Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
II. ARMUT IN DER DRITTEN WELT
1. Zum Begriff Dritte Welt
2. Definition von Armut
III. KENIA - NAIROBI
1. Kenia - Zahlen, Daten, Fakten
2. Nairobi - Zahlen, Daten, Fakten
IV. MATHARE VALLEY
1. Infrastruktur, Lebensraum, Bevölkerung
2. Ursachen der Armut
3. Auswirkungen der Armut
4. Zusammenfassung
V. BEKÄMPFUNG DER ARMUT
1. Sanierungsprogramm (Amani Housing Trust)
2. Gesundheitsversorgung (German Doctors)
3. Bildungsversorgung (Informal Schools)
4. Straßenkinder-Center (Streetchildren Project)
5. Zusammenfassung
VI. ZWISCHEN HOFFNUNG UND VERZWEIFLUNG
VII. ANHANG
VIII. GLOSSAR
IX. LITERATURVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
Flutkatastrophen in Mocambique, Hungersnöte in Äthiopien, Völkermorde in Ruanda - immer wieder erscheinen grausame Bilder in unseren Medien, und immer wieder wird uns von furchtbaren Katastrophen in Dritte Welt Ländern berichtet. Solche Ereignisse sind medienwirksam, erwecken Aufmerksamkeit, fördern die Spendenbereitschaft. Das tägliche Elend in diesen Ländern ist nicht so medienwirksam, nicht so spektakulär. Aber es ist nicht weniger grausam, nicht weniger furchtbar als die genannten Katastrophenberichte.
Im Folgenden soll diese alltägliche Armut in den Ländern exemplarisch beschrieben werden, anhand eines Slums* in Nairobi, der Hauptstadt Kenias. In diesem Slum habe ich in den Jahren 1998 und 1999 für 10 Monate in einem Straßenkinder-Center gearbeitet. Diese Arbeit kann nur ein Fallbeispiel sein und ist nicht übertragbar auf andere Länder und vor allem nicht auf andere Kontinente, die eine andere Geschichte haben, eine andere Kultur, andere Voraussetzungen. In diesem Fallbeispiel wird die Armut in einer Großstadt in Kenia beschrieben.
II. ARMUT IN DER DRITTEN WELT
1. Zum Begriff Dritte Welt
Die Begrifflichkeit „Dritte Welt“ stammt ursprünglich aus dem Politischen und beschrieb den „dritten Weg“ den viele Länder in Asien und Afrika nach dem 2. Weltkrieg gingen. Während Nordamerika und Westeuropa als „Erste Welt“ bezeichnet wurden und die Ostblockstaaten als „Zweite Welt“, wurden die Blockfreien Länder als „Dritte Welt“ bezeichnet. Dieser Begriff war aber von Anfang an nicht stimmig, da viele Länder nicht einzuordnen waren (so z.B. in Lateinamerika) und viele Länder der „Dritten Welt“ sich an einer der Großmächte orientiert haben.
Ziemlich bald wurden mit dem Begriff „Dritte Welt“ die „Entwicklungsländer“ bezeichnet. Beide Begriffe weisen Mängel auf. Bezüglich des Begriffes der Dritten Welt ist neben oben Genanntem zu hinterfragen, ob es nach dem Kalten Krieg und nach dem Auflösen des Ostblockes, also der „Zweiten Welt“, überhaupt noch eine „Dritte Welt“ geben kann. Des weiteren ist zu hinterfragen, ob der Begriff „Dritte Welt“ nicht auch abwertend verstanden werden kann, in dem Sinn dass die „Erste Welt“ nicht nur die wirtschaftlich besser entwickelte, sondern generell die „höher“ entwickelte ist.
