Mobbing in sozialen Berufen. Befunde und Einblicke in Erfahrungen von Betroffenen


Bachelorarbeit, 2020

97 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsdefinitionen
2.1. Mobbing
2.2. Soziale Arbeit

3. Soziale Organisationen
3.1. Organisation der sozialen Arbeit
3.2. Konflikte in der Organisation der sozialen Arbeit

4. Mobbing in sozialen Berufen
4.1. Mobbing als Prozess
4.2. Rechtliches Vorgehen gegen Mobbing

5. Qualitative Forschungsansatz und Begründung der Methodenauswahl
5.1. Auswertungsverfahren und das narrative Interview nach Schütze
5.2.Transkription und Anonymisierung

6. Zugang zum Feld
6.1. Zielgruppe
6.2. Kontaktaufnahme zum Gesprächspartner und Beschreibung der Gesprächssituation

7. Strukturelle Fallbeschreibung Frau Nikolova

8. Strukturelle Fallbeschreibung Herr Frank

9. Fallanalytische Gesichtspunkte
9.1. Die Bedeutung von Rahmenbedingungen: Organisation und Team
9.2. Gegenwehr und Leidensprozess
9.3. Reflexionsprozess nach dem Mobbingprozess

10. Präventionsmaßnahmen gegen Mobbing

11. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Anhang

Vorwort

Der Beruf als Sozialarbeiter/in ist ein belastender Beruf, der nicht nur die Fachkompetenzen der MitarbeiterInnen in den Vordergrund stellen, sondern auch eine starke Persönlichkeit verlangt, in einem Beruf mit Konfliktpotential. Die Kommunikation ist unter anderem ein wichtiger Bestandteil der Arbeit, da in dem Bereich die MitarbeiterInnen gleichzeitig mit mehreren Problemen und Konflikten konfrontieren werden können. Dies wurde mir deutlich gemacht, als ich zwei Jahre als Sozialberaterin in einem Wohlfahrtsverband arbeitete. Da ich vorher ein vergleichbares Studium absolvierte hatte, konnte ich quer in diesem Beruf einsteigen. Währen dieser Tätigkeit lernte ich etappenweise unter anderem auch, wie man mit den KlientInnen professionell umgehen könnte. Mir war bewusst, dass ich auch neidischen KollegInnen bei der Arbeit begegnen könnte, aber ich wusste nicht genau was Mobbing war.

Nach dem ersten Berufsjahr fing ich parallel dazu das Bachelor Studium Soziale Arbeit an der Technischen Hochschule Nürnberg an. Da ich während des Studiums wenig mit dem Thema Mobbing in Berührung gekommen war, habe ich mich entschlossen, die Bachelor-Arbeit zu diesem Bereich zu schreiben. Dabei wollte ich über meine vorherige berufliche Erfahrung reflektieren und mich professionell für den zukünftigen Beruf vorbereiten. Das gewonnen Wissen könnte mir die Möglichkeit geben, die KlientInnen, die sich in solchen Situationen befinden, professionell zu beraten.

Mein Dank gilt Professor, Prof. Michael Helmbrecht, da er mich während des Schreibprozesses der Bachelor-Arbeit mit wertvollem Input und Anleitung zur methodischen Vorgehensweise unterstützte.

Außerdem möchte ich auch den SchreibtutorInnen der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm für ihre wertvolle Schreiberatung und allen Personen, die mich auf verschiedene Art und Weise bei dieser Bachelor-Arbeit unterstützt haben, danken.

Abstract

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema, inwieweit SozialarbeiterInnen von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind. Aus den zwei geführten Interviews mit Sozialarbeitern werden Einblicke in die Erfahrungen der Betroffenen gegeben. Am Beispiel der beiden Interviews wird dargestellt, wie sich ein Mobbingprozess zwischen den beteiligten in Interaktion stehenden Personen im Arbeitskontext, in sozialen Berufen aufbaut. Im Weiteren werden die daraus entstehenden gesundheitlichen und psychischen Folgen näher beleuchtet. Es wird der Frage nachgegangen, welche Gründe für die Entstehung von Mobbing zu nennen sind, mit dem Ziel in Unternehmen präventiv und frühzeitig auf Mobbing zu reagieren, um dieses so rechtzeitig zu verhindern.

Der Forschungsgegenstand wird mithilfe von Literaturrecherche, Auswertung der aktuellen Literatur und den narrativen Interviews mit zwei SozialarbeiterInnen, in welchen die Beteiligten ihre Erfahrung mit Mobbingangriffen in ihrer Tätigkeit im Berufsalltag bei einem christlichen Wohlfahrtsverband erlebt haben, untersucht.

Im Ergebnis wird sichtbar, dass Konflikte am Arbeitsplatz rasch entstehen können und oft unvermeidlich sind, denn dort, wo sich zwei oder mehrere Personen in Interaktion begeben müssen und verschiedene Persönlichkeiten, Eigenschaften, kulturelle Hintergründe und Sozialisationen aufeinandertreffen, kann es zu Konfliktsituationen kommen, aus welchen Mobbing entstehen kann. Das Bedeutendste ist, wie die Betroffenen im Anschluss mit dem Konflikt umgehen und welche Maßnahmen die Organisation deshalb unternimmt. Nicht jeder Konflikt muss zu Mobbing führen, aber nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz kann friedlich gelöst werden. Außerdem wird gezeigt, dass die sozialen Berufe am meisten von Mobbing betroffen sind, da Mobbing in Organisationen der sozialen Arbeit oft geduldet wird. Die Vorgesetzten und Mitarbeitervertretungen erkennen oder handeln nicht rechtzeitig, um das Mobbing in der Organisation zu isolieren. Zudem wird Mobbing nicht parteilos betrachtet, um so eine für die beiden beteiligten Seiten die passende Lösung zu erzielen. Wenn die Führungsposition frühzeitig handelt und damit zeigt, dass Mobbing in dieser Organisation nicht geduldet wird, dann können die anderen Mitarbeiter abgeschreckt werden, wenn sie sich überlegen, einen Kollegen bei der Arbeit mobben zu wollen.

Eine große Verantwortung liegt hierbei im Bereich der Mitarbeiterführung in einer Organisation und erfordert ein kompetentes Handeln der Führungsebene, um den Mitarbeitern ein wertschätzendes und Entwicklung förderndes Arbeitsklima zu schaffen. Somit kann ein motivierter Mitarbeiter sich mit dem Träger identifizieren und die Qualität der Arbeit kann dadurch gesteigert werden.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Kann Mobbing am Arbeitsplatz jeden treffen?

Vor Mobbing am Arbeitsplatz ist niemand sicher. Nicht einmal dort, wo die Menschen es übrigens erwarten könnten, nämlich im sozialen Arbeitsumfeld bei kirchlichen Trägern.

Bei den unterschiedlichen Recherchen in der Bibliothek fand ich in verschiedenen Lexika eine ausführliche Erklärung über Mobbing als Begriff, jedoch nicht in Zeitschriften, die sich mit dem Thema „Gesundheit und Sozialwesen“ befassen. Zum Beispiel in der Zeitschrift Sozialpsychiatrische Informationen war ein Artikel über die Zunahme von Stress bei Mitarbeitenden im Gesundheitswesen zu finden, aber keine ausführlichen Informationen über Mobbing. Obwohl diese Zeitschriften Informationen über soziale und psychische Belastungssituationen unter gesundheitlichen Aspekten liefern, tauchte das Thema Mobbing bei Personen, die in sozialen Berufen arbeiten, nicht ausführlich auf.

Die Recherche der Literatur in der Bibliothek ergab, dass zahlreiche Bücher über Mobbing im Allgemeinen vorhanden sind, jedoch befassten sich diese mit Mobbing in anderen Bereichen wie z. B. Mobbing in der Schule, Mobbing im Betrieb, aber nicht explizit mit Mobbing in sozialen Berufen. Der Autor Markus Dietl berichtet in seinem Buch: Mobbing im Heim. Gewaltfreie Lösungswege, offen über die aktuelle Problematik und Mobbing im Heime berichten.

Über Online Recherchen stieß ich auf Forschungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin über Mobbing in sozialen Berufen von den Autoren Meschkurat, Stackelbeck & Langenhoff. Matthias Brauner, Abgeordneter der CDU Spandau, äußerte sich dazu: „Leider wird über Mobbing in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig gesprochen, obwohl es viele Menschen betrifft“ (May, o.J.). Die SozialarbeiterInnen beschäftigen sich mit der Thematik und handeln zügig bei Problemen von KlientInnen, jedoch werden ihre eigenen Probleme nicht in die Öffentlichkeit gebracht oder vom Arbeitsumfeld vertieft und professionell behandelt.

