Die Strafbarkeit von Insolvenzdelikten im Übergang von Konkurs- und Vergleichsordnung zur Insolvenzordnung 1999


Ausarbeitung, 2000

34 Seiten, Note: VB


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

A. Geschichte der Insolvenzordnung

B. Der Einfluss der Insolvenzrechtsreform auf das Strafrecht

C. Bankrott gem. § 283 StGB
I. Die Problematik der zeitlichen Möglichkeit der Begehung
1. redaktionelle Änderung oder Tatbestandsdifferenz
a) Das Tatbestandsmerkmal „Insolvenzmasse“
(1) Konkursmasse
(2) Insolvenzmasse
(3) Ergebnis
b) Die „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ gem. § 283 IV StGB
(1) Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens
(a) Vergleichsfähigkeit
(b) Vergleichsgründe
(i) Zahlungsunfähigkeit
(ii) Überschuldung
(2) Die Eröffnung des Konkursverfahrens
(3) Eröffnung des Insolvenzverfahrens
(a) Zahlungsunfähigkeit
(b) drohende Zahlungsunfähigkeit
(c) Überschuldung
(4) Ergebnis
c) Ergebnis
2. § 2 III StGB
3. milderes Gesetz i.S.d. § 2 III StGB
4. Zwischenergebnis
5. Ausnahmen
a) § 283 StGB als Blankettstrafgesetz
b) § 283 StGB a.F. als Zeitgesetz i.S.d. § IV StGB
c) Grundsatz der Unrechtstypenidentität
(1) Unrechtstypenidentität?
(2) Ergebnis
6. Ergebnis
II. Ergebnis

D. Begünstigungsdelikte gem. §§ 283 c, d StGB

E. Insolvenzverschleppung gem. § 84 I Nr. 2 GmbHG
I. Die Problematik der zeitlichen Begehung
1. Redaktionelle Änderung oder Tatbestandsdifferenz
2. § 2 III StGB
3. Ausnahmen
a) Blankettstrafgesetz
b) Zeitgesetz
c) Grundsatz der Unrechtstypenidentität
4. Ergebnis
II. Ergebnis

F. Arbeitsergebnis

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Die vorgelegte Arbeit beschäftigt sich mit der Strafbarkeit von Insolvenzdelikten, die vor dem 1.1.1999 begangen wurden. Durch die Reform des Insolvenzrechts und der damit verbundenen Änderung des Insolvenzstrafrechts, können sich Fälle ergeben, in denen ein Zusammenwirken der insolvenzstrafrechtlichen Normen mit der Meistbegünstigungsklausel des § 2 III StGB auftritt.

Hierbei könnte sich in gewissen Fällen eine grundsätzliche Straflosigkeit von Insolvenzdelikten ergeben.

Die Bemühungen um eine Reformierung des Insolvenzrechts wurden von Schlagworten wie dem „Konkurs des Konkurses“1 begleitet. Dass aber die Reform des Insolvenzrechts den Konkurs des Konkursstrafrechts bedeuten würde, blieb scheinbar verborgen.

Trotz der engen Verknüpfung des Insolvenzstrafrechts mit dem Insolvenzrecht waren nach der Meinung des Gesetz- gebers bis auf die redaktionellen Anpassungen der Begrif- fe, „weitere Änderungen des Strafrechts nicht nötig.“2 Obwohl gerade durch die juristischen Probleme der Wie- dervereinigung der § 2 III StGB in neuer Aktualität erblüh- te, und sogar durch die Weitergeltung der Gesamtvollstre- ckungsordnung und den damit auftretenden Problemen mit dem Insolvenzrecht in Verbindung trat, wurden die in dieser Konstellation implizierten Probleme verkannt.

Es handelt sich zwar um ein zeitlich begrenztes Phäno- men, die praktische Bedeutung dieser Problematik ist e- doch nicht zu unterschätzen. Hierbei ist zu beachten, dass § 2 III StGB auf den Zeitpunkt der Entscheidung abstellt. Das bedeutet, dass auch eine Gesetzesänderung nach einem tatrichterlichen Urteil, aber vor der Revisionsent- scheidung vom Rückwirkungsgebot des § 2 III StGB um- fasst sind.3

Bedenkt man nun den Zeitraum, der bis zu einer höchst- richterlichen Revisionsentscheidung vergehen kann, so ist eine Aktualität dieses Problems auf mehrere Jahre hinaus offensichtlich.

A. Geschichte der Insolvenzordnung

Am 1.1.1999 trat nach einundzwanzigjähriger Vorberei- tungszeit die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft und löste die seit 1877 geltende Konkursordnung (KO), sowie die seit 1935 geltende Vergleichsordnung (VglO) und die in den neuen Bundesländern weitergeltende Gesamtvollstre- ckungsordnung (GesO) ab.

Die Notwendigkeit einer Reform des Insolvenzrechts trat während der Ölkrise 1973 zutage, da sich das alte Kon- kursrecht als nicht mehr zeitgemäß und aufgrund der ver- änderten Situation im Wirtschaftsleben als nicht mehr funktional erwies.4

Um diesen Defiziten zu begegnen wurde 1978 vom Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel eine Kommission für Insolvenzrecht eingesetzt

Den 1985 und 1986 von dieser Kommission vorgelegten Berichten folgte 1988 und 1989 ein vom Bundesjustizmi- nisterium vorgelegter Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reformierung des Insolvenzrechts, dem sich 1989 ein Referentenentwurf und 1992 ein Regierungsentwurf an- schloss.

