Textilarbeiten und andere Materialien zur Wahrnehmungsförderung in der basalen Klasse


Hausarbeit, 2001

95 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Personenkreis
1.1. Positivdefinition
1.2. Negativdefinition
1.3. Besondere Bedürfnisse
1.4. Schüler und Schülerinnen in Basalen Förderklassen

2. Bewegung

3. Wahrnehmung
3.1. Sensorische Integration
3.2. Entwicklung der Wahrnehmung
3.2.1. Vestibuläre Wahrnehmung
3.2.2. Gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung
3.2.3. Taktile Wahrnehmung
3.2.4. Visuelle Wahrnehmung
3.2.5. Akustische Wahrnehmung
3.3. Sinneswahrnehmungsorgane
3.4. Basale Wahrnehmungsanregung

4. Konkrete Wahrnehmungsanregung
4.1. Basalbereiche
4.1.1. Somatische Anregung
4.1.2. Vestibuläre Anregung
4.1.3. Vibratorische Anregung
4.2. Differenzierungsbereiche
4.2.1. Orale und gustatorisch – olfaktorische Anregung
4.2.2. Taktil-haptische Anregung
4.2.3. Visuelle Anregung
4.2.4. Akustische Anregung

5. Mögliche Fördermaterialien
5.1. Materialien die dem textilen Werken zugeordnet werden können
5.1.1. Duftsäckchen
5.1.2. Knopfpolster
5.1.3. Tastsäckchen
5.1.4. Tastbuch
5.1.5. Würfel
5.1.6. „Pomponschlange“
5.1.7. „Fisch im Fisch“
5.2. Materialien die dem technischen Werken zugeordnet werden können
5.2.1. Regenmacher
5.2.2. Rasseln aus Glühbirnen
5.2.3. Rasseldosen

6. Fördermöglichkeiten im Bereich der Werkerziehung in der Sonderschule für schwerstbehinderte Schüler
6.1. Handmotorik
6.2. Fördermöglichkeiten
6.2.1. Knüllen
6.2.2. Reißen
6.2.3. Wickeln
6.2.4. Drehen
6.2.5. Flechten
6.2.6. Stechen und Fädeln
6.2.7. Weitere Möglichkeiten

7. Kommunikation
7.1. Sprachheilarbeit in basalen Klassen

8. Basale Förderklassen in Wien
8.1. Unterricht in Basalen Förderklassen
8.1.1. Unterrichtsziele
8.1.2. Prinzipien der Basalen Förderklassen
8.1.2.1. Dialogisches Prinzip
8.1.2.2. Individualisierter Unterricht
8.1.2.3. Ganzheitlichkeit
8.2. Pädagoginnen und Pädagogen
8.3. Entwicklung der Basalen Förderklassen in Wien

Nachwort

Literatur

Vorwort

Im Rahmen der Ausbildung zur Sonderschullehrerin wurde die Möglichkeit geboten ein Semester in einer Basalen Förderklasse zu arbeiten. Es war meine eigene Entscheidung mein Tagespraktikum in diesem Schultyp zu absolvieren.

Es war mein Wunsch, die Arbeit mit mehrfachbehinderten Kindern zu beobachten und auch selbst daran teilzuhaben.

Bereits beim Betreten des Gebäudes fiel mit die besonders angenehme und fröhliche Atmosphäre auf, wodurch ich mich sofort sehr wohl fühlte.

Nach einigen Hospitationen, um mir ein Bild machen zu können, begann ich selbst mit einem Kind zu arbeiten. Im direkten Umgang mit dem Schüler verlor ich schnell jegliche Berührungsängste und konnte von Anfang an guten Kontakt herstellen. Mich faszinierte der respektvolle und gefühlsbetonte Umgang mit den Schülern.

Ich lernte so einen für mich völlig neuen Bereich der Pädagogik kennen und konnte mir bereits zu diesen Zeitpunkt vorstellen mich mit der Förderung mehrfachbehinderter Kinder und Jugendlicher näher zu beschäftigen.

Ich lernte bei dieser Arbeit wichtige Teilbereiche der basalen Förderung kennen und konnte diese Kenntnisse auch in der Praxis anwenden und mich damit auseinandersetzen.

Besonders interessant erschien mir der vielfältige und abwechslungsreiche Umgang mit verschiedenen Fördermaterialien.

Mich beeindruckten die unterschiedlichsten Möglichkeiten, aus teilweise alltäglichen Materialien, vielfältige und individuelle Förderangebote zu schaffen.

„Wesentliche Voraussetzung für jedes Lernen ist die von Vertrauen und Zuwendung erfüllte und in einer Atmosphäre des Wohlbefindens getragene menschliche Beziehung zwischen Kind und Erwachsenem. Auf dieser Grundlage haben Unterricht und Erziehung aufzubauen.“ (LEHRPLAN DER SONDERSCHULEN, 1998, S. 339)

Einleitung

Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen theoretische und praktische Grundlagen und verschiedene Fördermöglichkeiten aus dem Bereich der basalen Förderung.

