Lexika im Unterricht für sprachlich förderbedürftige Schüler. Kommunikation im sprachsensiblen Fachunterricht

Ein funktionalpragmatischer Ansatz


Masterarbeit, 2019

167 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einführung

2 Analyse des T ranskripts
2.1 Datenerhebung und Unterrichtskontext
2.2 Begründung der Methodenwahl (Funktionalpragmatik)
2.3 Lehr-Lern-Diskurs oder Unterrichtsdiskurs und grundlegende Handlungsmuster
2.4 Analyse einzelner T ranskriptabschnitte
2.4.1 Themen- und Begriffseinführung
2.4.2 Begriffserklärung
2.4.3 Besprechung der Ergebnisse aus der Anwendungsphase
2.4.4 Fazit zur T ranskriptanalyse

3 Lehrersprache und ihre Merkmale

4 Nachschlagewerke im Fremdsprachenunterricht

5 Lexikaanalyse
5.1 Begründung der Lexikawahl
5.2 Begründung der Analysekriterien
5.3 Lexikon 1: Rossipotti - Literaturlexikon für Kinder
5.4 Lexikon 2: Basislexikon - Literaturwissenschaft
5.5 Fazit zur Lexikaanalyse

6 Erstellung eigener Lexikoneinträge

7 Fazit: Nutzung von Lexikoneinträgen im Rahmen der Literaturarbeit im sprachsensiblen Fachunterricht

Quellenverzeichnis

Anhang

Screenshots Rossipotti-Literaturlexikon für Kinder

Transkript

Zusammenfassung:

In der hier vorliegenden Arbeit steht der Einsatz von Lexika zur Verbesserung der Unterrichtskommunikation im sprachsensiblen Fachunterricht am Beispiel des Literaturunterrichts im Fokus. Mit der funktionalen Pragmatik (FP) wird in dieser Arbeit eine Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen, wie der Lehrersprache, des Konzepts des sprachsensiblen Fachunterrichts und der Lexikographie hergestellt. Die Analyse eines transkribierten Unterrichtsbeispiels bildet die Grundlage funktionalpragmatisch zu arbeiten. In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie die Nutzung von Lexika die Unterrichtskommunikation im sprachsensiblen Fachunterricht verbessern kann. Im Laufe der vorliegenden Arbeit zeigt sich, dass Lexika nach dem hier erstellten strukturellen Aufbau zu einer verbesserten Unterrichtskommunikation beitragen können. Es wird demnach mit dieser Arbeit eine Grundlage für weitere Forschungen gegeben, um einen Beitrag zur Verbesserung der Unterrichtskommunikation bzw. den schulischen Erfolg der Schüler_innen im regulären Unterricht leisten zu können.

Abstract:

This thesis focuses on improving the communication in specialized classes (sprachsensibler Fachunterricht) by looking at a recorded class on analyzing literature. The sprachsensibler Fachunterricht aims for teaching students necessary German skills for succeeding in general classes in schools. The use of the functional pragmatic (FP) connects different disciplines, like teacher talk, the concept of the sprachsensibler Fachunterricht named above and the field of lexicography. An analysis of a transcripted class forms the foundation for the functional pragmatic analysis. This thesis asks how the use of lexicons can improve the communication within sprachsensibler Fachunterricht. The results show that the designed lexicon entries in this thesis can improve the class communication. Therefore, this thesis forms a basis for further research to improve the students’ educational success in school.

1 Einführung

„Sprache ist zentral für schulischen Erfolg [...]“

(BALLIS et. al., 2017:5)

Dieses Zitat bzw. diese Perspektive bildet die Motivation für diese Masterarbeit.

An den Schulen gibt es eine steigende Anzahl an förderbedürftigen Schüler_innen. Darunter ausländische Schüler_innen, deutsche Schüler_innen mit Lese- und Rechtschreibschwächen, als auch generell schwache und leistungsstarke Schüler_innen, die deutsche Muttersprachler sind. Um all diese Schülergruppen bei der Verbesserung ihrer schulischen Leistungen unterstützen zu können, wurden eine Vielzahl von Maßnahmen, Strategien und Konzepten entwickelt. Das Ziel ist es die Schüler_innen entsprechend zu fördern, oder rechtzeitig zu vermeiden, dass es gar nicht erst zu Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer schulischen Leistungen kommen kann.

In dieser Arbeit wird der Umgang mit dem sprachsensiblen Fachunterricht betrachtet, um sprachlich förderbedürftige Schüler_innen zu unterstützen. Das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts zielt auf die Vermittlung des nötigen sprachlichen Wissens und relevanter Kompetenzen ab, um die Schüler_innen sowohl an einem Lernprozess teilhaben zu lassen, als ihnen auch langfristig einen schulischen Erfolg gewährleisten zu können. Allein die Sprache bzw. die sprachliche Kompetenz kann demnach den schulischen Erfolg fördern.

Im Rahmen dieser Arbeit wird in einem ersten Schritt ein transkribiertes Unterrichtsbeispiel betrachtet und auf mögliche Verständnisschwierigkeiten hin funktionalpragmatisch untersucht. Es wird hier durch den funktionalpragmatischen Ansatz deutlich, wie sich der Einsatz von Lexika im sprachsensiblen Fachunterricht positiv auf ein besseres Verstehen auswirkt.

In einem weiteren Schritt werden die Literaturlexika nach selbst aufgestellten Kriterien analysiert. Diese Lexika beinhalten bzw. definieren die im Unterrichtsbeispiel behandelten Begrifflichkeiten zur Literaturanalyse im Fach Deutsch. Die zur Lexikaanalyse aufgestellten Kriterien ergeben sich aus der Transkriptanalyse, aber auch aus Merkmalen der Lehrersprache.

Abschließend werden anhand der Analyseergebnisse, sowie Hintergrundwissen zum Aufbau der Lehrersprache und zur Nutzung von Nachschlagewerken im Fremdsprachenunterricht, eigene Lexikoneinträge zu den zentralen Begriffen im hier betrachteten Unterrichtsbeispiel erstellt. Ziel ist es hierbei aufzuzeigen, inwiefern durch den Einsatz von Lexika im sprachsensiblen Fachunterricht am Beispiel der Literaturarbeit im Fach Deutsch die Unterrichtskommunikation verbessert werden kann bzw. Verständnisprobleme verhindert werden können.

Es zeigt sich im weiteren Verlauf und im Ergebnis dieser Arbeit, dass durch den Einsatz von Lexika im sprachsensiblen Fachunterricht die Unterrichtskommunikation tatsächlich verbessert werden kann. Somit kann auch dadurch ein schulischer Erfolg dieser Schüler_innen erreicht werden und der Lernprozess weiter gefördert werden.

Im folgenden Kapitel wird zunächst die Unterrichtssituation, sowie das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts genauer betrachtet.

2 Analyse des Transkripts

2.1 Datenerhebung und Unterrichtskontext

Das hier verwendete, pseudonymisierte Transkript stammt aus Audioaufnahmen im Sommer 2017 an einem staatlich anerkannten Gymnasium in freier Trägerschaft. Bei dem transkribierten Unterricht handelt es sich um einen sog. sprachsensiblen Fachunterricht, zur Förderung der auswärtigen Schüler_innen im integrierten Internat der Schule eingeführt hatte. Der sprachsensible Fachunterricht fand im Sommer 2017 für die auswärtigen Schüler_innen verpflichtend statt, z.B. in den Fächern Deutsch, Biologie, Chemie, Physik und Mathematik.

Ziel des sprachsensiblen Fachunterrichts ist die Vermittlung der fachspezifischen Unterrichtssprache, die im Rahmen des regulären Deutschunterrichts bzw. des Deutsch als Zweitsprache (DaZ) Unterrichts nicht (ausreichend) vermittelt werden kann (vgl. BALLIS et. al., 2017:5). Der reguläre Fachunterricht (darunter z.B. die Fächer Biologie, Chemie, Mathematik, Deutsch und Physik) fordert von den Schüler_innen Fach- und Sprachwissen, vor allem auf sprachlicher Ebene (mündlich und schriftlich) (z.B. in Form des Wortschatzes, der Wortbildung und/oder der Syntax) (vgl. ebda.). Dadurch ist der schulische Erfolg der Schüler_innen an ihre Sprachkompetenz gebunden (vgl. BALLIS et. al., 2017:5-6). Dies bedeutet auch, dass das im Fachunterricht gelehrte Wissen nur durch die nötigen sprachlichen Kenntnisse erworben werden kann (vgl. BALLIS et. al., 2017:5-6). Demnach behindern „Fehlende allgemein- und bildungssprachliche Fähigkeiten [...] fachliches Lernen."

(BALLIS et. al., 2017:6). Genau hier soll der sprachsensible Fachunterricht ansetzen und diese „Fehlende[n] allgemein- und bildungssprachliche[n] Fähigkeiten [...]“ (BALLIS et. al., 2017:6) den sprachlich förderbedürftigen Schüler_innen vermittelt werden, um auch ihnen einen schulischen Erfolg zu ermöglichen.

Ein weiteres Ziel des sprachsensiblen Fachunterrichts ist die Kompetenzförderung (vgl. BALLIS et. al., 2017:15). So sollen z.B. im Fach Deutsch die Kompetenzen des Sprechens, Schreiben, mit Texten umgehen, Sprache untersuchen und methodische Kompetenzen vermittelt werden (vgl. ebda.). Kompetenzen werden „[...] als handelnden Umgang mit Wissen [...]“ (BALLIS et. al., 2017:6; Hervorhebung im Original) betrachtet. Bezogen auf das vorliegende geht es hier z.B. um Textanalyse- und Interpretationskompetenzen. Den Schüler_innen soll der Umgang mit literarischen Texten nähergebracht werden. In Zusammenhang mit dem sprachsensiblen Fachunterricht bedeutet dies, dass ihnen die nötigen sprachlichen Mittel zur Kompetenzausführung gelehrt werden. Im Rahmen des vorliegenden Unterrichtsbeispiels erfolgt dies durch die Vermittlung von fachspezifischen Begriffen, wie Erzählperspektive, Erzählform, usw. Diese Begriffe bilden Schlüsselaspekte im Rahmen der Analyse literarischer Texte, wie auch die Lehrkraft zu Anfang des Unterrichts im vorliegenden Transkript ihren Schüler_innen verdeutlicht (vgl. Fläche 55-56).

Im vorliegenden Unterrichtsbeispiel geht es um die Literaturarbeit. Teil des Unterrichts bilden Schüler_innen aus verschiedenen Klassenstufen der Sekundarstufe I und II. Darüber hinaus verfügen die Schüler_innen über verschiedene Sprachniveaus, von A2 bis C1 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER). Das heißt, einige Schüler_innen verfügen über ein Anfängerniveau, während andere Schüler_innen beinahe ein Muttersprachenniveau in Deutsch vorweisen können.