Aber auch der Begriff „Entwicklungsländer“ beschreibt nicht die tatsächliche Situation der betreffenden Länder. Hier war ursprünglich der Gedanke, dass es sich um Länder handelt, die auf dem Wege der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Dies ist aber nicht zutreffend, wenn man bedenkt, dass sich in vielen sogenannten „Entwicklungsländern“ der Lebensstandard im Vergleich zu den reichen Industrienationen zurückentwickelt hat!1 „Der Worldwatch Institute Report von 1990/91 bewertet ihn [den Begriff], wenn er auch die „die am wenigsten entwickelten Länder“ (LLDC* = Least Developed Countries) einschließt, als „grausame Parodie“.“2 Im Folgenden wird nicht der Begriff „Entwicklungsländer“, sondern trotz der oben Genannten Kritikpunkte der Begriff „Dritte Welt“ verwendet. Franz Nuscheler benennt folgende Kriterien für die Dritte Welt2:
- Sie ist die„arme Welt“der im Vergleich zum reichen und industrialisierten Westen„weniger entwickelten Länder“, wobei für dieÖlländer zumindest das Merkmal der industriellen Unterentwicklung zutrifft.
- Sie ist mehrheitlich„nicht-weiße“Welt, die in den entwicklungspolitischen Kinderjahren auch als„nicht- westliche Welt“ bezeichnet wurde, in beiden Fällen aber unter Protest der lateinamerikanischen Führungsgruppen, die mehrheitlich„weiß“(bzw. mestizisch[3 ])) sind und sich entschieden der westlichen Hemisphäre zugehörig fühlen.
- Sie zählt sich selbst weder zur westlich-kapitalistischen Ersten Welt noch zuröstlichen-sozialistischen Zweiten Welt, obwohl manche„Freunde des Westens“oder„sozialistische Entwicklungsländer„(nach sowjetischer Sprachregelung) enge Beziehungen zu einer der beiden anderen„Welten“hatten. Dieses blockpolitische Selbstverständnis, das sich auch in der Zugehörigkeit zur Bewegung der blockfreien Staaten manifestierte (der sich bezeichnenderweise die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten nicht anschloß), wurde durch die Auflösung der Blöcke hinfällig.
2. Definition von Armut
4 Armut, wirtschaftliche Lage, in der es Menschen an ausreichenden Mitteln fehlt, um ein bestimmtes minimalesNiveau der Gesundheitsvorsorge, Ernährung, Kleidung, Bildung und des Wohnens aufrechtzuerhalten, das allgemeinals notwendig erachtet wird, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Was dabei als angemessen gilt, hängt allerdings stark vom durchschnittlichen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft ab.
Der Begriff relative Armut findet Verwendung zur Beschreibung der materiellen Lage von Personen, derenEinkommen beträchtlich unter dem jeweiligen gesellschaftlichen Durchschnitt liegt. Subjektive Armut liegt dann vor,wenn die Betroffenen selbst ihre Lage als Armut empfinden. Als absolute Armut bezeichnet man den Mangel an der für den Erhalt der Gesundheit notwendigen Nahrung.
Wenn im Folgenden von „Armut“ die Rede ist, ist die absolute Armut gemeint.
III. KENIA - NAIROBI
1. Kenia - Zahlen, Daten, Fakten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
5 entnommen aus: Infopedia 2.06
Kenia ist eine Präsidiale Republik in Ostafrika, ehemals britische Kolonie, unabhängig seit 1963. Seit der Unabhängigkeit hat sich die Bevölkerungszahl ungefähr verdreifacht, ca. alle 18 Jahre verdoppelt sie sich. Das Bevölkerungswachstum ist somit eines der größten der Welt. Im Jahre 2000 müsste die Bevölkerung nach Schätzungen bei weit über 30 Millionen Einwohnern sein. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahren, der Anteil der städtischen Bevölkerung ist mit 25% aufgrund der Armut auf dem Land relativ hoch. Die Industrialisierung nach der Unabhängigkeit lief schleppend voran, da Kenia kaum Rohstoffe besitzt, und ausländische Investoren ihre Facharbeiter und Maschinen mitbrachten und große Teile der Gewinne wieder ins Ausland ausführten. Die Landverteilungen der ehemaligen Kolonialbesitze war 1966 abgeschlossen, wobei immer noch 16.000 Quadratkilometer in der Hand von weißen Farmern war, und nur einige Kenianer berücksichtigt wurden. Viele ehemalige Landarbeiter zogen auf der Suche nach Geld und Arbeit in die Städte, v.a. nach Nairobi. Die ersten Slums entstanden. Bis heute hält der Zuzug von Menschen in die Städte an. Diese Landflucht wird durch die fehlende Infrastruktur auf dem Lande begünstigt. Es fehlt an Arbeitsmöglichkeiten, Krankenhäusern und oft an Nahrung und trinkbarem Wasser. Hungersnöte und Epidemien sind immer wieder an der Tagesordnung.