Es wurde versucht eine klare und eindeutige Struktur in einzelne Wahrnehmungsbereiche zu bringen, wobei diese nicht isoliert gesehen werden dürfen. Mögliche Fördermaterialien aus dem Bereich des textilen Werkens wurden umfangreich und deren Entstehung genau beschrieben. Mit Fotos der selbst hergestellten Werkstücke werden diese veranschaulicht.

Es wurde versucht, Menschen die nicht oder kaum in der Lage sind selbständig mit Textilmaterialien und anderen Materialien zu arbeiten bzw. etwas daraus herzustellen, die Möglichkeit zu geben mit bereits hergestellten Werkstücken zu hantieren und Nutzen daraus zu ziehen.

Der Bereich des Werkens ist in diesem Fall nicht vom Schüler ausgehend zu sehen, sondern der Lehrer stellt Fördermaterialien für den Schüler her.

1. Personenkreis

Schwerstbehindert nennt man Menschen, deren Gesamtentwicklung hauptsächlich im Bereich der Motorik, der Kognition und der Kommunikation beeinträchtigt bzw. extrem verzögert ist. Schwerstbehinderte Menschen sind kaum in der Lage elementare Selbstständigkeit zu erlangen, und sie sind in fast allen Bereichen des täglichen Lebens auf die Hilfe anderer Personen angewiesen.

Bei der Beschreibung von Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung sollte nicht von Negativdefinitionen ausgegangen werden, eher sollten besondere Bedürfnisse dieser Personengruppe beschrieben werden und vor allem das, wozu sie fähig sind. Trotzdem sind sowohl Positivdefinitionen als auch Negativdefinitionen in der Literatur zu finden, die aus Gründen der Vollständigkeit in diesem Kapitel behandelt werden.

KNAAK (vgl. 1996, S. 11) führt in diesem Zusammenhang genaue Positiv- und Negativdefinitionen an.

1.1. Positivdefinition

Menschen die in der Lage sind:

- mit dem Körper zu kommunizieren (Atmung, Bewegung, Laute, usw.),
- körpernahe Aktivität wahrzunehmen (Wärme, Druck, Schwingung, usw.),
- sich aktiv vor Dysregulation zu schützen (um ihr inneres Gleichgewicht zu halten),
- zu psychomotorischem Rückzug,
- zu elementaren Austauschprozessen und
- zu leiden, aber auch glücklich zu sein.

1.2. Negativdefinition

Menschen ohne Fähigkeiten zu:

- Kommunikation (Sprache),
- zielgerichteter Fortbewegung,
- Werkzeuggebrauch der Hände,
- komplexer Informationsentnahme,
- eigenaktiver Beschäftigung,
- Selbstversorgung und
- Lebensplanung und Lebensführung.

1.3. Besondere Bedürfnisse

Schwerstbehinderte Menschen haben aufgrund ihrer erlittenen Schädigung und der erlebten Beeinträchtigungen besondere Bedürfnisse in ihrer eigenen Weiterentwicklung und im Umgang mit anderen Menschen. Diese Bedürfnisse sind immer individuell für jeden Menschen zu sehen.

Besondere Bedürfnisse dieser Personengruppe wurden von FRÖHLICH (vgl. 1998, S. 97) behandelt und aufgelistet:

- Sie brauchen viel körperliche Nähe, um direkte Erfahrungen machen zu können.
- Sie benötigen körperliche Nähe, um andere Menschen wahrnehmen zu können.
- Sie brauchen andere Menschen, die ihnen die Umwelt auf einfachste Weise nahe bringen und anbieten.
- Sie brauchen andere Menschen, die ihnen Fortbewegung und Lageveränderung ermöglichen.
- Sie brauchen andere Menschen, die sie auch ohne Sprache verstehen und ihnen kommunikative Angebote machen.
- Sie brauchen andere Menschen, die sie zuverlässig versorgen und pflegen.

Jeder Mensch hat diese besonderen Bedürfnisse und diese Lebensform im Säuglingsalter selbst erlebt. Erfahrungen müssen aktiviert werden um sie für andere Menschen nutzbar zu machen.

Menschen mit diesen Bedürfnissen kommen in verschiedenen Gruppen vor,

wobei sich die Individualität der Bedürfnisse hauptsächlich auf die Dauer, den Umfang und die spezifische Ausprägung bezieht.

Es handelt sich vor allem um:

- extrem unreife, frühgeborene Kinder unter intensivmedizinischer Betreuung (zeitlich begrenzt),
- Menschen mit schwerster geistiger Behinderung zusammen mit Stereotypien und selbstverletzendem Verhalten,
- Menschen mit schwersten Haltungs- und Bewegungsbeeinträchtigungen, die auch die Kommunikationsfähigkeit betreffen,
- Menschen mit massiver mehrfacher Behinderung und
- schwer bewusstseinsgetrübte oder bewusstlose Menschen.

Die Zahl der Menschen mit hohem Förder- und Pflegebedarf ist steigend, was u.a. auf die verbesserten medizinischen Möglichkeiten im Bereich der Frühgeburten zurückzuführen ist.

1.4. Schüler und Schülerinnen in Basalen Förderklassen

In Basalen Förderklassen werden Kinder und Jugendliche mit Mehrfachbehinderungen unterrichtet. Der Unterricht deckt die Zeit der Schulpflicht ab, demnach besteht die Möglichkeit zwölf Schuljahre in einer basalen Förderklasse zu verbringen.