2. Begriffsdefinitionen

Um die verwendeten Terminologien für den Leser deutlich zu machen, werden in der vorliegenden Bachelor-Arbeit die wichtigsten Begriffe an dieser Stelle definiert.

2.1. Mobbing

Der Begriff Mobbing kommt vom englischen Verb „to mob“ und bedeutet anpöbeln, angreifen und attackieren (Esser & Wolmerath, 2015, S. 24). „Zurückführen lässt es sich letztendlich auf die latinische Sprache - „mobile vulgus“ bedeutet „wankelmütige Masse, aufgewiegelte Volksmenge““ (ebd.). Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird Mobbing als „bulling“ bezeichnet, die zu tyrannisierenden, schikanierenden und zum Teil physische Gewalt anwendenden ständige Belästigung von betroffenen Personen am Arbeitsplatz führt (Klodej, 2018, S. 22). Vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz wurde dieser Begriff anhand der Gesichte von Nils Holgersson geprägt, in der er „Gruppenangriffe von unterlegenen Tieren bezeichnet hatte, um einen überlegenen Gegner zu verscheuchen“ (Wolmerath, 2013, S. 23) am Beispiel der Gänse gegen den Fuchs. Im Anhang dieser Terminologie hat der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann in den 60er und 70er Jahren das Verhalten von Kindern im Schulhof beobachtet. Das Verhalten der Schüler wäre ähnlich wie das der Tiere. Diese beobachteten Ereignisse bezeichnete er als Mobbing. Dadurch wurde dieser Begriff in skandinavischen Ländern bekannt (ebd.).

Zwanzig Jahre später führte Heinz Leymann, ein deutscher Betriebswirt und Diplompsychologe, der in Schweden lebte, ein Forschungsprojekt in einer schwedischen Firma durch. Er bezeichnet Mobbing als Psychoterror am Arbeitsplatz (Klodej, 2018, S. 22f). Dadurch wurde dem Mobbing ein Name gegeben und sensibilisierte nicht nur Firmen, sondern auch Ärzte und Gewerkschaften. Dies inspirierte die WissenschaftlerInnen weiterhin an dieser Thematik zu forschen (Neuberger, 1999, S. 7). Leymann beschreibt Mobbing als „negative, kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen“ (Leymann, 2006, S. 21). Die Definition entwickelte er im Anhang an das Forschungsprojekt, das Vierphasen-Modell des Psychoterrors. Des Weiteren entwickelte er die 45-er Liste (siehe Anlage 3) und die vier Strategien des Mobbings.

Mobbing ist vielseitig und hat unterschiedliche Ausprägungen. Eine determinierte, einheitliche Definition über den Begriff zu finden, gestaltet sich deshalb eher schwierig (Grünwald & Hille, 2003, S. 17). Esser und Wolmerath erweitern die Beschreibung und definieren Mobbing als „[…] ein Geschehen Prozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlichkeit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufriedenstellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen beruflichen Wirkungsbereiches endet“ (Esser & Wolmerath, 2015, S. 22).

Das ungelöste Problem führt die Menschen bewusst oder unbewusst zu einem Konflikt. Dieser befindet sich nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in anderen Lebenssituationen, wenn sich zwei oder mehrere Menschen zusammen miteinander in einem intensiven Kontakt befinden und sich nicht auf eine Lösung des Problems einigen können. Kommunikation zwischen den Menschen, die sich im Laufe der Zeit wiederholt und in eine negative Richtung gelenkt wird, führt zu Mobbing (Leymann, 2006, S. 21). Der Konflikt wird von Täter und Opfer unterschiedlich emotional interpretiert. Dies führt zu verdeckten, sozialen Konflikten, wenn der Konflikt nicht offen erkennbar ist. Ein offener Konflikt besteht dann, wenn dieser von beiden Seiten erkannt wird (Wolemrath, 2013, S. 25f).

2.2. Soziale Arbeit

Soziale Arbeit wird als Dienstleistungsberuf bezeichnet. Diese Dienstleistungsarbeit hat als Zielgruppe besondere BürgerInnen, die in ihrem Leben alleine nicht zurechtkommen und professionelle Unterstützung von SozialarbeiterInnen benötigen. Dementsprechend wird die soziale Arbeit als Hilfe in individuellen Notlagen, Krisen oder auch Hilfe zur Selbsthilfe angesehen, um die BürgerInnen dabei zu unterstützen, ihre sozialen Rechte wahrzunehmen und diese realisieren zu können. Die Richtlinien sind in Sozialgesetzbüchern (SGB) festgelegt (Schilling & Klus, 2018, S. 105). Die International Federation of Social Workers (IFSW) wird im Juli 2014 die Definition der Sozialen Arbeit weiterhin bearbeiten.

Laut IFSWi ist die Soziale Arbeit „eine praxisorientierte Profession und eine wissenschaftliche Disziplin, dessen bzw. deren Ziele die Förderung des sozialen Wandels, der sozialen Entwicklung und des sozialen Zusammenhalts sowie die Stärkung und Befreiung der Menschen ist. Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die Menschenrechte, gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlagen der Sozialen Arbeit. Gestützt auf Theorien zur Sozialen Arbeit, auf Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und indigenem Wissen, werden bei der Sozialen Arbeit Menschen und Strukturen eingebunden, um existenzielle Herausforderungen zu bewältigen und das Wohlergehen zu verbessern“ (ebd., S. 106, zit. n. IFSW 2014).

Soziale Arbeit hat das eigene professionelle Anliegen, Hilfen und Unterstützung in problembelasteten, krisenhaften Lebenssituationen zu leisten und sich dabei an den sozialen Problemlagen und Bedürfnissen des Klientels zu orientieren. Soziale Arbeit als „Menschenrechtsprofession“ hat drei Zielbereiche im Fokus. Diese sind, die Hilfe zur Selbstfindung und Selbsthilfe, das heißt die Förderung der Persönlichkeit des Individuums steht im Mittelpunkt sowie die Verbesserung der gesellschaftlichen und sozialen Problemlagen. Als drittes Ziel ist die Orientierung an europäischen und weltgesellschaftlichen sowie auch an menschenrechtlichen Perspektiven zu nennen (ebd., S. 173).

Der Beruf der Sozialen Arbeit bietet zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die berufsspezifisches theoretisches Wissen, Definitionen und Konzepte vermitteln. Weiterhin werden Methoden und Handlungstheorien aus der Praxis angeboten (ebd., S. 219).

3. Soziale Organisationen

Organisationen sind soziale Einheiten, die sich anhand zwei verschiedener Merkmale charakterisieren lassen, zum einen die formale Mitgliedschaft und zum anderen die Ziel- und Zweckgerichtetheit (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., 2017, S. 615). Organisationen können auch über rechtliche Gestalten verfügen in Form von Vereinen oder Körperschaften (ebd.). Das heißt die sozialen Organisationen bieten „Leistung in der Jugend-, Familien-, Sozial-, Alten-, Behinderten-, und Gesundheitshilfe an“, (Puch & Westermayer, 1999, S. 23) die aus öffentlichen Geldern finanziert werden. Die Aufgaben für die sozialen Organisationen werden von der Sozialpolitik festgelegt. Die von der Sozialpolitik angegebenen Aufgaben sollen von sozialen Organisationen umgesetzt werden, um Menschen Hilfe in diversen sozialen Problemlagen anzubieten. Diese Umsetzung bietet den SozialarbeiterInnen einen direkten Kontakt zur Zielgruppe (ebd, S. 18ff). In einer Organisation ist eine vorgegebene strukturelle Ordnung vorhanden, diese schafft Rahmenbedingungen für die Tätigkeiten (Grunwald, 2018, S. 1106).