Kenia ist ein beliebtes Reiseland, die Tourismusindustrie ist der wichtigste Devisenbringer. Danach kommt der Tee und Kaffeeexport. Sowohl der Tee- und Kaffeeexport, als auch die Tourismusindustrie sind stark unter Druck geraten, der Export durch fallende Rohstoffpreise, die Tourismusindustrie durch die Aids-Problematik des Landes, auf die später noch eingegangen wird.
Kenia gehört zu einem der weitesten entwickelten Länder Schwarzafrikas7. In Kenia herrscht aber eine kleine Oberschicht, welche die Mehrheit des Kapitals besitzt. Die große Masse der Bevölkerung (über 50%) lebt in Armut, zum Teil auf dem Land, zum Teil in Slums, die sich am Rande der Großstädte gebildet haben. Die Mittelschicht ist klein und spielt nur eine geringe Rolle in der Wirtschaft und Politik.
2. Nairobi - Zahlen, Daten, Fakten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nairobi.8, Hauptstadt von Kenia, auf einer Höhe vonetwa 1.660 Meternüber dem Meeresspiegel im Hochlanddes Ostafrikanischen Grabens gelegen.
Nairobi ist Kenias wirtschaftlicher und administrativer Mittelpunkt und eine der größten und am schnellsten wachsenden Städte Afrikas. Industrielle Erzeugnisse der Stadt sind Nahrungsmittel, Textilien, Kleidung, Baustoffe, Kommunikationsanlagen und Transportmittel. Der Fremdenverkehr ist ebenfalls von wirtschaftlicher Bedeutung. Als Bildungszentrum des Landes beheimatet
entnommen aus: Encarta 998die Stadt eine Universität(1956), das Polytechnikum von Kenia(1961), ein Musikkonservatorium(1944) und mehrere Forschungsinstitute
Nairobi dürfte im Jahre 2000 zwischen 2 und 3 Millionen Einwohner haben. Schätzungen sind schwierig, da ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in Slums lebt und nicht erfasst ist. Nairobi ist eine sehr junge Stadt, sie wurde in der Kolonialzeit um die Jahrhundertwende gegründet und wurde wenig später Sitz der Kolonialverwaltung. Von Anfang an gab es Zuwanderungsbewegungen vom Land in die Stadt Nairobi. Diese Zuwanderer haben sich am Rande der Stadt (oft illegal) angesiedelt, die älteste dieser Ansiedlungen ist das Mathare Valley im Nordosten der Stadt.
IV. MATHARE VALLEY
1. Infrastruktur, Lebensraum, Bevölkerung
9 Das Mathare Valley („Mathare Tal“) liegt im Nordosten von Nairobi und ist das älteste Slum in Nairobi. Ungefähr 180.000 Menschen leben im Mathare Valley. Die Infrastruktur ist schlecht. Es gibt keine befestigten Straßen, in der Regenzeit ist das Slum nur bedingt oder gar nicht befahrbar. Es gibt keine Müllabfuhr für das Tal, der Müll wird von den Menschen auf die Straße geworfen und dort von Zeit zu Zeit verbrannt. Strom und Wasser sind nur in Teilen des Slums vorhanden. Die Abwasserkanäle sind, wenn überhaupt vorhanden, nicht groß genug dimensioniert, was bedeutet, dass ein Großteil des Abwassers überirdisch abfließt. Toiletten sind nur in Teilen des Slums vorhanden. Die Kriminalität ist hoch, nachts gibt es praktisch keine polizeiliche Ordnung. Die Bevölkerung des Slums kommt aus ganz Kenia, was zum Teil zu Konflikten führt, da keine homogene Bevölkerung vorhanden ist.