Es bestehen bestimmte Aufnahmekriterien, so muss das mögliche pädagogische Angebot in Basalen Förderklassen die optimale Förderung der Kinder und Jugendlichen abdecken. Nur dann besteht die Möglichkeit eine Basale Förderklasse zu besuchen.

Weiters sollten sich Eltern eines mehrfachbehinderten Kindes aktiv für diesen Schultyp entscheiden.

Hauptkriterien für die Aufnahme der Schüler und Schülerinnen in Basale Förderklassen sind Pflegeabhängigkeit sowie geistige und mehrfache Behinderung.

Diese Tatsachen begründen mitunter einen hohen Personalschlüssel in den Klassen. (vgl. HETZMANNSEDER & KERSTING-KRISTOF 1998/99, S. 11)

In Basalen Förderklassen werden Kinder und Jugendliche unterrichtet, die vor der Entstehung dieses Schultyps von der Schulpflicht befreit wurden. Gründe dafür waren hauptsächlich die körperliche Verfassung und die Unzumutbarkeit des Schulweges. Dadurch mussten sich Eltern oftmals für Privatschulen und für diverse Therapien entscheiden oder die Kinder blieben bei den Eltern zu Hause oder in Kinderheimen.

„Grundsätzlich ist jedem Menschen aus seiner Würde heraus ein uneingeschränkter Anspruch auf Erziehung und Bildung zu gewähren.

Bei der Gestaltung des Unterrichts muss davon ausgegangen werden, dass behinderten Kindern und Jugendlichen dieselben Bedürfnisse und Rechte wie Nichtbehinderten zuerkennt werden müssen. Das sind insbesondere:

- das Recht auf Zuwendung, Geborgenheit und Anerkennung,
- das Recht auf Erziehung und Bildung,
- das Recht, in ihrer Art angenommen zu werden und als eigenständige Persönlichkeit zu gelten.“ (LEHRPLAN DER SONDERSCHULEN, 1998, S. 338)

2. Bewegung

Bewegung ist von Wahrnehmung praktisch nicht zu trennen.

In diesem Fall wird Bewegung und Wahrnehmung aus Gründen der besseren Übersicht in eigenen Kapiteln behandelt.

Schwerstbehinderte Menschen sind aufgrund ihres geringen Bewegungsvermögens im Alltag erheblich eingeschränkt und weitgehend auf fremde Hilfe angewiesen.

Die meisten Aktivitäten der Selbstversorgung und des Alltags wie in der Freizeit und in der Schule setzen funktionelle Bewegungen wie Sitzen, Aufstehen, Stehen oder Gehen voraus. Menschen mit körperlichen

Beeinträchtigungen haben dabei sehr geringe Verhaltensmöglichkeiten, eigene Entscheidungsmöglichkeiten sind daher eher selten bzw. unmöglich. (vgl. SCHOMERUS 1998, S. 549)

Mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten gehen immer eingeschränkte Erfahrungsmöglichkeiten einher.

Ein Kind sammelt Erfahrungen mit Personen, Materialien, Gegenständen und Räumen über Bewegung.

Nur wenn ein Kind die Möglichkeit hat sich z.B. einem Gegenstand selbständig zu nähern, ihn zu berühren, ihn zu halten und damit zu hantieren, kann es Erfahrungen in verschiedensten Bereichen der Wahrnehmung machen; es muss sich aktiv damit auseinandersetzen. Für diesen Vorgang sind allerdings motorische Fähigkeiten, wie z.B. gezielte Bewegungen zu dem Gegenstand, Greifbewegungen, Festhalten des Gegenstandes usw. nötig.

Bewegung wirkt sich auf Sinnesempfindungen aus, wobei Sinnesempfindungen Bewegungen herausfordern. Auch seelische Empfindungen stehen im Zusammenhang mit Bewegung. Gefühle werden durch Bewegungen ausgedrückt. (vgl. SCHAEFGEN 1994, S. 11)

„Bestimmte Teile des Körpers stehen nicht oder nur reduziert zur Verfügung und somit ist das aktive Erkunden des eigenen Körpers, der menschlichen und dinglichen Umwelt stark eingeschränkt.“ (FRÖHLICH, 1999, S. 58) Kinder mit schweren motorischen Einschränkungen sind oftmals nicht in der Lage sich verschiedene sensorische Reize in ausreichendem Maße selbst anzueignen und darauf folgende Handlungsstrategien auszubilden.

„Die Integration der sensorischen Eindrücke wird unmöglich bzw. sehr erschwert, wenn es nicht gelingt, durch eine gesteuerte Bewegung all die an der Wahrnehmung beteiligten Körperpartien auf das Objekt selbst hin zu orientieren.“ (FRÖHLICH, 1999, S. 58 f)

3. Wahrnehmung

„Wahrnehmung ist die Voraussetzung für Reaktionen, für Kommunikation und Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt“ (PÜTZ & SCHÖNRADE, 2000, S. 40).

Wahrnehmung ist die Bedeutung, die das Gehirn einem Sinneseindruck beimisst. Wahrnehmung ist subjektiv, wogegen Empfindungen objektiv sind. (vgl. AYRES 1984, S. 324)

Wahrnehmung ist die Fähigkeit Reize aufzunehmen (Perzeption), zu erkennen (Identifikation) und zu unterscheiden (Diskrimination).