Am 21.4.1994 wurde dieser Regierungsentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses des Bundestages5 vom Bundestag verabschiedet.6

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wurde nach Anrufung des Vermittlungsausschusses vom 1.1.1997 auf den 1.1.1999 verschoben. Der Grund für diese Verzögerung lag in der erheblichen personellen Mehrbelastung der Insolvenzge- richte, da nach vorsichtigen Schätzungen bundesweit ca. 1.300 Rechtspfleger, sowie 400 Insolvenzrichter zusätzlich benötigt wurden, um die Umsetzung der Insolvenzordnung zu gewährleisten.7

B. Der Einfluss der Insolvenzrechtsreform auf das Strafrecht

Durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (E- GInsO) wurden auch zahlreiche Normen außerhalb des eigentlichen Insolvenzrechts geändert. So wurde der 24. Abschnitt des Strafgesetzbuches von „Konkursstraftaten“ in „Insolvenzstraftaten“ umbenannt.

Die Insolvenzstraftaten bestehen aus dem Bankrott gem. §§ 283, 283a StGB, den Begünstigungstatbeständen gem. §§ 283c, 283d StGB. Ebenfalls zu dieser Deliktsgruppe gehört die in nebenstrafrechtlichen Normen geregelte In- solvenzverschleppung gem. § 84 I Nr. 2 GmbHG, § 130b I HGB, § 401 I Nr. 2 AktG und § 148 I Nr. 2 GenG.8

Durch das EGInsO wurde in diesen Normen die Begriffe Konkursmasse bzw. Eröffnung des Konkursverfahrens durch die Begriffe Insolvenzmasse bzw. Eröffnung des n- solvenzverfahrens ersetzt.9

Zu untersuchen ist, ob das EGInsO das Strafgesetzbuch über seinen Wortlaut hinaus geändert hat.

C. Bankrott gem. § 283 StGB

I. Die Problematik der zeitlichen Möglichkeit der Begehung

Problematisch ist nach der Änderung des § 283 StGB die rein zeitliche Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung. Da zur Tatzeit die Verringerung der Konkursmasse unter Strafe gestellt ist, zum Entscheidungszeitpunkt aber die Verringerung der Insolvenzmasse, ergibt sich folgendes Problem:

Zum Zeitpunkt der Tatbegehung existierte noch keine n- solvenzmasse, da die neue Insolvenzordnung noch nicht inkraftgetreten war.

Das heißt, dass ein potentieller Täter zwar Sachen, die zur Konkursmasse gehören verheimlichen, beiseiteschaffen etc. konnte, jedoch war es ihm nicht möglich, mit Sachen die zur Insolvenzmasse gehören dasselbe zu tun.

1. redaktionelle Änderung oder Tatbestandsdifferenz

Fraglich ist zunächst, ob die Änderung von „Konkursmas- se“ in „Insolvenzmasse“ und „Eröffnung des Konkursver- fahrens“ in „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ lediglich redaktionell geändert wurden, oder ob es sich hier um ma- teriellrechtliche Änderungen des Strafgesetzes handelt.

Sollte es sich nur um redaktionelle Änderungen handeln, so wären diese für die strafrechtliche Beurteilung i.R.d. § 2 III StGB irrelevant, da sich bis auf das Vokabular des Ge- setzes nichts geändert hätte.10

a) Das Tatbestandsmerkmal „Insolvenzmasse“

Seit dem 1.1.1999 bedroht der § 283 StGB die Verringerung der Insolvenzmasse mit Strafe, also derjenigen Vermögensmasse, aus der im Falle der Insolvenzeröffnung die Gläubiger befriedigt werden sollen.

§ 283 StGB a.F. hingegen pönalisierte die Verringerung der Konkursmasse.

Es ist also zunächst fraglich, ob es sich bei der Änderung durch das EGInsO um eine bloße redaktionelle Änderung des § 283 StGB handelt, oder ob diese Änderung materiellrechtliche Änderungen zur Folge hat.

(1) Konkursmasse

Die Konkursmasse umfasst gemäß der Legaldefinition des § 1 I KO das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unter- liegende Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung gehört.

Das heißt, dass sämtliches Vermögen des Schuldners bis auf die in § 811 I Nr. 1-3, 6-8, 11-14 ZPO aufgeführten Positionen der Konkursmasse angehören. § 811 Nr. 4, 9 ZPO gelten gem. § 1 II KO nicht.

(2) Insolvenzmasse

Zur Insolvenzmasse gem. § 35 InsO gehört das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung gehört, sowie das Vermögen, das er während des Verfah- rens erlangt.

Gem. § 36 InsO gehören jedoch die gem. § 811 ZPO nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Sachen nicht zur Insolvenzmasse. Die Nr. 4, 9 gelten nicht.

(3) Ergebnis

Im Gegensatz zur Konkursmasse umfasst die Insolvenz- masse also auch Vermögenswerte, die der Schuldner nach der Eröffnung des Verfahrens erlangt. Durch die Veränderung der Definition der Insolvenzmasse in § 35 InsO und die Anknüpfung des § 283 StGB an diese Defini- tion ist also auch die Menge der Tatobjekte des § 283 StGB n.F. erweitert.

Taugliche Tatobjekte des § 283 StGB n.F. sind nun auch diejenigen Vermögenswerte, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Eigentum des Schuldners gelangen.

Somit wurde der Tatbestand des § 283 StGB n.F. im Vergleich zu § 283 StGB a.F. ausgeweitet.

b) Die „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ gem. § 283 IV StGB

§ 283 IV StGB n.F. stellt die Strafbarkeit der gesamten Norm unter die objektive Bedingung der Strafbarkeit, das über das Vermögen des Täters das Insolvenzverfahren eröffnet ist, bzw. der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wurde. In der alten Fassung wird auf die Eröffnung des Konkursverfahrens abgestellt.

Auch hier stellt sich die Frage, ob es sich um eine bloße redaktionelle Änderung oder um eine materiellrechtliche Änderung handelt. Zu untersuchen ist also, ob die Eröff- nungen des Insolvenzverfahrens Änderungen erfahren haben, die die strafrechtliche Behandlung beeinflussen.