Im Folgenden soll ein bestimmter Teil des Slums näher betrachtet werden, der mit zum ärmsten Teil des Slums gehört (auch im Slum selbst sind die Besitzunterschiede zum Teil beträchtlich hoch). In diesem Teil des Slums - Mathare 4A - gibt es seit mehreren Jahren ein aus Deutschland finanziertes Sanierungsprogramm. Durch die Arbeit dieses Programms liegen in diesem Teil des Slums genauere Daten vor:
Auf der Gesamtfläche von 14 Hektar leben über 30.000 Menschen in ungefähr 6.000 Haushalten. Die meisten Häuser sind Lehm- oder Wellblechhütten, die weder Wasser- noch Stromversorgung besitzen. Toiletten sind fast keine vorhanden, die meisten Einwohner dieses Slumteils müssen ihre Notdurft im Freien verrichten. Ein Haushalt mit durchschnittlich 5 Personen wohnt in einer Hütte von 9 bis 12 Quadratmetern. Das durchschnittliche Monatseinkommen einer Familie betrug im Jahre 1992 1.980,-- kenianische Schilling (KSh), dieser Betrag entsprach zu dieser Zeit ungefähr 60,-- bis 70,-- DM. Die Einwohner von Mathare sind zu 92% Mieter der Wellblechhütten, nur 8% sind Eigentümer. Die Miete beträgt monatlich zwischen 300,-- und 400,-- KSh. Die Eigentümer der vermieteten Häuser wohnen außerhalb des Slums und sind lediglich Besitzer der Häuser, nicht des Landes, auf dem die Häuser stehen. Dieses Land haben sie sich illegal angeeignet.
2. Ursachen der Armut
Wie schon erwähnt wurde, sind die Slums in Kenia durch die Verelendung auf dem Lande und die daraus resultierende Landflucht entstanden. Die Familien wohnten ursprünglich auf dem Land in Großfamilien zusammen und ernährten sich durch Ackerbau und / oder durch Viehhaltung. Durch das Bevölkerungswachstum, die daraus resultierende Verknappung der Ressourcen und durch die Vernachlässigung der ländlichen Gebiete in Kenia durch die Regierung herrscht in vielen Landesteilen Armut. Die Verelendung der Bevölkerung wird durch Dürrezeiten, Krankheitsepidemien und Hungersnöte noch verstärkt.
Viele Familien sind aus den genannten Gründen in die Städte Kenias gezogen, vor allem nach Nairobi. Dort erhofften sie sich ein besseres Leben, durch Arbeit und bessere Versorgungsmöglichkeiten. Diese Menschen siedelten in der Regel in die Außenbezirke der Städte, wo immer größer werdende Slums entstanden.
Die Zugezogenen sind meistens ungelernte Arbeiter, die in Nairobi bei einer Arbeitslosigkeit von ca. 50% keine Chance haben, eine qualifizierte Arbeit zu bekommen. Sie müssen sich meist als „Tagelöhner“10 durchschlagen. Das Elend vom Land wird zum Elend in der Stadt. Die Regierung und die Stadtverwaltung haben sich von Beginn an nur halbherzig oder gar nicht um diese Slumbildungen gekümmert. Die Ansiedelungen wurden zum Teil verboten, es wurden aber keine entsprechenden Schritte dagegen eingeleitet. Die Verantwortlichen in Regierung und Stadtverwaltung haben zum Teil sogar Profit geschlagen aus den illegalen Ansiedelungen. Sie haben sich Grundstücke illegal angeeignet und Häuser (Wellblechhütten und Lehmhütten) darauf errichtet, die sie an die Zugezogenen vermieten. Diese „Hauseigentümer“ werden auch „Landlords“ genannt.