Im Rahmen der Literaturarbeit soll den Schüler_innen im vorliegenden Unterrichtsbeispiel ein Teil des nötigen fach- und unterrichtssprachlichen Wissens im Fach Deutsch vermittelt werden. Die Schüler_innen sollen damit in der Lage sein, die Aufgaben im regulären Deutschunterricht zu bewältigen und somit einen schulischen Erfolg zu erzielen (vgl. BALLIS et. al., 2017:5-6). Aufgrund der verschiedenen Klassenstufen bzw. des unterschiedlichen Kompetenzwissen der Schüler_innen weisen diese Aufgabenarten verschiedene Schwierigkeitsgrade auf. So ist für die Sekundarstufe I festgelegt, dass die Schüler_innen Texte lesen, verstehen und darüber hinaus Wissen über Literatur erwerben sollen (vgl. KMK, 2004:8). In der Sekundarstufe II geht es vor allem um die Interpretation und Erörterung literarischer Texte (vgl. KMK (1), 2014:24). Dies lässt sich auch im Rahmen des Transkripts erkennen, denn die Lehrkraft (Frau Müller) teilt den Schüler_innen je nach Klassenstufe einen anderen literarischen Text zur Analyse zu (vgl. Fläche 55-58).

Im vorliegenden Unterrichtsbeispiel verfolgt die Lehrkraft das Ziel Begrifflichkeiten wie Erzählform, Erzählperspektive, Erzählstil und damit zusammenhängende, unterrichtsrelevante Unterbegriffe den Schüler_innen zu vermitteln. Diese Begriffe sollen den Schüler_innen als Werkzeug für Textanalysen und -interpretationen dienen. Es wird jedoch in der Transkriptanalyse deutlich werden, dass eine erfolgreiche Vermittlung dieser Begrifflichkeiten auch die Erklärung damit zusammenhängender und als selbstverständlich angesehener Begriffe bedarf (z.B. Thema und Prosa).

Der vorliegende Unterricht ist folgendermaßen strukturiert: Nach einem Unterrichtsbeginn, der eine Begrüßung der Schüler_innen, eine zeitintensive (etwa sieben Minuten) Erfragung ihres schulischen Wohlbefindens und die Vorstellung neuer Schüler_innen beinhaltet (vgl. Fläche 1-55), führt die Lehrkraft die zu erlernenden Begrifflichkeiten bzw. das heutige Unterrichtsthema zunächst ein (vgl. Fläche 55- [61 ]). Daraufhin erfolgt eine Bedeutungserörterung der Begriffe (vgl. Fläche [61 ]-100). Im weiteren Verlauf stellt die Lehrkraft den Schüler_innen (je nach Klassenstufe) verschiedene literarische Texte zur Verfügung (vgl. Fläche 100-136). Ihre Aufgabe ist es, die zuvor besprochenen Begriffe aus den Texten herauszuarbeiten bzw. die Begriffe praktisch im Rahmen einer Textanalyse anzuwenden (vgl. ebda.). Die Lehrkraft überprüft hier, ob die Wissensvermittlung zuvor erfolgreich war. Nach einer gegebenen Bearbeitungszeit von fünfzehn Minuten erfolgt die Besprechung der Ergebnisse pro Klassenstufe im Plenum (vgl. Fläche 136-284). Jede Besprechung wird mit einer weiteren Aufgabenstellung beendet, welche die Schüler_innen bei einer Nicht-Fertigstellung im Unterricht als Hausaufgabe zu vollenden haben (vgl. ebda.). Danach wird der Unterricht seitens der Lehrkraft mit organisatorischen Hinweisen auf kommende Unterrichtseinheiten im Rahmen des sprachsensiblen Fachunterrichts hin abgeschlossen (vgl. Fläche 284-300).

Bevor es zur eigentlichen Analyse des Transkripts kommt, wird im Folgenden kurz die Methodenwahl begründet.

2.2 Begründung der Methodenwahl (Funktionalpragmatik)

Zur Transkriptanalyse wird in dieser Arbeit die Funktionalpragmatik (FP) verwendet. Das vorliegende Transkript ist, wie oben bereits beschrieben, im sprachsensiblen Fachunterricht in der Schule aufgenommen worden. Es geht hier also um die Institution Schule, welche allgemein die gesellschaftlichen Zwecke zur Sozialisierung und Wissensvermittlung erfüllt (vgl. EHLICH et. al., 1986:26). Genau genommen ist die Schule „[...] eine Instanz der Reproduktion des gesellschaftlichen Wissens." (EHLICH et. al., 1986:168). Der Zweck der Institution Schule ist demnach die Wissensorganisation (Wissensvermittlung und -entwicklung) (vgl. EHLICH et. al., 1986:166). Die Schule gibt das Wissen der Gesellschaft an die folgenden Generationen weiter und leistet damit ihren „[...] Beitrag zur Reproduktion der Gesellschaft [...]“ (EHLICH et. al., 1986:169). Die Erfüllung ihres Zwecks erfolgt auf sprachlicher Ebene, weshalb es sich bei der Schule um eine versprachlichte Institution handelt (vgl. EHLICH et. al., 1986:170).

Die FP untersucht sprachliches Handeln, welches die Interaktion zwischen Hörer und Sprecher beschreibt (vgl. EHLICH, 2007a:13; WEBER et. al., 2012:1). Hierbei bildet der Hörer die „[...] elementare Form der Kommunikation [...]“ (EHLICH, 2007a:13) und somit die Voraussetzung für das Entstehen der Kommunikation (vgl. ebda.). Dies wird später im Rahmen des Unterrichtsdiskurses bzw. der Schülerjnnen-Lehrerjnnen- Interaktion noch einmal deutlich werden.

Die FP erklärt sprachliches Handeln auf Basis von Zwecken (vgl. ebda.). Zwecke nehmen eine zentrale Bedeutung im sprachlichen Handeln ein (vgl. EHLICH, 2007a:14). Sie organisieren und leiten die jeweilige sprachliche Handlung (vgl. ebda.; EHLICH, 2007:4). Das heißt, das hier betrachtete sprachliche Handeln kann unter Berücksichtigung der Zwecke der Institution Schule analysiert werden.

Ziel der FP ist die „Rekonstruktion der den Äußerungsfolgen zugrunde liegenden sprachlichen Handlungsmuster als gesellschaftlich ausgearbeitete Formen sprachlichen Handelns.“ (WEBER et. al., 2012:4). Diese sprachlichen

Handlungsmuster umfassen in der FP den interaktionalen und mentalen Bereich (vgl. WEBER et. al., 2012:2). Dadurch ist es in dieser Arbeit möglich, die Verständnisschwierigkeiten seitens der Schüler_innen, sowie die Zielsetzung und entsprechende Diskurslenkung durch die Lehrkraft im Rahmen des vorliegenden Unterrichtstranskripts zu ermitteln.

Die FP macht es hier möglich, das sprachliche Handeln der Schüler_innen und der Lehrkraft zu rekonstruieren und „[...] sprachliche und nichtsprachliche Äußerungen [...] auf ihre Zwecke, Ziele und Aufgaben im Diskurs [...]“ (LÖRSCHER, 1983:192) hin zu analysieren.

Des Weiteren werden Handlungsmuster „[...] im Fall ihrer Verwendung an spezielle Rahmenbedingungen der Kommunikation angepasst [...]“ (WEBER et. al., 2012:5). Das heißt, es ist hier mit der FP nicht nur möglich, das sprachliche Handeln im Zusammenhang mit der Institution Schule zu betrachten, sondern dabei auch die gegebenen Rahmenbedingungen für den sprachsensiblen Fachunterricht zu berücksichtigen. Diese Rahmenbedingungen wurden im vorherigen Kapitel beschrieben. Die FP gestattet demnach ein ganzheitliches Bild und betrachtet die sprachlichen Handlungsmuster im Kontext (vgl. ebda.). Denn „Ergebnisse von Einzeluntersuchungen können immer nur einen Teil der Wirklichkeit zeigen.“ (WEBER et. al., 2012:5). Genau dies kann mit der FP vermieden werden und ermöglicht somit eine realitätsnahe Betrachtung bzw. Analyse des sprachlichen Handelns. Dies ist ebenfalls zur Erreichung des Ziels dieser Arbeit förderlich, denn es geht darum, zu einer Verbesserung der (realen) Unterrichtskommunikation beizutragen.

Die FP ist umfassend, d.h. sie betrachtet die Pragmatik, Grammatik, Syntax, Semantik, Phonologie und Schrift (vgl. WEBER et. al., 2012:1-3). Im Rahmen dieser Arbeit ermöglicht dies einen ungehinderten Transfer bzw. eine Verbindung zur Lexikaanalyse. Die Analyse der Lexika basiert hier sowohl auf der linguistischen Textanalyse, als auch auf linguistischen Kriterien für die Lehrersprache. Diese Eigenschaft der FP macht es daher möglich, im Rahmen dieser Arbeit zwei Analysen unterschiedlicher Disziplinen zu verbinden und somit zur Erreichung des Ziels dieser Arbeit beizutragen.

Zuvor wurden einige Begrifflichkeiten, wie Diskurs und Handlungsmuster, aufgegriffen. Im Nachfolgenden werden diese noch einmal genauer ausgeführt und im Kontext dieser Arbeit betrachtet. Sie bilden eine Grundlage für die Analyse und tragen zur Beantwortung der zentralen Fragestellung dieser Arbeit bei.

2.3 Lehr-Lern-Diskurs oder Unterrichtsdiskurs und grundlegende Handlungsmuster

Im Nachfolgenden wird erörtert, inwiefern es sich bei dem vorliegenden Unterrichtstranskript um einen Lehr-Lern-Diskurs oder einen Unterrichtsdiskurs handelt. Zunächst aber wird der Begriff des Diskurses erläutert, zum Text abgegrenzt und auf das vorliegende Unterrichtsbeispiel angewendet.

Ein Diskurs wird in der Pragmatik „[...] zur Bezeichnung von strukturierten Ensembles von Sprechhandlungen verwendet, die aus einfachen oder komplexen Sprechhandlungsfolgen bestehen." (EHLICH, 2007:4). Die Sprechhandlungsfolgen wiederum setzen sich aus Handlungsmustern zusammen und werden durch Zwecke organisiert (vgl. ebda.). Das heißt in der Pragmatik besteht ein Diskurs aus Handlungsmustern (vgl. ebda.). Ein Diskurs zeichnet sich durch seine Mündlichkeit und der Kopräsenz der Interaktanten aus (vgl. EHLICH, 2007a:33). Darüber hinaus ist es in einem Diskurs möglich, deiktische Prozeduren zu verwenden. Das heißt, im Diskurs durch die Kopräsenz der Interaktanten in einem Raum auf verschiedene Dinge durch die Verwendung von Deixis (z.B. hier, da, dort) zu verweisen (vgl. ebda.). Demgegenüber steht der Begriff des Textes. Texte sind „[...] Ergebnisse ganz spezifischer Handlungserfordernisse, nämlich solcher der Überlieferung.“ (ebda.; Hervorhebung im Original). Im Vergleich zum Diskurs steht demnach die Überdauerung oder auch Verstetigung beim Text im Fokus (vgl. ebda.). Ein Text geht über den Diskurs hinaus (vgl. ebda.). Er kann mündlich oder schriftlich sein (vgl. ebda.) Im Unterschied zum Diskurs ist eine Kopräsenz der Interaktanten nicht notwendig und es kann im Rahmen eines Textes auch keine Deixis verwendet werden (vgl. ebda.). Bei dem vorliegenden Unterrichtstranskript handelt es sich um einen Diskurs. Die Interaktanten der Institution Schule, hier die Lehrkraft und die Schüler_innen, sind kopräsent, es werden deiktische Prozeduren verwendet und die Interaktion erfolgt mündlich.

Im Nachfolgenden gilt es nun zu ermitteln, inwiefern es sich bei dem vorliegenden Korpus um einen Lehr-Lern-Diskurs oder einen Unterrichtsdiskurs handelt.