3.1. Organisation der sozialen Arbeit

Die Gesellschaft der Moderne ist weiterhin im Wandel. Die Entwicklung und die Automatisierung haben die Arbeitsprozesse rasant beschleunigt. Dies führt zu einer Änderung des Wohn- und Lebensstils der Menschen. Die Anpassung der Gesellschaft an die neuen Strukturen bringt auch soziale Probleme mit sich. Die sozialen Berufe sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft geworden, welche nicht mehr wegzudenken sind. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gehören die sozialen Berufe seit Jahrzehnten zu dem Berufsfeld, welches das stärkste Wachstum verzeichnet. Im Jahr 1991 machten die soziale Berufen 2% des Gesamtarbeitsmarktes aus und stiegen im Jahr 2015 auf 6%, dies zeigt weiterhin eine steigende Tendenz (Rauschenbach & Züchner, 2018, S. 132ff). Dieser Zuwachs lässt sich damit erklären, dass die Vielfalt der Aufgaben in sozialen Berufen auf Grund der sich stetig verändernden Problemlagen zugenommen hat. Die Sozialpolitik leitet die Aufgabe für das Armen- Fürsorgewesen an öffentliche und freie Träger weiter (Puch, 1997, S. 24). Diese Regelung wird im Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes festgelegt. Mit der Einrichtung der öffentlichen Träger übernimmt der Staat die Verantwortung für eine gesellschaftliche Organisation sozialer Dienstleistungen (Schilling & Klus, 2018, S. 210). „Daraus lässt sich Sozialstaatlichkeit als Staatsziel ableiten […]. Er kommt dieser Aufgabe im Wesentlichen durch die Organisation des Systems sozialer Sicherung nach, das mit den drei Säulen der Versicherung, Versorgung und Fürsorge gekennzeichnet werden kann“ (ebd. zit. n. Bettmer 2012, S. 795). Durch die subsidiäre Vergabe an unterschiedliche Trägerschaften können die sozialen Dienstleistungen erbracht werden. Dies können öffentliche und/oder freie sowie privat-gemeinnützige oder privat- gewerbliche Träger sein. Die freien Wohlfahrtsverbände, die die Aufgaben von der Sozialpolitik übernehmen, sind: Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. (DW), der Deutscher Caritasverband e. V. (DCV), der Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV), die Arbeiterwohlfahrt e. V. (AWO), das Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. (ZWST).

Die Wohlfahrtsverbände gehören, gemessen an den Einrichtungs- und Beschäftigungszahlen, zu den größten Arbeitgebern der Bundesrepublik Deutschland. Dazu werden nicht nur die haupt- und nebenberuflichen Tätigen gerechnet, sondern auch die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen werden miteinbezogen. Ein großer Teil der professionellen sozialen Arbeit wird von den Ehrenamtlichen ergänzend unterstützt, dies erspart dem Staat höhere Kosten im sozialen Bereich (ebd., S. 213f). Ein Beispiel dafür war die Flüchtlingskrise im Jahr 2015, in dem die Ehrenamtlichen in ihren Gemeinden rasch Arbeitskreise bildeten und Flüchtlinge vor Ort, in Absprache mit professionellen SozialarbeiterInnen, unterstützen.

Die Tätigkeitsfelder der obengenannten freien Träger sind widersprüchlich.

„Auf der einen Seite vertreten die Freien Träger innerhalb der pluralistischen Gesellschaft bestimmte ethische oder moralische Werte und die weltanschaulichen bzw. religiöse-konfessionellen Anliegen ihrer (natürlichen und/oder kooperativen) Mitglieder. Es handelt sich bei ihnen somit um politisch unabhängige und rechtlich selbstverständige Organisationen mit einem jeweils besonderen, unverwechselbaren Aufgabenprofil. Auf der anderen Seite sind die Freien Träger und ihre Einrichtungen tragende Säulen im Sozialstaat, d.h. sie sind Institutionen zur Implementierung des staatlichen Sozialleistungssystems. Als solche sind sie nicht unabhängig, sondern in einer interdependenten, wenn nicht sogar in einer dependenten Position. Sie sind in ihrem Handeln nicht frei, sondern eingebunden in das Rechts- und Verwaltungssystem der vorschriftmäßigen Erbringung sozialstaatlicher Leistungen der Daseinsvorsorge. So betrachtet ist ihr Ausgabeprofil nicht einmalig und unverwechselbar, sondern austauschbar (Schilling & Klus, 2018, S. 215, z. n. Bauer, 2012, S. 814).

Aus dieser obengenannten Position ergibt sich das Tripelmandat der Sozialarbeiter (siehe Kapitel 3.2). Die Koordination der sechs Verbände der freien Wohlfahrtspflege fundiert durch die zusammengeschlossene Dachorganisation, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtpflege e.V.. Die Dachorganisation trifft Entscheidungen für die neuen Aufgaben in den Tätigkeiten der sozialen Arbeit. Außerdem vertritt sie (ebd.) „die Interessen die freien Träger der Wohlfahrtspflege gegenüber der Gesetzgebung und dem öffentlichen Sozialwesen“ (ebd.).

3.2. Konflikte in der Organisation der sozialen Arbeit

Der Begriff Konflikt kommt vom lateinischen Wort confligere, der zusammenprallen, aneinandergeraten und kämpfen bedeutet. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl interpretiert den Konflikt als eine Interaktion zwischen Akteuren, diese können Individuen, Gruppen und Organisationen sein (Kaegi & Käser, 2019, S. 201f).

Ralf Dahrendorf definiert den Konflikt „[…] als ein Faktor im allgegenwärtigen Prozess des sozialen Wandels sind Konflikte zutiefst notwendig. Wo sie fehlen, auch unterdrückt oder nur scheinbar gelöst werden, wird der Wandel verlangsamt und aufgehalten. Wo Konflikte anerkannt und geregelt werden, bleibt der Prozess des Wandels als allmähliche Entwicklung erhalten. Immer aber liegt in sozialen Konflikten eine hervorragende schöpferische Kraft von Gesellschaften. Gerade weil sie über bestehende Zustände hinausweisen, sind Konflikte ein Lebenselement der Gesellschaft - wie möglicherweise Konflikte überhaupt ein Element allen Lebens sind“ (ebd., S. 200, z. n. Dahrendorf, 1974, S. 272).

Besonders in der in der Sozialen Arbeit sind die sozialen Konflikte komplexe Herausforderungen in der alltäglichen Arbeit. Da in der Sozialen Arbeit öfter kurzfristige Entscheidungen für die KlientInnen oder innerhalb der Organisation getroffen werden müssen, geraten die Parteien mit unterschiedlichen Meinungen und Interessen in Konflikt. Diese können zwischen den AdressatInnen und SozialarbeiterInnen, SozialarbeiterInnen und KooperationspartnerInnen sowie auch intern, zwischen KollegInnen auftreten. Konflikte sind anstrengend, sollten aber nicht gleich als negativ bezeichnet werden. Sie könnten auch als Verbesserung der Kommunikation innerhalb und außerhalb der Organisation dienen, die Missverständnisse können beseitigen werden und aus dem Chaos können sich neue Wege entwickeln. Als Chance für die Entwicklung und Veränderungen von Strukturen in der Organisation kann sich der Konflikt auch positiv auswirken. Je nach Team- und Kommunikationsfähigkeiten können Konflikte in einer Organisation den Antrieb fördern. Um diese Ereignisse festzustellen, soll die Organisation mit dem Konflikt offen umgehen und dabei keinem die Schuld zuweisen, sondern ihn als einen positiven Prozess innerhalb der Organisation ansehen und Lösungsstrategien anstreben (ebd., 2019, S. 201f).

„Die Grundzüge eines Professionsverständnisses der Sozialen Arbeit lassen sich grob wie folgt umreißen: Gegenstand der Sozialen Arbeit ist das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, […] Krisen und Konflikten zwischen der Vergesellschaftung und Individuum – beziehungsweise soziale Problemstellungen und die davon betroffenen Menschen“ (Merten & Amstutz, 2019, S. 36).

Infolgedessen wird Soziale Arbeit als gesellschaftliche Konfliktarbeit und individuelle Konflikthilfe beschrieben. SozialarbeiterInnen sollen die Balance zwischen Hilfe für die Klienten und Kontrolle des Staates finden. Es soll mit beiden Parteien zielführend kommuniziert und daraus entstehende Anspannung reduziert werden. „Die Unterstützung einer eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Lebensführung der Klient(inn)en durch „Hilfe zur Selbsthilfe“ und durch Institutionenkritik“ (Iser & Wandrey, 2018, S. 974). Die alltägliche Soziale Arbeit basiert auf Kommunikation, spontanen Entscheidungen und Emotionalität. Diese können dadurch auch manchmal ungünstig sein, „weil sie logische Operationen vernachlässigen und Wahrscheinlichkeiten falsch berechnen“ (Moch, 2015, S. 135). Laut Schätzungen von Experten resultieren 70% aller Fehler am Arbeitsplatz aus mangelhafter Kommunikation (Puch & Westermayer, 1999, S. 231). In sozialen Situationen werden Entscheidungen aufgrund dessen getroffen, wie die Äußerungen des Interaktionspartners verstanden werden.

