A. Die Kombination mehrerer Handlungsformen
Die wichtigsten Handlungsformen der Exekutive sind der Verwaltungsakt (§§ 35ff. VwVfG), der öffentlich-rechtliche Vertrag (§§ 54ff. VwVfG) und ausnahmsweise der Erlass von Rechtsnormen (Rechtsverordnungen und Satzungen). Die Möglichkeiten der Kombination dieser Handlungsfor- men und insbesondere die Frage der Zulässigkeit der Kombination soll im folgenden untersucht werden.
I. Vollzug einer Rechtsnorm durch Verwaltungsakt
Diese Kombination zweier Handlungsformen stellt den absoluten Regelfall dar.
Der Verwaltungsakt braucht wegen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes eine gesetzliche Grundlage. Zu- mindest wenn er belastend ist und in die Rechte der Bür- ger eingreift, ist dies unbestritten. Dieser Grundsatz folgt unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG1. Diesem Anspruch genügt aber, vorbehaltlich der We- sentlichkeitslehre, aus der sich ein Parlamentsvorbehalt ergeben kann, auch eine Rechtsverordnung gem. Art. 80 I GG, die von der Exekutive erlassen wird2.
Auf der anderen Seite bedarf eine Norm meist einer Kon- kretisierung durch die Verwaltung, um unmittelbar Rechtswirkung zu entfalten. Auch wenn sie die genauen Voraussetzungen z. B. für eine Rente oder Steuer festlegt, so bedarf es doch regelmäßig noch eines Verwaltungsak- tes, um ein öffentliches Rechtsverhältnis zu gestalten3. Je- den Einzelfall durch Erlass einer Norm zu regeln wäre nicht praktikabel und im Hinblick auf das Verbot des Einzelfall- gesetzes gem. Art. 19 I 1 GG auch verfassungsrechtlich problematisch.
Der Regelfall, dass eine Norm durch einen Verwaltungsakt konkretisiert wird, bereitet im Hinblick auf die Kombination der beiden Handlungsformen keine besonderen Probleme.
II. Vollzug einer Rechtsnorm durch öffentlich-rechtlichen Vertrag
Auf den ersten Blick mag die Kombination des Vollzuges einer Norm durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag selt- sam anmuten. Diese Konstellation ist aber zumindest grundsätzlich möglich4. Ein gesetzlich geregeltes Beispiel enthält § 110 BauGB. Dort wird festgelegt, dass im Enteig- nungsverfahren zwischen den Beteiligten eine Einigung er- reicht werden soll. Dieses Verfahren stellt den Vollzug ei- nes Bebauungsplanes und damit gem. § 10 I BauGB einer Rechtsnorm dar. Bei der Einigung handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag5. Dieser dient damit dem Vollzug einer von der Verwaltung erlassenen Norm.
Diese Konstellation findet in der Praxis nur selten Anwe n- dung. Auch im Hinblick auf die Kombination zweier verwaltungsrechtlicher Handlungsformen birgt die Verbindung von Rechtsnorm und öffentlich-rechtlichem Vertrag keine besonderen Probleme.
III. Vertragliche Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes
Ob die Verwaltung grundsätzlich für eine hoheitliche Maß- nahme, ohne explizites gesetzliches Verbot, bzw. gesetzli- che Genehmigung eine Gegenleistung verlangen darf, war früher umstritten6. Durch den Erlass des § 56 VwVfG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass Austauschverträge zu- mindest grundsätzlich zulässig sein sollen. Es bleiben aber Bedenken, dass es zu einem Verkauf von Hoheitsrechten kommen könnte. Deshalb soll das VwVfG das Prinzip des do-ut-des nicht nur ermöglichen, sondern auch sinnvoll begrenzen. Ein Ausverkauf von Hoheitsrechten soll vermieden werden7.
Grundsätzlich ist die vertragliche Verpflichtung der Verwal- tung, einen bestimmten Verwaltungsakt (z. B. Baugene h- migung) zu erlassen, erst einmal möglich8. Als wichtigste Schranke stellt sich hier das Koppelungsverbot des § 56 I 2 VwVfG dar. Dieses stellt an die Gegenleistung und ihr Verhältnis zur versprochenen hoheitlichen Maßnahme eini- ge Anforderungen9. Auf diese soll hier nicht näher einge- gangen werden, weil sich im Hinblick auf die zu untersu- chende Konstellation keine Besonderheiten ergeben.
Abschließend stellt sich die Frage, welche Klageart ein- schlägig ist, wenn sich die Behörde wirksam verpflichtet hat einen Verwaltungsakt zu erlassen, sich dann aber wei- gert dieser Verpflichtung nachzukommen. Man könnte hier an eine Verpflichtungsklage gem. § 42 I 2. Alt. VwGO den- ken, weil das Klagebegehren auf den Erlass eines Verwal- tungsaktes gerichtet ist. Die Konsequenz wäre dann aber die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gem. 68ff. VwGO, in dem erst die Zweckmäßigkeit des zu erlassenden Verwaltungsaktes zu überprüfen wäre. Angesichts einer vertraglichen Bindung erscheint das aber als überflüssige Förmelei. Deshalb ist hier die allgemeine Leistungsklage gem. § 40 I i. V. m. § 43 II VwGO statthaft, weil es um eine Klage aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geht10.
IV. Vertragliche Verpflichtung zum Erlass von Rechtsnor- men
Es stellt sich hier die Frage, ob sich die Exekutive durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag gem. §§ 54ff. VwVfG wirksam dazu verpflichten kann, Rechtsnormen überhaupt oder mit einem bestimmten Inhalt zu erlassen. Das erste Problem stellt die Frage dar, ob das VwVfG auf den Erlass von Normen überhaupt anwendbar ist.
Nach einer Ansicht findet das VwVfG auf Rechtssetzungsverfahren generell keine Anwendung, weil es sich dabei nicht um eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörde gem. § 1 VwVfG handele11. Öffentlich-rechtliche Verträge in direkter Anwendung der §§ 54ff. VwVfG, die die Verwaltung zum Erlass bestimmter Normen ermächtigen, wären danach immer unzulässig.
Nach anderer Ansicht sind die Vorschriften des VwVfG zumindest entsprechend anwendbar12.