Der Lehr-Lern-Diskurs ist zum einen durch eine Wissensdivergenz gekennzeichnet (vgl. EHLICH, 2007:136-137). Das heißt, die Lehrkraft (Frau Müller) nimmt „[...] die Position des Wissenden [...]“ (VOGT, 2009:203) ein und ist sich somit über die Bedeutung und Anwendung der im Unterricht besprochenen Begrifflichkeiten bewusst. Die Schüler_innen repräsentieren die Wissenswilligen (vgl. EHLICH, 2007:136-137). Es besteht im Lehr-Lern-Diskurs zwischen den Interaktanten eine wechselseitige Anerkennung (vgl. ebda.). Das heißt zum einen ist die Lehrkraft willens ihr Wissen weiterzugeben (vgl. ebda.). Zum anderen sind die Schüler_innen bereit, (a) sich ihre Wissenslücke einzugestehen, (b) die Lehrkraft als Wissende anzuerkennen und (c) ihre Wissenslücke zu füllen (vgl. ebda.).

Darüber hinaus zeichnet sich der Lehr-Lern-Diskurs durch eine inhaltliche Organisation durch die Lehrkraft aus (vgl. EHLICH, 2007:137-138). Erkennbar ist dies im vorliegenden Transkript vor allem durch den hohen und langen Redeanteil der Lehrkraft, sowie das Stellen ihrer Lehrerfragen. Frau Müller dominiert bzw. lenkt den Unterricht und beeinflusst damit folglich auch die Struktur und den Ablauf des Diskurses. Dennoch ist noch einmal zu betonen, dass der Wissenstransfer auch von der Aufnahmefähigkeit der Schüler_innen abhängig ist (vgl. EHLICH, 2007:137). Bereits im Rahmen der Methodenbegründung wurde angemerkt, dass es sich bei sprachlichem Handeln generell um eine Sprecher-Hörer-Interaktion handelt (vgl. EHLICH, 2007a:13). Hierbei ist die Rolle des Hörers zentral für das Zustandekommen der Kommunikation (vgl. ebda.) Dies wird im Rahmen des Unterrichtstranskripts deutlich, denn die Lehrkraft Frau Müller ist hier darauf angewiesen Schülerantworten auf ihre Lehrerfragen zu erhalten (vgl. ebda; EHLICH, 2007:147-149). Bleiben diese Antworten aus, scheitert der anvisierte Wissenstransfer bzw. wurde das Werkzeug der Lehrerfrage nicht erfolgreich eingesetzt (vgl. EHLICH, 2007:147-149). Eine Lehrerfrage unterscheidet sich gegenüber einer eigentlichen Frage darin, dass sie keine Wissenslücke beim Fragenden füllt (vgl. EHLICH, 2007:144). Die Lehrerfrage ist eine „[...] sprachliche Form, die dazu dient, Wissen zu bewegen.“ (EHLICH, 2007:144) und, wie bereits erwähnt, den Unterricht auf sein Ziel hin zu lenken (vgl. EHLICH, 2007:147-149). Sie soll mentale Prozesse bei den Schüler_innen anregen und letztendlich zum Wissenserwerb bei den Schüler_innen führen (vgl. EHLICH, 2007:146-147, 149). Durch das Stellen der Lehrerfragen erfahren die Schüler_innen ihr Wissensdefizit kognitiv (EHLICH, 2007:148). Denn die Lehrerfrage ist ein „[...] Mittel, das mentale Operationen des Schülers anregt.“ (EHLICH, 2007:147; Hervorhebung im Original), wodurch den Schüler_innen das Erfordernis zum Füllen ihrer Wissenslücke bewusst wird (vgl. EHLICH, 2007:148). Die Schüler_innen greifen auf vorhandene mentale Operationen zurück, um ihre Wissenslücke zu füllen und somit die Lehrerfrage zu beantworten (vgl. ebda.). Gleichzeitig kann dieser Prozess auch Interesse bei den Schüler_innen entwickeln (vgl. ebda.). Wie bereits erwähnt ist im Lehr-Lern-Diskurs dieses Interesse seitens der Schüler_innen jedoch schon vorhanden (vgl. EHLICH, 2007:136-137). Im Unterrichtsdiskurs ist dieses Interesse seitens der Schüler_innen allerdings nicht gegeben (vgl. EHLICH, 2007:138-140). Während der Lehr-Lern-Diskurs nicht nur in Schulen vorkommt (vgl. EHLICH, 2007:135), setzt der Unterrichtsdiskurs eine pädagogisch ausgebildete Lehrkraft voraus (vgl. EHLICH, 2007:138-140). Eine Lehrkraft mit pädagogischem Hintergrund ist in der Lage ihr „[...] Wissensdefizit über Lernprozesse der Schüler auszugleichen.“ (EHLICH, 2007:139). Wie auch im Lehr- Lern-Diskurs besteht im Unterrichtsdiskurs eine Wissensdivergenz, wobei die Lehrkraft die Position der Wissenden einnimmt (vgl. EHLICH, 2007:138-140). Im Unterschied zum Lehr-Lern-Diskurs mangelt es im Unterrichtsdiskurs an der Freiwilligkeit seitens der Schüler_innen (vgl. ebda.). In Bezug auf das vorliegende Unterrichtstranskript sollen die Schüler_innen verschiedene Begrifflichkeiten erlernen. Die Betonung liegt hier auf „sollen“, da die Schüler_innen natürlich zum einen ihre Schulpflicht erfüllen müssen und zum anderen in diesem Kontext ihre Deutschdefizite aufbessern sollen. In Zusammenhang mit der folgenden Transkriptanalyse ist dies insofern von Bedeutung, da auf ihre mentale Erreichbarkeit durch ihre geringe Motivation nur schwer Einfluss zu nehmen ist (vgl. EHLICH, 2007:138-140). Das heißt, eine geringe Unterrichtsbeteiligung bzw. ausbleibende Schülerantworten auf Lehrerfragen sind nicht zwangsläufig auf ein fehlendes Verständnis für die Unterrichtsmaterie zurückzuführen, sondern können auch die Auswirkungen fehlender Motivation seitens der Schüler_innen sein. Im Unterrichtsdiskurs ist folglich keine wechselseitige Anerkennung zwischen der Lehrkraft und den Schüler_innen vorhanden (vgl. ebda.). Die unterschiedlichen Zielsetzungen von Lehrkraft und Schüler_in stehen sich hier gegenüber (vgl. ebda.). Während die Lehrkraft auf die Vermittlung von Wissen zielt, und damit der Erfüllung des institutionellen Zwecks der Wissensvermittlung, geht es den Schüler_innen u.U. nur um das Absitzen ihrer Schulpflicht (vgl. ebda.). Im Rahmen des Unterrichtsdiskurses kann die Anwendung der Lehrerfragen als Strategie dienen (vgl. EHLICH, 2007:148-149). Die Lehrerfrage kann den Unterrichtsdiskurs in einen Lehr-Lern-Diskurs überführen (vgl. ebda.). Wie oben bereits ausgeführt, kann die Lehrerfrage durch die Anregung mentaler Prozesse bei den Schüler_innen das Interesse wecken (vgl. ebda.). Sobald die Schüler_innen Interesse entwickeln und sich damit ihre Wissenslücke eingestehen, die Lehrkraft als Wissende anerkennen und eine Bereitschaft zum Füllen ihrer Wissenslücke haben, entwickelt sich der Unterrichtsdiskurs zu einem Lehr-Lern-Diskurs (vgl. ebda.; EHLICH, 2007:136-137).

Bei dem vorliegenden Unterrichtstranskript gestaltet sich eine eindeutige Zuordnung zum Lehr-Lern-Diskurs oder Unterrichtsdiskurs schwierig. Wie bereits im Rahmen des Unterrichtskontextes ausgeführt wurde, sind die Schüler_innen im vorliegenden Unterrichtsbeispiel verpflichtet am sprachsensiblen Fachunterricht teilzunehmen. Auffällig ist auch, dass die Schüler_innen auf Lehrerfragen seitens Frau Müllers überwiegend mit Schweigen reagieren (vgl. z.B. Fläche 62, 64, 84, 99, 170, 186, 192). Dies kann zum einen Desinteresse signalisieren und zum anderen mangelndes Verstehen oder Wissen. Auf der einen Seite stellen einige Schüler_innen weiterführende Fragen (vgl. z.B. Fläche 230). Auch Interpretationen und Wortbedeutungen werden ihrerseits diskutiert (vgl. z.B. Fläche 255-273). Sowohl untereinander, als auch mit der Lehrkraft zusammen. Dies kann von Schülerinteresse zeugen oder eine gelungene Anwendung der Lehrerfragen widerspiegeln. Auf der anderen Seite gibt es einen Schüler, der im Unterricht einschläft (vgl. Fläche 203- 205). Hier ist es fraglich, inwiefern dieser Schüler Interesse hegt, seine Wissenslücke zu schließen, freiwillig am Unterricht teilnimmt oder sich überfordert fühlt. Daran anschließend scheint auch die wechselseitige Anerkennung fraglich. Einerseits werden unterrichtsthematischbezogene Fragen an die Lehrkraft gerichtet, andererseits werden Unsicherheiten im Verstehen der Begriffe nicht verbalisiert bzw. erst verbalisiert mit der Aufforderung zur praktischen Anwendung, zur Textanalyse. Bei Frau Müller handelt es sich um eine Lehrkraft mit pädagogischem Hintergrund. In Anbetracht der oben beschriebenen Aspekte handelt es sich hier um einen Unterrichtsdiskurs, der vereinzelt in bestimmten Sequenzen in einen Lehr-Lern-Diskurs übergeht. In der Transkriptanalyse werden jedoch nur Abschnitte des Unterrichtsdiskurses betrachtet, da in diesen die für diese Arbeit relevanten Problematiken zu finden sind.

Im Rahmen des vorliegenden Diskurses ist ein Erklärungsmuster im Unterrichtsbeispiel zu erkennen. Beim Erklären wird vorausgesetzt, wie auch schon im Lehr-Lern-Diskurs und Unterrichtsdiskurs, dass eine Wissensdivergenz zwischen Sprecher (Lehrkraft) und Hörer (Schüler_innen) vorliegt (vgl. EHLICH, 2009:16; VOGT, 2009:203). Konkret geht es in diesem Unterrichtsbeispiel um Worterklärungen bzw. die Begriffsvermittlung seitens der Lehrkraft und des Begriffslernens seitens der Schüler_innen (vgl. EHLICH, 2009:17; HARREN, 2009:151). Letzteres ist das Unterrichtsziel, um den Schüler_innen einen schulischen Erfolg zu ermöglichen (vgl. BALLIS et. al., 2017:6). Es ist aber auch, wie bereits benannt, von der Motivation der Schüler_innen abhängig (vgl. EHLICH, 2007:142). Wie bereits in Kapitel 2.1 betrachtet, ist die fach- und unterrichtssprachliche Kompetenz für den Wissenserwerb seitens der Schüler_innen und damit für ihren schulischen Erfolg ausschlaggebend (vgl. BALLIS et. al., 2017:5-6). Im Rahmen der Begriffsvermittlung bzw. des Begriffslernens wird dies noch einmal betont (vgl. EHLICH, 2009:17; HARREN, 2009:151). „Mit Hilfe von Begriffen wird Wissen erfasst, gespeichert und verarbeitet." (HARREN, 2009:151) und bildet die Voraussetzung für Schlussfolgern, Sprachverstehen, Problemlösen und vieles mehr (vgl. ebda.). Es wird also im Rahmen des Begriffsvermittlungs- bzw. Begriffslernen-Konzepts erneut deutlich, dass das Erlernen der nötigen Begrifflichkeiten die Aufgabenbewältigung der Schüler_innen im regulären Unterricht und damit einen schulischen Erfolg fördern kann (vgl. ebda.; BALLIS et. al., 2017:5-6).