(1) Die Eröffnung des Vergleichsverfahrens

Das Vergleichsverfahren zielt auf eine Abwendung des Konkurses durch ein geordnetes Verfahren ab.11 Dieses sucht das Vergleichsverfahren durch einen gerichtlich bes- tätigten Vertrag zwischen dem Vergleichsschuldner und allen Vergleichsgläubigern zu erreichen. Dieser Vertrag enthält die vergleichsweise Stundung von Forderungen oder den vergleichsweisen Teilerlass.12

Der Vergleich ist nur möglich, wenn kein Konkursverfahren anhängig ist.13

Ein Vergleichsverfahren kann nur auf Antrag des Schuldners eröffnet werden, wenn ein Vergleichsgrund und Vergleichsfähigkeit vorliegt.14

(a) Vergleichsf ä higkeit

Die Vergleichsfähigkeit entspricht grundsätzlich der Rechtsfähigkeit im Zivilrecht und der Parteifähigkeit im Strafprozessrecht und im Recht der Zwangsvollstreckung.15 Es ist also die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.16

(b) Vergleichsgr ü nde

Als Vergleichsgründe kommen die Zahlungsunfähigkeit und bei juristischen Personen zusätzlich die Überschuldung in Frage.

(i) Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit ist das aus dem Mangel an Zah- lungsmitteln hervorgehende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Geldschulden ganz oder teilweise zu erfüllen.17

(ii) Überschuldung

Überschuldung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten nicht mehr deckt18 ; wenn also das auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Vermögen kleiner ist, als die auf der Passivseite ausgewiesenen Schulden.

Wenn diese beiden Vorraussetzungen erfüllt sind, soll das Vergleichsverfahren auf Antrag des Schuldners, der innerhalb von drei Wochen nach Eintreten des Vergleichsgrundes zu stellen ist, eröffnet werden.

(2) Die Eröffnung des Konkursverfahrens

Ziel des Konkursverfahrens ist eine Befriedigung der For- derungen der Gläubiger durch die Liquidation des gesamten Schuldnervermögens.19 Im Gegensatz zum Vergleich geht es also beim Konkurs nicht um eine Sanierung des Unternehmens, sondern um die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens.20

Die Eröffnung des Konkursverfahren erfolgt gem. § 103 KO auf Antrag des Schuldner selbst, sowie auf Antrag eines Gläubigers. Des Weiteren muss ein Konkursgrund, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sowie Konkursfähigkeit vorliegen. Konkursfähigkeit und Konkursgründe entsprechen der Vergleichsfähigkeit bzw. den Vergleichsgründen beim Vergleichsverfahren.21

(3) Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Das neue Insolvenzverfahren ersetzt die bisher geltende Alternative von Konkurs- oder Vergleichsverfahren durch ein einheitliches Insolvenzverfahren. Die Entscheidung, ob saniert oder liquidiert wird, wird im Eröffnungsverfahren entschieden.22

Antragsberechtigt im Insolvenzverfahren sind gem. § 13 InsO die Gläubiger und der Schuldner.

Auch beim Insolvenzverfahren bedarf es des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes.23 Solche sind die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit, sowie bei u- ristischen Personen die Überschuldung.

(a) Zahlungsunf ä higkeit

Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 17 InsO dann vor, wenn der Schuldner „nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungs- pflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen ein- gestellt hat.“

(b) drohende Zahlungsunf ä higkeit

Gem. § 18 I 2 InsO liegt drohende Zahlungsunfähigkeit dann vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

(c) Ü berschuldung

Ein Schuldner ist gem. § 19 II InsO überschuldet, wenn sein Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.

(4) Ergebnis

Beim Vergleich der neuen und der alten Rechtslage ist zunächst zu bedenken, dass das neue Insolvenzrecht entweder, wie bisher das Konkursverfahren, auf eine ge- richtlich kontrollierte Liquidation des Schuldnervermögens gerichtet ist, oder andererseits, wie bisher das Vergleichs- verfahren, eine Sanierung des Schuldners anstrebt.24

Das Insolvenzverfahren vereint also beide Verfahrensar- ten des alten Konkurs- bzw. Vergleichsrechts. Dem An- tragsteller im Verfahren ist also die Möglichkeit genom- men, vor der Antragstellung zu entscheiden, ob ein Ver- gleichs-, oder ein Konkursverfahren eröffnet werden soll.25 § 283 VI StGB a.F. verlangte jedoch zwingend die Eröff- nung des Konkursverfahrens. Die Eröffnung des Ver- gleichsverfahrens sollte nicht ausreichen.26

Im Gegensatz dazu lässt § 283 VI StGB n.F. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreichen, unabhängig davon, ob im Laufe des Eröffnungsverfahrens ein Sanierungsversuch unternommen wird, also eine Parallele zum alten Vergleichsverfahren verfolgt wird.

Eine Bankrotthandlung, also ein Beseiteschaffen, Ver- heimlichen, Zerstören, Beschädigen oder Unbrauchbar- machen, die während eines Sanierungsversuches unter- nommen wird, wäre also nach § 283 StGB a.F. nicht straf- bar gewesen. § 283 VI StGB n.F. hingegen stellt jede Bankrotthandlung ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Strafe, also auch solche, die während eines Sanie- rungsversuches begangen werden. Somit ist der Beginn der Strafbarkeit vorverlegt.

Weiterhin wurde durch die Insolvenzordnung ein neuer Eröffnungsgrund, die drohende Zahlungsunfähigkeit, ein- geführt. Damit ist auch ein drohendes, also ein ungewis- ses zukünftiges Ereignis als Eröffnungsgrund für das In- solvenzverfahren, und damit für die Erfüllung der objekti- ven Bedingung der Strafbarkeit ausreichend.27 Auch die- ses bedeutet eine zeitliche Vorverlegung des Beginns der Strafbarkeit.