„Es ist ein Merkmal jeden Lebewesens, dass es bestimmte Fähigkeiten hat, sich Informationen aus der Umwelt zu beschaffen, sie mit dem eigenen Körper in Verbindung zu bringen und daraus ,Vorstellungen‘ zu entwickeln, die seine weiteren Aktivitäten beeinflussen“ (FRÖHLICH, 1999, S. 49).

Diese Fähigkeiten sind beim Menschen sehr vielfältig und differenziert, wobei die Komplexität, die Verknüpfbarkeit und die qualitative Ausdifferenzierung der Wahrnehmung sehr weit entwickelt ist.

Zur Wahrnehmung sind Wahrnehmungsorgane nötig. Mit diesen Wahrnehmungsorganen werden Reize aus der Umwelt aufgenommen, kodiert und dann wieder in bedeutungsvolle Wahrnehmung, in Sinneinheiten umgewandelt. Dabei werden Zusammenhänge der Informationen hergestellt und mit bereits bekannten, aufgenommenen Informationen verknüpft und verglichen.

Diese Vorgänge machen die menschliche Wahrnehmung erst sinnvoll. (vgl. FRÖHLICH 1999, S. 49 f)

„Wahrnehmung ist somit auch kein passives Aufsicheinwirkenlassen von

Reizen, sondern wiederum ein aktiver Austauschprozess zwischen Informationssuche, Informationsaufnahme und deren Verarbeitung“ (FRÖHLICH, 1999, S. 50).

Wahrnehmung beinhaltet also die Reize der Umwelt und des Organismus und die Fähigkeit der Reizaufnahme und Reizverarbeitung im Gehirn.

3.1. Sensorische Integration

Die Einordnung und Deutung aller Informationen im Gehirn und die Verwertung dieser Informationen für die Anwendung im täglichen Leben wird sensorische Integration genannt (vgl. SCHAEFGEN 1994, S. 17).

Sensorische Integration ist vereinfacht ausgedrückt die Verarbeitung vieler verschiedener Wahrnehmungsreize.

„Sensorische Integration ist ein Teil der normalen Entwicklung. Sie entwickelt sich in einer bestimmten Reihenfolge und braucht immer Nervenreife und Sinnesangebote in jeder Entwicklungsstufe. Jede Stufe baut auf der vorherigen auf und verbindet sich mit ihr. Die Reihenfolge bestimmt die Wichtigkeit. Je grundlegender das Sinnessystem ist, desto wichtiger ist seine Funktion. Alle Sinne müssen mit den anderen verbunden werden“ (SCHAEFGEN, 1994, S. 18)

3.2. Entwicklung der Wahrnehmung

Bereits im Mutterleib wird die Arbeits- und Verarbeitungsfähigkeit des Gehirns durch Reize angeregt.

Ein Embryo verschafft sich u.a. durch Bewegungen, durch verschiedene Lagen in der Gebärmutter und durch das Berühren der Gebärmutterwand verschiedene Wahrnehmungsreize. Auch von außen gelangen verschiedene Reize an das Kind wie z.B. Stimmen, Musik und passive Lageveränderungen durch Bewegungen der Mutter.

Diese Prozesse werden nach der Geburt durch die aktive

Auseinandersetzung des Kindes mit sich und seiner Umwelt weitergeführt so weit die Umwelt dem Kind die dafür nötigen Erfahrungsmöglichkeiten bietet. (vgl. PÜTZ u.a. 2000, S. 40)

Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung nach der Geburt sind die Möglichkeiten, die beim Kind selbst vorhanden sind. Ein schwerstbehindertes Kind kann sich nicht oder nur begrenzt aktiv mit sich selbst und seiner Umwelt auseinandersetzen. Es sind Unterstützungen und Hilfestellungen durch andere Personen nötig um diese Erfahrungen möglich zu machen. Dabei ist es naheliegend, dass diese „künstlichen“ und gezielten Angebote die nötigen Reize, die ein nichtbehindertes Kind ständig erlebt nur teilweise ersetzen kann.

Für die Entwicklung eines Kindes sind die sogenannten Basissinne von besonderer Bedeutung. Dazu zählen das vestibuläre, taktile und somatische System.

Sie sind die Grundlage sensorischer Verarbeitung und somit ein Fundament kindlicher Entwicklung. (vgl. PÜTZ u.a. 2000, S. 40)

3.2.1. Vestibuläre Wahrnehmung

Das Vestibularsystem ist für die Gleichgewichtsregulation des Körpers verantwortlich. Ohne dieses ist z.B. eine koordinierte Bewegung in aufrechter Position nicht möglich.

Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im knöchernen Labyrinth des Innenohrs. Das Labyrinth enthält sowohl die Organe für das Gehör als auch zwei Arten von Reizempfängern (Rezeptoren) für den Gleichgewichtssinn. Die eine Art der Rezeptoren reagiert auf Schwerkraft die, andere auf Bewegung. (vgl. AYRES 1984, S. 61 ff)

Ein Neugeborenes zeigt bereits Reaktionen auf Schwerkrafteinwirkungen

und Bewegungsabläufe, die von seinem Gleichgewichtsorgan stammen. Bereits im Mutterleib ist jedes Kind der Schwerkraft und den unterschiedlichsten Lageveränderungen durch die Mutter ausgesetzt.