Die Organisation des Erklärungsmusters gestaltet sich zunächst durch eine „[...] Diagnose des Begriffswissens [...]“ (HARREN, 2009:154). Das bedeutet die Lehrkraft leitet die gefragten Begrifflichkeiten zunächst durch eine Aufgabenstellung ein und ermittelt den Wissensstand der Schüler_innen. Auf Basis dessen kann den Begriffen jeweils eine Bedeutung durch eine Erklärung zugeordnet werden (vgl. ebda.). Hier werden die Begriffsbedeutungen umschrieben, es werden Definitionen und Beispiele seitens der Lehrkraft gegeben (vgl. ebda.). Die Vorgehensweise von der Lehrkraft beruht dann auf der Nennung des Begriffs und der folgenden Bedeutungserklärung (vgl. ebda.). Problematisch kann hierbei sein, dass die Schüler_innen die Begriffsdefinition bzw. -erklärung ohne Verstehen dieser übernehmen und später in der Anwendung des Begriffs scheitern (vgl. HARREN, 2009:166).

Hinsichtlich der Begriffserklärung gibt es nach Quasthoff/Hartmann verschiedene Formen (vgl. HARREN, 2009:153). Darunter die Nennung

- von Beispielen,
- von Synonymen,
- eines Obergriffs und differenzierender Merkmale und
- entscheidender Merkmale.

Inwiefern welche Formen wichtig für das Begriffslernen der Schüler_innen in dem hier betrachteten Unterrichtskontext erscheinen, wird in der Analyse des Transkripts und der Lexika ersichtlich werden.

Nach Quasthoff/Hartmann ist es empfehlenswert, die Erklärung „[...] vom Allgemeinen zum Konkreten [...]“ (HARREN, 2009:153) aufzubauen und entscheidende Merkmale zuerst zu benennen (vgl. ebda.). Bei der Arbeit mit Kindern macht es ihrer Meinung nach auch Sinn, eine Ich-Perspektive gegenüber dem indefiniten „man“ zu verwenden, um eine emotionale Bindung aufzubauen (vgl. ebda.). Inwiefern die Vermeidung des indefiniten „man“ im Rahmen dieses Unterrichtsbeispiel noch sinnvoll ist, wird in der Lexikaanalyse noch einmal betrachtet.

Darüber hinaus ist eine „[...] Anknüpfung an das Vorwissen des/der Rezipienten [...]“ im Rahmen der Begriffserklärung zu berücksichtigen (vgl. ebda.). Daher bildet der erste Abschnitt des Erklärungsmusters zur „[...] Diagnose des Begriffswissens [...]“ (HARREN, 2009:154) eine Grundlage für den weiteren Erklärungsablauf. Im Spracherwerb ist auch zu bedenken, welches Vorwissen bzw. Hintergrundwissen die Schüler_innen zum Verstehen benötigen oder über welches sie bereits verfügen. Problematisch bzw. herausfordernd können in diesem Zusammenhang im Rahmen des vorliegenden Unterrichtsbeispiels die verschiedenen Klassenstufen und Sprachniveaus der Schüler_innen sein. Je nach Klassenstufe, Sprachkenntnissen, Erfahrungen im Umgang mit der deutschen Kultur bzw. dem deutschen Schulsystem, dessen Anforderungen, usw. können die Schüler_innen über mehr oder weniger zum Verstehen notwendiges Vorwissen bzw. Hintergrundwissen verfügen.

In der funktional-pragmatischen Analyse untersuchungsrelevanter Transkriptabschnitte wird neben dem Erklärungsmuster auch das Muster Aufgabe- Stellen/Aufgabe-Lösen herangezogen (EHLICH et. al., 1986:14-15). Begründen lässt sich dies vor allem darin, dass Frau Müller die zu erlernenden Begriffe zunächst durch Aufgabenstellungen einleitet bzw. mit den Schüler_innen gemeinsam erarbeiten will. Des Weiteren sind die Schüler_innen nach der Begriffseinführung und -erklärung gefragt, die Begrifflichkeiten im Rahmen einer Textanalyse anzuwenden bzw. herauszuarbeiten. Auch hier formuliert Frau Müller Aufgabenstellungen und bespricht mit den Schüler_innen nach einer Bearbeitungszeit von fünfzehn Minuten die Ergebnisse. Im Rahmen der Ergebnisbesprechung stellt Frau Müller ebenfalls Aufgaben, um die zu erlernenden Begriffe in Zusammenhang mit den Texten zu erarbeiten.

Das Muster Aufgabe-stellen/Aufgabe-lösen zeichnet sich im interaktionalen Bereich zunächst durch das Stellen einer Aufgabe seitens der Lehrkraft aus (vgl. EHLICH et. al., 1986:16-17). Die Lehrkraft kann u.U. in der Aufgabenstellung, oder auch erst im Rahmen der Aufgabenwiederholung, einen sog. „Wink" geben (vgl. ebda.). Das heißt die Lehrkraft gibt den Schüler_innen einen Hinweis zur korrekten Lösung (vgl. ebda.). Nach der Aufgabenstellung kann nun ein Schweigen seitens der Schüler_innen folgen und die Lehrkraft wiederholt die Aufgabenstellung und/oder gibt einen (weiteren) Wink (vgl. ebda.). Es können jedoch im mentalen Bereich der Schüler_innen erste Lösungsvermutungen vorgenommen werden, die u.U. verbalisiert werden (vgl. ebda.). Seitens der Lehrkraft, sofern ein(ige) Lösungsversuch(e) versprachlicht wurden, werden diese Versuche negativ oder positiv (im mentalen und interaktionalen Bereich) bewertet (vgl. ebda.). Bei einer negativen Einschätzung steigt das Muster wieder bei der Aufgabenstellung (mit Wink) oder -wiederholung ein (vgl. ebda.). Eine positive Einschätzung nehmen die Schüler_innen zur Kenntnis und das Muster Aufgabe stellen / Aufgabe lösen ist abgeschlossen (vgl. ebda.).

Um mögliche Verständnisprobleme seitens der Schüler_innen bzw. Kommunikationsschwierigkeiten im vorliegenden Unterrichtsdiskurs zu ermitteln, wird in der folgenden funktional-pragmatischen Analyse sowohl auf das Muster des Erklärens, als auch auf das Muster Aufgabe-Stellen/Aufgabe-Lösen zurückgegriffen.

2.4 Analyse einzelner Transkriptabschnitte

Es ist zu beachten, dass im Nachfolgenden nur die für diese Arbeit relevanten Transkriptabschnitte funktionalpragmatisch analysiert werden. Alle weiteren Transkriptabschnitte stellen im Rahmen des Ziels dieser Masterarbeit keine bzw. nur eine minimale Relevanz dar.

2.4.1 Themen- und Begriffseinführung

Die Lehrkraft (Frau Müller) macht zunächst deutlich, dass das Unterrichtsziel heute die Untersuchung literarischer Texte ist (vgl. Fläche 55). Zur Einordnung des Unterrichtsziels in den schulischen Alltag weist Frau Müller daraufhin, dass im Rahmen des regulären Unterrichts immer wieder Texte analysiert werden (vgl. Fläche 57). Diese Kontexteinordnung nutzt Frau Müller auch als Übergang, um die zu erlernenden Begriffe in diesem Unterricht einzuführen. Sie fordert die Schüler_innen auf zu überlegen, was die Erzählform und Erzählperspektive ist (vgl. Fläche [58-59]). Sie möchte wissen, wer den sog. Standort des Erzählers erklären kann (vgl. Fläche 60).

Vermutlich handelt es sich hierbei um die sog. „[...] Diagnose des Begriffswissens [...]“ (HARREN, 2009:154). Auffällig ist jedoch, dass sie keine Antworten von den Schüler_innen erhält (vgl. Fläche 56-61). Eine „[...] Diagnose des Begriffswissen [...]“ (HARREN, 2009:154) der Schüler_innen kann hier demnach nicht erfolgen, da sie zwischen ihren Fragestellungen maximal drei Sekunden Pause macht und teilweise gar keine Pause (vgl. Fläche 56-61). Es stellt sich die Frage, ob Frau Müller überhaupt sofort eine Antwort von den Schüler_innen erwartet oder dies den Schüler_innen nur einen ersten Überblick über die Begrifflichkeiten geben soll. Im letzteren Fall fügt Frau Müller dem Erklärungsmuster noch einen weiteren Schritt hinzu. Das heißt, vor der Ermittlung des Wissenstands der Schüler_innen stellt Frau Müller die erlernenden Begriffe vor bzw. benennt diese (vgl. Fläche 56-61). Zu bedenken ist allerdings, dass eine nahezu lückenlose Nennung bzw. Einführung der zu erlernenden Begrifflichkeiten in Form einer Aufgabenstellung („Überlegt bitte, was ist die • Erzählform.“ (Fläche 58)) die Schüler_innen u.U. überfordern könnte. Dies ist abhängig von ihrem Sprachniveau, ihren Lernerfahrungen im (deutschen) Schulsystem und ihrer Klassenstufe. Danach eröffnet Frau Müller für jeden Begriff ein neues Muster Aufgabe-stellen/Aufgabe-lösen (vgl. Fläche 56-61). Insgesamt sind es drei Muster:

(1) „[...] Überlegt bitte, was ist die • Erzählform. [...]“ (Fläche 58)
(2) „[...] Was ist die • Erzählperspektive? [...]“ (Fläche 58-59)
(3) „[...] Wer kann erklären, was was ist? [...]“ (Fläche 61)

Frau Müller eröffnet diese Muster jedoch lediglich und lässt den Schüler_innen keinen Rahmen bzw. keine Pausen ihren mentalen Bereich zu verbalisieren (vgl. Fläche 58-61). Die Schüler_innen können hier demnach nicht im interaktionalen Bereich agieren und ihr vorhandenes Wissen überprüfen. Die Lehrkraft Frau Müller kann durch fehlende Schülerantworten das vorhandene Begriffswissen der Schüler_innen nicht ermitteln.

Es kann jedoch auch angenommen werden, dass die Lehrkraft ein gewisses Vorwissen hinsichtlich der genannten Begriffe, bereits erwartet. Dies kann aus Fläche 99 bis 100 entnommen werden („Okay, ich merke, ihr seid in diesen Fachbegriffen • • noch nicht allzu bewandert.“). Zum einen repräsentiert „noch“ als Gradpartikel einen Zeitpunkt, sowie einen Zeitabschnitt, der vor dem genannten Zeitpunkt beginnt und immer noch anhält (vgl. NEDERSTIGT, 2011:25). Zum anderen impliziert „noch“ einen Zusatz zum großen Ganzen (vgl. NEDERSTIGT, 2011:24, 27). Z.B. in der Äußerung „Er isst noch seine Nudeln.“ Kann „noch“ ausdrücken, dass er zusätzlich noch etwas anderes isst als Nudeln und/oder schon länger seine Nudeln isst und das Aufessen der Nudeln noch andauert. Mit dem letzten Aspekt wird demnach auch ein Hinweis auf die Zukunft gegeben. Nämlich, dass er mit dem Essen fertig sein wird (vgl. NEDERSTIGT, 2011:26). Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Unterrichtstranskript weist Frau Müller mit der Gradpartikel „noch“ darauf hin, dass die zu vermittelnden Begriffe schon in einem vorherigen Unterricht besprochen wurden und sie jetzt im Rahmen der Wissenserfragung Verständnisschwierigkeiten festgestellt hat. Des Weiteren kann Frau Müller mit „noch“ implizieren, dass die Begrifflichkeiten nach der praktischen Anwendung dieser im Rahmen der Textanalyse besser verstanden werden.

