Konfessionelles Wählen? Niedergang oder Wandel einer Konfliktlinie im bundesdeutschen Parteiensystem


Hausarbeit, 2001

12 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung

Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland verändert sich. Es sind kurzfristige Stimmungsänderungen zu beobachten. Die langfristige Unterstützung geht zurück und das Stammwählerpotential der beiden großen Volksparteien schrumpft. Neue Parteien etablieren sich. Die Zahl der wechselbereiten Wähler steigt. Gründe für diese Entwicklung sind u.a. in der sich ändernden Berufs- und Sozialstruktur der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu finden. Die Milieubindungen sind in Auflösung begriffen. Damit verbunden verlieren die Vorfeldorganisationen der Parteien, d.h. Gewerkschaften und Kirchen, an Einfluß.

Auf diesen letzten Punkt soll sich die vorliegende Arbeit beziehen. Es geht um die konfessionellen Unterschiede und die kirchliche Bindung der Wahlbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland und deren Auswirkungen auf das Wahlverhalten.

Es wird auf den Verlauf und die Entwicklung der konfessionell - religiösen Konfliktlinie in der Bundesrepublik eingegangen. Dabei wird die unterschiedliche Stellung der Kirchen in Westdeutschland und der ehemaligen DDR dargestellt.

2. Die beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD

Die Arbeit wird sich hauptsächlich auf die beiden großen Volksparteien beziehen, da diese ein besonderes Verhältnis zu den Kirchen haben. Deshalb ist es zunächst wichtig, auf die Entstehung und die politischen Positionen der beiden „großen Parteien“ CDU/CSU und SPD einzugehen.

2.1 Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)

Die CDU wurde 1945 gegründet. Sie entstand auf Initiative ehemaliger Zentrumsmitglieder und christlicher Gewerkschafter als interkonfessionelle Volkspartei. Die CDU suchte den religiös-konfessionellen Konflikt der deutschen Parteiengeschichte zu überwinden. Die Programmatik der CDU ist seit 1949 durch die Soziale Marktwirtschaft geprägt. Derzeit gilt das 1994 beschlossene Grundsatzprogramm, das unter dem Leitmotiv „Freiheit in Verantwortung“ den Charakter der CDU als christliche Volkspartei betont.

2.2 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die SPD ist eine aus dem Konflikt „Arbeit vs. Kapital“ hervorgegangene Partei, welche eng mit der Arbeiterbewegung und den Gewerkschaften verbunden ist. Sie setzte sich als Klassenpartei eher für die Trennung zwischen Staat und Kirche ein, als daß sie kirchlich gebundene Wählergruppen ansprechen wollte. In ihrem Heidelberger Programm 1929 hieß es noch: „Die Öffentlichen Einrichtungen für Erziehung, Schulung, Bildung und Forschung sind weltlich. Jede öffentlichrechtliche Einflußnahme der Kirche, Religion und Weltanschauungsgemeinschaften auf diese Einrichtungen ist zu bekämpfen. Trennung von Staat und Kirche. [...] Keine Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln für kirchliche und religiöse Zwecke.“ Die Wandlung der SPD von der reinen Arbeiterpartei zur Volkspartei manifestierte sich im Godesberger Programm (1959). Die Beziehung zur Kirche wurde darin auf eine neue Basis gestellt. In dem Unterabschnitt „Religion und Kirche“ u.a. „... Die Sozialdemokratische Partei achtet die Kirchen und Religionsgemeinschaften, ihren besonderen Auftrag und ihre Eigenständigkeit. Sie bejaht ihren öffentlich-rechtlichen Schutz. Zur Zusammenarbeit mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften im Sinne einer freien Partnerschaft ist sie stets bereit. Sie begrüßt es, daß Menschen aus ihrer religiösen Verantwortung heraus eine Verpflichtung zum soziale n Handeln und zur Verantwortung in der Gesellschaft bejahen.“ In der Partei gibt es einen „Gesprächskreis Kirche und SPD“, der bundesweit den Austausch zwischen den Kirchen und der SPD unterhält.

3. Entstehung der Konfliktlinie

Wurzeln der konfessionellen Spannungslinie zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland lassen sich bis zurück in die Reformation verfolgen.