Durch die Änderung des § 283 VI StGB unterliegt also ei- ne größere Menge von Handlungen der objektiven Straf- barkeitsbedingung, und somit eine größere Zahl von Handlungen strafbar ist, entsteht hier durch die Änderung durch das EGInsO eine Erweiterung des Tatbestandes

c) Ergebnis

Der Tatbestand hat sich sowohl in Hinsicht auf den Begriff der „Insolvenzmasse“, als auch auf den Begriff der „Eröff- nung des Insolvenzverfahrens nicht lediglich redaktionell geändert. Es liegt also eine materiellrechtliche Änderung vor.

Somit ist fraglich, welche Rechtsfolgen sich aus dieser Konstellation ergeben.

2. § 2 III StGB

Grundsätzlich ist nach 2 I StGB die Strafbarkeit anhand des zur Tatzeit geltenden Rechts zu bestimmen.

Eine Ausnahme zu diesem, dem in Art. 103 II GG verfas- sungsrechtlich normierten Grundsatz „nulla poena sine e- ge“ folgenden, Rückwirkungsverbot des § 2 I StGB, bildet der § 2 III StGB.28

Gem. § 2 III StGB ist bei einer Gesetzesänderung zwischen der Tatzeit und der Entscheidung das mildeste Gesetz anzuwenden.

Die rechtstheoretische Grundlage des § 2 III StGB liegt im fragmentarischen Charakter des Strafrechts.29 So will und kann das Strafrecht keinen allumfassenden Rechtsschutz garantieren, da die gesellschaftlichen Wertvorstellungen, deren Ausfluss das Strafrecht ist, einem ständigen Wandel unterworfen sind.30 Dieser Wertewandel schlägt sich im Strafrecht dergestalt nieder, das Strafbarkeiten, der ver- änderten allgemeinen Wertvorstellung folgend aufgehoben bzw. verschärft werden.

Das Rückwirkungsgebot des § 2 III StGB trägt nun diesem pantha rei der strafbegründenden Wertvorstellungen der- gestalt Rechnung, dass nicht nach einem juristischen A- nachronismus, sondern gemäß den vorherrschenden, normierten Werten bestraft wird. Die zeitliche Geltung stellt somit einen Indikator des strafrechtlichen Zeitgeistes dar.31

Es soll durch dieses Rückwirkungs gebot gewährleistet werden, dass Straftätern die veränderte Wertvorstellung und die dadurch veränderte Rechtslage zugute kommt.32 Es ist mit dem materiellen Gerechtigkeitsgedanken nicht vereinbar, wenn eine Handlung bestraft wird, die nach all- gemeiner, bereits gesetzlich fixierter Ansicht nicht mehr strafwürdig erscheint.

Eine rückwirkende Strafschärfung hingegen ist ein eklatanter Verstoß gegen Art. 103 II GG und § 2 I StGB.

Somit ist also bei einer veränderten Strafbarkeit das mildere Gesetz anzuwenden.

3. milderes Gesetz i.S.d. § 2 III StGB

Ob und wieweit ein Gesetz milder ist, ist unter Berücksich- tigung des gesamten Rechtszustandes zu bestimmen, der das Ob und Wie der Strafbarkeit regelt.33 Der abstrakte Vergleich von Strafdrohung und Tatbeständen reicht nicht aus. Es ist vielmehr eine konkrete Betrachtungsweise nö- tig, die auf die mildeste mögliche Behandlung des Täters abstellt.34

4.Zwischenergebnis

Zwar ist zu bedenken, dass der Tatbestand des § 283 StGB n.F. im Gegensatz zu § 283 StGB a.F. ausgeweitet wurde, also eigentlich eine Strafschärfung vorliegt, aber bei Gesamtbetrachtung des Rechtszustandes ergibt sich ein hiervon abweichendes Ergebnis.

Da es, wie oben erläutert, zum Zeitpunkt der Tat nicht möglich war, den Tatbestand des § 283 StGB n.F. zu erfüllen, ist dieses Verhalten nach neuem Recht wegen Nichterfüllung des objektiven Tatbestands nicht strafbar. Nach altem Recht hingegen wäre die Tat strafbar.

Straflosigkeit ist nun aber die mildeste vorstellbare Be- handlung, die dem Täter widerfahren könnte. Gem. § 2 III StGB wäre also § 283 StGB n.F. anzuwenden.

5. Ausnahmen

Es gibt jedoch verschiedene Anwendungsbeschränkungen des § 2 III StGB.

So ist die Anwendbarkeit des § 2 III StGB auf Blankett- strafgesetze umstritten, auf Zeitgesetze findet § 2 III StGB aufgrund von § 2 IV StGB keine Anwendung. Ebenso muß für eine Anwendbarkeit der Grundsatz der Unrechtstypenidentität gewahrt sein.

a) § 283 StGB als Blankettstrafgesetz

Obwohl die Anwendbarkeit des § 2 III StGB auf Blankett- strafgesetze nicht einheitlich behandelt wird, ist die Stellung des § 283 StGB als Blankettstrafgesetz hier nicht problematisch.

Für Blankettstrafgesetze ist es charakteristisch, dass durch die Strafnorm lediglich eine Strafdrohung aufgestellt wird, und diese an einen Tatbestand angeknüpft wird, der durch eine andere Norm näher bestimmt wird.35

Dies ist beim § 283 StGB der Fall. Es handelt es sich bei dieser Norm also um ein Blankettgesetz.