Während der meisten Zeit der Schwangerschaft stimuliert die Mutter das vestibuläre System des Kindes durch ihre Körperbewegung. Es sind die Phasen der Ruhe und der Bewegung, die diesen Bereich der Wahrnehmung schon pränatal fördern und eine Grundlage der späteren Entwicklung darstellen. (vgl. WINTER 1999, S. 760)

Die Entwicklung des Vestibularsystem beginnt ca. in der neunten Schwangerschaftswoche und ist bereits im fünften Schwangerschaftsmonat sehr gut entwickelt (vgl. AYRES 1984, S. 62).

Bei der Geburt ist die Möglichkeit der Verarbeitung vestibulärer Reize also bereits vorhanden. Dieses ist auch die Voraussetzung für eine altersgemäße Bewegungsentwicklung. (vgl. PÜTZ u.a. 2000, S. 42)

3.2.2. Gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung

Bei der Geburt ist der Geruchssinn und der Geschmackssinn bereits sehr gut entwickelt. Der Saugreflex sollte unmittelbar nach der Geburt vorhanden sein. Saugen ist eine Reaktion auf Reize die durch den Geruchs- und Geschmackssinn ausgelöst werden. (vgl. AYRES 1984, S. 29 f)

Der Geschmackssinn ist bereits im Mutterleib entwickelt. Das zeigt ein Experiment: wenn dem Fruchtwasser Saccharin zugeführt wird, reagiert das Baby indem es mehr und schneller schluckt, im Gegensatz dazu verzieht es das Gesicht und macht keine Schluckbewegungen bei einem schlecht schmeckenden Zusatz. (vgl. SCHENK-DANZINGER 1984, S. 15)

3.2.3. Taktile Wahrnehmung

Das taktile System ist das erste sensorische System das sich im Mutterleib entwickelt. Es funktioniert bereits, bevor sich die visuellen und akustischen Systeme erst zu entwickeln beginnen. Ein Neugeborenes kann bereits

einige Empfindungen seines Körpers deuten und mit Reflexbewegungen darauf reagieren.

Die Haut besitzt zahlreiche unterschiedliche Sorten von Sinnesorganen für Gefühlsqualitäten auf der Haut.

Das taktile System ist das ausgedehnteste Sinnesorgan unseres Körpers und spielt eine wichtige Rolle im menschlichen Verhalten. (vgl. AYRES 1984, S. 59 f)

„Ohne ausreichende taktile Stimulierung des Körpers tendiert das Nervensystem dazu, aus dem ,Gleichgewicht‘ zu kommen (AYRES, 1984, S. 59).

Das taktile Wahrnehmungssystem reagiert auf Reize die über die Haut wahrgenommen werden. Diese sind z.B. Druck, Berührung, Temperatur, Schmerz. Es kommt dabei zu einer zunehmenden Differenzierungsfähigkeit der Tasteindrücke wodurch ein Kind genauere Vorstellungen über seinen eigenen Körper erhält und die verschiedensten Qualitäten von Oberflächen und Gegenständen in seiner Umwelt kennen und unterscheiden lernt.

Ein durchschnittlich entwickeltes Kind kann Berührungsreize bereits im Alter von 2,5 Jahren lokalisieren. Ab ca. 3,5 Jahren erkennt es vertraute Gegenstände durch Abtasten. Mit ca. 5 bis 6 Jahren kann es abstrakte Formen (z.B. Viereck, Kreis, Dreieck) identifizieren. (vgl. PÜTZ u.a. 2000, S. 45 f)

3.2.4. Visuelle Wahrnehmung

Die visuelle Wahrnehmung ist ein sehr dominanter Wahrnehmungskanal des Menschen. Der größte Teil aller Informationen wird über diesen Sinnesbereich aufgenommen und verarbeitet.

Das visuelle Wahrnehmungssystem ist das höchstentwickeltste Sinnessystem des Menschen, es ist jedoch bei der Geburt das unreifste. Ein Kind besitzt nach der Geburt noch keinen Erfahrungshintergrund um die ankommenden Reize sinnvoll verarbeiten und einordnen zu können. Es

sucht aber bereits nach visuellen Reizen. (vgl. PÜTZ u.a. 2000, S. 43 f) Ein Kind im Alter von einem Monat erkennt das Gesicht der Mutter und andere wichtige Gegenstände. Komplexe Formen oder Farbkontraste können noch nicht differenziert werden.

Der erste Schritt der Entwicklung besteht im Verfolgen eines sich bewegenden Gegenstandes oder einer Person mit den Augen und später mit dem ganzen Kopf. (vgl. AYRES 1984, S. 29)

3.2.5. Akustische Wahrnehmung

Hörzellen im Innenohr werden durch akustische Schwingungen in der Luft gereizt, wodurch Impulse zu den Hörzentren im Gehirn gesendet werden. Diese Hörimpulse müssen verarbeitet und mit Impulsen von anderen Wahrnehmungssystemen verknüpft und verglichen werden um die Bedeutung des Gehörten zu erkennen. (vgl. AYRES 1984, S. 58)

Ein durchschnittlich entwickeltes Kind reagiert bereits mit einem Monat auf unterschiedliche Geräusche und Stimmen, obwohl es die Bedeutung dieser Geräusche noch nicht versteht.

Ein funktionsfähiges akustisches Wahrnehmungssystem ist die Voraussetzung für die Entwicklung der Sprache, wobei eine Reaktion auf ein Geräusch der erste Schritt dazu ist. (vgl. AYRES 1984, S. 29)

3.3. Sinneswahrnehmungsorgane

Es gibt Sinne, die die bewusste Wahrnehmung der Umwelt ermöglichen. Andere Sinne treten nicht in unser Bewusstsein und werden nicht direkt bewusst (vgl. AYRES 1984, S. 56 f).

Wie schon erwähnt, entwickelt sich die Wahrnehmung bereits im Mutterleib und somit beginnt auch die Entwicklung der Sinneswahrnehmungsorgane während der Schwangerschaft.

SCHAEFGEN (vgl. 1994 S. 12 ff) unterscheidet zwei große Sinnesbereiche:

- Körpersinne (Haut, innere Organe, Muskeln, Sehnen, Gelenke,

Gleichgewichtsorgan) sind Innenfühler: sie geben Informationen über den eigenen Körper und

- Fernsinne (Nase, Zunge, Ohr, „Hand“, Auge) sind Außenfühler: sie geben Informationen über die Umgebung.

Mithilfe der Haut werden Informationen über die Körperhülle und die Körpergrenze wahrgenommen. Die Haut fühlt Berührungen, kann das Umfeld ertasten und reagiert auf diese. Das taktile System ist eines der ersten vorhandenen Systeme.

Die inneren Organe geben Informationen über das Innere des Körpers weiter. Durch innere Wahrnehmung wird die Befindlichkeit erfahren.

Durch Muskeln, Sehnen und Gelenke besteht die Möglichkeit Stellungen, Bewegungen und Kraft zu empfinden und zu kontrollieren.

Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr vermittelt die Stellung des Kopfes im Bezug zur Schwerkraft. Jegliche Veränderung der Lage des Kopfes wird weitergeleitet.

Die Nase nimmt Geruchsreize auf. Es sind oft unbewusste Eindrücke die durch dieses Sinnesorgan aufgenommen werden.

Durch die Zunge wird Geschmack vermittelt, genauer sind es Geschmacksqualitäten wie süß, sauer, salzig und bitter.

Durch das Ohr wird die Frequenz der Luftschwingung erfahren. Der Klang mit verschiedenen Tonhöhen und Lautstärken wird weitergeleitet.

Die Beschaffenheit der Umgebung, die nicht zu riechen, zu schmecken, zu hören und zu sehen ist wird durch die Hand und durch andere Hautpartien erfahrbar gemacht. Die Temperatur und Struktur von Gegenständen und Personen wird so erkannt.

Das Auge vermittelt Farben und Formen aus der Umgebung. Dazu gehören Eindrücke wie hell und dunkel, Licht und Schatten.

Im Laufe der Entwicklung reifen diese Organe, nehmen Informationen auf, verarbeiten diese und leiten sie weiter, um sie mit bereits gespeicherten Erfahrungen zu vergleichen. Der Wahrnehmungsprozess endet mit einer

darauf folgenden Reaktion.

3.4. Basale Wahrnehmungsanregung

Ein wesentlicher Bestandteil pädagogischer Förderung schwerstbehinderter Menschen ist die gezielte und systematische Anregung der Wahrnehmung. Erst mit der Erweiterung der Wahrnehmung kann es einem mehrfach schwerstbehinderten Menschen gelingen, aktiv Einfluss auf die eigene und die nähere Umgebung zu nehmen.

Zahlreiche heilpädagogische Förderkonzepte bauen auf der Bedeutung von Wahrnehmung für die menschliche Entwicklung auf.

Bei der Förderung unterschiedlichster Wahrnehmungsbereiche darf nie der Zusammenhang mit allen anderen Bereichen außer Acht gelassen werden.

Dieses Schema (vgl. FRÖHLICH, 1994, in KERSTING-KRISTOF u.a., 1998,

S. 7) soll die Komplexität menschlicher Entwicklung sehr vereinfacht darstellen.

Jeder dieser Einzelbereiche kann nicht isoliert gesehen werden. Es besteht ein wichtiger Zusammenhang und sie sind miteinander verknüpft.

Ein isoliert ausgerichteter Ansatz der Förderung wäre nicht möglich und untragbar.

Dieses Schema soll auch das Prinzip der Ganzheitlichkeit (siehe Seite 90) verdeutlichen. (vgl. KERSTING-KRISTOF & SPITALER 1998, S. 7)

Basale Wahrnehmungsförderung ist im Grunde auf die Erweiterung von Eigenaktivität und Selbstständigkeit schwerstbehinderter Menschen ausgerichtet, da sie meist über einen sehr eingeschränkten Wahrnehmungskreis verfügen.

Ausgangspunkt sind Forschungsergebnisse, die aufweisen, dass bereits intrauterin Wahrnehmungen verschiedenster Art erlebt und gespürt werden. (vgl. KERSTING-KRISTOF u.a. 1998, S. 9)

Schon in der frühen Phase des vorgeburtlichen Lebens zeigen sich Verhaltensweisen, die auf Wahrnehmungsaktivitäten und Wahrnehmungsfähigkeiten schließen lassen. Die so genannten sensorischen Basisfunktionen sind bereits in der zwölften Schwangerschaftswoche vorhanden. (vgl. KNAAK 1996, S. 12)

Dies sind vor allem vestibuläre (z.B. Lageveränderungen), vibratorische (z.B. Schwingungen) und somatische (z.B. Druck und Bewegung) Erfahrungen, die vorgeburtlich, also schon im Mutterleib erlebt werden.

Ein Kind kommt mit einem bereits „funktionierenden“ Wahrnehmungssystem ausgestattet auf die Welt und setzt sich nach der Geburt aktiv mit seiner zunächst unmittelbaren Umwelt auseinander.

So kommt es bei diesen drei basalen, d.h. voraussetzungslosen, grundlegenden Bereichen zu einer ständigen Ausdifferenzierung. Dadurch wird ein Kind immer sicherer und kompetenter in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt.

Viele Prozesse wie Gewöhnung, Wiederholung und Experimentieren festigen bereits vorhandene Handlungspläne und tragen zur Entwicklung neuer Strategien bei.

Es kann auch bei einem schwerstbehinderten Kind davon ausgegangen werden, dass die drei bereits erwähnten basalen Wahrnehmungsbereiche schon intrauterin erlebt und erfahren wurden. An diesem Punkt ist die Förderung anzusetzen um zu einer Ausdifferenzierung und Erweiterung der eigenaktiven Kompetenzen zu gelangen.

Forschungen zur sensorischen Deprivation belegen, dass aufgrund wenig oder fehlender Anregungen durch personale und dingliche Umwelt ein Kind eine entwicklungsumfassende Beeinträchtigung, eine sekundäre Behinderung erfährt.

Nichtbehinderte Kinder können sich mehr oder weniger selbstständig mit ihrer Umwelt aktiv auseinander setzen. Dagegen sind Kinder mit einer Behinderung aufgrund der massiven Beeinträchtigungen dazu nur sehr eingeschränkt in der Lage. So brauchen sie in vielen verschiedenen Situationen Hilfe von außen z.B. bei der Erkundung des eigenen Körpers und der Umwelt, bei der Selbstversorgung, bei der Kommunikation und eigenaktiven Beschäftigung, bei Lage- und Ortsveränderungen sowie bei der Entschlüsselung und Strukturierung von Wahrnehmung. (vgl. KERSTING-KRISTOF u.a. 1998, S. 9)

4. Konkrete Wahrnehmungsanregung

Ganzheitliche Wahrnehmungserlebnisse werden hier nur aus Gründen der besseren Übersicht in Einzelbereiche geteilt und getrennt beschrieben.

Eine wesentliche Voraussetzung für das Anbieten unterschiedlichster Reize und Anregungen ist, dass der Schüler diese zulässt. Ein möglichst vielfältiges, aber dosiertes Angebot wäre von Vorteil.

4.1. Basalbereiche

Wie bereits erwähnt, hat ein ungeborenes Kind im Austausch mit der mütterlichen Umwelt bereits die Fähigkeit entwickelt, wahrzunehmen, auf Wahrgenommenes zu reagieren und aktiv Wahrnehmungen in Gang zu setzen.

Es handelt sich hierbei besonders um

- somatische, den gesamten Körper ansprechende Anregungen,
- vestibuläre, das frühentwickelte Lage- und Gleichgewichtssystem anregende und
- vibratorische, auf Schwingungsempfinden hinzielende Anregungen. Diese drei Bereiche sind die Grundlage der Förderung schwerstbehinderter Menschen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass in diesen Bereichen früheste Erfahrungen vorhanden sind und man kann annehmen, dass diese die letzten stabilen und vertrauten Erfahrungen sind, an die der Pädagoge anknüpfen kann.

Das reine Vorhandensein dieser Grundlagen bedeutet nicht, dass alle Angebote in diesen Bereichen positiv akzeptiert werden. Es ist aber auch Abwehr z.B. einer Berührung, ein Zeichen dafür, dass diese Berührung überhaupt wahrgenommen wurde und dass sie eine Bedeutung, wenn auch bedrohlicher Art, für den Menschen hat. (vgl. FRÖHLICH 1999, S. 181 ff)

4.1.1. Somatische Anregung

Der somatische Bereich umfasst die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Haut, der Muskulatur und auch der Gelenke. Also den Körper in seiner Gesamtheit mit allen dazugehörenden möglichen Sinneseindrücken.

Die Haut ist das größte Wahrnehmungsorgan des Menschen.

Es können sehr differenzierte Formen von Druck- und Reizberührungen durch die Haut aufgenommen werden (Wärme, Kälte, Berührung, Bewegung, Spannung, usw.).

Im Mittelpunkt der Förderung steht also der Körper des Menschen. Die Oberfläche, also die Haut, ist Begrenzung zur Umwelt. Das Kind sollte lernen seine Körperoberfläche als Wahrnehmungsorgan zu nutzen, motorisch zu reagieren und Reize zu lokalisieren. Das Ziel ist der Aufbau eines Körperschemas.

U.a. kann durch somatische Anregung ein Gefühl für den eigenen Körper und dessen Abgrenzung intensiv erfahren werden. Mithilfe dieses Bereiches kann auch körperbezogene Kommunikation aufgebaut werden. (vgl. KERSTING-KRISTOF u.a. 1998, S. 11)

Bei jedem Menschen ist der Körper das, was wirklich vorhanden ist. Mit ihm werden Erfahrungen in allen Entwicklungsbereichen gesammelt, man kann sich mit dem Körper ausdrücken und mit dem Körper ist jeder Mensch existent. An diesem Körper werden aber auch die Behinderung, die Entwicklungseinschränkung und alle Schwierigkeiten des Menschen, die ihm für eine gesunde Entwicklung entgegensteht, sichtbar und deutlich. Aus diesen Gründen ist die Arbeit am, mit und für den Körper von entscheidender Bedeutung.

In der Praxis sollten einige Grundprinzipien im somatischen Bereich beachtet und angewendet werden:

- Jeder Körper ist symmetrisch angelegt, wobei eine Behinderung diese Symmetrie sehr oft nicht in Erscheinung treten lässt. Der Pädagoge muss versuchen, diese Symmetrie für das Kind deutlich erlebbar zu machen. Der Körper muss als ein Ganzes vermittelt und erfahrbar gemacht werden. Alle Angebote müssen auf beide Körperhälften bezogen werden, sie sollten nicht nur einseitig sein und sie dürfen nicht nur die bevorzugte oder vielleicht auch die besonders beeinträchtigte Körperhälfte betreffen. (vgl. FRÖHLICH 1999, S. 193)
- Spannung ist ein Zeichen dafür, Aktivität einzuleiten, Entspannung ist notwendig um aufmerksamer spüren zu können. Ein harmonischer Wechsel zwischen Spannung und Entspannung ist nötig um Bewegung aufzubauen. In der Praxis sind Lageveränderungen und manuelle Anregungen sehr hilfreich um Körperteile Spannung und Entspannung spüren zu lassen. In jeder Fördereinheit sollte ein Wechsel zwischen Spannung und Entspannung einbezogen werden. (vgl. KNAAK 1996, S. 13)
- Ein weiters Prinzip ist die Rhythmisierung. In diesem Zusammenhang wird Rhythmisierung als ein biologischer Rhythmus gesehen, der im wesentlichen von der Atmung bestimmt wird. Unsere Selbstwahrnehmung wird sehr stark vom Atemrhythmus bestimmt. Beim Ausatmen können Funktionen aber auch Blockaden des Körpers aufmerksamer realisiert werden. Im Gegensatz dazu stellt die Einatmungsphase eine Reaktivierung dar. Häufig haben Menschen mit schwersten Behinderungen eine sehr irreguläre und arhythmische Atmung – die Einatmungsphasen sind oft hektisch und ziehend, Ausatmungsphasen sind nicht ruhig und langanhaltend. Im Vordergrund steht die Ausgangslage des Kindes. Ziel ist es, jene Lage zu finden in welcher sich die größte Atemtiefe zeigt. (vgl. FRÖHLICH 1999, S. 194 ff)

4.1.2. Vestibuläre Anregung

Bei der Förderung des vestibulären Bereiches wird an frühere vertraute Bewegungserfahrungen angeknüpft. Zu diesem Bereich gehören unterschiedliche Bewegungsformen wie Raumlageveränderungen, rhythmisches Schwingen, Auf- und Abbewegungen und Drehbewegungen. Besonders wichtig ist es, darauf zu achten, dass eine Überstimulierung dringend zu vermeiden ist. (vgl. FRÖHLICH 1999, S. 183)

Bei Bewegungen die nicht von dem betroffenen Menschen selbst aktiv ausgeführt werden ist ein behutsames und sorgfältiges Vorgehen unbedingt notwendig um Übelkeit und Erbrechen zu vermeiden. Unter ständiger Beobachtung sollte in diesem Bereich mit sehr sanften und leichten Bewegungen begonnen werden.

Dem Kind muss Zeit und die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst unterhalb seiner Grenzen und innerhalb eines Bereiches von Sicherheit mit dem Phänomen der Bewegung, des Bewegtwerdens und mit der Schwerkraft zu befassen (vgl. KNAAK 1996, S. 13).

Vestibuläre Anregung steht u.a. in engem Zusammenhang mit Motorik. Bewegungserfahrungen wie Schaukeln, Drehen, Wippen und Rollen können dem Kind helfen, seine motorischen Kompetenzen zu erweitern. (vgl. KERSTING-KRISTOF u.a. 1998, S. 12)

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Titel
Textilarbeiten und andere Materialien zur Wahrnehmungsförderung in der basalen Klasse
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
95
Katalognummer
V102162
ISBN (eBook)
9783640005512
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Textilarbeiten, Materialien, Wahrnehmungsförderung, Klasse
Arbeit zitieren
Ines Hagen (Autor:in), 2001, Textilarbeiten und andere Materialien zur Wahrnehmungsförderung in der basalen Klasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102162

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