Wenn man die Anwendbarkeit des VwVfG annimmt, stellt sich die Frage, ob der Erlass einer Norm (Rechtsverord- nung oder Satzung) überhaupt tauglicher Vertragsgegens- tand sein kann. Das VwVfG verbietet dies zumindest nicht ausdrücklich. Gem. § 54 S. 1 VwVfG kann ein öffentlich- rechtlicher Vertrag nur dann nicht geschlossen werden, wenn dem Rechtsvorschriften entgegenstehen. Darunter fallen zum einen alle Rechtsvorschriften, die schon ihrem Wortlaut nach eindeutig Verbotscharakter haben. Zum an- deren kann aber auch die Auslegung einer Norm ergeben, dass eine vertragliche Regelung unzulässig ist13. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Exekutive sich durch die vertragli- che Bindung der von der Ermächtigungsnorm eingeräum- ten Gestaltungsfreiheit beraubt. Ein solcher öffentlich- rechtlicher Vertrag wäre dann rechtswi drig. Da dies der Normalfall sein dürfte, sind somit wohl Normsetzungsver- träge in aller Regel unzulässig14. Die einzig denkbare Aus- nahme bildet der Fall, dass die Umstände der Planung der- gestalt sind, dass sich die Gestaltungsfreiheit der Verwal- tung auf Null reduziert, also nur noch eine mögliche Norm zu erlassen in Frage kommt oder aber das Verfahren (An- hörung, Auslegung) schon durchgeführt und eine Abwä- gung schon vorgenommen wurde. Der Normerlass und das Verfahren wären dann eine reine Formsache und eine vor- herige vertragliche Bindung sähe sich nicht den obigen Be- denken ausgesetzt15.
Den wichtigsten Anwendungsfall stellen Bebauungspläne dar, die gem. § 10 I BauGB als Satzungen erlassen wer- den. Für sie ist der Streit aber unerheblich. Es entsprach der ständigen Rechtsprechung, dass sich Gemeinden nicht wirksam zum Erlass von Bebauungsplänen verpflichten können, weil dadurch die vorzunehmende Abwägung be- einträchtigt und dadurch das Abwägungsgebot verletzt sein könnte16. Auch ein Anspruch auf Nichtplanung ließ sich durch Vertrag nicht begründen17. Dies galt auch für Flä- chennutzungspläne18. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung ist durch § 6 II 3 BauGB-MaßnG19 und die Einführung des § 2 III 2. Halbsatz BauGB20 bestätigt wor- den. Diese Normen halten fest, dass durch Vertrag kein Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplanes begrün- det werden kann. Vor seiner Änderung schloss § 2 III BauGB nur gesetzliche Ansprüche auf Erlass eines Bebau- ungsplanes aus21.
Auch wenn in der Praxis ein Bedürfnis nach solchen Ver- trägen bestehen mag22, so ist die gesetzliche Regelung doch eindeutig und lässt keine Ausnahmen zu. Ein gegen diese Vorschriften verstoßender Vertrag wäre gem. § 59 I VwVfG i. V. m. § 134 BGB nichtig23. Einer auf Normerlass gerichteten Klage aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag fehlt daher schon das Rechtsschutzbedürfnis24.
V. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche durch Verwal- tungsakt
Bei der Kombination der verschiedenen Handlungsformen stellt sich hier die Frage, ob die Verwaltung auch Ansprü- che, die sich aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag er- geben, mit einem Verwaltungsakt durchsetzen kann. Da- durch würde sie sich selbst einen vollstreckbaren Titel schaffen. Gene rell bedarf die Verwaltung keiner spezifi- schen Ermächtigung, um sich des Verwaltungsaktes als Handlungsform zu bedienen25. Die Ermächtigung, kraft ho- heitlicher Gewalt tätig zu werden, impliziert die Befugnis durch Verwaltungsakt zu handeln, wenn keine bestimmte Handlungsform vorgeschrieben ist. Soweit darüber hinaus für die Handlungsform des Verwaltungsaktes eine beson- dere gesetzliche Ermächtigung gefordert wird26, ergibt sich diese regelmäßig durch Auslegung der materiell- rechtlichen Grundlage27. Unabhängig davon entspricht es aber der ganz h. M., dass sich die Verwaltung durch die Wahl des öffentlich-rechtlichen Vertrages als Handlungs- form auf die Ebene des Bürgers begibt. Wegen des Grund- satzes der Waffengleichheit muss sie deshalb auf den Ver- waltungsakt zur Durchsetzung verzichten28. Wenn sich die Verwaltung bei der Aushandlung der Ansprüche auf die Gleichordnungsebene begibt, dann muss sie das auch bei der Durchsetzung der Ansprüche tun. Sie kann sich des- halb nicht des Verwaltungsaktes bedienen, sondern muss, genau wie der Bürger, streitige Ansprüche gerichtlich durchsetzen. Dabei ist vor den Verwaltungsgerichten die allgemeine Leistungsklage statthaft. Auch die negative Be- scheidung eines vom Bürger geltend gemachten Anspru- ches aus Vertrag in Form eines Verwaltungsaktes ist unzu- lässig29.
Es käme auch in Betracht hier zu differenzieren: Wenn durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag neue Ansprüche begründet werden, bleibt eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt ausgeschlossen. Werden durch den Ver- trag nur bereits bestehende gesetzliche Verpflichtungen anerkannt, so stünde einer Geltendmachung durch Verwal- tungsakt nichts entgegen30.
Wenn jedoch eine ausdrückliche gesetzliche Genehmigung besteht, vertragliche Ansprüche durch Verwaltungsakt gel- tend zu machen, dann ist dies auch unproblematisch mög- lich31.
B. Die Zweistufentheorie
Nach der Untersuchung der Kombinationsmöglichkeiten der Handlungsformen des öffentlichen Rechts soll nun die Kombination von öffentlichem Recht und Privatrecht be- trachtet werden. Dabei verdient die Zweistufentheorie be- sondere Aufmerksamkeit. Sie wird im folgenden ausführ- lich historisch und dogmatisch dargestellt und auch kritisch betrachtet. Danach werden mögliche Alternativen zu ihr aufgezeigt.
I. Historische Entwicklung
Die Zweistufentheorie wurde von Hans Peter Ipsen in ei- nem Gutachten mit dem Titel „Rechtsgutachten über das Verfahren und den Rechtsschutz bei Gewährung und Ver- weigerung von Ausfallbürgschaften des Bundes für Film- produktionskredite“ vom 17. 12. 1951 entwickelt.