Durch die mangelnde Absicherung im Alter, durch die afrikanische Kultur11 und durch die mangelnde Bildung der Slumbewohner ist das Bevölkerungswachstum im Slum sehr hoch. Die mittellosen Familien bekommen immer mehr Kinder, die sie eigentlich nicht versorgen können. Sie sollen mithelfen, die Familie und die älter werdenden Eltern zu versorgen. Eine weitere Ursache der Armut, vor allem die vieler Kinder, ist der immer weiter zunehmende Anteil von HIV positiven Menschen. Schätzungen gehen von 20 bis 40% der Erwachsenen aus, die hiv-positiv sind. Aidswaisen und Alleinerziehende Väter und Mütter sind die Folge.
3. Auswirkungen der Armut
Durch die hohe Arbeitslosigkeit sind viele Familien nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Um nicht wohnungslos zu werden, muss die Miete bezahlt werden. Oft ist nicht genügend Geld vorhanden, um regelmäßig essen zu können. Viele Bewohner des Slums leiden an Unterernährung und an Mangelernährung. Die gesundheitliche Versorgung ist zu teuer und die hygienischen Voraussetzungen sind schlecht. Häufig treten Malaria, Tuberkulose, verschiedene Wurmerkrankungen und Durchfälle, Hauterkrankungen aller Art, Typhus und andere Krankheiten auf. Bei Erwachsenen ist jede dritte Krankheit eine Geschlechtskrankheit (Syphilis, Gonorrhö und Aids). Die Kindersterblichkeit ist sehr hoch. Die Eltern sind nicht in der Lage genügend Geld aufzubringen, um ihre Kinder in die Schule schicken zu können. Viele Kinder sind deshalb den ganzen Tag auf der Straße. Eine große Anzahl von Kindern, vor allem Jungs, müssen versuchen, Geld für die Familie bzw. für das eigene Überleben zu verdienen. Oft werden die Jugendlichen armer Familien, aufgrund mangelnder Perspektive auf eine richtige Arbeit, kriminell. Selbstjustiz der Slumbewohner ist an der Tagesordnung. Viele Familien sind durch die täglichen Probleme zerrüttet, es gibt eine große Anzahl alleinerziehender Mütter, die von ihren Männern im Slum zurückgelassen wurden. Andere Männer und Frauen sind Alkoholiker. Viele Jungs reißen von daheim aus und versuchen sich selbstständig durch die Stadt zu schlagen. Sie werden zu Straßenjungs („Streetboys“), die sich meist in der Innenstadt von Nairobi zu Gruppen zusammenschließen. Allein in Nairobi gibt es schätzungsweise 40.000 Straßenkinder. Diese Straßenkinder sind größtenteils drogenabhängige „Klebstoff-Schnüffler“12.
4. Zusammenfassung
Die Armut im Slum ist ein Teufelskreis. Arme Eltern können ihren Kindern keine Ausbildung ermöglichen. Dadurch können die Kinder in der Regel von selbst auch nie aus der Armut herauskommen. Der Staat ist einerseits nicht in der Lage, aber auch nicht ernsthaft daran interessiert an der Situation dieser Menschen etwas zu ändern. Die Kriminalität ist sehr hoch und wird immer unkontrollierbarer und brutaler. Die Slums breiten sich immer mehr aus. Durch die hohe Aidsrate, wird es in wenigen Jahren zu einem Massensterben kommen. Sterben wird vor allem die arbeitsfähige Bevölkerung (die jungen Erwachsenen und Erwachsenen), zurückbleiben werden Kinder und Alte.
V. BEKÄMPFUNG DER ARMUT
Im Folgenden sollen verschieden Projekte von NGOs* (Non Governmental Organisations13 ) vorgestellt werden, die in Mathare 4A von einem deutschen Benediktinerkloster aus initiiert wurden, zu dessen Seelsorgebezirk der Slumteil gehört.