Der folgende Transkriptabschnitt kann Hinweise über die Bedeutung vereinzelter angesprochener Abschnitte geben.

2.4.2 Begriffserklärung

Wie aus der Abschnittsüberschrift bereits zu entnehmen ist, folgt nun die eigentliche Begriffserklärung. In der Reihenfolge, in der Frau Müller die Begriffe im vorherigen Abschnitt eingeführt hat, werden diese nun gemeinsam mit dem Vorwissen der Schüler_innen erarbeitet (vgl. Fläche 61-70).

Zu vermuten ist demnach, dass Frau Müller den vorherigen Abschnitt als Begriffseinführung nutzt. Sie will den Schüler_innen u.U. einen Überblick über die (bekannten) Begriffe des Unterrichts geben. Inwiefern diese Struktur nachteilig sein kann, wurde bereits oben genannt.

Im Nachfolgenden werden die Erklärungen der einzelnen Begriffe genauer betrachtet.

2.4.2.1 Erzählform

Die Lehrkraft beginnt, wie bei der Begriffseinführung, mit dem Begriff der Erzählform (vgl. Fläche 61). Mit der direkten Ansprache einer Schülerin möchte Frau Müller von ihr wissen, ob sie zur Erzählform eine „Idee" hat und welche Formen es gibt (vgl. Fläche 61-62). Es folgen zwölf Sekunden Schweigen, woraufhin Frau Müller die Frage nach den Formen noch einmal wiederholt (vgl. Fläche 62). Nach weiteren sechszehn Sekunden Schweigen fragt Frau Müller einen anderen Schüler (vgl. Fläche 62). Die Lehrkraft hält im Nachfolgenden das Muster Aufgabe-stellen/Aufgabe-lösen ein. Sie formuliert nun die Aufgabenstellung um („Wenn du benennen musst in einem Text, was ist die Erzählform ((2s)) in der Geschichte, • • • in dem Prosatext?“ (Fläche 62-63)). In dieser Umformulierung verwendet Frau Müller einen weiteren Fachbegriff (Prosa), weshalb sie innerhalb des bereits geöffneten Erklärungsmusters zur Erzählform ein zweites Muster eröffnet (vgl. Fläche 63-64). In zwei Äußerungen ordnet Frau Müller den Begriff Prosa in den Unterrichtskontext ein, gibt ein Synonym („Erzählweise“) für diesen, und verlässt damit das Erklärungsmuster zu Prosa wieder (vgl. ebda.). In dem folgenden Schweigen von sechs Sekunden stellt sich die Frage, ob die Schüler_innen den Begriff Prosa und damit die vorherige Umformulierung der Lehrerfrage verstanden haben. Vermutlich zieht Frau Müller dies eher nicht in Betracht. Sie unterbricht das Schweigen, indem sie einen dritten Schüler drannimmt und zur anfänglichen Fragestellung und damit in das Erklärungsmuster zur Erzählform zurückkehrt („was ist die Erzählform?“ (Fläche [64-65)). Der Schüler, Hans, scheint sich der Bedeutung von Erzählform auf Wortebene anzunähern (vgl. Fläche 64). Frau Müller gibt Hans zu seiner Antwort bzw. seinem Lösungsversuch keine Rückmeldung (vgl. Fläche 65). Sie steigt sofort in die Begriffsdefinition ein (vgl. ebda.). Das weist darauf hin, dass Frau Müller das Begriffswissen von Hans bzw. den Schüler_innen negativ bewertet und sofort in die Lösungsgebung einsteigt. Allerdings gibt Frau Müller nicht die vollständige Lösung bzw. Definition vor (vgl. Fläche 66). Sie benutzt einen Teil der Definition als sog. Wink oder Hinweis und formuliert daraus eine neue Lehrerfrage (vgl. ebda.). Der gefragte Schüler (Jürgen) gibt Frau Müller eine (teils) korrekte Antwort, was sie ihm mit einer Rückmeldung („Joa“ (Fläche 66)) bestätigt (vgl. ebda.). Nach dem Jürgen noch einmal Teile seiner Antwort wiederholt (vgl. Fläche 67) verbindet die Lehrkraft die Antwort Jürgens mit der Begriffserklärung (vgl. Fläche 67-69). Frau Müller bestätigt, dass es eine Er-Form und eine Sie-Form in der Erzählform gibt (vgl. ebda.). Mit „Du hast Recht, [...]“ (vgl. Fläche 68) bestätigt Frau Müller auch, dass es eine Es-Form geben kann (vgl. ebda.).

Abgeschlossen wird die Begriffserklärung zur Erzählform seitens der Lehrkraft durch eine kurze Zusammenfassung bzw. Wiederholung des bereits Gesagten (vgl. Fläche 69-70). Eingeleitet wird dieser Abschnitt durch „Joa“ (vgl. ebda.). „Joa“ kann nach Skidmore als sog. boundary-marker bezeichnet werden (vgl. SKIDMORE, 2016:89­90). Boundary-markers grenzen sog. Abschnitte innerhalb einer Sequenz ab (vgl. ebda.). Wie im weiteren Verlauf deutlich wird, verwendet die Lehrkraft im vorliegenden Unterrichtsbeispiel „Joa“ sowohl als boundary-marker als auch als positive/negative Rückmeldung auf Schülerantworten, wie es oben bereits genannt wurde. „Joa“ fungiert hier in diesem Fall als boundary-marker, um den Zusammenfassungsteil einzuleiten. Frau Müller fasst noch einmal zusammen, welche Fragestellung sich als erstes zur Untersuchung eines literarischen Textes und somit zur Ermittlung der Erzählform gestellt werden sollte. Auffällig ist hierbei, dass die Es-Form hier in der Zusammenfassung nicht benannt wird (vgl. Fläche 70). Fraglich ist demnach, ob diese überhaupt existiert, sie diese Form hier als irrelevant betrachtet oder ob die Lehrkraft vergessen hat, die Es-Form noch einmal zu benennen. Übertragen auf das Erklärungsmuster fügt Frau Müller diesem einen weiteren Teil zu. Neben dem o.g. Begriffsüberblick vor der Wissensvermittlung der Schüler_innen wird nach der Begriffserklärung noch einmal eine Zusammenfassung bzw. kurze Wiederholung der Erklärung gegeben.

Bezogen auf das im vorherigen Kapitel ausgeführte Erklärungsmuster ist anzumerken, dass Frau Müller hier keine Beispiele heranzieht (vgl. Fläche 61-70). Sie stützt sich lediglich auf Definitionen (vgl. ebda.). Ein Synonym verwendet sie für Prosa und nicht für Erzählform (vgl. Fläche 63-64). Darüber hinaus führt sie für die Er-Form den Mann als Merkmal und die Frau für die Sie-Form an (vgl. Fläche 66-68).

Im Nachfolgenden geht die Lehrkraft auf die Erzählperspektive ein und erarbeitet in diesem Zusammenhang auch die Begriffe Innen-, Außensicht, Standort des Erzählers, Erzählstil, auktorialer und personaler Erzähler (vgl. Fläche 70-100).

2.4.2.2 Erzählperspektive

Die Lehrkraft (Frau Müller) fragt nun nach Abschluss des Erklärungsmusters zur Erzählform nach der Erzählperspektive (vgl. Fläche 70-100). Gleich zu Beginn gibt sie den Schüler_innen einen Hinweis, dass es verschiedene Perspektiven gibt (vgl. Fläche 71). Es stellt sich hier durch das direkte Geben eines Hinweises die Frage, ob Frau Müller nach dem ersten Begriff nun das Vorwissen der Schüler_innen negativ bewertet und daher ihnen sofort einen ersten Hinweis gibt, oder ob sie aus ihren Lehrerfahrungen sich über Verständnisschwierigkeiten bei dem Begriff Erzählperspektive bewusst ist. Frau Müller möchte nach fünf Sekunden Schweigen wissen, ob die Schüler_innen von diesem Begriff schon gehört haben (vgl. ebda). U.U. ist sie sich unsicher, ob die Schüler_innen bereits über ein Vorwissen verfügen. Wie bereits zuvor erwähnt, lässt sich auf Fläche 99-100 mögliches Vorwissen der Schüler_innen erkennen. Es lässt sich jedoch auch annehmen, dass Frau Müller sich die Taktik der Lehrerfrage zunutze machen und die Aufmerksamkeit der Schüler_innen gewinnen möchte (vgl. ebda.; EHLICH, 2007:148-149). Im Folgenden versucht Frau Müller einen weiteren Wink zu geben, in dem sie Perspektive in Erzählperspektive stark betont (vgl. Fläche 72). Dieser Versuch misslingt jedoch, da Perspektive mehrere Bedeutungen hat (vgl. CARSTENS, 2019). Zum einen ist es der Blickwinkel und zum anderen kann es für Zukunftsmöglichkeiten stehen (vgl. ebda.). Die Schülerin Tanja, scheint Perspektive auf die Bedeutung der Zukunftsmöglichkeiten zu beziehen und denkt, dass es bei Erzählperspektive um Zeitformen geht (vgl. Fläche 72). Nach dem die Lehrkraft Tanjas Antwort mit einem eindeutigen „Nein." (Fläche 73) negativ bewertet, versucht ein anderer Schüler (Jens) das zuvor erworbene Wissen auf den neuen Begriff anzuwenden (vgl. ebda.). Jens erfragt, ob die Erzählperspektive etwas mit den Erzählformen zu tun hat (vgl. ebda.). Frau Müller macht auf der gleichen Fläche deutlich, dass die Erzählformen nichts mit der Erzählperspektive zu tun haben und grenzt somit beide Begriffe voneinander ab (vgl. ebda.). Frau Müller scheint zu erkennen, dass die Bedeutung von Perspektive in diesem Zusammenhang unklar ist (vgl. Fläche 74). Sie eröffnet daher ein neues Erklärungsmuster zur Perspektive innerhalb des Musters zur Erzählperspektive (vgl. ebda.). Allerdings wird sie von dem Schüler Rolf unterbrochen (vgl. ebda.). Seine Äußerung „Wie das Thema." (Fläche 74 ) scheint die Lehrkraft zu verwundern, denn sie fragt noch zwei Mal nach (vgl. Fläche 74-75). Es ist anzunehmen, dass Rolfs Äußerung sich auf Frau Müllers Frage nach der Bedeutung der „[...] ErzählperspekTIVE." (Fläche 72) bezieht. Er scheint zu vermuten, dass Erzählperspektive etwas mit dem Thema zu tun hat bzw. setzt mit dem „wie" in seiner Äußerung Thema und Erzählperspektive gleich. Nach dem zweimaligen Nachfragen durch die Lehrkraft äußert sich ein weiterer Schüler (Jürgen) (vgl. Fläche 75). Jürgens Äußerung „Meint er den Inhalt glaube." (Fläche 75 ) hat auf den folgenden Unterrichtsverlauf starken Einfluss. Jürgen versucht die Lehrerfrage von Frau Müller zu beantworten, nämlich was die Erzählperspektive ist bzw. versucht die Aussage seines Mitschülers Rolf verständlich zu erklären. Jürgen will daher auf Fläche 75-76 deutlich machen, dass der Inhalt einer Erzählung bzw. die Informationen aus einer Erzählung aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt werden können (vgl. Fläche 75-76). Genau so versteht auch Frau Müller seine Äußerung. Das ist im Nachfolgenden durch ihre positive Einschätzung seiner Antwort durch „Ja, [...]" und einer kurzen Wiederholung des von ihm Gesagten bzw. der Begriffsdefinition zu erkennen (Fläche 75-76). Mit dem ersten Teil von Jürgens Äußerung stellt er jedoch auch Thema und Inhalt gleich (vgl. Fläche 75). Die Rede ist zuvor von Thema und Jürgens Einwand „Meint er den Inhalt glaube." (vgl. Fläche 75) führt dazu, dass Thema und Inhalt in ihrer Bedeutung gleichgesetzt werden. Das wird vor allem im weiteren Verlauf des Transkripts deutlich, da die Schüler_innen bei der Frage nach dem Thema des Textes (teilweise) den Inhalt wiedergeben. Die Lehrkraft scheint sich dieser Gleichsetzung beider Begrifflichkeiten nicht bewusst zu sein, denn es erfolgt ihrerseits keine Abgrenzung der Begriffe.