Probleme der Anwendbarkeit des § 2 III StGB entstehen allerdings nur bei Fallkonstellationen, in denen lediglich die Änderung der blankettausfüllenden Norm eine Änderung der Strafbarkeit hervorruft.36

Im Fall des § 283 StGB wurde allerdings nicht nur die blankettausfüllende Norm geändert, sondern auch der Tatbestand des Strafgesetzes selbst. Damit wurde also auch die Blankettstrafnorm direkt an die blankettausfüllen- de Norm angepasst. Damit begründet also die Änderung der blankettverweisenden Norm die Strafmilderung und nicht lediglich die Änderung der Blankettausfüllung.

b) § 283 StGB a.F. als Zeitgesetz i.S.d. § IV StGB

Eine weitere Ausnahme von der Meistbegünstigungsklausel ist § 2 IV StGB. Es handelt sich hier um die Anwendbarkeit sogenannter „Zeitgesetze“. Um ein solches könnte es sich beim § 283 StGB a.F. handeln.

Es wird bei Zeitgesetzen unterschieden zwischen solchen im engeren und solchen im weiteren Sinne Ein Zeitgesetz i.e.S. ist ein Gesetz, dessen Ausserkrafttre- ten entweder schon bei seiner Verkündung oder später an einen nach dem Kalender bestimmten Zeitpunkt oder an ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis geknüpft wird.37

Ein Zeitgesetz i.w.S. ist ein Gesetz, dessen Geltungsdauer nach seinem Inhalte und Zweck erkennbar nur für besondere Zeitverhältnisse bestimmt ist.38

Der Zeitpunkt des Ausserkrafttretens des § 283 StGB a.F. wurde durch das EGInsO am 5.10.1994 auf den 1.1.1999 festgesetzt. Der Zeitpunkt des Ausserkraftretens war im Voraus bestimmt. Es handelt es sich also auf den ersten Blick um ein Zeitgesetz i.e.S.

Dem steht allerdings die Konzeption der Zeitgesetze ent- gegen. Zeitgesetze im weiteren Sinne, die nicht die restrik- tive Bedingung der kalenderbestimmten Geltungsdauer fordern, lassen eine allgemeine Erkennbarkeit der be- grenzten Geltungsdauer für die Feststellung des Zeitge- setzcharakters genügen.

Diesem ist zu entnehmen, dass die Form des Zeitgeset- zes für Situationen bestimmt ist, in denen die Notwendig- keit für nur vorübergehende gesetzliche Regelungen gegeben ist.

Wenn also bereits bei Zeitgesetzen i.w.S., die generell weniger restriktive Voraussetzungen fordern, eine solche Ausnahemsituation bestehen muss, muss sie auch zwin- gend Vorraussetzung für die Zeitgesetze i.e.S. sein. Auch die Kasuistik der Zeitgesetze lässt eine auf Aus- nahmesituationen gerichtete Konzeption der Zeitgesetze erkennen.39

Eine bloße Änderung des Strafrechts, auch wenn sie eine kalenderbestimmte Beendigung der Geltung beinhaltet, basiert nicht auf einer vorübergehenden regelungsbedürftigen Ausnahmesituation.

Dies würde dafür sprechen, § 283 StGB a.F. nicht als Zeitgesetz zu werten.

Ebenfalls für dieses Ergebnis spricht eine Betrachtung der Folgen eines andersartigen Ergebnisses. Da jede Straf- rechtsänderung zumindest eine gewisse, wenn auch mi- nimale Zeitspanne zwischen Verabschiedung bzw. Ver- kündung des Änderungsgesetzes und dem Inkrafttreten der Änderungen aufweist, wäre jede alte Fassung eines geänderten Strafgesetzes Zeitgesetz i.e.S. Dadurch wäre jedoch der § 2 III StGB komplett ausgehöhlt, da Geset- zesänderungen grundsätzlich gem. § 2 IV StGB zu be- handeln wären.

Unter Berücksichtigung dieser systematischer Bedenken und der Gesamtkonzeption des Zeitgesetzes ist § 283 StGB a.F. nicht als solches zu bewerten.40

§ 2 IV StGB greift also nicht ein, sodass § 2 III StGB anwendbar ist.

c) Grundsatz der Unrechtstypenidentität

Der Große Senat des BGH hat sich mit dem Problem der zeitlichen Geltung von Strafgesetzen im Rahmen der Neufassung des Raubtatbestandes befasst.41

Er schuf in dieser Entscheidung den von der Lehre über- wiegend akzeptieren Grundsatz der Unrechtstypenidenti- tät.42

Dieser besagt, dass § 2 III StGB nur dann anwendbar ist, wenn trotz der Gesetzesänderung eine Unrechtstypen- identität bestehen bleibt. Dies sei nur der Fall, wenn „das Wesen des Delikts in seinem Kern von der Gesetzesände- rung unberührt geblieben ist.“43 Sollte dies nicht der Fall sein, so würde bei einem, das mildeste Gesetz ermitteln- den Vergleich nicht Vergleichbares verglichen werden.

Es ist also im Folgenden zu prüfen, ob die Änderungen des § 283 StGB den Unrechtstypus der Norm in seinem Kern verändert haben, oder nicht.

Eine solche Änderung soll dann vorliegen, wenn der Tat- bestand des neuen Gesetzes wesensmäßig so verschie- den ist, dass er dem Täter bei der Tatbegehung nicht be- kannt sein konnte.44 Des Weiteren stellt der BGH auf den, in der unrechtstypverändernden Umgestaltung des Straf- gesetzes inkorporierten Willen des Gesetzgebers ab.45

selbst angeordnet sein müsse. Anhaltspunkte, dass dies der vom Gesetzgeber angestrebten Konzeption des Zeitgesetzes oder der von der h.L. akzeptierten Definition des Zeitgesetzes vom BGH entspricht, liegen nicht vor.

In Frage stehen hier lediglich die vom EGInsO Änderungen der Begriffe „Insolvenzmasse“ und „Eröffnung des n- solvenzverfahrens“

(1) Unrechtstypenidentität?