1. Sanierungsprogramm (Amani Housing Trust)
14 Wie schon erwähnt wurde, arbeitet in Mathare 4A seit 1992 ein Programm zur Sanierung dieses Slumteils. Durch Gelder der Kreditanstalt für Wiederaufbau* (KfW) wird eine Infrastruktur im Slum erstellt. Hierzu gehören im Einzelnen:
- Errichtungen von befestigten Straßen, die Häuser, die hierfür eingerissen werden müssen, werden an anderer Stelle wieder aufgebaut.
- Errichtungen von sogenannten „Nasszellen“, in denen mehrere Familien gemeinsam die Möglichkeit haben, Toilette und Wasser zu nutzen.
- Für die Nasszellen und Straßen werden Zu- und Abwassersysteme erstellt.
- Es wird für eine Straßenbeleuchtung gesorgt, welche die Sicherheit in der Nacht erhöhen soll.
- Es werden Müllsammelplätze erstellt und eine regelmäßige Müllabfuhr eingerichtet.
- Die „Landlords“ (vgl. Seite 8) werden enteignet und die Mieteinnahmen werden einer Treuhandgesellschaft (Amani Housing Trust) zugeführt.
Ziel des Programms ist es, den Slumteil zu sanieren und anschließend der kenianischen Treuhandgesellschaft die Verwaltung zu überlassen. Diese ist schon jetzt für die Wartung der Infrastruktur zuständig. Wenn Überschüsse bleiben, werden diese in die Renovierung der bestehenden Häuser investiert, die zunächst aber nicht saniert werden. In der Planungs- und Pilotphase wurde die Bevölkerung des Slumteils miteinbezogen. Das geschätzte Gesamtvolumen des Programms beträgt 16,75 Millionen DM.
2. Gesundheitsversorgung (German Doctors)
Seit 1997 gibt es ein „Medical-Centre“ in Mathare 4A in dem Deutsche Ärzte ehrenamtliche Einsätze ableisten. Die Organisation heißt "Ärzte für die Dritte Welt“ (German Doctors). Sie hat ihren Sitz in Frankfurt. Sie stellt das ganze Jahr über Ärzte zur Verfügung und finanziert auch die Medikamente, die Gebäude und die kenianischen Krankenschwestern, die im Medical-Centre arbeiten. In besonderen Fällen werden auch Operationskosten übernommen, die in einem staatliches Krankenhaus durchgeführt werden. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten ist, dass die Ärzte eine Überweisung für die Operation ausschreiben.
Die Patienten müssen je Behandlung (nicht je Termin) einen symbolischen Betrag von 30,-- KSh bezahlen (was ungefähr 1,-- DM entspricht), die Medikamente sind frei. Der Betrag von 30,-- KSh ist weniger für die Deckung der Unkosten vorgesehen, als vielmehr dazu die Bewohner des Slums zur Eigenverantwortung anzuhalten. Durch den Beitrag von 30,- KSh, der ein Bruchteil der Kosten ist, die ein normaler Arztbesuch in Kenia kosten würde, leisten die Patienten einen eigenen Beitrag für ihre Gesundheit.
Im Rahmen der Behandlungen wird auch versucht, gesundheitliche Aufklärung und Erziehung zu leisten. Dieses ist vor allem im Hinblick auf die beschriebene AidsProblematik notwendig.
Ein weiterer Bereich des medical-centres ist ein „feeding-project“ (Essensausgabe), in dem an unterernährte Kleinkinder, die von den Ärzten überwiesen werden, über längere Zeit warmes Essen ausgegeben wird.
3. Bildungsversorgung (Informal Schools)
Auf dem nahegelegen Gelände des Benediktinerklosters, zu dessen Seelsorgebezirk der Slumteil Mathare 4A gehört, gibt es seit mehreren Jahren eine sogenannte “Informal School”. Es handelte sich hierbei ursprünglich um eine Programm, dass Kindern aus dem Slum einfachste Grundlagen im Rechnen, Lesen und Schreiben beibringen sollte. Mit der Zeit ist dieses Projekt immer mehr zu einer richtigen nichtstaatlichen (“privaten”) Schule geworden, die seit kurzem sogar zum staatlich anerkannten Abschluss der “Primary School” (= die 8 jährigen Elementarschule) führt. Die Schule ist billiger als die staatlichen Schulen und stellt die Textbücher für die Schüler zur Verfügung. Dadurch wird es auch Kindern aus ärmeren Familien ermöglicht, in die Schule zu gehen.