Die SozialarbeiterInnen verfügen nicht über ein rechtsanwaltschaftliches Mandat, sondern beziehen sich auf soziale Verantwortung. Demgemäß sind sie in ihrem Beruf mit dem „Tripelmandat“ konfrontiert, das mit Schwierigkeiten in der Ausübung des Berufs verbunden ist. Einerseits bieten die SozialarbeiterInnen den bedürftigen Menschen Hilfe an, andererseits unterliegen sie einer staatlichen Kontrollfunktion, wie zum Beispiel durch Jugendamt (Wächteramt, §1666 BGB i. V 8a SGB VIII). Außerdem soll die Arbeit professionell abgeleitet werden und dies führt die SozialarbeiterInnen zu einem Hilfe- und Kontroll-Dilemma (Schilling & Klus, 2018, 229f). SozialarbeiterInnen benötigen in den diversen Situationen, in ihrem Arbeitsalltag einen fundierten Wissenshintergrund und Methoden, um „gute“ Entscheidungen treffen zu können. Sie haben oft den Anspruch an sich, lösungsorientiert für den Klienten zu arbeiten. So erfolgt eine Uminterpretation, die Probleme lösbar erscheinen lässt, obwohl in der Realität keine Lösung zu erreichen ist. Entscheidungen sind personen- und kontext-abhängig, deshalb sind sie variabel (Moch, 2015. S. 135ff).

Personal in der Sozialen Arbeit ist durch die zunehmende Ökonomisierung betroffen. Die Organisationen sparen an den Personalkosten. Die Arbeitsverträge für die MitarbeiterInnen werden teilweise befristet und/oder sie werden in Teilzeit eingestellt. Dadurch werden die Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen verschlechtert und für die KlientInnen bleibt weniger Zeit übrig. Für die Hilfsbedürftigen ist dadurch mit weiterer Belastung zu rechnen (Seithe, 2016, S. 154). Dieser „Teufelskreis“ verursacht Stress und Missverständnisse, die Konflikte am Arbeitsplatz auslösen können. Dadurch kann die psychische Gesundheit der MitarbeiterInnen beeinträchtigt werden. Dies hängt davon ab, je nachdem, wie belastbar und über welche Coping-Strategien der Mitarbeiter verfügt.

4. Mobbing in sozialen Berufen

Nicht jeder Streit führt zum Mobbing, jedoch beginnen die Handlungen von Mobbing nicht erst, wenn sich jemand in der Krise befindet (Dietl, 2015, S. 1). „Mobbing gehört leider zum Alltag in sozialen Einrichtungen. In Heimen, Kliniken und Tagestätten wird jeden Tag geschlagen, gefesselt und geschrien. Betroffen sind Bewohner und Mitarbeiter“ (ebd.), d.h. unter den Bewohnern in einem Heim oder auch zwischen den Vorgesetzten und/oder Kollegen. Die Probleme in diesen Einrichtungen werden meistens thematisiert, wenn diese Fälle veröffentlicht werden. Führungskräfte werden dann verantwortlich gemacht, wenn die Zeitungen über Heimskandale berichten. Dabei sind nicht nur die Hauptvorwürfe mit Mobbing und Gewalt im Heim Thema, sondern auch Missmanagement, Korruption und Untreue der Führungskräfte können dann zur Diskussion stehen.

Gewalt kann sich in unterschiedlichen Formen zeigen, zum einen die psychische (unsichtbar) und zum anderen die physische Gewalt (sichtbar), d.h. auch Beleidigung und Bedrohung stellen eine Form von Gewalt dar (ebd., S. 1ff). „Wohl am häufigsten und auch am verstecktesten ist aber die sogenannte strukturelle Gewalt, die sich auf alltägliche Strategien stützt. Grenzüberschreitungen, Herabsetzungen, Machtmissbrauch oder Bestrafungen – so zeigt sich diese Form im Sozialwesen“ (ebd., S. 4).

Obwohl Mobbing in sozialen Berufen präsent ist, wird über das Thema nicht offen gesprochen, sondern es wird tabuisiert. Mobbing in sozialen Berufen wird geduldet und von Führungskräften ignoriert. Wo Mobbing in einer Organisation stattfindet, ist die Kommunikation auch gescheitert. Das soziale System ist ein komplexes System. Da die Soziale Arbeit in Kooperation mit Netzwerkpartnern abläuft, entstehen nicht selten Missverständnisse. Um Konflikte und Mobbing in sozialen Organisationen zu bewältigen, sollten dort auch vermittelnde BeraterInnen eingestellt werden.

Außerdem werden Präventionsmaßnahmen, wie regelmäßige Workshops oder Supervisionen, zum Thema Mobbing in Sozialen Organisationen nicht vorgenommen. So wird auch in Schulen und Universitäten nicht ausreichend oder gar kein Wissen über die Entstehung von Mobbing, Maßnahmen und Folgen vermittelt (ebd. S. 1ff).

Stattdessen wird in unterschiedlichen Internetforen offener mit dem Mobbing umgegangen. Da im Internet nicht viel über sich preisgegeben und so auch die Anonymität bewahrt wird, können sich die Menschen in sozialen Netzen frei über ihre Probleme austauschen. In einem davon berichtet die Berlinerin, Anna K, die drei Jahre im pädagogischen Bereich gearbeitet hat, dass sie zwei Mal bei der Arbeit gemobbt wurde. Sie äußerste, dass gerade in der Teamarbeit Mobbing als heftig empfunden wird und stellt die Frage: (ebd., S. 12). „Wie unsozial wird der soziale Bereich noch?“ (ebd., S. 12).

[…] „Soziale Berufe sind Mobbing Spitzenreiter“ (ebd.). Diese Aussage basiert auf dem Mobbing-Report von Meschurat, Stackelbeck und Langenhoff, welchen sie von 1998 bis 2001 führten und im Beratungsheft der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin [BAuA] veröffentlichten. Die Forschung bezieht sich auf Berufsgruppen, Branchen, Betriebsgröße sowie den Status der Person. Die am meisten von Mobbing Betroffenen, befinden sich in sozialen Berufen, darunter fallen die SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen sowie die ErzieherInnen. Hierbei besteht ein 2,8-faches Risiko (Meschurat Stackelbeck und Langenhoff, 2002, S. 31). Im Vergleich zu anderen Berufen ist dies deutlich erhöht. An zweiter und dritter Stelle stehen das Verkaufspersonal, MitarbeiterInnen im Versicherungs- und Bankwesen- Berufen, mit einem Mobbingrisikofaktor von 2,0 (Meschurat et. al., 2002, S. 31). Außerdem wird festgestellt, dass sich von Mobbing betroffene Personen in Alter und Geschlecht unterscheiden. Die Anzahl der erwerbstätigen Frauen, die von Mobbing betroffen sind, ist höher als bei den erwerbstätigen Männern. Von 100 betroffenen Personen waren 58 Frauen und 42 Männer. Als Risikogruppe werden hier die Frauen unter 25 Jahren mit 3,7% gesehen, die am Anfang ihre Kariere stehen. Eine leichte Erhöhung wird auch bei den älteren MitarbeiterInnen mit 2,9 % über 55 Jahren festgestellt. Dies könnte auch im Zusammenhang stehen, dass die älteren Mitarbeiter in absehbarer Zeit das Renteneintrittsalter erreichen. Außerdem haben sie wegen einer langjährigen Tätigkeit im Unternehmen einen Anspruch auf eine höhere Eingruppierung und diese ist mit Personalkosten verbunden (Meschurat et. al., 2002, S. 26ff).

Motive des Mobbings sind nicht nur Stress und Konkurrenz am Arbeitsplatz, sondern auch das Aussehen und die Persönlichkeit der Mobbing-Opfer spielen eine zentrale Rolle. Mobbing-Opfer tragen aus der Sicht ihres Arbeitsumfeldes eine Mitschuld, wenn ihr Aussehen, ihr Lebens- oder Arbeitsstill nicht der Norm entspricht. Ein normales Verhalten oder Aussehen wird von der Umgebung bestimmt (BAuA, 2011, S. 13).