Die Änderungen des EGInsO haben zumindest eine Straf- schärfung des § 283 StGB begründet.46 Der Tatbestand wurde also verändert. Ob diese Änderung aber eine Veränderung des Unrechtstyps des § 283 StGB bewirkt hat oder bewirken sollte ist zu erörtern.

Wie bereits oben dargestellt, wird hierbei zunächst darauf abgestellt, ob dem Täter der veränderte Tatbestand hätte bekannt sein können.

Hierzu ist zu bedenken, dass sowohl die Schutzrichtung des § 283 gleichgeblieben ist, als auch die pönalisierte Handlungsweise sich nicht geändert hat. Dem Täter hätte also nur die veränderte Menge der Tatobjekte und die damit verbundene Strafschärfung kennen können.

Einen deutlichen Hinweis hierauf gibt die lange Vorlaufzeit der hier in Frage stehenden Gesetzesänderungen. Seit dem 21. 4. 1994, also seit dem Tage der Verabschiedung des EGInsO, waren die Neuerungen auch des Strafge- setzbuches bekannt.

Dieses spricht dafür, dass der neue Tatbestand dem Täter zumindest hätte bekannt sein können. Diese Annahme wird auch dadurch gestützt, dass der potentielle Täterkreis von dem besonderen persönlichen Merkmal der Unter- nehmenskrise eingeschränkt wird.47 Der Täter als Betrof- fener einer Unternehmenskrise, also als Unternehmer, muss zumindest elementare kaufmännische Kenntnisse haben. Mithin kann davon ausgegangen werden, dass ihm die Änderungen des Insolvenzrechts, und damit die Ände- rungen des Insolvenzstrafrechts nicht unbekannt sind.

Ein weiteres Argument für die Unrechtstypenidentität zwi- schen § 283 StGB a.F. und § 283 StGB n.F. ist der aus- drückliche Wille des Gesetzgebers. So sollen die Ände- rungen des § 283 StGB lediglich redaktioneller Natur sein. Weitere, also materielle, Änderungen des Strafrechts sei- en nicht nötig.48

(2) Ergebnis

Wenn also sowohl der geänderte Tatbestand dem Täter bekannt sein konnte, als auch der Wille des Gesetzgebers nicht auf die Schaffung eines neuen Unrechtstyps gerich- tet war, ist von einer Kontinuität des Unrechtstypus aus- zugehen.

§ 2 III StGB ist also anwendbar

6. Ergebnis

Es liegen keine Ausnahmeregelungen vor, sodass § 2 III StGB anwendbar ist.

II. Ergebnis

§ 2 III StGB ist anwendbar. Daher muss das mildere Ge- setz, also § 283 StGB n.F., angewendet werden.

Daraus folgt, dass für Bankrottdelikte, die vor dem 1.1.1999 begangen wurden und unter Berücksichtigung der geänderten Rechtslage zu entscheiden sind keine Strafbarkeit vorliegt.

D. Begünstigungsdelikte gem. §§ 283 c, d StGB

Bei der Gläubigerbegünstigung i.S.d. § 283 c StGB gilt der § 283 VI StGB entsprechend. Also sind auch die Ände- rungen und Wirkungen der Änderung dem § 283 StGB entsprechend.

Bei der Schuldnerbegünstigung gem. § 283 d StGB wurde durch das EGInsO in Abs. 1 Nr. 2 der Begriff „Konkursverfahren“ durch „Insolvenzverfahren“ ersetzt.

Des Weiteren ist Abs. 4 entsprechend § 283 VI StGB geändert worden.

Da also die Änderungen der §§ 283 c, d StGB denen des § 283 StGB entsprechen, sind auch die Wirkungen der Änderung entsprechend. Hier kann auf die Erläuterungen zu § 283 StGB verwiesen werden.49

Also sind auch Begünstigungsdelikte gem. §§ 283 c, d StGB, die vor dem 1.1.1999 begangen wurden und nach der Änderung durch das EGInsO zur Entscheidung ste- hen, nicht strafbar.

E. Insolvenzverschleppung gem. § 84 I Nr. 2 GmbHG

I. Die Problematik der zeitlichen Begehung

Auch bei der Insolvenzverschleppung i.S.d. § 84 I Nr. 2 GmbHG werfen die durch das EGInsO herbeigeführten Änderungen das Problem der zeitlichen Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung auf. Pönalisierte der § 84 I Nr.

2 GmbHG a.F. noch das Unterlassen der Eröffnung des Konkurs- oder Vergleichsverfahrens, so pönalisiert er in der n.F. die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens.

Vor dem Inkrafttreten der Änderung war der Geschäftsfüh- rer oder der Liquidator einer überschuldeten oder zah- lungsunfähigen GmbH verpflichtet, gem. § 64 I bzw. 71 IV GmbHG spätestens drei Wochen nach Eintritt der Krise die Eröffnung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens zu beantragen.

Seit dem 1.1.1999 bezieht sich diese Verpflichtung auf das Insolvenzverfahren.

Bei Begehung der Tat existierte noch kein Insolvenzverfahren. Der Täter hatte also keine Möglichkeit den Tatbestand des § 84 I Nr. 2 GmbHG zu erfüllen.

1. Redaktionelle Änderung oder Tatbestandsdiffe- renz

Wie bereits erörtert, bewirkte die Änderung durch das EGInsO nicht bloß eine redaktionelle Änderung, sondern hatte eine Erweiterung des Tatbestands zur Folge. 50

2. § 2 III StGB

Auch bei der Insolvenzverschleppung könnte also die Meistbegünstigungsklausel des § 2 III StGB einschlägig sein.

Da eine Tatbestandserfüllung i.S.d. § 84 I Nr. 2 n.F. ob- jektiv unmöglich war, ist bei einer Entscheidung unter Be- rücksichtigung der veränderten Rechtslage auf Straflosig- keit zu erkennen.