4. Straßenkinder-Center (Streetchildren Project)
Schon erwähnt wurden die zahlreichen Straßenkinder in Nairobi (ca. 40.000). Seit mehreren Jahren gibt es für 20 Straßenkinder eine Tageseinrichtung für Jungs im Alter zwischen 7 und 14 Jahren, die nicht zur Schule gehen, sich in den Straßen des Mathare Valley herumtreiben und zum Teil Klebstoff schnüffeln. Das Center ist eine Einrichtung mit niedriger Hemmschwelle. Die Sozialarbeiter gehen regelmäßig in die Straßen um solche Kinder anzusprechen, Kontakte zu knüpfen und in das Center einzuladen. Im Center können die Kinder sich und ihre Kleider waschen, es gibt eine warme Mahlzeit, und es wird zur Förderung der Kinder in verschiedenen Bereichen ein Förderprogramm angeboten. Wenn die Kinder regelmäßig kommen, wird versucht, Kontakt zu den Eltern aufzunehmen und eine Fallgeschichte zu erstellen. Ziel ist es, das Kind wieder in die Familie zu integrieren und die Eltern für ihr Kind verantwortlich zu machen. Danach wird für das Kind zusammen mit Eltern und unter Mitsprache des Kindes ein Aktionsplan erstellt und durchgeführt, der die weitere Zukunft des Kindes plant (z.B. (Wieder-)Aufnahme des Schulbesuches, Suche nach einem Ausbildungsplatz, etc.).
5. Zusammenfassung
Dies war nur eine kleine Auswahl von Pogrammen zur Armutsbekämpfung. In den Slums von Nairobi arbeiten zahlreiche verschiedene NGOs aus verschiedenen Industrienationen. Das Engagement der staatlichen verantwortlichen Stellen ist hierbei sehr gering, zum Teil sogar kontraproduktiv.
Ziel aller Programme ist neben den individuellen Hilfen, welche die akute Armut lindern sollen, die Hilfe zur Selbsthilfe. Im Sanierungsprojekt ist das z.B. die Miteinbeziehung der Bevölkerung in der Planung und Durchführung des Programmes. Im Medical-Center und in der Informal-School müssen die Leistungen bezahlt werden. Und im Staßenkinderprojekt werden die Kinder und die Eltern bewusst in Planung und Durchführung miteinbezogen.
VI. ZWISCHEN HOFFNUNG UND VERZWEIFLUNG
„Das Jahr 1996 hatten die Vereinten Nationen zum Jahr der Bekämpfung der Armut ausgerufen, denZeitraum von 1997 bis 2006 zur Dekade der Abschaffung der Armut.“ 15
Es soll gegen die weltweite Armut vorgegangen werden, von einem „Krieg gegen die Armut“ ist die Rede. Schon 1980 formulierte Willy Brand in der Einleitung zum Brand-Bericht:
„Noch nie hat die Menschheitüber so viele technische und finanzielle Ressourcen verfügt, um mit Hungerund Armut fertig zu werden. Die gewaltige Aufgabe lässt sich meistern, wenn der notwendige gemeinsameWille mobilisiert wird.“16
Seit diesem Bericht sind nun zwei Jahrzehnte vergangen, aber es scheint doch entweder am Willen oder an den technischen und finanziellen Ressourcen zu fehlen, wenn man die Daten der letzten Jahrzehnte und die Prognosen betrachtet.