Anstelle einer Gleichstellung beider Begriffe kann Jürgens Äußerung auch als eine Korrektur von Rolfs Aussage betrachtet werden. Das heißt Jürgen möchte sagen, dass Rolf anstelle des Themas den Inhalt meinte (vgl. Fläche 75). Dennoch weist auch diese Betrachtungsweise und der weitere Verlauf des Unterrichts daraufhin, dass die Begriffsbedeutung zu Thema und Inhalt bei den Schüler_innen unklar sind.

Die positive Einschätzung von Jürgens Äußerung nutzt Frau Müller als Überleitung, um die Unterbegriffe (Innen- und Außensicht) der Erzählperspektive zu erklären (Fläche 76-77). Frau Müller bestätigt Jürgen, dass bei der Erzählperspektive „[...] die Information [...] aus einer bestimmten Richtung kommen" kann (vgl. Fläche 76 -77). Frau Müllers Erklärungsmuster zu Innensicht ist folgendermaßen aufgebaut:

- Nennung des Begriffs
- Begriffsdefinition
- Kontexteinordnung zu Erzählung und Erzähler
- Begriffszusammenhänge aufzeigen
- Zusammenfassung (vgl. Fläche 77-84).

Frau Müller betont bei der Begriffsnennung „Innen" in Innensicht, um zu verdeutlichen, dass es um das Innere, die Gefühle einer Person bzw. eines Charakters in einer Geschichte geht (vgl. ebda.). Sie erklärt, dass bei der Innensicht erkennbar wird, was die Person denkt und fühlt (vgl. ebda.). Diesen Aspekt wiederholt Frau Müller weitere drei Male (vgl. ebda.). Es ist daher davon auszugehen, dass es sich hierbei um ein entscheidendes Merkmal für den Begriff Innensicht handelt. Sie erwähnt dies in der Begriffsdefinition, der Kontexteinordnung, beim Aufzeigen von Begriffszusammenhängen und der Erklärungszusammenfassung des Begriffs (vgl. ebda.). In einem nächsten Schritt ordnet Frau Müller die Innensicht in den Analysekontext literarischer Texte ein (vgl. Fläche 78-82). Sie zeigt auf, dass es um die Perspektive des Erzählers in der Erzählung geht (vgl. ebda.). Mit einer kurzen Pause zuvor betont die Lehrkraft, dass es sich hierbei um den personalen Erzähler handelt (vgl. Fläche 81). Es erfolgt demnach eine Begriffsgleichsetzung zwischen Innensicht und personaler Erzähler. Das wird vor allem in der anschließenden Zusammenfassung des Erklärungsmusters zu Innensicht bzw. personaler Erzähler deutlich, da sie beide Begriffe noch einmal erwähnt, in Zusammenhang miteinander stellt und in den nächsten Unterbegriff (Außensicht) zu Erzählperspektive überleitet (vgl. Fläche 82-84).

Frau Müller möchte von den Schüler_innen wissen, welchen zweiten Gegenbegriff es zu personalen Erzähler gibt (vgl. Fläche 84). Nach einigen Sekunden des Schweigens und eines verbalisierten Nicht-Wissens seitens eines Schülers nachdem Frau Müller den Schüler_innen einen Hinweis gibt, steigt sie direkt in die Erklärung zum auktorialen Erzähler ein (vgl. Fläche 84-86). Diese Erklärungsmuster strukturieren sich wie folgt:

- Begriffsnennung
- Begriffsdefinition
- Begriffsabgrenzung zum personalen Erzähler
- Beispielausführung bzw. Verdeutlichung der Begriffsunterschiede zwischen personalem und auktorialem Erzähler
- erneute Begriffsnennung
- Begriffsschwerpunkt

Nach der Nennung des Begriffs will Frau Müller wissen, ob den Schüler_innen der Begriff vertraut ist (vgl. Fläche 86). Sie scheint jedoch keine (verbale) Rückmeldung seitens der Schüler_innen zu erwarten, da ihre hierfür gegebene Pause äußerst kurz ist (etwa drei Sekunden) (vgl. ebda.). Sie steigt daraufhin direkt in die Begriffsdefinition ein und zerlegt das Kompositum Außensicht, um zu verdeutlichen, dass es um die „[...] Sicht [...] von außen [...]“ (Fläche 87) geht. Sie bringt daraufhin auktorialer Erzähler und Außensicht in Zusammenhang und verdeutlicht somit deren synonyme Verwendung. Die Lehrkraft greift erneut in ihrer Erklärung, wie auch schon zu Innensicht, das Denken und Fühlen einer Person bzw. eines Charakters in einer Erzählung auf (vgl. Fläche 89). Diesen Aspekt benutzt Frau Müller vor allem zum Aufzeigen des Unterschieds zwischen personalen und auktorialen Erzähler bzw. Innen- und Außensicht (vgl. Fläche 90-92). Sie betont, dass der auktoriale Erzähler von „[...] VIELEN Personen“ (vgl. Fläche 90) die Gefühle und Perspektiven kennt und der personale Erzähler nur weiß, „[...] was ER • • weiß • und kann.“ (vgl. Fläche 91). Anstelle einer Zusammenfassung der Erklärung zum auktorialen Erzähler bzw. zur Außensicht gibt die Lehrkraft ein Beispiel (vgl. Fläche 92-97). Frau Müller erklärt personaler und auktorialer Erzähler noch einmal anhand eines ihrerseits beliebig gewählten Beispiels (vgl. ebda.). Sie will den Schüler_innen deutlich machen, dass der auktoriale Erzähler gegenüber dem personalen Erzähler nicht nur von sich bzw. seinen Gefühlen Bescheid weiß, sondern auch von denen anderer Charaktere (vgl. ebda.). Abschließend wiederholt Frau Müller noch einmal die besprochenen Begriffe personaler und auktorialer Erzähler (vgl. Fläche 97) und äußert noch einmal, dass es um das Wissen und die Perspektive der Person geht (vgl. Fläche 98). Als letztes möchte Frau Müller wissen, ob es noch eine dritte Perspektive gibt (vgl. Fläche 99).

Seitens der Schüler_innen wird auf diese Frage mit Schweigen reagiert, woraufhin Frau Müller diesen Abschnitt mit der bereits o.g. Bemerkung auf ihr evtl. Vorwissen abschließt („Okay, ich merke, ihr seid in diesen Fachbegriffen • • noch nicht all zu bewandert." Fläche 99-100).

Auffällig ist in diesem Transkriptabschnitt, dass Frau Müller keine sprachlichen Beispiele bzw. Textbeispiele gibt. Sie zeigt den Schüler_innen nicht auf, inwiefern sich die Erzählperspektive sprachlich wiederspiegelt. Sie erwähnt nur im Rahmen der Erklärung zu Innensicht, dass es sich bei Ich-Texten oft um einen personalen Erzähler handelt (vgl. Fläche 78). Im folgenden Abschnitt wird deutlich werden, dass es neben Begriffsdefinitionen sinnvoll sein kann den Schüler_innen die sprachliche Umsetzung der Innen- und Außensicht bzw. des personalen und auktorialen Erzählers vor praktischer Anwendung der Begriffe im Rahmen einer Textanalyse aufzuzeigen.

2.4.3 Besprechung der Ergebnisse aus der Anwendungsphase

Wie bereits o.g. werden nur die für diese Arbeit relevanten Transkriptabschnitte analysiert. Daher werden im Folgenden nur Teile der Ergebnisbesprechung genauer betrachtet, die als entscheidende Schlüsselpunkte für das Ziel dieser Masterarbeit gesehen werden.

In dem Abschnitt 2.4.2.2 Erzählperspektive wird anfangs erwähnt, dass u.U. eine Gleichstellung der Begriffe Thema und Inhalt erfolgte (vgl. Fläche 74-76). Dies wird nun im weiteren Verlauf anhand einiger Sequenzen bestätigt werden. Es lassen sich Stellen im Transkript finden, in denen der Unterschied zwischen Thema und Inhalt den Schüler_innen bewusst ist und in anderen nicht.

Die Schüler_innen erhalten nach der Einführung im Plenum in die neuen Begrifflichkeiten zur Analyse literarischer Texte ihrer Klassenstufe entsprechend „[...] Prosaerzählungen [...]“ (Fläche 101), um hieraus die Erzählform und -perspektive herauszuarbeiten (vgl. Fläche 114-116). Die Schüler_innen bekommen eine Lese- bzw. Bearbeitungszeit von fünfzehn Minuten (vgl. Fläche 112). Während der Lese- bzw. Bearbeitungszeit steht die Lehrkraft (Frau Müller) für Fragen der Schüler_innen zur Verfügung (vgl. Fläche 117-136). Nach diesen fünfzehn Minuten bespricht Frau Müller mit den Schüler_innen jeweils jeden bearbeiteten Text im Plenum (vgl. Fläche 136-273). Teile dieses Abschnitts werden nun genauer betrachtet:

In der Besprechung des ersten Textes für die neunte Klassenstufe beginnt die Lehrkraft (Frau Müller) mit der Frage nach dem ersten Eindruck von der Schülerin Saskia (vgl. Fläche 138). Nachdem Saskia fünf Sekunden schweigt, weil sie die Frage nicht verstanden hat oder die Antwort auf die Lehrerfrage nicht kennt (vgl. ebda.), betont Frau Müller noch einmal, dass hier ein Romanauszug vorliegt und „[...] KEINE Kurzgeschichte [...]“ (Fläche 139) (vgl. Fläche 139-[141 ]). Anschließend formuliert Frau Müller ihre Lehrerfrage um und fügt die Frage nach dem Inhalt des Romanauszugs hinzu (vgl. Fläche [141 ]-142). Nach über zehn Sekunden Schweigen formuliert Frau Müller noch einmal ihre Frage um, aber erfragt nur den Inhalt und nicht den Leseeindruck (vgl. Fläche 142-143). „Es geht um einen Mädchen.“ (Fläche 143) macht Rolf als Erster den Anfang. Nach einer kurzen Unterbrechung durch einen störenden Schüler, fasst Frieda den Inhalt des Romanauszugs zusammen (vgl. Fläche 143-145). Frau Müller möchte im Nachfolgenden von Frieda wissen, welchen Eindruck die Geschichte auf sie machte (vgl. Fläche 146). Auffällig ist hier, dass Frau Müller selbst ihren Eindruck zuvor kommentiert (vgl. ebda.). Frau Müller bewertet die Geschichte als „[...] sehr gefühlsgeladen, emotional [...]“ (vgl. ebda.). Frieda hingegen kann die Lehrerfrage nach dem Eindruck nicht beantworten, da sie entweder die Frage nicht versteht, ihr die sprachlichen Mittel zum Ausdruck ihres Eindrucks fehlen oder sie keinen Eindruck bzw. keine Gedanken zu diesem Text hat (vgl. Fläche 147). Die Lehrkraft wartet vier Sekunden ab (vgl. ebda.). Allerdings geht sie dem nicht noch einmal nach, warum Frieda die Frage nicht beantworten konnte (vgl. ebda.). Stattdessen lenkt sie Frieda direkt zur nächsten Frage hin (vgl. ebda.). Frau Müller fragt nach dem Thema des Textes (vgl. ebda.). Bevor sie jedoch Frieda die Möglichkeit gibt zu antworten, fasst Frau Müller noch einmal kurz den Inhalt der Geschichte zusammen (vgl. Fläche 147-149). Die folgende Antwort der Schülerin wird seitens der Lehrkraft positiv mit „Aha.“ (Fläche 149) bewertet. Anschließend möchte Frau Müller von Jan wissen, wie er „[...] das Thema • • fassen [...]“ (Fläche 150) würde. Fraglich ist, ob die Lehrkraft hier von Jan noch einmal das Thema des Textes aus seiner Sicht genannt bekommen möchte oder sie Jans Eindruck zum Text wissen möchte. Seitens des Schülers wird die Frage eher in zweiter Hinsicht verstanden. Das ist vor allem an seiner Antwort erkennbar, denn er bezeichnet das Thema als „[...] nicht lustig.“ (Fläche 150-[151 ]) und als „[...] vernünftiges Thema [...]“ (Fläche 152) (vgl. Fläche 150-[151 ]). Frau Müller scheint jedoch die Frage in erster Hinsicht gemeint zu haben. Dies kann man in Fläche 153 und 154 erkennen, denn „[...] Erziehung • • innerhalb der Familie." (Fläche 154) wird seitens der Lehrkraft festgehalten. Mit „Ja." (Fläche 154) als boundary marker (vgl. SKIDMORE, 2016:89-90) und vier Sekunden Schweigen geht Frau Müller nochmals auf den geäußerten Texteindruck von Jan ein (vgl. Fläche 155). Es wird deutlich, dass sie im Nachfolgenden den Eindruck der Geschichte von Jan festhalten möchte (vgl. Fläche155-157). Es ist abschließend ersichtlich, dass hier den Schüler_innen der Unterschied zwischen Thema und Inhalt klar zu sein scheint.

Anders gestaltet sich dies im folgenden Abschnitt: In Fläche 182 beginnt Frau Müller den Text für die zehnte Klassenstufe zu besprechen. Sie fragt in Fläche 185 nach dem Inhalt der Geschichte, macht vier Sekunden Pause und fragt dann nach dem Thema (vgl. Fläche 185-186). Nachfolgend gibt Harry den Inhalt des Textes wieder (vgl. Fläche 186). Zum einen kann es sein, dass Harrys Antwort sich auf die erste Frage von Frau Müller nach dem Inhalt bezieht. Zum anderen kann es jedoch auch sein, dass Frau Müllers zweite Frage seitens des Schülers als Umformulierung der ersten Frage aufgefasst wird. In diesem Fall würde erneut, wie bereits oben in 2.4.2.2 beschrieben, eine Gleichsetzung zwischen Thema und Inhalt erfolgen. Die Lehrkraft nimmt keine Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen vor und grenzt ihre zwei hier gestellten Fragen auch nicht durch einen boundary marker ab (vgl. SKIDMORE, 2016:89-90; Fläche 186). Es ist demnach für die Schüler_innen schwer zu erkennen, dass zwischen Inhalt und Thema zu unterscheiden ist. Im Nachfolgenden macht Frau Müller auf sprachlicher Ebene deutlich, dass es sich bei Harrys Antwort um den Inhalt der Geschichte handelt und erfragt das Thema erneut (vgl. Fläche 187- 189). Im weiteren Verlauf lenkt Frau Müller mit gezielten Fragen die Schüler_innen zum Thema des Textes hin (vgl. ebda.). Frau Müller nutzt die Antworten der Schüler_innen als Grundlage zur Formulierung ihrer Fragen (vgl. ebda.). So fragt sie z.B. Harry, welche Probleme der Hauptcharakter der Geschichte hat und warum (vgl. Fläche 189-190). Mit Jens Antwort hält Frau Müller fest, dass es um „[...] abweichende Erfahrungen." (Fläche 190-[191 ]) geht, die der Hauptcharakter gemacht hat (vgl. Fläche 190-192). In diesem Zusammenhang will Frau Müller den Eindruck der Schüler_innen zur Geschichte erfahren (vgl. Fläche 192). Nach sechs Sekunden Schweigen wiederholt Frau Müller ihre Frage noch einmal ohne sie umzuformulieren (vgl. Fläche 192-193). Nach einem akustischen Missverständnis seitens der Lehrkraft, welches im Nachhinein versprachlicht und geklärt wird (vgl. Fläche 193-195), appelliert Frau Müller an die gemachten Erfahrungen der Schülerin Tanja in ihrem eigenen Leben (vgl. Fläche 195-197). Tanja äußert in Fläche 196, dass der Hauptcharakter der Geschichte eine Sehnsucht empfindet. Frau Müller will wissen, welche Form von Sehnsucht (vgl. Fläche 196-197). Es geht um „Heimweh." (Fläche 197), was letztendlich auch das Thema des Textes ist (vgl. Fläche 197). Anzumerken ist jedoch, dass die Lehrkraft „Heimweh" (ebda.) nicht als Thema auf sprachlicher Ebene deklariert. Sie scheint davon auszugehen, dass dies für die Schüler_innen klar ist.

Im folgenden Abschnitt ist es fraglich, ob den Schüler_innen der Unterschied zwischen Thema und Inhalt bewusst ist oder nicht: In der Besprechung des Textes für die Klassenstufe elf bespricht Frau Müller zunächst die zu ermittelnden Aspekte der Erzählperspektive und -form (vgl. Fläche 224-243). Im weiteren Verlauf möchte Frau Müller das Thema des Textes wissen und erwähnt noch einmal, dass dies stets „[...] im Einleitungssatz [...] gefasst werden [...]" (Fläche 243) muss (vgl. Fläche 243). Der Schüler Rolf reagiert verwundert, woraufhin Frau Müller ihre Frage noch einmal wiederholt und aufzählt, welche Themen bei den vorherigen Texten bereits festgehalten wurden (vgl. Fläche 244-245). Rolf formuliert seine folgende Antwort unsicher, nämlich in Form einer Gegenfrage (vgl. Fläche 245-246). Er gibt den Inhalt des Textes wieder, eine Beziehung zwischen der Geliebten und dem Mann (vgl. ebda.). Es ist fraglich, ob Rolf sich keine Gedanken über das Thema des Textes gemacht hat oder er den Unterschied zwischen Thema und Inhalt nicht kennt. Der Schüler Jürgen hingegen äußert als Thema des Textes „Die Überlegung." (Fläche 246). Frau Müllers Feedback („Ja." (Fläche 246)) bezieht sich jedoch auf die unsichere Äußerung von Rolf. Dies erkennt man in Fläche 247, in der Frau Müller das Gesagte von Rolf noch einmal aufgreift und wiederholt. Rolf startet einen weiteren Lösungsversuch, gibt aber wieder den Inhalt des Textes wieder (vgl. Fläche 248). Die Lehrkraft richtet die Frage nach dem Thema an die anderen Schüler_innen, die auch an dem Text gearbeitet haben, sich aber noch nicht dazu geäußert haben (vgl. Fläche 249). Hans, ein weiterer Schüler, ist sich über die Aussage des Textes unklar (vgl. Fläche 249-251). Daran ist ersichtlich, dass Hans die Bedeutung von Thema kennt. Lisa äußert den Text anders verstanden zu haben, als Rolf es beschrieben hatte (vgl. Fläche 251-252). Jürgen betont hier noch einmal, dass er bereits geäußert habe, dass das Thema „[...] Überlegungen über eine Frau." (Fläche 252-253) ist. Frau Müller scheint die Äußerung Rolfs nun wahrzunehmen und bewertet diese positiv mit „JA." (Fläche 253) und der sprachlich korrekteren Formulierung seiner Aussage („[...] Überlegungen einer Geliebten." (Fläche 253). Auch hier wird dies nicht noch einmal explizit als Thema deklariert (vgl. ebda.)

Nachdem nun die Begrifflichkeiten Thema und Inhalt im Rahmen des Transkripts genauer betrachtet wurden, werden nun die eigentlichen seitens der Lehrkraft visierten Begriffe Erzählform und -Perspektive genauer analysiert: Im Rahmen der Besprechung des ersten Textes für den neunten Jahrgang fragt Frau Müller, nach der gemeinsamen Ermittlung des Themas, Sebastian nach der Erzählform im Text (vgl. Fläche 161). Zusätzlich gibt Frau Müller ihm Hilfestellungen, indem sie die beiden möglichen Formen konkret benennt (vgl. Fläche 162). Sebastian muss demnach nur entscheiden, um welche Form es sich hier handelt und sich keine Gedanken machen, welche Erzählformen es gibt. Sebastian wählt die „Er/Sie-Form." (Fläche 162), woraufhin Frau Müller einen Textausschnitt zitiert und die Possessivpronomen betont (vgl. Fläche 162-164). Sebastian revidiert daraufhin seine Antwort und wählt die Ich­Form (vgl. Fläche 164). Frau Müller macht anschließend noch einmal deutlich, dass es sich bei dem Possessivpronomen „[...] MEIN [...]" (Fläche 164) um die Ich-Form handeln muss. In diesem Rahmen wird zum ersten Mal zum Begriff Erzählform bzw. zum Unterbegriff Ich-Erzähler ein Beispiel auf sprachlicher Ebene gegeben. Mit dem Textzitat wird den Schüler_innen verdeutlicht, wie sich hier die Ich-Form sprachlich realisiert. Zuvor hat Frau Müller keine Textbeispiele dieser Art im Rahmen der Begriffserklärung gegeben, sondern lediglich Definitionen. Dies kann auch der Grund sein, warum Sebastian die Frage nach der im Text vorliegenden Erzählform nicht korrekt beantworten konnte. Wie bereits in 2.3 erläutert, kann eine alleinige Definition zu einer gescheiterten Anwendung der Begriffe führen (vgl. HARREN, 2009:166). Die Definitionen werden seitens der Schüler_innen eingeprägt, aber inhaltlich nicht verstanden (vgl. ebda.). Zudem ist der Begriff Ich-Form an sich abstrakt und ein Unterbegriff des Fachbegriffs Erzählform. Sebastian verfügt in Deutsch über ein A2 Niveau nach dem Europäischen Referenzrahmen. U.U. hat er die Kompositateile des Begriffs Ich-Form verstanden und auch die Begriffsdefinition seitens der Lehrkraft, aber aufgrund der Abstraktheit des Begriffs und seiner geringen Deutschkenntnisse hat er keine Vorstellung, inwiefern sich die Ich-Form sprachlich in einem Prosatext realisiert. Später wird im Rahmen dieser Arbeit noch einmal auf den positiven Effekt von Beispielen eingegangen. Fortführend möchte Frau Müller wissen, welche Erzählperspektive im Text vorliegt (vgl. Fläche 165-166). Hierzu gibt Frau Müller wieder einen Hinweis („[...] Erfährt man nur das, • was • • dieses Mädchen jetzt, • • • die jugendliche Tochter • • spürt?" (Fläche 165-166)). Frau Müller erhält daraufhin seitens Friedas die korrekte Antwort, begründet dies noch einmal kurz und fasst die Ergebnisse der Erzählform und -Perspektive noch einmal zusammen (vgl. Fläche 166-169). Es ist zu bemerken, dass die Lehrkraft zunehmend den Schüler_innen Hinweise zu ihren Lehrerfragen gibt. Anzunehmen ist hier, dass die Lehrkraft sich über die Verständnisschwierigkeiten bewusst ist und ihre Fragestellungen zur Erreichung des Unterrichtsziels dementsprechend anpasst.