Ein Teil der Literatur setzt die Entstehung der konfessionellen Konfliktlinie erst im Kaiserreich an. Im Jahre 1860 hatte der „Kulturkampf“ in Baden seinen Ausgangspunkt. Durch Bismarck wurde er 1870 auf nationaler Ebene entfacht und hatte 1874 seinen Höhepunkt. Hergebrachte Rechte der Katholiken wurden dabei durch staatliche Restriktionen eingeschränkt bzw. abgeschafft. Das Ziel Bismarcks, den Katholizismus als eigenständige politische Größe zu zerstören, hatte das Gegenteil zur Folge. Für Deutschland prägend waren zwei gesellschaftliche Auseinandersetzungen.

Zum einen der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, der die Entstehung der Arbeiterbewegung und letztlich die Gründung der SPD zur Folge hatte. Zum anderen die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat, die zur Politisierung des katholischen Milieus in Deutschland und zur Gründung der Zentrumspartei führten.

Die Konfliktlinie zeigt sich im Wahlverhalten zum ersten Mal bei der Reichstagswahl 1874. Das vier Jahre zuvor gegründete Zentrum erhielt mit 27,9% der Stimmen sein bestes Ergebnis.

Der Katholizismus verfügte seit dieser Zeit und bis in die Weimarer Republik über eine „Volkspartei, die sich ausschließlich nach konfessionellen Kriterien quer zu Klassen und Schichten rekrutierte.“1 Es gab aber keine Partei des Protestantismus, sondern vielmehr verschiedene Parteien mit überwiegend protestantischer Wählerschaft, die sich in ihrer sozialen Basis und politischen Haltung voneinander unterschieden. Eine konfessionelle Wahlnorm bestand für sie nur in der Hinsicht, daß die katholische Partei nicht wählbar sei. Das Zentrum und die Sozialdemokratie verstanden sich vor allem als Interessenvertreter ihrer Bezugsgruppen und bildeten den parteipolitischen Kristallisationspunkt ihres jeweiligen „sozialmoralischen Milieus“.2

4. Weiterentwicklung nach 1945

Bei der Weiterentwicklung der konfessionellen Konfliktlinie nach 1945 ist es wichtig die unterschiedliche Entwicklung und Stellung der Kirchen in Westdeutschland und in der ehemaligen DDR zu unterscheiden. Dabei wird auf die zwei bedeutensten Wahlen der neuen Bundesländer genauer eingegangen. Das war zum einen die erste freie Wahl am 18.März 1990 und zum anderen die Bundestagswahl am 2. Dezember 1990.

4.1 Entwicklung in Westdeutschland

Nach dem 2. Weltkrieg kam es zur Abschwächung der konfessionellen Konfliktlinie. Durch die Teilung Deutschlands verlieren die Katholiken ihren Status als Minderheit, das traditionell geringere Bildungsniveau der Katholiken paßt sich dem der Protestanten an und konfessionell geschlossene Gebiete werden durch Wanderungsbewegungen seltener.3 Es kam zu einem massiven Rückgang der Kirchlichkeit und der Bedeutung religiöser Überzeugungen für die Lebensführung. Die Katholiken fanden sich 1949 nicht mehr in einer Minderheitenposition wieder, die sie nach der Gründung des Deutschen Reiches 1870 und der Weimarer Republik gegenüber den Protestanten hatten. Beide Konfessionen standen sich nun in etwa gleich großer Stärke gegenüber. Die politische Vertretung der Katholiken ging in der CDU/CSU auf. Diese etablierte sich 1945 als überkonfessionelle und christliche Partei. Die konfessionelle Zugehörigkeit blieb ein wesentlicher Bestimmungsfaktor für das Wahlverhalten. Bis in die 80er Jahre hinein wurden der CDU/CSU eher katholische Stammwähler zugeschrieben. Dennoch ist eine Lockerung der Bindungen zwischen der katholischen Kirche und ihren Mitgliedern zu beobachten. Katholische und protestantische Christen wenden sich von der Amtskirche ab.

Seit 1977 erfolgt eine Differenzierung des Wahlverhaltens nach der Kirchennähe. Als Indikator für die Messung des grundsätzlichen Zusammenhangs zwischen der Kirchlichkeit und dem Wahlverhalten ist die Parteiidentifikation. Es waren seit 1977, unabhängig von der Konfession, immer die kirchennahen Bevölkerungsgruppen, die eine besondere Zuneigung für die CDU/CSU bekundeten. Darunter zählen auch kirchennahe Protestanten. Heute gehören noch mehr als 80% der westdeutschen Bevölkerung einer der beiden Amtskirchen an. Dennoch ist der Anteil der Konfessionslosen stetig gewachsen.