Es kann auch gefragt werden, zu was sich denn die Dritte Welt Länder hinentwickeln sollen. Sie können sich nicht zu der grenzlosen Ausbeutung von natürlichen Ressourcen hinentwickeln, wie sie in den Industrienationen betrieben wird. Damit würden wir die Lebensgrundlage auf der wir leben, die „Eine Welt“, zugrunde richten. Die Entwicklung in den Dritte Welt Ländern muss ihre eigenen Wege gehen. Und es muss auch ein Umdenken in den Industrienationen geben. Ein Umdenken, dass solidarisches Abgeben fördert, anstatt Entwicklungen die immer mehr die Vermehrung von Kapital und Konsum fördern. Es geht nicht um die jährliche Spende für Brot für die Welt und auch nicht um das Hilfspaket für Katastrophenopfer. Aber wer in den Industrienationen ist wirklich bereit etwas von seinem Wohlstand abzugeben und weniger Konsum in Kauf zu nehmen? Es geht auch um eine Bekämpfung der Ungleichheit in den Dritte Welt Ländern selbst. Solange Entwicklungshilfe in die Töpfe korrupter Regierungen und Eliten in den Ländern der Dritten Welt fließt, fließt sie direkt in die Töpfe der Industrienationen zurück, nämlich auf die Schweizer Nummernkonten der Regierungschefs dieser Länder und in die Anschaffung neuer Luxusgüter für die besagten Eliten. Diese Entwicklungshilfe ist Entwicklungshilfe hin zu einer neuen Unterdrückung der betroffenen Völker, diesmal nicht durch weiße Kolonialherren, sondern durch die eigenen korrupten Eliten. Hoffnung gibt mir die Hilfe, die wie beschrieben wurde, schon geleistet wird. Sie mag wie ein „Tropfen auf den heißen Stein“ wirken, aber sie ist ein Anfang. Und es lohnt sich weiterzumachen!
[...]
1 Vgl. im Anhang: 3. Entwicklungen in der Dritten Welt im Vergleich zu den Industrienationen
2 NUSCHELER, Franz (Seite 69)
3 Der Mestize (spanisch): Mischling aus einem indianischen und einem weißen Elternteil.
4 Artikel "Armut“in:MICROSOFT®ENCARTA®99 ENZYKLOPÄDIE.
5 Weitere Informationen im Anhang: 1. Kenia - Zahlen, Daten, Fakten
6 Artikel„Weltfakten - Kenia“in:INFOPEDIA2.0 ENZYKLOPÄDIE
7 Mit „Schwarzafrika“ sind die Länder Afrikas südlich der Sahara gemeint.
8 Artikel "Nairobi" in: MICROSOFT®ENCARTA®99 ENZYKLOPÄDIE.
9 In den folgenden Kapiteln fließen die Erfahrungen mit ein, die ich in der Zeit gesammelt habe, in der ich im Mathare Valley in einem Straßenkinder-Center gearbeitet habe. Bilder des Mathare Valleys und von Straßenkindern in der Innenstadt Nairobis sind im Anhang zu finden.
10 “Tagelöhner” (englisch: “casual worker”) sind häufig in Dritte Welt Länder anzufinden. Diese Tagelöhner haben keine feste Anstellung, sondern „finden“ nur ab und zu Arbeit und werden dann nach geleisteten Stunden bezahlt. Sie zählen in der Arbeitslosenstatistik als Arbeitslose.
11 Kinder gelten in Kenia als Statussymbol.
12 Das Klebstoffschnüffeln ist in Dritte Welt Ländern eine weit verbreitete Art des Drogenmissbrauches. Die Droge Klebstoff ist billig und betäubt und lähmt dadurch das Hunger- und Kältegefühl. Die Zerstörung der Atemwege, der Gehirnzellemn und starke Abhängigkeit sind die Folgen des Klebstoffschnüffelns.
13 nicht staatliche Organisationen
14 Eine Präambel („Set-Up“) des Programms findet sich im Anhang.
15 Artikel "Armut" in: MICROSOFT®ENCARTA®99 ENZYKLOPÄDIE.
16 NUSCHELER, Franz (Seite 523)
- Arbeit zitieren
- André Ettl (Autor:in), 2000, Armut in Dritte Welt Ländern am Beispiels eines Slums in Nairobi / Kenia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102135
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