Außerdem verursacht Mobbing nicht nur Schäden in individueller und betrieblicher Form, sondern auch im volkswirtschaftlichen Sektor. Es kann nicht genau berechnet werden, wie hoch die Kosten pro Jahr sind, die für ein Unternehmen anfallen, wenn ein Mobbingfall auftritt. Peper hat im Jahr 2002 festgestellten, dass ein Mobbingfall das Unternehmen Beträge in der Höher von 15.000 bis 50.000 Euro kosten könnte. Außerdem entstehen nicht nur betriebliche Kosten durch Fehlzeiten bei einem Mobbingfall, sondern auch die Heilkosten wie unterschiedliche Behandlungen wie z.B. die Psychotherapie, Rehabilitation, Arbeitslosigkeit und/oder Früherkennung (Litzcke & Shuh, 2010, S.146). Laut Berechnung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird festgestellt, dass 31% aller Arbeitsunfähigkeitsfälle in Deutschland die MitarbeiterInnen mit psychischen Fehlbelastungen betrifft. Für die Betroffenen entstehen ein direktes Kosten (Krankheitsbehandlung) in Höhe von 11,1 Milliarden Euro und indirekten Kosten (Produktionsausfall für Unternehmen) in Höhe von 13,4 Milliarden Euro, mit dazu kommen auch die volkswirtschaftlichen Kosten (BAuA, 2011, S. 23).

4.1. Mobbing als Prozess

Beim Auftreten des Phänomens des Mobbings entwickelt sich zwischen den beiden Parteien eine dynamisierende Abfolge von Aktion und Reaktion. Diese wird als „Attacke und Gegenwehr“ bezeichnet. Die Prozesse des Mobbings und dessen Dauer entstehen bei jedem Betroffenen unterschiedlich (Neuberger, 1995, S. 12). Laut Leymann, hat ein Mobbingprozess einen Anfang und ein Ende und erfolgt in vier Phasen.

In der ersten Phase erfolgen die täglichen Konflikte, welche ohne weitere Handlungen stattfinden. Diese können kurzfristig entstehen und der Grund dafür können emotionale Reaktionen sein, welche sich ebenso schnell wieder abbauen können. In dieser Phase besteht noch genügend Freiraum, dass die Betroffenen sich einigen, um die Missverständnisse zu beseitigen. Dies ist aber nicht immer möglich. Es kann auch vorkommen, dass die Betroffenen mit einer Versöhnung nicht einverstanden sind und die Angelegenheit nicht ruhen lassen. Dies führt den Konflikt in die nächste Phase (Leymann, 2006, S. 60).

In der zweiten Phase wird sich das Phänomen des Mobbings formen, und wenn die Betroffenen nicht rechtzeitig etwas dagegen unternehmen, werden diese mit Psychoterror am Arbeitsplatz konfrontiert. Die Betroffenen entwickeln Schuldgefühle, die zu Isolation führen. Von den Arbeitskollegen und/oder dem Arbeitgeber wird keine Unterstützung angeboten, sondern es kommt zu Ausgrenzung (BAuA, 2011, S. 9). Stresssymptome wie „Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen, Erkrankungen der Atemwege, Schlafstörungen oder leichte depressive Verstimmungen“ (Grünwald & Hille, 2003, S. 29) können in dieser Phase auftreten und dies könnte zu gesundheitlichen Folgen für den Betroffenen führen.

In die dritte Phase folgen „arbeitsrechtliche Sanktionen“ (BAuA, 2011, S. 9). Die Ausgrenzungen bei der Arbeit nimmt zu, die Kollegen gehen dem Betroffen aus dem Weg und bezeichnen ihn als schuldig. Dadurch fühlt sich der Betroffene stigmatisiert und als einzige Lösung wird das Krankschreiben für längere Zeit vorgenommen, um Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sich mit Wut und Aggression dagegen zu wehren (Leymann, 2006, S. 62). „Nach längerer Zeit des Psychoterrors ist der/die Betroffene meist schon psychisch angeschlagen“ (ebd.). Zu diesem Zeitpunkt ist der Konflikt erkennbar und der Arbeitgeber sollte eingreifen. Wenn der Betroffene in dieser Phase die Unterstützung vom Betriebsrat oder seiner Leitung bekommt und für die beiden Parteien eine gute Lösung angestrebt wird, könnte dieses die nächste Phase noch verhindern. Wenn der Arbeitgeber den Betroffenen als schuldig für die Entstehung des Konfliktes benennt oder sich gar nicht in den Konflikt einmischt, (BAuA, 2011, S. 9) dann können „arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung, Versetzung, Androhung der Kündigung“ (ebd.) für das Mobbing-Opfer folgen. Die vierte Phase des Mobbings wird mit der Endphase abschließen. Wenn der Betroffene weiterhin im Betrieb arbeitet, ohne den Konflikt gelöst zu haben, stellt dies eine negative Auswirkung für das Mobbing-Opfer dar. Der einzige Ausweg, dem Psychoterror am Arbeitsplatz zu entkommen, wird für den Betroffenen eine Abfindung, Frühverrentung, langfristige Krankschreibung oder die Kündigung sein (BAuA, 2011, S. 9). „Im Extremfall versuchen die gemobbten Personen, die Konflikte am Arbeitsplatz mit Gewalt zu lösen, oder begehen Selbstmord“ (Litzcke & Schuh 2010, S. 134). Der Betroffene wird dabei nicht unterstützt, sondern allein gelassen. Die Isolation nimmt zu und sein Selbstvertrauen sinkt stetig. Laut Schätzungen sollen pro Jahr 20% der Suizidfälle von Mobbing verursacht sein, dies wären dann ca. 2.000 Fälle. Nach Geschlecht kategorisiert, sind davon etwa 1500 männliche und ca. 500 weibliche Personen betroffen (Wolmerath, 2013, S. 43).

4.2. Rechtliches Vorgehen gegen Mobbing

Ein klares gesetzliches Vorgehen gegen Mobbing ist im Gesetzbuch nicht geregelt, denn der Tatbestand im juristischen Sinn ist nicht explizit definiert. Mobbinghandlungen können, müssen aber nicht Mobbing-Strafftaten sein, aber in verschiedenen Gesetzen sind strafrechtliche Delikte aufgeführt. Diese rechtlichen Grundlagen sind im Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und im Strafgesetzbuch (StGB) zu finden. Die Umsetzung des GG wird im Betriebsverfassungsgesetz näher geregelt.

Hier erfolgt eine Regelung der mit dem Unterschreiben des Arbeitsvertrages in Kraft tretenden Rechte und Pflichten beider Parteien, d.h. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind nach § 242 BGB zu Treu und Glauben verpflichtet.

Da es hier um einen Tausch von Gütern und Arbeitsleistung handelt, sollen die beiden Vertragspartner nach § 241 Abs. 2 BGB gegenseitig Rücksicht aufeinander nehmen (Wolmerath, 2013, S. 96). Der Mitarbeiter hat das Recht, sich bei dem jeweiligen Abteilungsleiter oder dem Betriebsrat zu beschweren, wenn er sich an seinem Arbeitsplatz bedrängt fühlt. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht für seine Angestellten und ist dafür verantwortlich, dass Beschwerden nachgegangen wird (siehe Kapitel 9.1). Es ist selten, dass Mobbing offen stattfindet, generell läuft Mobbing intransparent und verdeckt ab. Somit ist es schwer nachzuweisen und die Beweismittel dafür beizubringen, dass es sich um Mobbing handelt (Hermans & Krings, 2014, S. 164). Wird der Betrieb feststellen, dass es sich um Mobbing handelt, dann können Maßnahmen innerhalb der Organisation ergriffen werden. Diese könnten Veränderungen im Arbeitsvertrag, rechtliche Maßnahmen durch den Arbeitgeber und die Änderungskündigung sein, die in den Arbeitsvertrag für den Mobbing-Täter aufgenommen werden. Außerdem hat der Arbeitgeber das Recht mit Absprache des Betriebsrats die Kündigung vorzunehmen (Wolmerath, 2013, S. 152). Sollte das Mobbing-Opfer professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und Mobbing von Psychologen und Ärzten bestätigt werden, dann kann mit erforderlichen Beweisen gegen den Mobbing-Täter geklagt und Anspruch auf Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld von dem Mobbing-Täter verlangt werden (Litzcke & Schuh, 2010, S. 140). Gemäß § 823 abs. 1 BGB ist derjenige verpflichtet, den Schadenersatz zu leisten, der einem anderen das Leben, die Gesundheit, den Körper, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht widerrechtlich verletzt (Wolmerath, 2013, S. 97).

Die Rechte gegen Mobbing sind im Grundgesetz (GG) verankert, indem „die Würde des Menschen und das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit“ in Art.1 und 2 des Grundgesetzes befasst sind (Schirra, 2020, S. 22). Laut §12 AGG trägt der Arbeitgeber „die Verantwortung, dass in § 1 AGG formulierte Ziele, die Verhinderung oder Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in der Arbeitswelt“ umzusetzen (ebd.). Das Leistungsverweigerungsrecht, § 14 AGG dient für die Arbeitnehmer als Schutz am Arbeitsplatz. Falls der Arbeitgeber nicht handelt, darf der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verlassen, ohne einen Nachteil zu erleiden.

Das sogenannte Maßregelungsverbot (§ 16 AGG) soll verhindern, dass Arbeitgeber ihre Beschäftigten bestrafen. Die Regelung stellt für das Beschäftigen einen Vorteil dar, da sie dadurch vor Kündigung geschützt sind, wenn diese die ihnen zur Verfügung stehenden Rechte des AGG in Anspruch nehmen (Kollmer, 2007, S. 183). Wie oben bereits erwähnt, sind auch im StGB mobbingrelevante Straftaten geregelt:

- Fahrlässige Körperverletzung (§§223f., 229, 340, 230StGB)
- Vorsätzliche Körperverletzung (§223 StGB)
- (Sexuelle) Nötigung (§§177, 240 StGB),
- Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises (§192 StGB),
- Diebstahl (§§ 424 ff. StGB),
- Sachbeschädigung (§303 StGB)
- Datenveränderung (303 a StGB).
- Diese Strafftaten haben eine Verjährung von fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Straftat.
- Weitere Straftaten wie:
- Verleumdung (§187 StGB)
- Üble Nachrede (§186 StGB) und
- Beleidigung (§185 StGB)
- Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder (§119 StGB), haben eine Verjährungsfrist von drei Jahren.

Strafanzeige kann jeder Betroffene bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, und dem Amtsgericht erstatten (Wolmerath, 2013, S. 75 & Heidenreich 2011, S. 187f).

5. Qualitative Forschungsansatz und Begründung der Methodenauswahl

Die empirische Sozialforschung beschäftigt sich mit den systematischen Formen der Datenerhebung. Die Methode wurde zuerst im 17. Jahrhundert aus verschiedenen Disziplinen, wie Politik, Arithmetik, aber auch von der Population- und Sozialstatistik verwendet. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelte sich die empirische Sozialforschung anhand der vorherigen oben genannten Methoden. Diese Methode ermöglicht die Sichtbarkeit der Aussagen durch die Durchführung der bestimmten Erhebungstechniken (Misoch, 2015, S. 1). Diese können „Befragungen, (Labor-) Experimente oder Beobachtungen sein“ (Misoch, 2015, S. 1). Die Untersuchung der Daten der sozialen Fakten können durch diese Methoden erstellt werden. „Die empirische Sozialforschung als Sammlung verschiedener Techniken und Methoden zur wissenschaftlichen Untersuchung sozialer Phänomene kann ihrerseits in zwei zentrale Zugänge differenziert werden, die als quantitative und qualitative Sozialforschung bezeichnet werden“ (Misoch, 2015, S. 1). Die beiden Methoden unterscheiden sich in diversen Dimensionen. Zum Beispiel gilt die quantitative Forschung als eher objektbezogen, die Forschung konzentriert sich auf Fakten. Zur Erhebungsmethode gehören hier unter anderem die Beobachtung, das schriftliche und mündliche Befragen sowie die Verwendung von numerischen Daten, um ein Ergebnis zu erhalten. Diese Daten können zum Beispiel Zahlen sein, aber auch in ein tabellarisches Diagramm angepasst werden. Bei der qualitativen Methode ist zu festzustellen, dass diese Methode eher auf der Interpretation basiert (Misoch, 2015, S. 2).

Um die Forschungsfrage bei der vorliegenden Arbeit zu beantworten, werden die Interviews im Anhang der qualitativen Methode ausgewertet. D ie qualitative Forschungsmethode ermöglicht die Analyse bestimmter sozialer Phänomene, individueller Meinungen oder Motive. Dadurch können neue Hypothesen anhand der empirischen Daten generiert werden (Misoch, 2015, S. 2ff). Die Ziele qualitativer Forschung sind: „erstens die Erfassung subjektiver Sichtweisen, zweitens die Erforschung der interaktiven Herstellung sozialer Wirklichkeiten und drittens die Identifikation der kulturellen Rahmungen sozialer Wirklichkeit“ (Küsters, 2006, S. 19). Für die qualitative Datenerhebung stellen die Interviews herausragende forschungsrelevante Daten dar, die durch Tonaufnahmen realisiert werden (Misoch, 2015, S. 13). Da Mobbing als soziales Phänomen betrachtet werden kann und die individuellen sozialen Wirklichkeiten eine große Rolle spielen, wird diese Forschungsmethode hier bevorzugt.

5.1. Auswertungsverfahren und das narrative Interview nach Schütze

In Bezug auf eine Studie über die kommunale Marktforschung entwickelte der Soziologe Fritz Schütze in den 1970er Jahren das narrative Interview. Das narrative Interview, besonders im deutschsprachigen Raum, spielt in der qualitativen Sozialforschung eine wichtige Rolle (Misoch, 2015, S. 37).

Das Auswertungsverfahren nach Schütze erfolgt durch die folgenden Schritte: (Misoch, 2015, S. 48). Im ersten Analyseschritt folgt die formale Textanalyse, hier wird eine Sortierung von narrativen und nichtnarrativen Textpassagen vorgenommen (Schütze, 1983, S. 286). Im zweiten Schritt der Analyse wird die „strukturelle inhaltliche Beschreibung der Darstellungsstücke durchgeführt“ (ebd.). Das heißt, das ausgesuchte Segment vom ersten Teil wird analysiert. Ein besonderes Augenmerkt liegt hier darauf, was und wie erzählt wird, sowie auch in welchem Tonfall und welcher Stimmung der Interviewte erzählt (Misoch, 2015, S. 48). Signale wie Verzögerung, plötzliches Absinken der Stimme und Selbstkorrektur sollten bei der Analyse des Interviews berücksichtigt werden (Schütze, 1983. S. 286). Im dritten Teil folgt die Auswertung, d.h. es werden „[…] die lebensgeschichtliche Abfolge der erfahrungsdominanten Prozeßstrukturen in den einzelnen Lebensabschnitten bis hin zur gegenwärtig dominanten Prozeßstruktur herausgearbeitet“ (Schütze, 1983, S. 286). An vierter Stelle steht die Bewertung der Wissensanalyse, d.h. die ausgeklammerten nichtnarrativen Textteile der Interviews sind auch relevant und werden in die Untersuchung miteinbezogen. Dabei liegt das Augenmerk auf bestimmten Faktoren, um die Narrationsanalyse durchzuführen, wie z.B. die subjektive Wahrnehmung und die Intention bzw. Motivation, welche eine Person gehabt hat (Kleemann, Krähnke, Matuschek, 2009, S. 28). Zum Schluss werden die Texte der Interviews in einem kontrastiven Fallvergleich betrachtet. Es werden aus den beiden transkribierenden Interviews die aussagekräftigen Textstellen auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersucht (ebd.).

Schütze beschreibt das autobiographische narrative Interview als das Erzeugen von Datentexten, „welche die Ereignisverstrickungen und die lebensgeschichtliche Erfahrungsaufschichtung des Biographieträgers so lückenlos reproduzieren, wie das im Rahmen systematischer sozialwissenschaftlicher Forschung überhaupt nur möglich ist […]. Das Ergebnis ist ein Erzähltext, der den sozialen Prozess der Entwicklung und Wandlung einer biografischen Identität […] darstellt und expliziert“ (Schütze, 1983, S. 285f).

Das gewonnene Datenmaterial, das öfter auf Tonband aufgenommen wird, gibt einen Überblick über die Biografie, über die Lebensgeschichte des Interviewten, die im Laufe der Entwicklung in Erfahrung gebracht wurde. In Rahmen der biographischen Forschung wird diese Methode auch am häufigsten eingesetzt, um die Daten des Interviews zu erheben (Misoch, 2015, S. 37). Das Ziel dieser Methode ist, „die biographischen Prozesse innerhalb von Lebensläufen anhand von subjektiven Erzählungen nachzuvollziehen, um damit die Prozessstrukturen des individuellen Lebens aufzudecken“ (ebd.). Diese Methode ermöglicht dem Forscher einen schnellen Zugang zu Materialien des Interviewten zu bekommen, die Inhalte rasch aufzugreifen und die Forschung am gesuchten Thema gezielt zu beschleunigen.

Narrative Interviews bestehen aus vier zentralen Bestandteilen: Die Erzählaufforderung, Haupterzählung, Nachfrageteil und Bilanzierungsphase. Bevor das Interview mit dem Aufnahmegerät aufzeichnet und begonnen wird, es ist von Vorteil, das Vorgespräch mit einem „Small Talk“ einzuleiten. Dies könnte die Stimmung im Raum locker gestalten und das Entstehen einer Vertrauensbeziehung zwischen dem Forscher und Interviewexperten erhöhen ( ebd. S. 57ff). „Wichtige Themen des Vorgesprächs sind auch die (nochmalige/wiederholte) Zusicherung der Anonymitätswahrung über die Informationen sowie über den Ablauf des Interviews“ (Küsters, 2006 S. 54f). Dabei soll besprochen werden, dass der Forscher das Gespräch auf Tonträger aufnehmen darf. Dies soll auch nach der Zustimmung der Befragten realisiert werden. Da es in diesem Fall um die persönlichen Lebenslaufgeschichten des Interviewten geht, könnte es auch passieren, dass der Interviewte wissen möchte, wie mit den Daten umgegangen wird und ob diese leicht von jemand anderem identifiziert werden können. Es ist auch mit Risiken verbunden, wenn die Anonymität und die Geschichte des Interviewten nicht ausreichend maskiert oder bewahrt werden, ist die Wahrscheinlichkeit höher von der Umgebung identifiziert zu werden, besonders in kleinen Ortschaften. Daher ist es von Vorteil diese Aspekte zu besprechen und die Unsicherheiten des Interviewten zu beseitigen. Dies soll im Vorgespräch realisiert und auf Tonband aufgenommen werden (Küsters, 2006, S. 54f ). In der ersten Phase, „am Beginn des narrativen Interviews steht eine erzählgenerierende Frage an den Informanten, der so genannte „Erzählstimulus“ oder die „Erzählaufforderung““(ebd., S. 55). Die Einstiegsfrage soll so formuliert werden, dass möglichst eine ausführliche Erzählung bei dem Interviewten angeregt wird. Die Themen könnten sich auf das Berufsleben beziehen oder sich auf eine bestimme Thematik erstecken, wie z.B. die Lebensabschnitte von Arbeitslosigkeit, Konflikten oder das Studium. Es kann auch die Anforderung sein, die gesamte Lebensgeschichte zu erzählen.

Da die vorliegende Arbeit das Mobbing in sozialen Berufen untersucht, wird im Interview mit Frau Nikolova die Einstiegsfrage in diesem Zusammenhang gestellt. Dabei wird die Interviewte gefragt, wie sie zum Thema Mobbing gekommen ist und welche Erfahrungen sie gemacht hat. Die Frage ist breit gestellt und beinhaltet verschiedene Aspekte. Nach der Aufforderung zieht sich der Forscher aus dem Gespräch zurück, um der Interviewten genügend Raum zu geben mit der Narration zu beginnen (Misoch, 2015, S. 41 & Z. 1-5, Anlage 1).

In Herr Frank’s Interview, der Erziehungsberatung wurde die Anonymität im Vorgespräch besprochen. Auf dem Tonband wird nochmal betont, dass das Interview anonym verwendet werden wird und der Forscher fordert Herr Frank auf, einen Lebensabschnitt aus seinem Berufsleben zu erzählen (Z. 1-8, Anlage 2) . Gelingt in der ersten Phase die Erzählaufforderung, folgt darauf die Haupterzählung. Der Interviewer unterbricht den Erzählenden nicht, sondern unterstützt das Gespräch durch aktives Zuhören und zeigt weiterhin intensives Interesse am Gespräch. Dies kann mit nonverbalen Zeichen wie Nicken, Lachen oder mit Zustimmungslauten wie „emm“ erfolgen. Sollten Unklarheiten, Widersprüche, Missverständnisse auftreten oder die Frage bleibt während des Erzählvorgangs unbeantwortet, dann können diese notiert oder in Erinnerung behalten werden. In dieser Phase erzählt der Befragte so lange bis er sich selbst entscheidet die Erzählung zu beenden. Beobachtet der Forscher, dass der Befragte während des Interviews weint oder nervös wird, sollte darauf eingegangen und Pausen angeboten werden. In der Anlage eins folgt die Haupterzählung in Zeile 20 - 322 und in der Anlage zwei findet diese in Zeile 22 bis 276 statt. Nach dem Erzählabschluss kann der Forscher in der nächsten Phase der Narrativen Nachfragephase ankommen. Die beantworteten Fragen, die relevant für das Thema sind, sollten so gestellt werden, dass die Erzählung weiter in narrativer Form erfolgt (ebd., S. 42). Im Interview mit Frau Nikolova ist festzustellen, dass sie ohne Andeutung das Interview beendet, mit der Aussage: „Und deswegen wurde dann mein Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert, aber ich war sehr zufrieden bei dieser Stelle“ (Z. 324-325, Anlage 1). An dieser Stelle wird nochmal nachgefragt: „Sie haben vorher gesagt: […] Die dreier Konstellation Arbeitskollege aus dem Irak, Arbeitskollegin aus der Ukraine und Sie versuchten diesen Konflikt zu schlichten […]. Oder, oder, möchten Sie mal erzählen wie das gelaufen ist“ (Z. 326- 328, Anlage 1). Auf diese Nachfrage hin nimmt das Interview weiter seinen narrativen Lauf, da Frau Nikolova weiter darüber erzählt und im Detail auf den Konflikt eingeht, was relevant für das Forschungsthema ist.

Die Nachfrage beim Interview mit Herrn Frank wird relativ früh, im Vergleich mit dem anderen Interview, eingesetzt. Bemerkbar ist, dass vorher zwei kurze Fragen gestellt werden und darauf kurze Antworten kamen (Z. 188-191, Anlage 2). Um das Gespräch wieder in das Narrative Interview zu setzen, wurde nachgefragt. „Du hast mir vorher gesagt, dass es ein Gespräch gab, mit dir, dem Chef und dem obersten Chef sozusagen. Habe ich das richtig verstanden?“ (Z. 193-194, Anlage 2). Nach diesen Nachfragen hat Herr Frank das Gespräch erweitert und neue Aspekte des Geschehens vermittelt.

In der Bilanzierungsphase wird nochmal konkret auf die vorherige Erzählung eingegangen. Diese Frage ist bei dem Interview von Frau Nikolova in Zeile 404-407 zu finden. Die Frage wird so gestellt, dass die Interviewte ihre Antwort reflektieren sowie Erklärungen und Argumentationen über das Geschehen herausarbeiten kann und so eine Art „Selbst-Experte“ über die Erzählung wird (Misoch, 2015, S. 44).

5.2.Transkription und Anonymisierung

Transkription, dieser Begriff kommt vom lateinischen Wort „transcriptio“, welches Übertragung bedeutet. In den empirischen Sozialwissenschaften wird das Wort Transkription für die Verschriftlichung der gewonnenen Interviews von der Tonaufnahme zum Text verwendet, wobei die nonverbalen und auch von verbalen Daten später für die Analyse der Narratives Interviews verwendet werden (Mischo, 2015, S. 249). Im Transkript habe ich die Zeilen nummeriert, um die Textstelle durch die Nummerierung schnell finden zu können. Die Ausschnitte aus dem Interview werden im Text direkt oder in indirekter Rede rezitiert. Die Veränderung der Stimme in den Narrativen Interviews, die Laute (äh“ und „hm) und die Versprecher sowie die grammatikalischen Unrichtigkeiten, werden bei der Transkription geachtet. (Küsters, 2006, S. 73). Beide Interviews wurden von die Verfasserin transkribiert. Die Verschriftlichung der Interviews vom Tonband ist in originaler Version durchgeführt, d.h. die Authentizität der Interviews wurde dabei beachtet. Um die Anonymität der Interviewten zu bewahren, wurden die Namen des Interviewten, der Wohnort, die Arbeitsstelle auch die Personen, die während der Interviews erwähnt wurden, geändert oder hier als Pseudonym verwendet (Küsters, 2006, S. 76).