In Fläche 169-170 fragt Frau Müller nach dem „[...] Standort des Erzählers [...]“ (Fläche 170). Es wird erst nachfolgend deutlich, dass Frau Müller hier nach der Erzählperspektive bzw. genaugenommen nach der Innensicht bzw. Außensicht des Erzählers fragt (vgl. Fläche [171 ]-172). Anzumerken ist, dass Frau Müller im Rahmen der Begriffserklärung die Innen- und Außensicht mit der Erzählperspektive verbunden hat und den Begriff Standort des Erzählers nicht benannt hat (Fläche 70-100). Allerdings hat sie im Rahmen ihrer Begriffseinführung nach dem Standort des Erzählers gefragt (vgl. Fläche 60). Dennoch können die Schüler_innen diesen Begriff nicht einordnen, da dieser in der Begriffsdefinition nicht noch einmal aufgegriffen wird. In Zusammenhang mit der Fragestellung versucht Frau Müller die Begrifflichkeiten noch einmal indirekt zu erklären (vgl. Fläche [171 ]-172). Sie fragt, ob es sich hier um die Innensicht handelt und schließt daran die Frage, ob der Erzähler „[...] mit drin oder [...] außerhalb [...]“ (Fläche [171 ]-172) steht (vgl. ebda.). Der Schüler Jan antwortet mit „• • • Mit drin.“ (Fläche 122), was Frau Müller noch einmal wiederholt (vgl. Fläche 172). Sie benennt nicht noch einmal die Begriffe der Innen- oder Außensicht.

Verständnisschwierigkeiten hinsichtlich der zu erlernenden Begriffe lässt sich auch in einem bereits betrachteten Abschnitt erkennen. Im Rahmen der Besprechung des Textes für den zehnten Jahrgang fragt Frau Müller nach der Erzählperspektive (vgl. Fläche 202). Clara, die zuvor die Frage nach der Erzählform korrekt beantwortet hat, kann diese Frage nicht beantworten (vgl. ebda.). Es ist fraglich, ob sie den Begriff der Erzählperspektive nicht verstanden hat oder sich mit der Frage nicht beschäftigt hat, d.h. die Anwendung der Lehrerfrage gescheitert ist. Frau Müller formuliert ihre Frage nach der Erzählperspektive noch einmal um (vgl. Fläche 202-203). Sie fragt konkret, ob es nur der Blick einer Person ist oder ob der Erzähler alles weiß (vgl. ebda.). Frau Müller betont dabei „sein“ und „alles“ (vgl. ebda.). Tanja kann daraufhin die Frage korrekt beantworten (vgl. ebda.).

Bevor Frau Müller die Analyseergebnisse noch einmal abschließend zusammenfasst (vgl. Fläche 205-207), wird das Erklärungsmuster kurzzeitig verlassen. Die Lehrkraft Frau Müller fordert einen Schüler auf seinen Sitznachbarn zu wecken, da dieser eingeschlafen ist (vgl. Fläche 203-204). Sie steigt lückenlos (d.h. ohne Pause) wieder in das Erklärungsmuster ein und schließt dieses durch eine Zusammenfassung der Analyseergebnisse ab (vgl. Fläche 205-207).

2.4.4 Fazit zur Transkriptanalyse

Zusammenfassend lassen sich folgende Auffälligkeiten aus der vorausgegangenen Transkriptanalyse festhalten:

Auf der Ebene des Erklärungsmusters lässt sich durch die Lehrkraft Frau Müller eine Erweiterung dessen erkennen. Frau Müller erweitertet das Erklärungsmuster durch einen Begriffsüberblick am Anfang und eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte als Abschluss der Erklärung eines Begriffs. Es wurde angeführt, inwiefern der Begriffsüberblick am Anfang für die Schüler_innen herausfordernd sein kann. Im Rahmen der hier erstellten Lexikoneinträge wird dieser Aspekt noch einmal aufgegriffen, da es u.U. hilfreich sein kann den Schüler_innen einen Begriffsüberblick vor der eigentlichen Begriffseinführung zu geben. Jedoch wie und in welchem Rahmen wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit genauer ausgeführt.

Aus der Transkriptanalyse ist auch ersichtlich, dass es an sprachlichen Beispielen fehlt. Dies wurde vor allem in Zusammenhang mit dem Begriff Innensicht deutlich. Frau Müller hat den Schüler_innen hier nicht aufgezeigt, inwiefern sich die Innensicht bzw. im Rahmen dessen die Ich-Form sprachlich realisiert. Dadurch kommt es in der Anwendung der Begriffe bzw. Textanalyse zu Missverständnissen und die Ich-Form kann seitens des Schülers im Prosatext nicht eindeutig identifiziert werden.

Auffällig ist, dass auch eine eindeutige Differenzierung der Begriffe Thema und Inhalt nicht gegeben ist. Es wurde zuvor an einigen Stellen im Transkript deutlich, dass das Verständnis und die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Begriffen den Schüler_innen unklar scheinen. Es ist auch ersichtlich geworden, dass dies das Verständnis der eigentlich zu vermittelnden Begriffe und die Aufgabenbewältigung (Textanalyse) negativ beeinflusst.

Zudem wurde mehrmals aufgezeigt, dass Frau Müller mit Wiederholungen entscheidender Merkmale der Begriffe arbeitet. Sie wiederholt einige Merkmale mehr als einmal. Inwiefern dies vorteilhaft im Rahmen der Begriffserklärung sein kann, wird im Folgenden noch einmal genauer betrachtet.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Schüler_innen u.U. bereits zuvor im Rahmen eines anderen Unterrichts den hier zu erlernenden Begriffen begegnet sind. Inwiefern dies jedoch tatsächlich der Fall ist, ist nicht bekannt.

3 Lehrersprache und ihre Merkmale

Im Rahmen des betrachteten Unterrichtsdiskurses, der folgenden Lexikaanalyse und ihrer Kriterien ist die Lehrersprache und ihre Merkmale hier von Relevanz. Einerseits bildet sie die Grundlage für die Aufstellung der Kriterien zur Lexikaanalyse. Andererseits ermöglicht sie eine Verbindung zum betrachteten Unterrichtstranskript über die funktional-pragmatische Analyse.

Die Lehrersprache, auch bekannt als teacher talk, nimmt bei der Wissensvermittlung und Führung des Unterrichtsdiskurses eine zentrale Rolle ein (vgl. ALLWRIGHT et. al., 1991:139; BARKOWSKI, 2010:332). Wie bereits in vorherigen Kapiteln ausgeführt, sind die Wissensvermittlung und -entwicklung die Ziele der Lehrkraft im Rahmen der Institution Schule (vgl. ALLWRIGHT et. al., 1991:141; EHLICH et. al., 1986:26, 166). Die Lehrersprache wird als Teil der „[...] pädagogischen Qualitätsarbeit [...]“ (HÄUSERMANN et. al., 1996:219) dargestellt und umfasst Qualität und Quantität des sprachlichen Handelns der Lehrkraft im Unterrichtsdiskurs (vgl. BARKOWSKI, 2010:332). Die Lehrersprache ist demnach ein Kommunikationsmittel, ein zentrales Werkzeug, welches zur Erreichung des Unterrichtsziels seitens der Lehrkraft eingesetzt wird (vgl. SKIDMORE, 2016:86). Die Lehrersprache beeinflusst die soziale Interaktion im Unterrichtsdiskurs und nimmt somit direkten Einfluss auf den Lerneffekt der Schüler_innen (vgl. ebda.). So bilden z.B. Lehrerfragen einen Teil der Lehrersprache, um die Schüler_innen zu motivieren, ihr Interesse zu wecken, ihre Mitarbeit zu fördern, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen oder auch um ihr Verständnis zu verbessern (vgl. CHAUDRON, 1988:126-127). Dies bestätigt noch einmal die in Kapitel 2.3 betrachtete, funktional-pragmatische Perspektive der Lehrerfrage im Unterrichtsdiskurs. Wie bereits ausgeführt, wird die Lehrerfrage hier als Strategie genutzt, um eine Freiwilligkeit bei den Schüler_innen zu erlangen (vgl. EHLICH, 2007:148-149). Die Lehrersprache kann an verschiedene Rahmenbedingungen (z.B. das Lernniveau, interkulturelle Angemessenheit) des Unterrichts angepasst werden, um einen maximalen Lerneffekt bei den Schüler_innen zu erzielen (vgl. BARKOWSKI et. al., 2010:332).

In CHAUDRON, 1988 wird teacher talk in drei Aspekte unterteilt (vgl. CHAUDRON, 1988:50):

1) Das Verhältnis des Sprechanteils von Lehrer_in und Schüler_innen,
2) die Verteilung der pädagogischen und funktionalen Intention und
3) der Aufbau der Lehrersprache an sich.

[...]

Ende der Leseprobe aus 167 Seiten

Details

Titel
Lexika im Unterricht für sprachlich förderbedürftige Schüler. Kommunikation im sprachsensiblen Fachunterricht
Untertitel
Ein funktionalpragmatischer Ansatz
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Interkulturelle Kommunikation)
Note
2,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
167
Katalognummer
V1022197
ISBN (eBook)
9783346411891
ISBN (Buch)
9783346411907
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lexiko, Lexikografie, DaF, DaZ, Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Zweitsprache, Fremdsprache, Sprache, Erzähltechnik, Erzähltyp, Erzählperspektive, Erzählverhalten, Erzählstil, Erzählform, Literatur, literarische Texte, sprachlich, förderbedürftig, Lehre, Funktionalpragmatik, FP, Lehr-Lern-Diskurs, Diskurs, Lexikon, Unterricht, Lehrersprache, Methode
Arbeit zitieren
Samantha Joanna Marzinzik (Autor:in), 2019, Lexika im Unterricht für sprachlich förderbedürftige Schüler. Kommunikation im sprachsensiblen Fachunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1022197

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