Dabei ging es um die Verweigerung einer Subvention in Form einer Bundesbürgschaft für einen nur geplanten und niemals realisierten Film mit dem Titel „Eva im Abend- kleid“. Zu der Ablehnung trugen aber nicht etwa inhaltliche Bedenken gegen den Film bei, maßgeblich war vielmehr die Gesinnung des Produzenten, die aus Sicht des zustän- digen „Dreierausschusses“ (bestehend aus Vertretern des Bundeswirtschafts-, Bundesfinanz- und des Bundesinnen- ministeriums) dem Staat gegenüber nicht positiv genug war. Mit Hinweis auf den privatrechtlichen Charakter der Bürgschaft verweigerten die zuständigen Bundesressorts jede weitere Begründung und bestritten auch die gerichtli- che Überprüfbarkeit dieser Entscheidung. Der Staat habe wie ein Privater gehandelt, als er den Bürgschaftsantrag ablehnte und die Entscheidungen Privater seien in dieser Hinsicht ja auch nicht überprüfbar. Die Ansicht, dass der Hoheitsträger sich durch die Wahl einer privatrechtlichen Handlungsform seiner Grundrechtsbindung entledige und privatautonom agieren könne, war damals weitverbreitet32 und geht auf Otto Mayer zurück, der den Staat als gewöhnlichen Privatmann sah, wenn er privatrechtlich handelte33.
Zu diesem Fall „Eva im Abendkleid“ schrieb Ipsen ein Gut- achten, das, obwohl oft zitiert und ausgeliehen, erst 1971, also 20 Jahre nach seiner Entstehung, erstmals veröffent- licht wurde34.
Fünf Jahre nach Entstehen des Gutachtens benutzte Ipsen zum ersten Mal den Begriff der Zweistufigkeit für seine Theorie in einer Reihe von Aufsätzen35, die dann auch als Monographie herausgegeben wurden36. Zu diesem Zeit- punkt hatte sie das BVerwG bereits übernommen37 und benutzte sie von da ab in ständiger Rechtsprechung38. Auch in der Lehre fand die Zweistufentheorie schon früh großen Anklang39.
Nach der Währungsreform im Jahre 1948 und mit dem Be- ginn des Wiederaufbaus waren wirtschaftliche Subventio- nen erforderlicher denn je. Das Verwaltungsrecht, das frü- her hauptsächlich ein Recht der Eingriffsverwaltung war, begann damals gerade erst damit, in den Bereich der Da- seinsvorsorge hineinzuwachsen und ihn zu durchdringen. Schon nach wenigen Jahren forderte insbesondere die Verwaltungsrechtswissenschaft eine Ausdehnung des Ver- waltungsrechtsschutzes und die Bindung an den Grund- rechtskatalog des damals noch relativ jungen Grundgeset- zes40. Ipsens Theorie schien diesen Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb setzte sie sich sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung rasch durch und fand in § 102 2. WohnungsbauG41 vom 27. 6. 1956/BGBl. I S. 523 sogar Gesetzesform42.
II. Dogmatische Begründung der Zweistufentheorie
Ipsen erkannte, dass beim Bund vor der Ausfertigung der Bürgschaftserklärungen der bereits oben erwähnte „Drei- erausschuss“ über die Erteilung der Bürgschaft entschied43. Diese vorgeschaltete Entscheidung über das „ob“ der Bürgschaftsgewährung sollte nach Ipsens Meinung einen hoheitlichen Ermessensakt darstellen44. Durch ihn wurde der Abschluss eines rein zivilrechtlichen Bürgschaftsvertra- ges zugelassen bzw. verweigert.
Erst auf der zweiten Ebene folgte dann die eigentliche Ge- währung der Bürgschaft durch die Bundesschuldenverwal- tung gem. Gesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 13. 7. 1948, WgGBl. 1948/73 mit §§ 4 und 5 RschO vom 13. 2. 1924, RGBl. I/95.
Ipsen teilte so diesen vorher als einheitlichen Vorgang an- gesehenen Prozess der Subventionierung durch Bürg- schaftsübernahme in zwei Stufen. Die Erste mit der Ent- scheidung über das „ob“ der Gewährung war zwingend öf- fentlich-rechtlich, die zweite Stufe, die über das „wie“ ent- schied, konnte, wie in dem von ihm untersuchten Fall, pri- vatrechtlich ausgestaltet sein. Dadurch sollte das Gesamt- rechtsverhältnis öffentlich-rechtlich gebunden werden, weil man rechtsstaatliche Defizite fürchtete, wenn der Staat in so grundrechtssensiblen Bereichen wie Wirtschaftssubven- tionen völlig ungebunden agieren könnte. Der Fall an dem Ipsen seine Theorie entwickelte (s. o.) schien auch schon die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen.
Diese Theorie war aber nicht auf alle Fälle von Subventio- nen anwendbar. Im allgemeinen unterscheidet man vier verschiedene Formen von Subventionen: Verlorene Zu- schüsse, Darlehen, Realförderung und die Übernahme von Bürgschaften45. Schon früh erkannte Ipsen, dass es bei der Vergabe von verlorenen Zuschüssen keine zweite Stufe gab, für die ein zivilrechtlicher Vertrag erforderlich gewe- sen wäre, sondern dass einfach die erste Stufe ohne weite- re Regelungen oder Modifikationen ausgeführt wurde46. Es entspricht deshalb heute der allgemeinen Meinung, dass die Zweistufenlehre bei der Vergabe verlorener Zuschüsse keine Anwendung findet und diese Verhältnisse immer rein öffentlich-rechtlich sind47. Ebenso ist bei der Bürgschaft das Verhältnis zwischen dem Staat als Bürgen und dem Gläubiger natürlich immer ausschließlich nach dem priva- ten Recht, also dem Verwaltungsprivatrecht, zu beurtei- len48. Dies macht die Annahme der Zweistufentheorie, wenn eine Privatbank zwischengeschaltet ist, in diesem Bereich unausweichlich49.
Die Zweistufentheorie fand deshalb großen Anklang in Rechtsprechung und Lehre50, weil sie es schaffte, dogma- tisch fundiert den Forderungen nach einer Grundrechtsbin- dung auch im Bereich der Leistungsverwaltung gerecht zu werden und trotzdem konnte der Staat sich weiterhin der praktikablen und bewährten Rechtsformen des Privatrechts bedienen. Schon bald darauf stellte man fest, dass sie sich auch ohne Probleme auf andere Bereiche übertragen ließ, in denen dem Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben ein Wahlrecht zwischen öffentlichem und bürgerlichem Recht zustand, so z. B. beim Zugang zu öffentlichen Einrichtun- gen51 und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge52. Keine Anwendung fand die Theorie dagegen bei Ausbildungs - und Arbeitsverhältnissen53 und beim Abschluss von Jagdpachtverträgen54. Diese Abhandlung bezieht sich im folgenden hauptsächlich auf Subventionen, die den Hauptanwen- dungsfall der Zweistufenlehre darstellen.