4.2 Entwicklung in Ostdeutschland

In Ostdeutschland gerieten beide Kirchen von der Gründung der DDR an unter staatlichen Druck. Die SED drängte den gesellschaftlichen Einfluß der Kirchen aktiv zurück. Mit der Einführung von alternativen Initialisierungsriten wie z.B. Jugendweihe wurde die Säkularisierung forciert.4 Die Katholiken waren traditionell eine Minderheit, was sich auch mit der Gründung der DDR nicht änderte. Doch die Protestanten wurden in eine Opposition zum Staat gedrängt und gerieten im Laufe der Zeit in eine Minderheitenposition gegenüber den Konfessionslosen. Beim Zusammenbruch der DDR gehörten 70% der Bevölkerung keiner christlichen Konfession an.

Die Entkirchlichung äußert sich nicht nur im formalen Bekenntnis zu einer Konfession, sondern auch in einer deutlich geringeren religiös- kirchlichen Praxis.

Aufgrund der gesellschaftlichen Ausgrenzung der Kirchen in der DDR organisierte sich daher nicht zufällig die Opposition zum SED-Regime vielfach unter dem Dach der Kirchen und trug zum Zusammenbruch der DDR bei.

4.2.1 Die erste freie Wahl in der DDR am 18. März 1990

Die Volkskammerwahl im März 1990 war für die DDR-Bürger die erste echte Chance, ihr politisches Schicksal selbst zu bestimmen.5 Es wurde sich mit einer besonders hohen Wahlbeteiligung (93,4%) zunächst klar für eine politische Ordnung nach westlichem Muster entschieden, aber entgegen den Erwartungen mehrheitlich für Parteien, die zwei Ziele in den Vordergrund gerückt hatten, nämlich eine schnelle Vereinigung der beiden deutschen Staaten und die Herbeiführung des materiellen Wohlstandes für die Ostdeutschen.(siehe Abbildung 1)

Abb. 1: Ergebnis der Volkskammerwahl am 18. März 1990

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Roth, Dieter/ Emmert, Thomas, Wählerentscheidungen undWählereinstellungen in Ostdeutschland, S. 240

Das waren die konservative Allianz für Deutschland aus CDU (ChristlichDemokratische Union Deutschlands), DSU (Deutsche Soziale Union) und DA (Demokratischer Aufbruch) sowie der Bund Freier Demokraten. Die SPD hatte kein klares Parteiprofil entwickelt. Sie stand für Behutsamkeit im Übergang von einem totalitären, abgewirtschafteten System in ein demokratisches System, das sich an die prosperierende Bundesrepublik anschließen wollte.

Ein überraschendes Ergebnis dieser Wahl waren die großen Erfolge der konservativen Parteien der Allianz bei den Arbeitern. Die SPD hatte bei den Arbeitern einen nur etwa durchschnittlichen Erfolg. Das zeigt, daß die Mehrheit der Arbeiter in der DDR aktuelle Ziele und Interessen verfolgten. Aus ihrer Sicht versprachen andere Parteien diese eher zu erfüllen als die SPD.

Ein zweites Ergebnis der ersten freien Wahl in der DDR war die starke Unterstützung der Allianzparteien durch Katholiken und Protestanten. Dies läßt sich mit dem klassischen Konfliktmodell erklären. Der Sozialismus war atheistisch ausgerichtet, weshalb der Konflikt zwischen Staat und Kirche in der DDR eine neue Qualität erhielt. Die klassische Konfliktlinie wurde durch eine religiöse Spannungslinie substituiert, welche zwischen konfessioneller Bindung und Konfessionslosigkeit unterschied. Diejenigen Teile der Bevölkerung, die an ihrer religiösen Überzeugung trotz Restriktionen und Repressalien festhielten und dies durch eine fortdauernde Konfessionszugehörigkeit dokumentierten, haben die den Staat repräsentierende Partei abgelehnt und ihre Werthaltung durch die Wahl wertkonservativer Parteien zum Ausdruck gebracht.

