste Merkmal des Symbols. Es beschreibt die Eigenschaft des über sich Hinausweisens.19 Nörenberg formuliert es in seinem Werk folgendermaßen: „Das Symbol weist auf eine in ihm ruhende Wirklichkeit, die hinter der äußeren Gegenstandwelt liegt.“20 Folglich besitzt das Symbol zwei Seiten, eine gegenständliche, sichtbare und eine unsichtbare, nicht greifbare Seite. So deutet das Symbol von seiner wörtlichen Bedeutung weg, auf etwas hin, das nicht unmittelbar zu greifen ist.21 Dieses nicht greifbare „Etwas“ muss durch das Symbol indirekt ausgedrückt werden.22
4.2 Die Anschaulichkeit
Als zweites Merkmal nennt Tillich die Anschaulichkeit. Das Symbol dient etwas eigentlich Unanschaulichem, Ideellem oder Transzendentem zur Anschauung. Das Unanschauliche (vor allem im Religiösen) wird zur Gegenständlichkeit gebracht, um greifbar gemacht zu werden zu werden und das Ungreifbare auszudrücken.23
Somit ist das Symbol ein Repräsentant für die Wirklichkeit auf die es hinweist. Das bringt mit sich, dass das Symbol als Vertreter sogleich an dem teilhat, was es symbolisiert und „den Sinn und die Seinsmächtigkeit dieser Wirklichkeit“24 ausstrahlt.25
4.3 Die Selbstmächtigkeit
Die Selbstmächtigkeit ist das Hauptmerkmal des Symbols. Es bedeutet, dass die Wirklichkeit auf die das Symbol hinweist, im Symbol selbst gegenwärtig ist. Es weist nicht auf etwas außerhalb liegendes hin, sondern auf eine Macht und Kraft, die ihm selbst innewohnt.26
Dieses Merkmal unterscheidet Symbole von einfachen Zeichen. Einfache Zeichen entstehen schlichtweg im Zuge von Übereinkommen und Zweckmäßigkeit und sind ersetzbar. Symbole hingegen, so formuliert es Tillich, werden geboren und sterben.27 Sie können nicht einfach erfunden werden, sondern entstehen aus eigener innerer Kraft28. Die dem Symbol innewohnende Kraft erschließt dem Menschen neue Dimensionen der Wirklichkeit, die ihm sonst verschlossen bleiben würde29. Wenn das Symbol seine innere Macht verliert, zerfällt sein Symbolcharakter und es wird zu einem bloßen Zeichen30. So ist es also die Selbstmächtigkeit des Symbols, welche sich selbst seine Form und seinen Ausdruck schafft31.
Diese Macht kann sowohl aufbauende als auch zerstörerische Wirkung auf einzelne Menschen, Gemeinschaften oder auch Gesellschaften ausüben. Aus diesem Grund warnt Tillich ausdrücklich vor einer Unterschätzung und Verharmlosung von Symbolen als schlichte semantische Zeichen.32
4.4 Die Anerkanntheit
Das letzte Merkmal des Symbols nach Tillich ist die Anerkanntheit. Symbolwerdung ist nur durch die Anerkennung von einer Gruppe von Menschen möglich. Das Symbol muss „sozial eingebettet und getragen“33 sein.34 Zwar können Symbole ihre Entstehung einem Einzelnen, z.B. einem Künstler oder Propheten verdanken, zum Symbol werden sie jedoch erst, indem sie von einer Gemeinschaft (bewusst oder unbewusst) allgemein anerkannt werden. Nur durch diese Anerkennung können sie lebendig bleiben.35 Wenn eine Gruppe aufhört das Symbol anzuerkennen oder diese auseinanderfällt, so verliert das Symbol seine Bedeutung und sinkt zu einem Zeichen ab. Das Symbol stirbt.36
5. Das religiöse Symbol
Die soeben aufgeführten Merkmale des Symbols nach Tillich gelten gleichermaßen für religiöse Symbole. Wenn Tillich nun über religiöse Symbole spricht, so sagt er, dass religiöse Symbole die einzige Sprache seien, in der sich Religion unmittelbar ausdrücken kann37. Zwar können Aussagen über Religion getroffen werden oder man versucht in der Kunst das Religiöse zu erfassen, aber „das Religiöse selbst kann sich nur in Symbolen ausdrücken“38.
[...]
1 Tillich, Die Frage, 237.
2 Vgl. Nörenberg, Analogia, 69f.
3 Vgl. Christophersen, Bultmann und Tillich, 201.
4 Vgl. Albrecht/Schüßler, Paul Tillich, 10.
5 Vgl. Christophersen, Bultmann und Tillich, 201f.
6 Vgl. Albrecht/Schüßler, Paul Tillich, 18.
7 Vgl. a.a.O., 22.
8 Vgl. a.a.O., 38.
9 Vgl. Christophersen, Bultmann und Tillich, 203.
10 Vgl. a.a.O., 57.
11 Vgl. Christophersen, Bultmann und Tillich, 203f.
12 Vgl. Albrecht/Schüßler, Paul Tillich, 167.
13 Vgl. Grau, Symbol, 1296.
14 Vgl. Nörenberg, Analogia, 13f.
15 Vgl. Müller, Symbole und Markenführung, 19.
16 Vgl. Grau, Symbol, 1296.
17 Nörenberg, Analogia, 54.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 4.
20 Nörenberg, Analogia, 83.
21 Vgl. Tillich, Die Frage, 196.
22 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 4.
23 Vgl. Nörenberg, Analogia, 83.
24 Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 4.
25 Vgl. ebd.
26 Vgl. Nörenberg, Analogia, 84.
27 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 4.
28 Vgl. Nörenberg, Analogia, 85.
29 Vgl. a.a.O., 86.
30 Vgl. Tillich, Die Frage, 196.
31 Vgl. Nörenberg, Analogia, 84.
32 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 6.
33 Tillich, Die Frage, 197.
34 Vgl. ebd.
35 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 4f.
36 Vgl. Nörenberg, Analogia, 86.
37 Vgl. Tillich, Symbol und Wirklichkeit, 3.
38 Ebd.