III. Kritik
In der Literatur mehren sich die Stimmen, die der Zweistu- fenlehre zwar rückblickend große Verdienste zusprechen, sich für die Zukunft aber gegen sie entscheiden55. Sie wur- de sogar als „juristisches Scheinkonzept“56 oder auch als nur „lästiges Theorem“57 bezeichnet. Als Gründe werden dabei hauptsächlich die folgenden Probleme genannt:
Die Aufteilung in zwei verschiedene Stufen ist heute oft nur eine Fiktion58. Die gedankliche Konstruktion eines be- willigenden Verwaltungsakts, der dem von ihm bewilligten privatrechtlichen (Darlehens - oder Bürgschafts-) Vertrag vorgeht entspricht oft nicht den realen Verhältnissen. Auch wenn dies, wie oben gezeigt, in dem von Ipsen begutach- teten Fall zutraf und durch die unterschiedlichen Zustän- digkeiten besonders deutlich wurde, so ist es doch heute in den meisten Fällen nicht mehr als eine reine Fiktion, weil in der Verwaltungspraxis oft nur eine Rechtshandlung vorgenommen wurde. Hierbei wird es besonders schwer den dogmatischen Anforderungen gerecht zu werden, weil eine Handlung nicht gleichzeitig zwei völlig unterschiedliche rechtliche Bedeutungen haben kann59.
Wenn z. B. ein Antrag des Bürgers erforderlich ist und er als Antwort gleich eine Bewilligung mit Festsetzung der Modalitäten erhält60, dann müsste der Antrag auf Erlass des Bewilligungsverwaltungsakts gleichzeitig ein Antrag auf Abschluss eines privatrechtlichen Darlehensvertrages sein. Die Antwort der Behörde wäre dann neben dem be- willigenden Verwaltungsakt zugleich auch die Annahme des Antrags des Bürgers. Dies wäre unter anderem deswegen schwierig, weil nach ganz h. M. im Zivilrecht das Angebot die wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten muss61. Man könnte hier höchstens unterstellen, dass die Behörde konkludent gem. § 151 BGB auf den Zugang einer Annah- meerklärung verzichtet hat oder in der Annahme der Zah- lung durch den Bürger eine konkludente Annahmeerklä- rung sehen. Weitere Probleme ergeben sich, weil eine Handlung gegenüber derselben Person nicht gleichzeitig privat- und öffentlich-rechtlich sein kann62. Das BVerwG nahm zwar in einer Entscheidung eine private Erklärung mit öffentlich-rechtlicher Bedeutung an63, es hat sich aber nur 4 Jahre später in einem gleich gelagerten Fall anders entschieden und ging dann von einem rein privatrechtlichen Verhältnis aus64.
Auch wenn diese Konstruktion rechtsdogmatisch noch möglich ist, indem man unterstellt, dass das ganze Ge- schehen nur äußerlich eine Handlung darstellt, sich aber in Wirklichkeit aus zwei Rechtshandlungen zusammensetzt, so zeigt sie doch, wie lebensfremd und eben konstruiert die Zweistufentheorie oft ist. Außerdem darf die Zweitei- lung nicht einfach unterstellt werden, sondern muss sich nach außen kundtun65. Zudem entstehen so erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen dem noch verwaltungsgerichtlich überprüfbaren „ob“ und dem schon rein zivilrechtlichen „wie“. Diese Unterscheidung ist oft nicht präzise möglich, insbesondere dann, wenn schon die Bewilligung inhaltliche Aussagen enthält.
Ein weiteres Problem ist, dass der einheitliche Lebensvor- gang der Subventionierung nicht nur in verschiedene Rechtsverhältnisse zerteilt wird, sondern dass diese Rechtsverhältnisse zwangsläufig auch noch unterschiedli- chen Rechtswegen zugeordnet werden. Die Fragen des materiellen Rechts rücken dabei oft in den Hintergrund und es dreht sich allein um die Frage, vor welchem Gericht der Bürger denn nun Recht zu bekommen habe. Dies ist be- sonders demjenigen, der eine Subvention begehrt, nur schwer zu vermitteln. Auch wenn die Zuordnung an den Verwaltungsrechtsweg und die damit verbundene Ausdeh- nung des Verwaltungsrechtsschutzes eines der Hauptanlie- gen Ipsens war, so ist doch unbestritten, dass für Streitig- keiten auf der zweiten Ebene, die dem Zivilrecht zugeord- net wird, gem. § 13 GVG die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig ist66. Dies macht die Schwierigkeiten, die bei der Abgrenzung zwischen den beiden Stufen bestehen, beson- ders kompliziert. Die Geschichte der Zweistufentheorie ist deshalb als Geschichte der Rechtswegungewißheit oder so- gar der „Rechtswegelagerei“ bezeichnet worden67. Abgese- hen davon, dass es für den Bürger eine Erschwerung der Verfolgung seiner Rechte darstellt, ist es auch im Hinblick auf die Garantie eines effektiven Rechtsschutz gem. Art.
19 IV GG problematisch68, wenn die Wahl des richtigen Rechtswegs zu einem Glückspiel wird.
Innerhalb der beiden Rechtswege ist es immer wieder zu sich scheinbar widersprechenden Entscheidungen gekommen, die nach Meinung der Literatur die Fehler der Zweistufentheorie zeigen69.
So wurden Änderungen des Zinssatzes bei einem Darlehen in einigen Fällen als privatrechtlich70, in anderen als öffentlich-rechtlich71 angesehen.
Der Rückzahlungsanspruch wurde teilweise als öffentlich- rechtlich72 beurteilt und so ein öffentlich-rechtlicher An- spruch zumindest neben einem zivilrechtlichen bejaht und seine Geltendmachung durch Verwaltungsakt dadurch er- möglicht. In anderen Fällen wird davon ausgegangen, dass das Rückzahlungsbegehren, obwohl mit einer Rechtsbe- helfsbelehrung versehen, rein zivilrechtlich sei, da die Ver- waltung sich dem Privatrecht unterworfen und dadurch selbst gebunden habe73. Es wird hier deutlich, dass die Ge- richte bewusst die Dogmatik und die Rechtssicherheit ver- nachlässigt haben, um gerechte Einzelfallergebnisse zu er- zielen. Das BSG hat dies auch offen als Grund für eine Entscheidung genannt74.