4.2.2 Die Bundestagswahl am 2. Dezember 1990

Das Ergebnis der ersten gesamtdeutschen Wahl im Osten der Republik zeigte eine hohe Stabilität der Unionsparteien. Das forcierte Eintreten der Regierung unter Helmut Kohl für die Wirtschaftsunion und für die Einheit trug zu einer Verbesserung der Wahlchancen der Regierungsparteien bei. (siehe Abbildung 2)

Abb.2: Ergebnis der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Roth, Dieter/ Emmert, Thomas, Wählerentscheidungen undWählereinstellungen in Ostdeutschland, S. 249

Hinweis: alle Angaben in %

Die SPD konnte ihre Position in der großen Berufsgruppe der Arbeiter nicht verbessern. Die Arbeiter wählten die SPD unterdurchschnittlich. Sie wollten im östlichen Wahlgebiet nach wie vor vordringliche Wünsche und Ziele erfüllt sehen. Diese waren in der Hauptsache ökonomischer Natur. Sie suchten noch nicht nach mittel-oder langfristigen Interessenvertretungen. Die Gewerkschaften, die im Westen als Vorfeldorganisationen der Vermittlung politischer Programme der Sozialdemokraten wirken, waren in Ostdeutschland nicht geeignet, eine solche Funktion zu übernehmen, da sie für diesen Zeitpunkt nach wie vor den „Stempel alter Regimetreue“6 trugen.

5. Die Konfliktlinie in den 90er Jahren

Eine sozialstrukturelle Entscheidungskomponente für das Wahlverhalten in Westdeutschland ist die konfessionelle Bindung der Befragten. Katholiken, aber auch verstärkt engagierte Protestanten tendieren in den alten Bundesländern überproportional zur Union. Dies war in den neuen Bundesländern nach der Wende tendenziell ähnlich. Die Katholiken spielen allerdings nur eine unbedeutende Rolle. Nur etwa 6% der DDR- Bevölkerung waren katholisch. Es waren 60% der Bürger der DDR zum Zeitpunkt des Niedergangs des SED-Regimes aufgrund der staatlich geförderten Entkonfessionalisierung der Bevölkerung konfessionslos. 33% waren im ehemaligen Stammland der Reformation protestantisch. In den neuen Bundesländern verlief die eigentliche, wahlsoziologisch relevante Trennungslinie zwischen konfessionell Gebundenen und Konfessionslosen. Diese Tendenz hat sich nur unwesentlich verändert. Die relative Bedeutung der konfessionell Gebundenen für die CDU hat sich verstärkt. Gleichzeitig hat sie bei den Konfessionslosen an Unterstützung verloren.

Kirchennahe Wähler stimmen in ihrer überwiegenden Mehrheit für die CDU/CSU. Der Anteil von regelmäßigen Kirchgängern an der Bevölkerung Westdeutschlands geht kontinuierlich zurück. In Ostdeutschland ist deren Anteil ohnehin sehr gering. Es sind nur noch kleiner werdende Minderheiten, die sich in ihrer Wahlentscheidung vom Kirchtum leiten lassen. Die Lockerung der Kirchenbindung gilt für Protestanten und Katholiken im unterschiedlichen Maße. Unter den Protestanten war der Anteil regelmäßiger Gottesdienstbesucher nie besonders hoch. Der Anteil regelmäßiger Gottesdienstbesucher unter den Katholiken schrumpft dagegen stetig. Mit dem Rückgang der Kirchgangshäufigkeit ist nicht automatisch eine Abkehr vom Glauben verbunden.

Die CDU/CSU erreichte bei der Bundestagswahl 1998 46% der Stimmen aller Katholiken. Unter den Katholiken mit einer starken Kirchenbindung erreichte sie 69% der Stimmen.

Diese Analysen bestätigen eine Veränderung der Beziehung zwischen der konfessionellen Bind ung und dem Wahlverhalten. Das wurde empirisch zuerst von Pappi7 gezeigt und dann von Wolf8 bestätigt.

Aus Abb.3 geht hervor, daß jeweils eine absolute Mehrheit der katholischen Kirchgänger in West- und Ostdeutschland, eine absolute Mehrheit der protestantischen Kirchgänger in Ostdeutschland sowie eine relative Mehrheit der protestantischen Kirchgänger in Westdeutschland für die CDU/CSU stimmten.

Abb. 3: Wahlverhalten zugunsten der CDU/CSU und SPD bei der Bundestagswahl 1998 nach Konfession und Kirchlichkeit in %

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jacobs, Jörg, Die konfessionell-religiöse Spannungslinie bei derBundestagswahl 1998

Wurden bei den Konfessionsangehörigen dagegen keine engen Bindungen an ihre Kirchen gepflegt, wurde bei der Bundestagswahl 1998 überwiegend die SPD präferiert. In Ostdeutschland wählten kirchenferne Katholiken mehrheitlich die CDU. In Westdeutschland dagegen stimmten kirchenferne Katholiken mehrheitlich für die SPD. Das Wahlverhalten von Konfessionslosen, kirchennahen und kirchenfernen Protestanten und Katholiken gleicht sich trotz der unterschiedlichen jüngsten Geschichte und Bedeutung der Kirchen in Ost- und Westdeutschland stark.9

