Inhalt
Einleitung
A. Lebensverlauf
B. Pädagogische Praxis und Schriften
1. Locke´s bürgerliche Pädagogik
1.1. Erziehung - Gesellschaft - Natur
1.2. Die sittliche Erziehung
1.3. Körperliche Erziehung
1.4. Die geistige Erziehung
1.5. Grundsätze und Methoden des Unterrichts
2. Wirkung und Bedeutung der pädagogischen
Schriften Locke´s
Zusammenfassung in Form eines Unterrichtsvorschlages
Bibliographie
Erklärung
Einleitung
„Das Gute und das Böse, Belohnung und Strafe, sind die einzigen Motive eines rational denkenden Lebewesens; sie stellen die Sporen und Zügel dar, mit der die gesamte Menschheit zur Arbeit veranlaßt und angeleitet wird“, so ein Ausspruch von John Locke. Dieser galt als gut beleumdeter Pädagoge, Philosoph und Arzt. In der vorliegenden Arbeit schenke ich allerdings dem Pädagogen meine meiste Aufmerksamkeit. Zuerst möchte ich aber im ersten Teil seinen allgemeinen Lebensverlauf darstellen, wobei ich besonderen Wert auch auf die zeitlichen Geschehen um Locke herum lege, die Aufschluss auf seine Denkweise geben. Dann gehe ich speziell auf seine Gedanken über Erziehung ein und zum Schluss werde ich einen Versuch darstellen, Locke´s Einstellungen und Gedanken zur Erziehung in ein heutiges Unterrichtsbeispiel zu integrieren.
A. Lebensverlauf
John Locke wurde am 29.08.1632 in Wrington bei Bristol geboren. Sein Vater war Rechtsgelehrter und Gerichtsbeamter und verfügte über einen kleinen Besitz. Entsprechend einer bürgerlichen Familie wurde Locke nach puritanischen Grundsätzen erzogen, welche bedeuten, dass Locke bewusst einfach, moralistisch und luxusfeindlich erzogen wurde mit einer übertriebenen Sittenstrenge1. Somit wurde er schon recht bald mit den politischen Streitfragen der Zeit bekannt.
„Seit Mitte des 16. Jahrhunderts war die Macht der Bourgeoisie auf der Grundlage des Produkten- und Sklavenhandels (Amerika), des Piratentums, der Ausplünderung der Kolonien, der kapitalistisch betriebenen Landwirtschaft (Schafzucht, Verwendung von Lohnarbeitern) sowie der Wollmanufaktur, besonders in den südlichen Gebieten Englands derart gewachsen, dass die Krone vollends von ihr abhängig werden mußte. Dies gedachte Karl I (1625 -49) zu verhindern. Durch Ausschaltung des bürgerlichen Parlaments, durch staatliche Monopole, eine endlose Steuerschraube, Landenteignungen und provozierte Gerichtsverfahren versuchte er den Einfluß des Bürgertums zu zerschlagen. Er verbündete sich mit den Resten des englischen Feudaladels, den Monopolisten, dem Papsttum und dem absolutistischen Frankreich und Spanien. Die demokratische Kirchenverfassung wurde durch die Autokratie des Episkopats2 ersetzt, und damit wurde die anglikanische Kirche ein Hauptinstrument des Absolutismus. Ihr unterstanden auch die Universitäten.“3
Das bürgerliche Lager unter dem Banner des Puritanismus und unter der Führung des Parlaments bildeten sich zu Handels- und Manufakturbourgeoisien in Stadt und Land, darunter vor allem Handwerker, ländlicher Klein- und Neuadel, Pächter und Bauern. 1640 kam es dann zum offenen Kampf zwischen Krone und Parlament und endete zunächst 1649 mit der Hinrichtung des Königs. Diese Debatten über die Revolutionsereignisse interessierten Locke weit mehr als der scholastische Unterricht an der Westminster - School, welche er von 1646 bis 1652 besuchte. Als die großbürgerliche Mehrheit des Parlamentes die Armee auflösen wollte, da es dessen Macht fürchtete, spalteten sich die Puritaner einerseits in Pre sbyterianer (reiche Kaufleute und Bankiers, Großgrundbesitzer) und anderseits in Independenten (mittleres Bürgertum und mittlerer und niedriger Adel).