Vor dem Interview erfolgte die Einholung des Einverständnisses der jeweiligen Interviewpartner über die Aufnahme und Verarbeitung der personenbezogenen Daten .

6. Zugang zum Feld

Einen guten Zugang zu dem Interviewten zu schaffen ist bedeutungsvoll. Da die Erzählung der Lebensgeschichte den Zugang zur Forschung ermöglicht und dies alles mit Zeit und Emotionen verbunden ist, sollte mindestens eine Stunde für das Interview eingeplant werden. Außerdem wird während des Interviews über sensible Themen gesprochen, die im Verlauf des Gesprächs unterschiedliche Emotionen anregen können (Misoch, 2015, S. 187).

6.1. Zielgruppe

Als ich mich entschieden habe, über das Thema Mobbing in sozialen Berufen zu schreiben, fing ich mit der Suche an, Interview-Partner zu finden. Ich fragte KommilitonInnen, ob diese jemanden kennen. Weiterhin erweiterte ich die Anfrage an meine Bekannten via Whats App. Auf die Anfrageen, die durch KommilitonInnen gestellt wurden, haben sich drei Frauen gemeldet, eine von ihnen hat Mobbing während ihrer Ausbildung als Erzieherin erlebt, die andere bei der Arbeit als Erzieherin und die letzte in ihrer Schulzeit. Ich habe Kontakt mit allen drei Frauen über Whats App aufgenommen. Die beiden Frauen, die Mobbing in der Erziehertätigkeit erlebt haben, haben nicht weiter auf meine Nachrichten reagiert. Deshalb ist der Kontakt verloren gegangen. Die Kandidatin, die Mobbing in der Schule erlebt hatte, wäre bereit gewesen, ein Interview für mich zu geben, dieses wäre aber nicht relevant für mein Thema gewesen.

Mein nächster Schritt war, mit Institutionen Kontakt aufzunehmen, die sich mit dem Thema Mobbing beschäftigen und mir Zugang zu betroffenen KlientInnen ermöglichen könnten. Diese Kontakte sind nicht in Gange gekommen, da die Mitarbeiterin die KlientInnen nicht zusätzlich belasten wollte. Eine ehemalige Arbeitskollegin, die als Familienberaterin arbeitet, hatte eine Klientin, die von Mobbing betroffen war, aber sie lehnte sofort die Anfrage ab. Sie wollte mit dem Thema nicht mehr in Berührung kommen.

Durch weitere Anfragen konnte ich schließlich zwei Interviewpartner gewinnen.

Die Interviewpartner sind ein Mann und eine Frau. Der Mann ist ein deutscher, 60 Jahre alt und die Frau ist 35 Jahre alt mit Migrationshintergrund. Ich habe keine Beschränkung aus verschiedenen Geschlechter-, sowie mit oder ohne Migrationshintergrund des Interviewpartners vorher festgelegt. Dabei war mir lediglich, dass die Interviewpartner über 18 Jahre alt sein sollten. Da das Thema Mobbing ein sehr sensibles Thema ist, habe ich mir vorgenommen, dass dieses Mindestalter festgelegt wird. Beide Interviews wurden auf Deutsch durchgeführt.

6.2. Kontaktaufnahme zum Gesprächspartner und Beschreibung der Gesprächssituation

Eine Bekannte von mir teilte mir mit, dass ihr Mann von Mobbing betroffen war und bereit wäre, für mich ein Interview zu geben . Über Chatten, via Whats App vereinbarte ich problemlos einen Termin mit meiner Bekannten. Sie hatte vorher mit ihrem Mann alles abgesprochen, sodass ich mit ihr direkt den Termin vereinbart habe. Das Interview wurde im August 2019 bei ihm durchgeführt. Das Ehepaar hat uns zum Abendessen eingeladen und direkt danach konnte ich das Interview durchführen. Für mich war dies der erste Hausbesuch. Dorthin bin ich mit meinem Mann gegangen. Ihr Haus lag in einem kleinen Dorf, das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen ist. Daher wurden wir von der Zughaltestelle abgeholt und die Bekannte führte uns in ihr gemütliches Haus mit einem kleinen Garten. Wir hatten uns seit einem Jahr nicht mehr getroffen und das Wiedersehen war sehr emotional. Sie waren uns gegenüber sehr freundlich und respektvoll. Wie schon zuvor abgesprochen, führte ich nach dem Essen das Interview mit dem Mann meiner Bekannten durch. Zum Aufnehmen habe ich ein Aufnahmegäret aus der Medienwerkstatt der Technischen Hochschule ausgeliehen. Für mich war es das erste Mal, dass ich jemanden interviewt habe. Dabei konnte ich feststellen, dass ich aufgeregt war, obwohl ich die Menschen bereits kannte. Das gleiche beobachte ich auch bei Herrn Frank. Obwohl das Mobbing ihm vor zehn Jahren passierte, konnte er sich noch detailgenau an alles erinnern und erzählen, als wäre dies erst vor kurzem passiert.

Das Interview wurde im Wohnzimmer aufgenommen. Ich frage Herrn Frank, wo er am liebsten das Interview führen wollen würde, ob er einen ruhigen Platz bevorzugen würde. Er entschloss sich ohne Zögern, das Interview am Esstisch zu führen, in einem Setting, bei dem wir alle zugegen waren. In der Folge schilderte ich nochmals den Hintergrund des Interviews sowie mein Forschungsinteresse. Dabei gab ich Herrn Frank die Zusicherung zur Wahrung der Anonymität und dem Umgang mit seinen Daten. Während des Interviews kam es einmal zu einer Unterbrechung, da Herr Frank an diesem Abend Bereitschaftsdienst hatte und einen Anruf von seiner Arbeit bekam. Das ganze Interview hat insgesamt ca. 50 Minuten gedauert. Durch dieses emotionale Gespräch konnte ich die Liebe für seine Arbeitsstelle und die Enttäuschung über den Betrieb bei ihm feststellen, in welchem er für fünf Jahre gearbeitet hatte.

Das Interview mit Frau Nikolova wurde im August 2019 in ihrem Büro durchgeführt. Den Termin vereinbarten wir bei einem vorherigen spontanen Treffen, da ich Frau Nikalova vorher kannte. Ihr Büro war gut strukturiert und das Regal war mit unterschiedlichen Büchern überfüllt. Das Wetter an diesem Tag war schön und durch das Fenster konnte ich die grüne Wiese sehen, in der Zeit als sie die letzte E-Mail von ihrem Computer schrieb. Die Atmosphäre war sehr angenehm und nach einem kurzen „Small Talk“ haben wir mit dem Interview begonnen. Dabei teilte ich Frau Nikolova mit, dass ich das Interview transkribieren und alles im Rahmen der Bachelorarbeit anonym verwenden werde. Das Interview wurde mit dem gleichen Gerät wie bei dem Interview von Herrn Frank durchgeführt.

Frau Nikolova ist quer in den Job als Asylsozialberaterin bei einem großen Wohlfahrtsträger eingestiegen und hat diese Tätigkeit ca. vier Jahre ausgeführt. Es waren fast drei Jahre, dass sie nicht mehr über das Mobbing mit jemanden sprach. Sie hat sich auf das Interview nicht vorbereitet und alles lief spontan ab. Nach der kurzen Besprechung, um die Situation aufzulockern, fing ich langsam an, das Interviewthema zu eröffnen. Das Aufnahmegerät war vorbereitet und lag auf einem kleinen Tisch. Mit der Frage: „Erzählen Sie mir bitte Ihre Geschichte“ forderte ich sie auf, ihre Geschichte zu erzählen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Mobbing in sozialen Berufen. Befunde und Einblicke in Erfahrungen von Betroffenen
Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
Note
1,7
Jahr
2020
Seiten
97
Katalognummer
V1023506
ISBN (eBook)
9783346466471
ISBN (Buch)
9783346466488
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mobbing, berufen, befunde, einblicke, erfahrungen, betroffenen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Mobbing in sozialen Berufen. Befunde und Einblicke in Erfahrungen von Betroffenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1023506

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