Weiterhin ist die langfristige Bindung vieler Christen an die CDU/CSU ein wesentlicher Faktor für das Wahlverhalten. Dies zeigt eine Analyse des Zusammenhangs zwischen der Parteiidentifikation und dem Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 1998.10 Unter dem Konzept der Parteiidentifikation versteht man in der Wahlforschung die längerfristig stabile Bindung eines Bürgers an eine bestimmte Partei.11 Menschen mit einer solchen Parteiidentifikation betrachten sich selbst über einen längeren Zeitraum hinweg als Anhänger der entsprechenden Partei. Die Parteibindung beeinflußt die Wahrnehmung des politischen Geschehens und hat einen erheblichen Einfluß auf das Wahlverhalten. Etwa 6% der konfessionslosen CDU/CSU-Wähler in Westdeutschland und 4% der konfessionslosen CDU-Wähler in Ostdeutschland gaben an, sich mit der CDU zu identifizieren.

Fazit

In Westdeutschland standen die Kirchen immer in der Mitte der Gesellschaft. In Ostdeutschland wurde ihr Gewicht und deren Position durch den Systemwechsel radikal verändert.

Es läßt sich sagen, daß sich in Deutschland spätestens seit 1874 eine konfessionelle Konfliktlinie zwischen Katholiken und Protestanten nachweisen läßt. Diese war neben der Spannungslinie zwischen den sozialen Klassen auch für die bisherigen Wahlen in der Bundesrepublik typisch. Ausgehend von den Säkularisierungs- und Entkirchlichungstendenzen der letzten Jahrzehnte und der in Bezug auf verschiedene Werthaltungen zum größten Teil geringen Differenzen zwischen Katholiken und Protestanten, wird auf eine , die konfessionell ergänzende bzw. sie e rsetzende religiöse Konfliktlinie hingewiesen.12 Die Kirchgangshäufigkeit in West- und Ostdeutschland geht zurück. Anhand dieser Untersuchung kann man auf einen Wandel von der konfessionellen zur religiösen Konfliktlinie schließen.

Der Faktor Kirchlichkeit wird auch in Zukunft seine Bedeutung für das Wahlverhalten behaltenaber es wird zu einer Änderung der Natur kommen. Es bestimmt nicht mehr ein Gegensatz von Katholizismus und Protestantismus, sondern Gegensatz von Gläubigen und Nicht-Gläubigen über eine Wahl.

[...]


1 Schmitt, Karl 1984

2 Vgl. Lepsius, Rainer M., Parteiensystem und Sozialstruktur. Zum Problem der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, in: Ritter, Gerhard A.(Hrsg.), Die deutschen Parteien vor 1918, Köln 1973, S. 56-80

3 Wolf, Christof, S.716

4 Jacobs, Jörg, Die konfessionell-religiöse Spannungslinie bei der Bundestagswahl 1998, S.142

5 Roth, D./ Emmert, T., Wählerentscheidungen und Wählereinstallungen in Ostdeutschland vor und nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl, S. 239

6 Ebda. S. 250

7 Vgl. Pappi,Franz U., Die konfessionell-religiöse Konfliktlinie in der deutschen Wählerschaft: Entstehung, Stabilität und Wandel, S.290

8 Vgl. Wolf, Christof, Konfessionelle versus religiöse Konfliktlinie in der deutschen Wählerschaft, S. 719

9 Jacobs, Jörg, Die konfessionell- religiöse Spannungslinie bei der Bundestagswahl 1998, S.147

10 Ebda. S.147

11 Arzheimer, Kai/ Falter, Jürgen W., Annäherung durch Wandel“?, S.40

12 Vgl. Pappi, Franz U., Die konfessionell-religiöse Konfliktlinie in der deutschen Wählerschaft: Entstehung, Stabilität und Wandel, S. 283

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Konfessionelles Wählen? Niedergang oder Wandel einer Konfliktlinie im bundesdeutschen Parteiensystem
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V102192
ISBN (eBook)
9783640005802
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konfessionelles, Wählen, Niedergang, Wandel, Konfliktlinie, Parteiensystem
Arbeit zitieren
Kristin Kretschmer (Autor:in), 2001, Konfessionelles Wählen? Niedergang oder Wandel einer Konfliktlinie im bundesdeutschen Parteiensystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102192

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