John Locke studierte von 1652 bis 1660 am Christ Church College in Oxford. Unbefriedigt von der scholastischen Philosophie, wendet er sich den Schriften von Baco und Descartes zu. Neben der Philosophie studiert er aber hauptsächlich Medizin und Chemie und erwirbt 1658 seinen Bachelor und Master of Arts. Nun arbeitet Locke in verschiedenen Stellungen an der Universität Oxford und ist für kurze Zeit Sekretär der englischen Botschaft beim Kurfürsten von Brandenburg in Cleve.
1662 zeigte sich, dass Karl II die absolutistische Politik seines enthaupteten Vorgängers zum Schaden der englischen Wirtschaft einschlug und es begann erneut der Kampf um die Macht im Staate. John Locke wurde zu dieser Zeit einer der ideologischen Wortführer der Presbyterianer. In seinen Schriften forderte er - besonders Hobbes kritisierend - , dass der Staat alle religiösen Ansichten und Gebräuche dulden müsse, sofern diese nicht die bürgerliche Gesellschaft bedrohen. Locke erklärte damit den Glauben zur Angelegenheit der persönlichen Überzeugung und somit zur Privatsache, während Hobbes lehrte, der Glaube sei Gebot und Sache des Staates, dem jeder sich unterordnen müsse. „1666 quittierte er seine als Lektor für Morallehre eingeschlagene Theologenlaufbahn an der (wieder royalistisch beherrschten) Universität Oxford und trat in den Dienst des Hauptes der Presbyterianer, des Grafen Shaftesbury Lord Ashley). Als dessen Ratgeber hatte er sich vor allem mit den politischen, philosophischen und religiösen Streitfragen der Zeit zu beschäftigen.“4
1668 wurde John Locke zum Mitglied der „Königlichen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“ ernannt, wo er besondere Freundschaften zu Newton und Robert Boyle entwickelte. Diese 1662 gegründete Gesellschaft beschäftigte sich hauptsächlich mit praktischen Problemen im Dienste der Steigerung der Produktion in Industrie und Landwirtschaft. Dies beflügelte auch die Wissenschaft: Boyle entwickelte die Atomtheorie, Newton das Gravitationsgesetzt, Harvey entdeckte den doppelten Blutkreislauf und Locke hatte sich als guter Arzt mit naturwissenschaftlichen Studien beschäftigt. Den Anfang bildete die Schrift „De arte medica“ und ihr folgten 1669 eine Reihe erkenntnistheoretischer Schriften, welche erst 1688 vollendet im „Versuch über den menschlichen Verstand“ mündeten. Ab 1672 erhielt Locke von Shaftesbury, welcher zum Lordkanzler ernannt wurde, mehrere Sekretärsposten in staatlichen Einrichtungen, die er wieder verlor, als Shaftesbury in Ungnade fiel. Locke lebte somit von 1675 bis 1679 in Frankreich, kehrte aber 1679 nach England zurück, da Shaftesbury wieder in Gunst stand. 1683 folgte Locke Shaftesbury nach Holland, da dieser in England Repressalien ausgesetzt war.
In Holland lebte Locke in verschiedenen Städten, wie Amsterdam, Utrecht, Cleve, um sich der Verfolgung zu entziehen.
Zwischenzeitlich kam es zu bewaffneten Interventionen in England und 1688 zerschlug Prinz Wilhelm von Oranien die absolute Monarchie und errichtete die von Locke und allen Presbyterianern ersehnte konstitutionelle Monarchie.
Somit kehrte 1690 Locke nach England zurück und leistete als geachteter Ratgeber von führenden Staatsmännern wertvolle politische Arbeit. „Als Kommissar für Handel und Kolonien verfasste er u. a. neben Vorschlägen für die 1696 durchgeführte Münzreform im Jahre 1697 im Rahmen der Armengesetzgebung einen Entwurf zur Errichtung von Arbeitsschulen.“5 Neben der praktischen setzte Locke auch seine theoretische Arbeit fort. 1690 erschien der „Versuch über den menschlichen Verstand“. Außerdem veröffentlichte er in diesem Jahr die „Zwei Abhandlungen über die Regierung“. „Darin untersuchte er Ursprung und Wesen des Staates und charakterisierte diesen als einen freiwilligen Vertrag der Menschen zum Schutze ihres Eigentums, worunter Leben, Freiheit und Vermögen zu verstehen sind.“6 Weiterhin folgten 1692 „Einige Betrachtungen über die Folgen der Herabsetzung des Zinses und der Erhöhung des Münzwertes“, 1693 „Gedanken über Erziehung“ und 1695 „Über die Vernunftmäßigkeit des Christentums“. Weiterhin erschienen von 1689 bis 1692 seine Briefe über Toleranz.
Seine vielseitigen Tätigkeiten im Dienste der Bourgeoisie untergruben Locke´s ohnehin schon schwache Gesundheit. 1700 zog er sich dann nach mehreren Krankenlagern zurück und wohnte bis zu seinem Tode am 28.
10.1704 im Hause von Lord Masham in Oates. Die Philosophin Damaris Cudworth Masham lernte Locke 1682 kennen, mit der ihn, nach einer kurzen Phase der Verliebtheit, eine langjährige Freundschaft verband.
Marx charakterisierte John Locke mit folgenden Worten: „Locke bekämpfte die Descartes´sche Lehre von den angeborenen Ideen und führte die Erkenntnis auf die Erfahrung zurück. Der metaphysische Sensualismus, dessen Begründer Locke ist, wurde zum Ausgangspunkt einerseits der idealistischen Philosophie von Berksley andererseits des Materialismus. Als Ökonom vertrat Locke die neue Bourgeoisie in allen Formen, die Industriellen gegen die altmodischen Wucherer, die Finanziers gegen die Staatsschuldner, und wies sogar den bürgerlichen Verstand als menschlichen Normalverstand nach.“7
B. Pädagogische Praxis und Schriften
John Locke´s praktische pädagogische Arbeit begann 1660 als er in Oxford Lektor für Griechisch, später für Moralphilosophie und Rhetorik wurde. Dort versuchte er sich erstmals mit den neuen Unterrichts- und Erziehungsmethoden. Als er 1666 in den Dienst Shaftesbury´s getreten war, hatte er u. a. die Aufgabe die Erziehung des jungen Lords zu vollenden. Auch als 1671 dessen Enkel geboren wurde, bekam Locke die Aufsicht über die Erziehung, welcher sich später als Mann sehr positiv über die Erziehungsmethoden Locke´s aussprach. Aber auch zahlreiche Freunde ließen sich in Sachen Erziehung von John Locke beraten. Während seines ersten Exils in Holland von 1683 bis 1690 beriet er seinen Gastgeber, den Rotterdamer Kaufmann Furley, bei der Erziehung seines Sohnes.
Außerdem stand John Locke seit 1687 mit Edward Clarke in einem vorwiegend pädagogischem Briefwechsel. Ein Freund des Lords Masham, Molyreux, bat im März 1693 Locke um die Veröffentlichung seines pädagogischen Briefwechsels mit Edward Clarke. Dieses außerordentlich nützliche Werk sollte der ganzen Menschheit sowie seinen Freunden nutzbar sein und im Juli 1693 erschien dieser Briefwechsel als „Gedanken über Erziehung“, mit einer Widmung an Edward Clarke. Dieses pädagogische Hauptwerk fasst den gesamten pädagogischen Gehalt aller vorangegangenen Schriften zusammen.
Das Werk umfasst außer einer Widmung und einer Einleitung insgesamt 217 Paragraphen, deren Gliederung wesentlich durch Locke gegeben ist.
I. Leib und Gesundheit
II. Grundsätze der Erziehung
III. Sittliche und geistige Bildung, Fertigkeiten
IV. Beschäftigung in der freien Zeit zur Erholung
V. Reisen
„Die theoretische Grundlage des Werkes ist durch Locke´s Erkenntnistheorie, Ethik und Staatslehre, das praktische Fundament durch Locke´s pädagogische Praxis gegeben; letzteres bedingt, daß nur über die Erziehung des Edelmanns berichtet wird.“8
1. Locke´s bürgerliche Pädagogik
1.1. Erziehung - Gesellschaft - Natur
Für Locke war die Erziehung so wichtig, dass von ihr die Wohlfahrt und das Gedeihen der Nation abhängt. Mit ihr muss ebenfalls die christliche Tugend und Frömmigkeit wiederhergestellt werden. Er betrachtet somit die Erziehung als ein entscheidendes Mittel zur Verbesserung der gesellschaftlichen Zustände, natürlich immer im Sinne der Bourgeoisie. Zweierlei muss der Erzieher in seiner Tätigkeit beachten: zum einen die Gesellschaft, zum anderen die natürlichen Anlagen des Kindes. Der Gesellschaft und ihrem Einfluss auf das Kind misst Locke somit große Bedeutung bei: es sei „eine unumstößliche Wahrheit ... daß ...die Gesellschaft, in der sie verkehren, und die Art, wie ihre Umgebung sich benimmt, den größten Einfluß auf ihr Betragen ausübt.“9
Für noch wichtiger als die Umgebung aber hält er die natürlichen Anlagen. Diese „dürfen nicht durch Vorschriften oder direktes Einschreiten beseitigt werden, sondern sie müssen in gute Wege geleitet werden“.10
1.2. Die sittliche Erziehung
Diese umfasst einerseits Tugend, anderseits Lebensart. Locke bezeichnet die Tugend als „die erste und notwendigste jener Gaben, mit welcher ein Mann oder Edelmann ausgestattet sein muß, als unumgängliches Erfordernis, um ihn bei anderen geschätzt und beliebt und sich selbst wert und erträglich zu machen“.11 Als Grundsätze der Tugend bezeichnet Locke „die Grundsätze der Gerechtigkeit des Edelsinnes, der Nüchternheit, verbunden mit Achtsamkeit und Fleiß“12, „Mut und Festigkeit“13, sowie Wahrheitsliebe, Nächstenliebe und Mäßigkeit in allen Dingen. Als Grundlage für die Tugend muss dem Kind schon frühzeitig „ein rechter Begriff von Gott ...dem Urheber und Schöpfer aller Dinge“14 gegeben werden.
Gute Lebensart bedeutet für Locke gute Umgangsformen und Höflichkeit, diese sind „Mittel zu unserem Glück“15. Die Grundsätze für gute Lebensart und Tugend sind dem Kind aber nicht angeboren, sondern muss dahin erzogen werden mittels Gewöhnung (Belohnung und Strafe), Beispiel und Unterricht.
Gewöhnung: Das Kind muss lernen die Autorität seiner Eltern bedingungslos zu akzeptieren. Dazu ist es nötig, dass die Eltern von Anfang an „eine strenge Hand“16 über dem Kind halten. Es muss sich ebenfalls an Bescheidenheit gewöhnen und nicht mäkeln. Frühzeitig sollte das Kind daran gewöhnt werden, seine Vernunft zu befragen und in Tätigkeit zu setzen. Dabei darf das Kind aber nicht mit Regeln und Vorschriften überhäuft werden, da es diese rasch vergisst oder noch nicht versteht. Nützlicher ist es daher wenige Regeln zu geben, aber auf dessen Einhaltung auch zu achten. Dabei führen vor allem Belohnung und Bestrafung zum Erfolg. „ Sie sind die einzigen Beweggründe für ein vernünftiges Geschöpf: sie sind Sporn und Zügel wodurch das ganze Menschengeschlecht in Bewegung gesetzt und geleitet wird.“17 Dabei sollen Lohn und Strafe aber nicht nur z. B. auf Süßigkeiten und Schläge beruhen, sondern an das Ehrgefühl appellieren. Schläge sind für Locke allerdings nur die letzte Maßnahme, sie erzeugen eine „Sklavische Gemütsart“18.
Das Beispiel betrachtet Locke als das wirksamste Erziehungsmittel. „Tugenden und Laster können durch keine Worte ihnen so klar zum Verständnis gebracht werden, wie die Handlungen anderer, wenn man ihre Beobachtung leitet“19. Daher soll auch die Gesellschaft der Dienstboten dem Kind wenn möglich ganz ferngehalten werden. Diese geben nur schlechte Beispiele. Auch ein Umgang der Kinder untereinander sollte nicht zu häufig stattfinden, dieser mache die Kinder zwar sicherer und kühner und sporne den Wetteifer an, aber habe einen gefährlichen “Beigeschmack von Rohheit und übler Dreistigkeit“20. Auch fordert Locke die private häusliche Erziehung, denn das englische Schulwesen wären Stätten der Sittenlosigkeit. Das beste Beispiel für Tugend und gute Lebensart vermag das Elternhaus und dessen Umgang zu vermitteln.
Anforderungen an den Hauslehrer stellt Locke folgendermaßen: er soll außer einer guten Erziehung auch die vollkommene Weltkenntnis und Menschenkenntnis besitzen. Sonst kann der Junge später nicht Schein und Wirklichkeit unterscheiden und ein sich richtiges Urteil über die Menschen bilden.
1.3. Körperliche Erziehung
Die Erhaltung und Festigung der Gesundheit des Körpers ist die Voraussetzung der geistigen Gesundheit und damit wichtig „für unseren Beruf und unser Glück“21. Im Sinne des Puritanismus wendet sich Locke besonders gegen das in den höfischen Kreisen des Absolutismus übliche „Hätscheln und Verzärteln“22, da dieses die Anlagen der Kinder verderbe. Locke fordert vor allem viel frische Luft, körperliche Bewegung und Schlaf, einfaches Essen, kein Wein oder starke Getränke, sehr wenig oder gar keine Arznei, keine zu warme und zu enge Kleidung, besonders Kopf und Füße sollen kühl gehalten werden und die Füße oft ans kalte Wasser gewöhnen und der Feuchtigkeit aussetzen. Weiterhin empfiehlt er viele Spiele an der frischen Luft, Schwimmen und Reiten als gesunde Leibesübungen.
1.4. Die geistige Erziehung
Diese umfasst einerseits die Weisheit und anderseits die Kenntnisse. Unter Weisheit versteht Locke „die Fähigkeit eines Mannes, seine Geschäfte in dieser Welt geschickt und mit Umsicht zu führen“23. Die Kenntnisse dagegen sind nur Mittel zu wichtigeren Befähigungen. Locke richtet sich gegen die bislang herrschende Erziehung und Bildung. „Unsere Erziehung befähigt uns eher für die Universität als für das Leben ... Alles Aufsehen macht man von Latein und gelehrten Kenntnissen und legt den Hauptnachdruck auf Fortschritte in Dingen, wovon ein großer Teil mit dem Beruf eines Edelmannes nichts zu tun hat“24. Ähnlich wendet sich Locke nicht nur vom Latein, sondern auch vom Griechisch ab. Griechisch benötigen nur die Gelehrten von Beruf und Latein brauche man zwar als politisch tätiger Bürger, nicht aber für den , der einen praktischen Beruf ausübt. Die zukünftigen „Geschäftsleute und Landwirte benötigen vor allem eine gute Handschrift und das Aufsetzen von Rechnungen ..., welches doch in allen Lebenslagen von großem Vorteil und zu den meisten Geschäften unerläßlich notwendig ist“25. An erster Stelle steht die Beherrschung der englischen Muttersprache. Ein Edelmann muss diese in Wort und Schrift einwandfrei beherrschen. Für einen guten Stil brauche man nicht lateinische Verse, Rhetorik und Logik, sondern viel mehr die Schriften von Tullius und Voiture. Die erste Fremdsprache sollte dann Französisch sein. Diese ist eine lebendige Sprache und die Veranlassung diese zu sprechen ist häufiger. Erst wenn das Kind nach ein bis zwei Jahren Französisch gut sprechen kann, sollte mit Latein begonnen werden.
Weiterhin fordert Locke Arithmetik und Geographie. Die Arithmetik ist in allen Gebieten des praktischen Lebens unentbehrlich. Vom Zählen soll über Addition, Subtraktion und Geometrie zur Astronomie aufgestiegen werden. Ein Edelmann muss „die Gestaltung der Erdkugel, die Lage und Begrenzung der vier Weltteile und die einzelner Königreicher und Länder“26 ebenso kennen wie die Sternbilder.
Außerdem ist die Kenntnis der Geschichte und des bürgerlichen Rechtes nicht minder wichtig, ebenso wie die Lehre der Naturphilosophie. Diese bestehe aus zwei Teilen: Körperlehre (Physik) und Geisterlehre (Metaphysik). Aber auch Fertigkeiten wie Tanzen, Fechten, Reiten und Ringen, weiterhin die Beherrschung des Zeichnens, Kurzschrift und mindestens eines Handwerkes. Das Zeichnen soll das Kind lernen, sobald es schreiben kann und das Handwerk sollte der Zögling erlernen, da es nicht nur dem kindlichen Tätigkeitsdrang entspricht, sondern dazu auch sehr nützlich ist. Locke schlägt dazu z. B. Gartenbau, Tischlerei, Drechslerei, Zimmerei, Graben, Pflanzen, Okulieren, Metallbearbeitungen, Polieren von Glas und Edelstein, Parfümieren oder andere dieser nutzbringenden Beschäftigungen. Der Abschluss der Erziehung soll das Reisen bilden. Dieses soll frühestens im 16., spätestens im 21. Lebensjahr erfolgen. Denn im Ausland kann der Jüngling seine Sprachen-, Welt- und Menschenkenntnis vervollkommnen.
1.5. Grundsätze und Methoden des Unterrichtes
Der Unterricht dient als Kenntnisvermittlung im Dienste der sittlichen Erziehung, es soll somit sich stets um erziehenden Unterricht handeln. An die Methoden des Lehrens stellt Locke folgende Ansprüche: „auf kürzeste Weise, mit Gebrauch des eigenen Verstandes, d.h. von den Dingen, nicht von Worten ausgehend, ohne Vorurteile, mit Wahrheitsliebe, Berücksichtigung des körperlichen Wohlbefindens“27. Der Unterricht soll weiterhin von der Betrachtung der Dinge selbst ausgehen, denn durch Worte sind den Kindern keine klaren Vorstellungen zu verschaffen. „Man gebe ihnen zuerst eine einfache Idee und sehe, daß sie diese recht erfassen und vollständig begreifen, bevor man irgendwie weitergeht und dann füge man irgendeine andere einfache Idee hinzu, die auf dem Wege zu dem beabsichtigten Ziele zunächst liegt, und wenn man so bedächtig und unmerklich fortschreitet, wird den Kindern ohne Verärgerung und Befremdung das Verständnis sich erschließen und ihre Gedanken sich weiter dehnen.“28 Auch FleißundÜbung sind notwendig, „bis die Sache zur Gewohnheit geworden und eine Leichtigkeit, sie gut zu verrichten, erlangt ist“.29 Daraus folgt, dass der Aneignung und Festigung die Anwendung der Kenntnisse folgen soll. Vorraussetzung dafür ist allerdings die Aufmerksamkeit der Kinder. Diese zu gewinnen und festzuhalten ist die größte Geschicklichkeit des Lehrers. Von Vorteil ist es dabei dem Kind den Nutzen dessen, was man ihm lehrt, begreiflich zu machen. Der Lehrer soll „Milde fügen in alle seinem Unterricht und durch eine gewisse Zärtlichkeit ... das Kind fühlen lassen, daß er es liebt und nur sein Bestes beabsichtigt“30. „Bei allem ist jedoch immer die Fassungskraft des Kindes zu berücksichtigen“31. Und natürlich auch die Stimmung. Die günstigste Stimmung des Kindes soll zum Lernen ausgenutzt werden, denn ein Kind lernt so dreimal soviel, während es bei schlechter Stimmung die doppelte Zeit und Mühe braucht. Auch die Wissbegierde muss ausgenutzt werden. Sie ist die „höchste und wichtigste Fähigkeit unseres Geistes“32 und ein wertvolles „Werkzeug, womit die Natur uns versehen, um die bei der Geburt vorhandene Unwissenheit zu beseitigen“33. Dazu muss der Erzieher Temperament und Charakter des Kindes studieren. Auch sollen alle Fragen des Kindes ohne Spott und Irreführung seinem Alter entsprechend klar beantwortet werden. Um die Wissbegierde des Kindes zu erhalten, soll der Erzieher ihm „seltsame und neue Dinge“34 zeigen und es in Gegenwart anderer Personen für seine Kenntnisse loben. Der Tätigkeitsdrang äußert sich bei allen Kindern als Spiellust, welche durch Spielzeug, das die Selbsttätigkeit des Kindes anregt, ermuntert werden, aber auch in nützliche Zwecke umgeleitet werden soll.
2. Wirkung und Bedeutung der pädagogischen Schriften Locke´s
Die praktischen Auswirkungen der pädagogischen Gedanken Locke´s in England war zunächst sehr gering. Entsprechend dem konservativen Charakter Englands blieb das höhere Schulwesen unter Kontrolle der anglikanischen Kirche, woraus sich der Vorzug der Privaterziehung der englischen Bourgeoisie ergab. Ein Wandel zeigte sich nach 1800 unter dem Druck ökonomischer Notwendigkeit mit dem Aufkommen des Industriekapitalismus. In praktischer Hinsicht dagegen wurden die Gedanken Locke´s in ganz Europa aufgegriffen, beispielsweise von A. Smith, Rousseau oder Leibnitz - besonders also von Gegnern des Absolutismus in Frankreich. Locke lebte in der revolutionären Phase der englischen Bourgeoisie in einer Zeit schärfster Klassengegensätze. Anknüpfend an pädagogische Gedanke von Baco, Asham oder Milton war Locke wohl der erste Theoretiker der Pädagogik, der die ökonomischen und politischen Bedürfnisse und Interessen der Bourgeoisie auf dem Gebiet der Erziehung eindeutig und umfassend formuliert hat. Das neue an Locke´s Gedanken war, im Sinne der neuen Gesellschaftsordnung und der in ihr herrschenden Klasse, das festgelegte Ziel der Erziehung (bürgerliche Moral, Fähigkeiten und Kenntnisse) bedingt mit der veränderten Beziehung zu den überlieferten Unterrichtsfächern (Latein, Griechisch, Rhetorik, Logik...) und der Aufnahme neuer Fächer (Französisch, Arithmetik, Geographie, Geschichte, bürgerliches Recht, Handwerk, Buchführung) notwendig auch den Übergang zu neuen Erziehungs- und Unterrichtsgrundsätzen und -methoden (Anschaulichkeit, Fasslichkeit, Selbsttätigkeit, Nützlichkeit ...) sowie eine neue, besonders den englischen Verhältnissen entsprechende Organisationsform der Erziehung wie Privaterziehung oder Working - schools. Das großbürgerliche Erziehungsziel von Locke ist die Anwendung der Religion als Mittel sittlicher Erziehung. Heute lehnen wir einen Teil seiner Unterrichtsfächer ab für die allgemeinbildenden Schulen, die meisten seiner Grundsätze wie Anschaulichkeit oder Selbsttätigkeit sind im Dienste unserer deutschen Schulen.
Zusammenfassung in Form eines Unterichtsvorschlages
Als Zusammenfassung möchte ich einen Vorschlag für einen Unterricht mit Kindern bis zu 9 Jahren geben. Ich möchte versuchen die Konzepte und Gedanken John Locke´s nun praktisch umzusetzen, wobei es sich hierbei nicht um die Erziehung von Edelmännern handelt, sondern allgemein anwendbar ist auf eine 1. bis 4. Klasse. Ziel unserer Stunde ist die Vorstellung der Person John Locke, allerdings kindgerecht. Dabei steht der Besuch eines Museums über John Locke , oder wenigstens mit ausgestellten Bildern über ihn im Vordergrund. Um die Wissbegierde der Kinder zu stärken und den Tätigkeitsdrang unserem Unterrichtsziel entsprechend zu lenken spielen die Kinder am Anfang im Museum ein Detektivspiel. Dazu bekommen die Kinder einen Ausschnitt eines Bildes von John Locke, welches im Museum ausgestellt ist. Unser Meisterdetektiv ist das Kind, welches als erstes das Bild findet. Damit entsprechen wir zwei Anforderungen von John Locke. Zum einen der Wissbegierde. Die Kinder suchen mit sehr großem Eifer in dem Museum nach dem gewünschten Bild. Dabei schauen sie sich auch andere Bilder an und vergleichen mit ihren Ausschnitt, so dass die Kinder mit wachsender Spannung auf das richtige Bild hoffen. Das Kind sieht somit die von Locke gewünschten neuen und seltsamen Dinge. Zum anderen wird der Tätigkeitsdrang in Form unseres Spieles direkt zu unserem Unterrichtsziel hin gelenkt. Haben die Kinder nun das Bild gefunden, sollen sich alle im Halbkreis um das Bild herum setzen und zusammen wird das Bild betrachtet und besprochen. Dabei wird mit einfachen Dingen angefangen, wie: “woran habt ihr das Bild erkannt?“, „was sehen wir auf dem Bild?“ oder „wie ist der Gesichtsausdruck der Person auf dem Bild?“. Sinnvoll wäre es mit einem Bild anzufangen, welches John Locke als Kind zeigt. Das fällt den Kindern einfacher sich in seine Situation rein zu versetzen. Nach Locke geht es nun dabei um die Betrachtung der Dinge. Die Kinder haben die Möglichkeit sein Bild zu betrachten und bekommen nicht nur seine Biographie erzählt, denn durch Worte sind den Kindern keine klaren Vorstellungen zu verschaffen. Indem wir mit einfacher Betrachtung beginnen, „was sehen wir auf dem Bild?“, fangen wir ganz leicht an die Kinder in das Leben John Locke´s einzuführen. „Man gebe ihnen zuerst eine einfache Idee und sehe, daß sie diese recht erfassen und vollständig begreifen, bevor man irgendwie weitergeht und dann füge man irgendeine andere einfache Idee hinzu“35. Später können wir den Kindern versuchen noch mehr Informationen zu vermitteln, indem wir mit ihnen weitere Fragen versuchen zu beantworten und dann immer etwas geschichtliches dazu, den Kindern in Form von kleinen Geschichten vermitteln. Fragen wie: „Wer beschreibt uns die Kleidung?“ und „Sieht unsere Kleidung heute ähnlich
aus?“. Später könnte man den Kindern eine offene Geschichte vorlesen, welche wichtig ist um das nächste Bild zu finden. Dieses Bild könnte nun John Locke zur späteren Zeit wie Jugendalter oder Erwachsenenalter zeigen. Damit steigert sich auch die Aufmerksamkeit der Kinder und sie sind interessiert wie der Knabe des vorigen Bildes nun später aussieht. Auch da kann man in Form von Fragen die Wissbegierde der Kinder lenken. Wichtig dabei ist, dass alle Fragen die die Kinder stellen auch ohne Spott und Irreführung beantwortet werden. Zur Nachbereitung des vermittelten Stoffes empfiehlt es sich die Kinder den Knaben John Locke oder mindestens etwas zu diesem Thema gehöriges zeichnen zu lassen. Denn nach Locke gehört auch das Zeichnen zu einer der Fertigkeiten, die das Kind beherrschen sollte. Dieses würden wir damit ebenfalls üben. Auch kann man den Kindern die Möglichkeit bieten, eine Geschichte über den vorgestellten John Locke zu schreiben. Damit hätten wir den Kindern für diesen Tag mehr beigebracht, als wenn der gleiche Stoff durch Vorlesen des Lehrers vermittelt werden sollte.
Bibliographie
- Friedemann Bedürftig: „Fremdwörterlexikon“, Neuer Pawlak Verlag, Köln
- „Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald“, Jahrgang III, 1953 /54, Seite 205 - 213
- Dr. phil. Weller: „Die kindlichen Spiele in ihrer Bedeutung bei John Locke, Jean Paul und Herbart“, in „Pädagogisches Magazin“, Heft 320, Langensalza, 1908
- E. Fechtner: „John Locke - ein Bild aus den geistigen Kämpfen Englands im 17. Jahrhundert“, 1898
- Bianca Christie: „Abenteuer Museum; Kunst für Kinder - Ein Buch für Erwachsene“, AOL - Verlag, Lichtenau, 1995
- John Lo>
Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit ohne fremde Hilfe und nur mit den hier angeführten Mitteln geschrieben habe.
Jena, 20.März 2001
Susann Schiefer
[...]
1 Fremdwörterlexikon, S.218, Spalte 1
2 Fremdwörterlexikon, S. 73, Spalte 2 Gesamtheit der Bischöfe eines Landes
3 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald; S. 205, Spalte 1
4 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald; S.205, Spalte 2
5 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald; S. 206, Spalte 2
6 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald; S. 206, Spalte 2
7 Das Kapital, Band 1, S. 900
8 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald, S. 207, Spalte 2
9 „Gedanken über Erziehung“, § 67,4
10 Ebenda, § 102
11 „Gedanken über Erziehung“, § 135
12 Ebenda, § 70,6
13 Ebenda, § 70,2
14 Ebenda, § 136
15 Ebenda, § 143,8
16 Ebenda, § 41
17 Ebenda, § 54
18 Ebenda, § 50
19 „Gedanken über Erziehung“, § 82
20 Ebenda, § 70,2
21 Ebenda, § 3
22 Ebenda, § 4
23 „Gedanken über Erziehung“, § 32
24 Ebenda, § 94,6
25 Ebenda, § 164
26 Ebenda, § 178,2
27 Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Greifswald, S. 212, Spalte 1
28 „Gedanken über Erziehung“, § 180
29 Ebenda, § 189,2
30 Ebenda, § 167
31 Ebenda, § 94,1
32 Ebenda, § 122
33 Ebenda, § 118
34 Ebenda, § 121
35 „Gedanken über Erziehung“, § 180
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