Da Straflosigkeit die mildeste mögliche Behandlung des Täters bedeutet, ist die neue Fassung des § 84 I Nr. 2 als ein milderes Gesetz i.S.d. § 2 III StGB anzusehen.

3. Ausnahmen

Die bereits erwähnten Anwendbarkeitsbeschränkungen zu § 2 III StGB könnten allerdings eingreifen.

a) Blankettstrafgesetz

So könnte es sich bei § 84 I Nr. 2 GmbHG um ein Blan- kettstrafgesetz handeln.51

Jedoch ist auch bei der Änderung des § 84 I Nr. 2 GmbHG die blankettverweisende Norm direkt an die Änderung der blankettausfüllenden Norm angepasst worden, sodass sich Probleme der Anwendbarkeit von § 2 III StGB auf die Änderung nicht ergeben.52

b) Zeitgesetz

Es könnte sich bei § 84 I Nr. 2 GmbHG um ein Zeitgesetz i.S.d. § 2 IV StGB handeln. Sollte dies der Fall sein, wäre § 2 III StGB nicht anwendbar.53

Dies könnte der Fall sein, da die zeitliche Geltung des § 84 I Nr. 2 GmbHG durch das EGInsO seit dem 5.10.1994 auf den 1.1.1999 begrenzt war. Somit war das Ende der Geltung des § 84 I Nr. 2 GmbHG auf einen kalenderbestimmten Zeitpunkt festgelegt.

Allerdings könnte auch hier, wie beim Bankrott gem. § 283 StGB die Konzeption der Zeitgesetze entgegenstehen.54

§ 84 I Nr. 2 GmbHG müsste also auf einer regelungsbedürftigen Ausnahmesituation basieren.

§ 84 I Nr. 2 GmbHG gillt allerdings generell.

Die Norm hat somit nicht nur für eine regelungsbedürftige Ausnahmesituation Geltung.

Ebenso würde durch eine Behandlung des § 84 I Nr. 2 GmbHG die Konstruktion des § 2 III StGB aushöhlen, da so jede Strafgesetzänderung als Zeitgesetz und somit gem. § 2 IV StGB zu behandeln wäre.55

§ 84 I Nr. 2 GmbHG ist also nicht als Zeitgesetz zu bewer- ten. Somit ist § 2 IV StGB nicht anwendbar; § 2 III StGB ist anwendbar.

c) Grundsatz der Unrechtstypenidentität

Für eine Anwendbarkeit des § 2 III StGB müsste des Weiteren eine Identität des Unrechtstypus zwischen altem und neuem Tatbestand bestehen.56

Hier ist, wie bereits dargestellt, darauf abzustellen, ob dem Täter der neue Tatbestand bekannt sein konnte.57

Auch im Fall des § 84 I Nr. 2 GmbHG ist die lange Vor- laufzeit der in Frage stehenden Gesetzesänderungen zu beachten. Hervorzuheben ist hierbei auch die Natur des § 84 I Nr. 2 GmbHG als echtes Sonderdelikt. Täter i.S. die- ser Vorschrift können nur Geschäftsführer oder Liquidato- ren einer GmbH sein. Von diesen kann eine genauere Kenntnis zumindest der ihre Gesellschaftsform betreffen- de Rechtslage erwartet werden. Da die Insolvenzrechtsre- form auch für die GmbH weitreichende Unterschiede i.R.d. Gesellschaftsauflösung bedeutet, kann davon ausgegan- gen werden, dass diese Änderung einem Geschäftsführer oder Liquidator einer GmbH nicht völlig unbekannt geblie- ben sind. So konnte also ein tauglicher Täter die Ände- rungen des § 84 I Nr. 2 GmbHG durchaus im Zeitpunkt der Tatbegehung kennen.

Des Weiteren ist bei der Ermittlung der Unrechtstypen- identität auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen.58

Dieser scheint nicht auf die Schaffung eines neuen Un- rechtstypus gerichtet gewesen zu sein. Die Vorschrift sei lediglich „an das einheitliche Insolvenzverfahren anzupas- sen“59

Der neue Tatbestand konnte dem Täter bekannt sein. Auch der Wille des Gesetzgebers war nicht nicht auf die Schaffung eines neuen Unrechtstypus gerichtet. Von einer Identität der Unrechtstypen ist auszugehen.

4. Ergebnis

Unrechtstypenidentität liegt vor, des weiteren greifen keine anwendungsbeschränkenden Ausnahmen ein. § 2 III StGB ist somit anwendbar.

II. Ergebnis

§ 84 I Nr. 2 GmbHG n.F. i.V.m. § 2 III StGB bedeutet in Form von Straflosigkeit die mildere Behandlung des Täters. Diese Norm ist also anzuwenden.

Daraus folgt, dass Insolvenzverschleppungen gem. § 84 I Nr. 2 GmbHG, die vor dem 1.1.1999 begangen wurden, und unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage zur Entscheidung stehen, straflos sind.

F. Arbeitsergebnis

Die vorangegangene Untersuchung zeigt, dass sich aus der Anwendung der Meistbegünstigungsklausel gem. § 2 III StGB auf die Änderungen der Insolvenzstrafnormen ei- ne grundsätzliche Straflosigkeit von Insolvenzdelikten er- gibt, die vor dem 1.1.1999 begangen und bereits unter Be- rücksichtigung der neuen Rechtslage zur Entscheidung stehen.

[...]


1 Kilger, KTS 1995, S. 142 ff.

2 Regierungsentwurf EGInsO BT-Drs. 12/3803 zu Art. 58 EEGInsO.

3 Schönke/Schröder Eser, § 2 Rn. 19; Lackner/Kühl § 2 Rn. 7; BGHSt 20, 77, 77.

4 Kilger KTS 1975 S.142 ff.; Balz/Landfermann S. 3.

5 BT-Drs. 12/7302, 12/7303.

6 BR-Drs. 336/94, 337/94.

7 Weinbörner A 7.

8 der Einfachheit halber werden die Insolvenzverschleppungsdelikte im Folgenden anhand von § 84 I Nr. 2 GmbHG behandelt.