Bei einer öffentlich-rechtlichen Betrachtung ergeben sich Folgeprobleme:
Es entspricht der h. M., dass bei der Subventionsvergabe nur ein abgeschwächter Gesetzesvorbehalt gilt, was be- deutet, dass nicht immer ein formelles Gesetz erforderlich ist, sondern, dass jede parlamentarische Willensäußerung ausreicht75, vorausgesetzt, es sind keine grundrechtssen- siblen Bereiche betroffen76. Konkret erfordert dies die Fest- legung der Mittel im Haushaltsplan und die Regelung der Vergabemodalitäten durch Verwaltungsvorschriften. Da- durch fehlte es früher an einer gesetzlichen Grundlage für die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches durch Verwaltungsakt. Nach der „Kehrseitentheorie“ auf die sich das BVerwG berief, und die es für Gewohnheitsrecht hält77 ist die Rückforderung durch Verwaltungsakt als Kehrseite der Gewährung durch Verwaltungsakt zwingend logisch möglich. Dies ist umso problematischer, da ja, wie oben gezeigt, auch für die Gewährung keine gesetzliche Grund- lage besteht. In Hinsicht auf die Gewährung behalf sich das BVerwG mit der Figur des „Verwaltungsakts durch Un- terwerfung“, wonach der Bürger sich durch die Beantra- gung der Subvention den Vergabebedingungen unterwerfe, die regelmäßig eine Bewilligung durch Verwaltungsakt vorsähen. Diese Ansicht begegnete massiven rechtstaatlichen Bedenken78, insbesondere da Subventionen oft aus wirtschaftlicher Not heraus beantragt werden und von einer Freiwilligkeit ins oweit keine Rede sein kann79. Auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist die Rückforderung durch Verwaltungs- akt ohne gesetzliche Grundlage nicht unumstritten80. Diese Problematik hat sich aber durch die Einführung des § 49 a VwVfG durch Gesetz vom 2. 5. 1996/BGBl. I, 656 erledigt. Die Festsetzung der Rückzahlungspflicht durch Leistungsbescheid ist jetzt möglich81. Für die Gewährung durch Verwaltungsakt bleibt es beim abgeschwächten Gesetzesvorbehalt.
Problematisch ist weiterhin das Verhältnis der beiden St u- fen zueinander. Nach einer Auffassung wird der bewilligen- de Verwaltungsakt durch den Abschluss des zivilrechtlichen Vertrages vollzogen und entfaltet danach keine Rechtswir- kung mehr82. Ipsen ging dahingegen davon aus, dass der Verwaltungsakt weiter Bestand habe und dadurch unter Umständen auf die zweite Stufe einwirken könne83. Dass diese unterschiedlichen Ansichten nicht nur akademische Gedankenspiele sind, zeigt sich, wenn es zu Komplikatio- nen kommt, z. B. wenn der Bewilligungsbescheid wegen der erfolgreichen Anfechtungsklage eines Konkurrenten aufgehoben wi rd. Folgte man der ersten Meinung, so wür- de die Aufhebung des Verwaltungsakts den Darlehensver- trag nicht beeinflussen und dem Konkurrenten wäre nicht geholfen. Er wäre praktisch ohne Rechtsschutzmöglichkeit. Dies widerspräche natürlich dem Sinn der Zweistufenthe o- rie. Vertretbar erscheinen hingegen folgende Möglichkei- ten:
Man könnte hier davon ausgehen, dass der Bewilligungs - verwaltungsakt causa i. S. d. §§ 812ff. ist und durch sei- nen Wegfall eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung erforderlich wird84. Dies widerspräche jedoch der zivil- rechtlichen Dogmatik, die normalerweise den Vertrag als causa begreift85. Ein Rechtsgrund außerhalb des Vertrages ist dem Privatrecht unbekannt. Diese Lösung kann daher nicht befriedigen.
Angemessener scheint es, den Vertrag als Geschäfts- grundlage i. S. d. zivilrechtlichen Instituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage zu verstehen86. Im Zivilrecht führt der Wegfall der Geschäftsgrundlage aber regelmäßig nicht zum Wegfall des Vertrages, sondern nur zu seiner Anpassung an die realen Verhältnisse87. Auch hiermit wäre im vorlie- genden Fall nicht geholfen. Der Vertrag könnte dann nur gekündigt werden.
Maurer hingegen sieht den Bewilligungsbescheid als Wirk- samkeitsvoraussetzung für den Darlehensvertrag und geht davon aus, dass dieser mit der Aufhebung des Verwal- tungsakts unwirksam wird88. Dies führt aber zu einer aus- gesprochen engen Verknüpfung der beiden unterschiedli- chen Stufen.
Des weiteren ist fraglich, was passiert, wenn eine Behörde aufgrund eines verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsur- teils einen Verwaltungsakt auf Gewährung eines Darlehens erlassen muss, sie sich nach Erlass des Verwaltungsakts aber weigert, den Vertrag zu schließen. Die aus Rechts- schutzgesichtspunkten einzig sinnvolle Lösung wäre hier aufgrund des öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakts einen zivilrechtlichen Kontrahierungszwang anzunehmen. Diese Konstruktion erscheint jedoch dogmatisch äußerst frag- würdig89. Außerdem bleibt die Frage unbeantwortet, was passiert, wenn sich Behörde und Bürger über vertragliche Details nicht einigen können. Der Hinweis auf den Kontra- hierungszwang hilft hier nur weiter, wenn die Forderungen der Behörde entweder rechtswidrig oder so überzogen sind, dass sie als rechtsmissbräuchlich betrachtet werden müssen.
IV. Alternativen
Mit der vorstehenden Kritik wurde gleichzeitig der Ruf nach Alternativen zur Zweistufentheorie laut. Die wichtigsten Alternativmodelle sollen im folgenden vorgestellt werden.
1. Zweistufiges rein öffentlich-rechtliches Modell
Vereinzelt wurde ein rein öffentlich-rechtliches Modell, be- stehend aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag und ei- nem vorgeschalteten Verwaltungsakt, vorgeschlagen90, wobei es sich bei genauerer Betrachtung eher um eine Ab- wandlung denn um eine Alternative zur Zweistufenlehre handelt. Der öffentlich-rechtliche Vertrag sei zur Abwick- lung der Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat geeignet und der Verwaltungsakt zum Schutz des Konkur- renten erforderlich, weil dieser gegen den öffentlich- rechtlichen Vertrag schutzlos sei91.
Dieses Modell hat keinen großen Anklang gefunden. Zu- treffend wurde darauf hingewiesen, dass dieses Modell zwar die Rechtswegaufspaltung vermeide, einen Großteil der anderen Komplikationen aber beibehalte92. Weiter wurde dargelegt, dass es eines vorgeschalteten Verwal- tungsakts gar nicht bedürfe. Hier wurden die allgemeine Leistungsklage gem. § 40 I i. V. m. § 43 II VwGO93 auf Ab- schluss eines Subventionsvertrages oder eine Feststel- lungsklage gem. § 43 I VwGO, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertragsinhalts wegen Verletzung von Gründen, die den Kläger schützen sollen94, für statt- haft gehalten.
Aus diesen Gründen konnte sich das Modell nicht durchset- zen.
2. Privatrechtlicher Vertrag
Andere Stimmen in der Literatur bevorzugen einen rein privatrechtlichen Vertrag95, beim Subventionsdarlehen gem. § 607 BGB. Diese Möglichkeit besteht aber nur, wenn man der Verwaltung bei der Bewältigung der ihr zugeteil- ten Aufgaben ein Wahlrecht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen zugesteht. Wenn das Gesetz keine eindeutige Handlungsform vorschreibt, dann besteht nach h. M. ein solches Wahlrecht96. Dies ist aber nicht unumstritten, da eine starke Gegenmeinung das öffentliche Recht als zwingendes Sonderrecht ansieht und damit von der Wahlfreiheit Abschied nimmt, wenn ein Handeln in beiden Rechtsformen möglich und das Privat- recht nicht gesetzlich vorgeschrieben ist97. Der Staat solle nicht danach wählen können, welchen Bindungen er unter- liegt und welcher Rechtsweg gegen seine Entscheidungen zu beschreiten sei. Vereinzelt wird sogar angenommen, privatrechtliche Verträge der Verwaltung ohne ausdrückli- che gesetzliche Ermächtigung seien gem. § 134 BGB nich- tig wegen des Verstoßes gegen das Gebot, die dualistische Struktur der Rechtsordnung zu respektieren98.
Wenn man aber mit der h. M. ein Wahlrecht anerkennt, dann scheint der rein privatrechtliche Vertrag als Hand- lungsmittel die Erfolge der Zweistufentheorie rückgängig zu machen, denn deren wichtigstes Vorhaben war ja gera- de, die Subventionsbeziehungen an das grelle Licht des öffentlichen Rechts zu ziehen99. Dies ist aber nicht der Fall, da es der heute ganz h. M. entspricht, dass sich der Staat im Bereich des Verwaltungsprivatrechts, also bei der Erle- digung unmittelbar hoheitlicher Aufgaben, wie z. B. Sub- ventionierung, seiner öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht entledigen kann100. Diese strahlen durch die Generalklauseln des BGB (z. B. §§ 242, 826) in das Privatrecht ein. Die Befürchtungen vor einem Rückfall in die Zeit von „Eva im Abendkleid“ sind also unbegründet. Die Vertreter des Modells eines rein privatrechtlichen Ver- trages verkennen aber, dass der Staat eben keine zivi l- rechtlichen, sondern unmittelbar öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Seine Rechtsgrundlagen und Zielsetzungen entstammen dem öffentlichen Recht. Er kann deswegen nicht einem Privatmann gleichgestellt werden, der viel- leicht auf dem gleichen Gebiet, aber aus ganz anderen Mo- tiven agiert. Es ist daher nicht einzusehen, warum der Staat sich ohne Not der Formen des Privatrechts bedienen sollte, zumal der Hinweis, die Vorschriften des BGB seien detaillierter und ausgegorener, ins Leere geht, da diese Regelungen für den öffentlich-rechtlichen Vertrag gegebe- nenfalls gem. § 62 S. 2 VwVfG ergänzend herangezogen werden können.
Bei einer Subvention in Form einer Bürgschaftsübernahme sind die Beziehungen zwischen dem Staat als Bürgen und dem Gläubiger aber immer als privatrechtlich anzuse- hen101.
Es bleiben die generellen Bedenken gegen die Wahlfreiheit der Verwaltung und das Verwaltungsprivatrecht.
3. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
In der Literatur wird in erster Linie ein einstufiges öffent- lich-rechtliches Modell, das durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet wird als sinnvolle Alternative zur Zwei- stufentheorie gewählt102. Früher wurde die These vertre- ten, dass öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Staat und Bürger wegen der einseitig bindenden Kraft des Staatswil- lens grundsätzlich undenkbar seien103. Die Verbreitung die- ser These war immer umstritten104 und spätestens seit der Aufnahme des öffentlich-rechtlichen Vertrages in das VwVfG ist sie nicht mehr haltbar.
Der Subventionsvertrag soll direkt zwischen Verwaltung und Bürger geschlossen werden und alle Voraussetzungen und Bedingungen regeln. Gem. § 62 S. 2 VwVfG sind er- gänzend die Vorschriften des BGB heranzuziehen. Dies gilt auch für die richterrechtlich entwickelten Institute, wie zum Beispiel die p. V. V. und c. i. c.105. Der Konkurrent wä- re durch die negative Feststellungsklage106 gegen den Sub- ventionsvertrag des Mitbewerbers und die allgemeine Leistungsklage107 auf Abschluss eines Subventionsvertrages hinreichend geschützt. Auch kann der Staat sich durch die Wahl der Vertragsform nicht dem Geltungsbereich des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes entziehen108. Hier gilt aber nur der abgeschwächte Gesetzesvorbehalt der Leistungsverwaltung109.
Der öffentlich-rechtliche Vertrag bringt so in vielerlei Hin- sicht gute Voraussetzungen mit sich, die Zweistufenlehre abzulösen. Das grundlegende Wesensmerkmal bleibt je- doch, dass er ausgehandelt wird. Bei der Vergabe von Subventionen sind aber sowohl die Voraussetzungen für die Erteilung als auch der genaue Inhalt durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften meist schon soweit vorgegeben, dass für individuelle Verhandlungen kein Platz mehr bleibt110. Die Grenzen zum mitwirkungsbedürftigen Verwal- tungsakt sind damit nur noch schwer zu ziehen. Außerdem besteht, wenn § 56 II VwVfG nicht greift, die Gefahr, dass der Bürger sich aus wirtschaftlicher Not heraus Vertragsin- halten unterwirft, die beim Erlass eines Verwaltungsakts als Nebenbestimmung nicht möglich gewesen wären. Diese Bedenken schwächen die ansonsten hervorragende Position des Verwaltungsvertrages, wenn es um die Abl ö- sung der Zweistufentheorie geht.
4. Verwaltungsakt
Andere Stimmen in der Literatur sprechen sich für eine einstufige Subventionsgewährung durch Verwaltungsakt aus111. Diese Lösung hat, wie der öffentlich-rechtliche Ver- trag, den Vorteil, sämtliche Abgrenzungsproblematiken zu vermeiden. Die Pflichten des Subventionsnehmers können in den Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt als Be- dingungen festgehalten werden. Auch beim Verwaltungs- akt können die Vorschriften des BGB ergänzend herange- zogen werden112. Das zum abgeschwächten Gesetzesvor- behalt in der Leistungsverwaltung Gesagte gilt auch und gerade beim Verwaltungsakt. Da bei der Subventionsge- währung in der Praxis nur wenig wirklich ausgehandelt wird (s. o.) scheint der Verwaltungsakt auch dogmatisch besser zu passen. Der Bürger hat dann die freie Wahl, ob er die Subvention zu den bekannten Bedingungen annehmen will oder nicht. Als Rechtsschutzmöglichkeiten stehen ihm die Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gem. § 42 I VwGO zur Verfügung.
V. Stellungnahme
Der Zweistufenlehre kommt der bedeutende und unbe- streitbare Verdienst zu, dem Staat, auch wenn er in Ver- tragsform agierte, die Fesseln des öffentlichen Rechts an- gelegt zu haben, wodurch die rechtliche Stellung der be- troffenen Kreise erheblich verbessert wurde113. Hier muss jedoch festgehalten werden, dass sämtliche einstufigen Verhältnisse der Zweistufenlehre sowohl in dogmatischer Hinsicht, als auch im Hinblick auf die Praktikabilität überle- gen sind (siehe dazu oben). Aufgrund der generellen Be- denken, die gegen die Wahlfreiheit der Verwaltung bei der Entscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht bestehe n, nämlich, dass der Staat dadurch Haftung und Rechtsweg bestimmen kann, sollte auf den privatrechtli- chen Teil vollständig verzichtet werden. Die Vorschriften des BGB können sowohl beim öffentlich-rechtlichen Ver- trag, als auch beim Verwaltungsakt ergänzend herangezo- gen werden. Für ein zivilrechtliches Handeln des Staates in diesen Bereichen besteht zumindest regelmäßig kein Be- dürfnis. Damit verengt sich die Wahl auf die Alternativen des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertra- ges. Hier bestehen gegen eine Wahlfreiheit der Verwaltung grundsätzlich keine Bedenken, wobei im Einzelfall ent- schieden werden muss, welche Handlungsform passender ist. Unklarheiten bei der Wahl der Handlungsform gehen dabei zu Lasten der Verwaltung114.
Auch wenn die Rechtsprechung die fällige Abkehr von der Zweistufenlehre im Gegensatz zur Literatur noch nicht vollzogen hat115, so besteht jedoch kein Bedarf mehr an ihr. In einigen Entscheidungen „jüngeren“ Datums will auch die Rechtsprechung nicht mehr generell vom Vorlie- gen einer Zweistufigkeit ausgehen, sondern nur noch, wenn sich aus dem Sachverhalt oder dem Gesetz Hinweise für zwei unterschiedliche Rechtsakte ergeben116. Damit ist die vollständige Aufgabe der Zweistufenlehre wohl nur noch eine Frage der Zeit.
[...]
1 Maunz/Dürig-Herzog, Art. 20, Rn. 33; BVerfGE 40, 237, 248.
2 Maurer, § 6, Rn. 8.
3 Martens, AöR 64, 429, 435.
4 Martens, AöR 64, 429, 445; Maurer, § 14, Rn. 11.
5 Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, § 110, Rn. 2.
6 dafür: BVerwG, DVBl. 73, 800f.; BGH, DÖV 66, 759; dagegen: Menger/Erichsen, VerwArch 67, 171, 174.
7 Knack/Henneke, § 56, Rn. 1. 1.
8 Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, § 54, Rn. 116; Obermayer/Tiedemann, § 54, Rn. 26.
9 siehe dazu Knack/Henneke, § 54, Rn. 5ff.
10 Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, § 61, Rn. 3 und 6; Knack/Henneke, § 61, Rn. 8aE; A. A. ohne nähere Begründung Maurer, § 10, Rn. 6 und § 14, Rn. 55.
11 Obermayer/Tiedemann, § 54, Rn. 62.
12 Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, § 54, Rn. 62; Kopp/Ramsauer, § 54, Rn. 9.
13 Knack/Henneke, § 54, Rn. 7. 1.
14 Birk, NJW 77, 1797, 1800.
15 Birk, NJW 77, 1797, 1800.
16 so insb. BVerwG, NJW 77, 1979; DVBl. 80, 686; NVwZ 83, 92; BGHZ 76, 16, 22.
17 HessVGH, NVwZ 85, 839.
18 OLG München, BayVBl. 80, 504.
19 Löhr, in: Battis/Krautzberger/ders., § 6 BauGB-MaßnG, Rn. 11
20 Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, § 2, Rn. 10.
21 vgl. Maurer, 10. Auflage, § 14, Rn. 35.
22 so Maurer, 10. Auflage, § 14, Rn. 35.
23 Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, § 2 Rn. 10.
24 so Battis, in: ders./Krautzberger/Löhr, § 2 Rn. 10.
25 Maurer, § 10, Rn. 5.
26 so z. B. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., § 35, Rn. 22ff.
27 Kopp/Ramsauer, § 35, Rn. 11; BVerwGE 97, 117, 120.
28 BVerwG, NJW 76, 1516; BVerwGE 50, 171; E 89, 345, 348ff.; Braun, BayVBl. 83, 225, 230; OVG Münster, DVBl. 77, 903; Knack/Henneke, § 54, Rn. 11; Maurer, § 10, Rn. 6.
29 OVG Münster, NJW 95, 3003f.
30 dagegen Maurer, § 10, Rn. 6.
31 vgl. dazu BVerwGE 89, 345, 348ff.
32 vgl. Flessa, NJW 54, 538ff; BGH NJW 51, 109.
33 Mayer, Deutsches VerwR II, S. 26.
34 Ipsen, Festschrift für Wacke, S. 139-157.
35 Ipsen, DVBl . 56, 461, 498, 602.
36 Ipsen, Öffentliche Subventionierung Privater.
37 mit Urteil vom 12. 1. 1955; vgl. BVerwGE 1, 308, 310.
38 BVerwGE 7, 180, 182; E 13, 47; E 35, 170.
39 so z. B. Krüger, BB 53, 565, 567; Menger, DÖV 55, 587, 591; Hamann, BB 53, 865f.
40 Menger DÖV 55, 587, 591; Krüger DVBl. 55, 380, 385.
41 Sartorius Nr. 355.
42 kritisch dazu Zuleeg, FS-Fröhler, S. 275, 283, der die Vorschrift nur für eine Rechtswegregelung hält.
43 Ipsen, Wacke-FS, 139, 141.
44 Ipsen, Wacke-FS, 139, 157.
45 vgl. dazu Maurer, § 17, Rn.6.
46 Ipsen, DVBl. 56, 461, 504.
47 BGHZ 57, 130, 133, 135; BGH, NVwZ 85, 517; Zuleeg, FS-Fröhler, S. 275, 279; BVerwG NJW 77, 1838.
48 Zuleeg, Rechtsform, S. 53.
49 Maurer, § 17, Rn. 30aE.
50 vgl. Fn. 38 und 39; ferner BGHZ 40, 206, 210; 52, 155, 160; OVG Berlin JR 55, 75; OVG Saarbrücken DVBl. 72, 616.
18 Steiner/Seewald, Kap. I, Rn. 142ff.; Schmidt-Aßmann, Kap. I, Rn. 112; HessVGH DÖV 94, 438f.
52 Wolff/Bachhof/Stober, § 22, Rn. 67; OVG Lüneburg, NJW 83, 1218; BVerwGE 34, 213ff.; E 7, 89, 90; A. A. aber E 14, 65f.
53 Eyermann/Rennert, § 40, Rn. 53.
54 HessVGH NJW 96, 474f.
55 so z. B. Bethge, JR, 72, 139ff.; Friehe, DÖV 80, 673; Jarass, JuS 80, 115, 118; Maurer, § 17, Rn. 14ff.; Ehlers, VerwArch 83, 112, 119; Bosse, S. 103.
56 so Imboden, S. 67.
57 so Götz, S. 56.
58 Ehlers, VerwArch 83, 112, 117.
59 vgl. Erichsen/Ehlers, § 2 Rn. 39.
60 Beispiel bei Maurer, § 17, Rn. 14.
61 vgl. nur Brox, AT, Rn. 169.
62 Bosse, S. 99, Anm. 32.; Zuleeg, Rechtsform, S. 52
63 E 7, 89, 90f.
64 E 14, 65, 70.
65 Erichsen/Ehlers, § 2, Rn. 39.
66 Schmidt-Aßmann, Kap. I, Rn. 112aE.
67 so Bethge, JR 72, 139, 142; kritisch zur Rechtswegspaltung auch Götz, S. 62 und Rüfner, S. 375.
68 Bosse, S. 98; Braun, BayVBl. 83, 215, 231.
69 Zuleeg, VerwArch 82, 384, 402; Menger, VerwArch 78, 93, 101; Friehe, DÖV 80, 673.
70 BVerwG DVBl. 59, 665; BGHZ 40, 206, 210ff.
71 BVerwGE 13, 47ff.
72 BVerwGE 13, 307, 310; E 35, 170f.
73 BGHZ 40, 206, 211; BVerwGE 41, 127, 129; OVG Münster, OVGE 14, 274, 275.
74 BSG NJW 60, 402, 405.
75 seit BVerwGE 6, 282, 287ff. st. Rspr.; vgl. auch BVerw- GE 90, 112, 126; Bull, Rn. 335ff.; Erichsen/Ossenbühl, § 9, Rn. 15ff.; A. A. Maurer, § 6, Rn. 14 mit starken Ar- gumenten.
76 BVerfGE 40, 237, 249; BVerwGE 90, 112, 126.
77 BVerwGE 18, 283, 285; 18, 308, 314; 40, 85, 89.
78 vgl. Menger, VerwArch, 78, 93ff.; Maunz, BayVBl. 62, 1, 3.
79 Renck, JuS 71, 77, 79.
80 vgl. BayVGH GewArchiv 76, 291ff.
81 Kopp/Ramsauer, § 49a, Rn. 1f.; Baumeister, NVwZ 97, 19ff.
82 BGHZ 40, 206, 211; später aber entschärft in: BGHZ 52, 155, 162f.
83 in DVBl. 56, 461, 610; ebenso BVerwGE 35, 170.
84 Ipsen, DVBl. 56, 461, 609.
85 Medicus, Rn. 639ff.; dagegen auch Imboden, S. 161.
86 Zuleeg, Rechtsform, S. 69.
87 Brox, Rn. 428f.
88 Maurer, § 17, Rn. 19aE; ebenso Eyermann/Rennert, § 40, Rn. 50.
89 so aber BGHZ 40, 206, 210.
90 Bleckmann, S. 87; Maunz, BayVBl. 62, 1, 3; im Ergebnis ebenso v. Zezschwitz, NJW 83, 1873.
91 so insbesondere Bleckmann, S. 86f.
92 Zuleeg, FS-Fröhler, S. 275, 284f.
93 so Zuleeg, FS-Fröhler, S. 275, 285.
94 Friehe, DÖV 80, 673, 677; weitergehend OVG Münster NVwZ 84, 522.
95 Götz, insb. S. 59.
96 Maurer, § 3, Rn. 9; BVerfGE 13, 47, 54; Eyer- mann/Rennert, § 40, Rn. 45; BGH NJW 85, 197, 200; BGHZ 115, 311, 313; Jarass, JuS 80, 115, 117.
97 so Bosse, S. 26; Pestalozza, DÖV 74, 188, 193; Bull, Rn. 325f.; v. Zezschwitz, NJW 83, 1873, 1875f.
98 Ehlers, VerwArch 83, 112, Fn.23.
99 vgl. Ipsen, DVBl. 56, 461, 465ff.
100 grundlegend Siebert, FS-Niedermeyer, S. 215, 222; BGHZ 65, 284, 287; 91, 84, 96f.; Erichsen/Ehlers, § 2, Rn. 77; Rüfner, S. 408ff. BVerwGE 35, 103f.; Maunz/Dürig, Art. 1 III, Rn. 111; Maurer, § 3, Rn. 9; Braun, BayVBl. 83, 225, 231.
101 Zuleeg, Rechtsform, S. 53; ders., FS-Fröhler, S. 275, 295; Flessa, NJW 54, 538.
102 Menger, VerwArch 78, 93, 101; Friehe, DÖV 80, 673; Jarass, JuS 80, 115, 118; Rüfner, S. 330ff.; Ehlers, VerwArch, 83, 112, 123ff.
103 Mayer, AöR 1888, 3, 21ff.
104 vgl. Knack/Henneke, vor § 54, Rn. 6. 1.; Maurer, § 14, Rn. 21ff.
105 Kopp/Ramsauer, § 62, Rn. 8.
106 OVG Münster, NVwZ 84, 522; dazu Knuth, JuS 86, 523.
107 OVG Berlin, DÖV 67, 717f.; DÖV 69, 389ff.
108 Zuleeg, DÖV 84, 733, 734; Knack/Henneke, vor § 54, Rn. 7. 2.
109 Knack/Henneke, § 54, Rn. 6. 2.
110 Maurer, § 17, Rn. 26.
111 Zuleeg, FS-Fröhler, S. 275, 295; Maurer § 17, Rn. 26; Stern, JZ 60, 518, 557, 562.
112 Maurer, § 3, Rn. 28ff.
113 so auch Braun, BayVBl. 83, 225, 231.
114 HessVGH, NVwZ 90, 879.
115 vgl. Knack/Henneke, § 54, Rn. 6.2.
116 OVG Münster, NVwZ 84, 522; OLG Frankfurt, DVBl. 80, 381f.
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- Christoph Schnabel (Autor:in), 2000, Die Kombination verschiedener Handlungsformen im allgemeinen Verwaltungsrecht (insb. Zweistufentheorie), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102359