9 durch die Art. 40 Nr. 5, 47 Nr. 22, 48 Nr. 10, 49 Nr. 42, 60 EGInsO.

10 Es ist hier auf den gesamten Rechtszustand abzustellen, reine Wort- änderungen haben auf diesen keine Auswirkung.; Schön- ke/Schröder § 2 Rn. 22; Lackner/Kühl § 2 Rn. 4.

11 Binz/Hess S. 297.

12 Baumann § 15 II 1.

13 vgl. §§ 1, 2 VglO.

14 Baumann § 16 I 1.

15 Baumann § 16 I 1a, § 5 I 2.

16 Brox, AT Rn. 226.

17 BGH WM 1959, 891, 891; NJW 1962, 102, 103.

18 so §§ 92 II 2 AktG; 64 I GmbHG; 98 I Nr. 2 GenG.

19 Zimmermann S. 3.

20 Praxis der Konkursabwicklung Tab. I/31 S. 108.

21 vgl. oben .

22 Haarmeyer/Wutzke/Förster 1/12; Hess vor § 1 Rn. 3.

23 § 16 InsO.

24 vgl. oben.

25 vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster 1/12.

26 vgl. Rotsch wistra 2000, 5, 6.

27 Bittmann wistra 1998, 321, 324.

28 es ist hier zu unterscheiden zwischen der Geltung des Gesetzes und seiner Anwendbarkeit auf einen bestimmten Fall. Ist ein Gesetz nach legislativem Willen außer Kraft getreten, so hat es keine Geltung mehr. § 2 I StGB lässt nur unter materiell-gerechten Ge- sichtspunkten eine rückwirkende Anwendung der außerkraftge- treten Normen zu. (vgl. dazu Tiedemann Peters-FS S. 197).

29 Binding S. 155 ff.

30 vgl. Mohrbotter NStZ 86, S. 922, 930.

31 Nomos Hassemer § 2 Rn. 10.

32 Mohrbotter NStZ 86, 922, 935; Dannecker S. 405.

33 BGH 20, 178, 181; NStZ 83, 80, 268.

34 vgl. nur BGHSt 20, 77; BGH NStZ 1983, 268, 268; Nomos Hassemer § 2 Rn. 24; Schönke/Schröder Eser § 2 Rn. 30.

35 Schönke/Schröder Eser vor § 1 Rn. 3.

36 Einerseits wird eine Anwendbarkeit des § 2 III StGB auf Änderung der blankettausfüllenden Norm grundsätzlich bejaht (BGHSt 20, 177, 181; LK Tröndle § 2 Rn. 7; Nomos Hassemer § 2 Rn. 41), ande- rerseits wird eine Differenzierung zwischen blankettausfüllenden Normen in Form von bloßen Verweisungen und solchen in Form von normativen Tatbestandsmerkmalen gefordert (Samson wistra 83, 235, 237; Jakobs 4/70 ff.; Schönke/Schröder Eser § 2 Rn. 26; SK Rudolphi § 2 Rn 8a).

37 Zeitgesetz im engeren Sinn; BGHSt 6, 27, 36.

38 BGHSt 18, 12, 14; BGH NJW 1952, 72, 72.

39 so auch Kasuistik von BGH und RG: Besatzungsrecht (BGHSt 18, 12, 14 ), Übergang von Kriegs- zu Friedenswirtschaft ( RGSt 74, 301).

40 im Ergebnis gleich Tiedemann Peters-FS S. 203, jedoch mit dem Ar- gument, dass die Weitergeltung des Gesetzes in diesem Gesetz

41 BGHSt 26, 167, 172f.

42 vgl. dazu Loos JR 75, 243, 248.; Schönke/Schröder Eser § 2 Rn. 24.

43 BGHSt 26, 167, 172.

44 BGHSt 26. 167, 172.

45 BGHSt 26, 167, 172.

46 s.oben.

47 Weyand S. 30.

48 Regierungsentwurf EGInsO BT-Drs. 12/3803 zu Art. 58 EEGInsO, aus- führend Moosmayer S. 20f.

49 vgl. oben.

50 vgl. oben .

51 zur Problematik der Blankettstrafgesetze vgl. oben.

52 vgl. oben

53 vgl. oben.

54 s. oben.

55 zum gesamten Komplex vgl. oben.

56 s. oben.

57 BGHSt 26. 167, 172.

58 BGHSt 26. 167, 172.

59 BT-Drs. 12/3803 S. 90.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die Strafbarkeit von Insolvenzdelikten im Übergang von Konkurs- und Vergleichsordnung zur Insolvenzordnung 1999
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Veranstaltung
Seminar zu ausgewählten Problemen des Strafrechts AT und BT
Note
VB
Autor
Jahr
2000
Seiten
34
Katalognummer
V102362
ISBN (eBook)
9783640007455
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Seminararbeit zum Problem der Straflosigkeit der Insolvenzdelikte bei Begehung während der Geltung der KO und Urteilosfindung während der Geltung der InsO
Schlagworte
Strafbarkeit, Insolvenzdelikten, Konkurs-, Vergleichsordnung, Insolvenzordnung, Seminar, Problemen, Strafrechts
Arbeit zitieren
Stephan Gierthmühlen (Autor:in), 2000, Die Strafbarkeit von Insolvenzdelikten im Übergang von Konkurs- und Vergleichsordnung zur Insolvenzordnung 1999, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102362

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Strafbarkeit von Insolvenzdelikten im Übergang von Konkurs- und Vergleichsordnung zur Insolvenzordnung 1999



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden