Inmitten der wechselvollen Geschichte Malis, wo Tradition und Fortschritt aufeinandertreffen, entfaltet sich ein komplexes Bild der Landwirtschaft und ihrer Herausforderungen. Diese Analyse beleuchtet die tiefgreifenden Veränderungen in der Agrarproduktion, insbesondere im vitalen Nigerdelta, und wie diese Veränderungen das Leben der Menschen beeinflussen. Einst geprägt von traditionellen Praktiken der nomadischen Viehzucht und saisonalen Fischerei, die im Einklang mit den natürlichen Rhythmen des Nigers existierten, steht Mali heute vor der dringenden Notwendigkeit, die Ernährungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig die ökologische Nachhaltigkeit zu wahren. Die Einführung neuer Anbaumethoden, wie der Überschwemmungsfeldbau und der Nassreisanbau, sowie staatliche Eingriffe in die Fischereipolitik, haben unbeabsichtigte Folgen nach sich gezogen: Raumnutzungskonflikte, sinkende Erträge und die Gefährdung der Fischbestände. Das ‘Office du Niger‘, ein ehrgeiziges agroindustrielles Projekt, das in der Kolonialzeit seinen Ursprung hat, wird als Schlüssel zur Modernisierung der Landwirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen gesehen. Doch auch hier offenbaren sich Schwierigkeiten: hohe Produktionskosten, Managementprobleme und die Notwendigkeit, traditionelle Lebensweisen mit modernen Anforderungen in Einklang zu bringen. Die Studie untersucht detailliert die historische Entwicklung des ‘Office du Niger‘, seine ursprünglichen Ziele und die Hindernisse, die es überwinden musste, um sich an die veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Sie analysiert die gegenwärtige Situation, die von schwierigen Infrastrukturbedingungen und der Notwendigkeit geprägt ist, Neusiedler für die Bewässerungsgebiete zu gewinnen, und wirft einen Blick in die Zukunft, in der eine erhebliche Ausweitung des Bewässerungssystems und der Anbauflächen geplant ist. Im Fokus stehen dabei der Reisanbau, der Zuckerrohranbau und die Wiederbelebung des Baumwollanbaus. Diese tiefgreifende Analyse bietet wertvolle Einblicke in die komplexen Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in Mali und zeigt auf, wie wichtig es ist, nachhaltige Lösungen zu finden, die sowohl die Ernährungssicherheit gewährleisten als auch die traditionellen Lebensweisen und die Umwelt schützen. Die Untersuchung der Raumnutzungskonflikte, der Effizienz des Office du Niger und der sozioökonomischen Auswirkungen der Veränderungen in der Agrarproduktion bietet eine Grundlage für fundierte politische Entscheidungen und Investitionen in die Zukunft Malis. Die gewonnenen Erkenntnisse sind nicht nur für Mali von Bedeutung, sondern auch für andere Entwicklungsländer, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Malis Wirtschaft
Umstrukturierung in der Agrarproduktion
Der Niger durchfließt mit 1750km Mali. Nördlich von Ségou (bei Fließrichtung unterhalb) bildet er ein Binnendelta, welches eine Fläche von 30000km² einnimmt. Durch den starken Niederschlag des Sommerregens im Bereich der Guinea-Schwelle entsteht eine Hochwasserwelle, die etwa 2/3 des Deltas flutet.
Tradition
- Bei dem Rückgang des Hochwassers ziehen die Viehherden (Rinder...) an den Fluß und folgen dem abfließendem Hochwasser. Alleine bei Diafafarabe durchquert ein Viertel des gesamten Viebestandes Malis (1,5Mio) das Delta. Die Überflutungsweiden sind Eigentum des Staates, welcher diese den Hirten zur Nutzung überläßt. Die Nutzung wurde für die unterschiedlichen Gruppen durch traditionell festgelegte Weidewege gesichert.
- Auch die Fischer bedienen sich dem Niger. Ihre Arbeit ist saisonabhängig, denn sie findet nur bei Niedrigwasser statt. Sie folgen den Fischschwärmen und dem Niedrigwasser und leben halbnomadisch.
Veränderungen
Durch den Eingriff der malinesischen Regierung entstanden Veränderungen, die Konflikte und Probleme entstehen ließen.
- 1983 wurden die Regeln zur Sicherung der Nomaden außer Kraft gesetzt. So beteiligten sich nun verstärkt Ackerbauern, städtische Geschäftsleute und Regierungsbeamte an der Viehhaltung. Sie sind seßhaft und betreiben Überschwemmungsfeldbau nach dem Rückgang des Hochwassers. Es wird Naßreis angebaut, doch die Erträge bleiben gering. Sie liegen sogar eindeutig unter dem Durchschnitt Afrikas (1988: 800kg/ha-1700kg/ha - >Hälfte!). Gründe sind schlecht kontrollierte Bewässerung, unzureichende Schädlingsbekämpfung und nicht angepaßte Sortenwahl. Damit eine ausreichende Grundnahrungsmittelversorgung gewährleistet ist, werden weitere neue Reisfelder erschlossen. Diese Ausweitung der Anbaufläche, sowie die steigende Viehzahl und das Bevölkerungswachstum tragen zum Raumnutzungskonflikt bei.
- Auch was die Fischerei betrifft hat sich die Regierung eingemischt. Sie strebt eine Beobachtung der Liberalisierung der Fangpraxis an. Inzwischen fischen heute alle Bevölkerungsgruppen die am Niger leben. Dadurch, dass sie ganzjährig, also auch in der Laichzeit, und mit viel zu engmaschigen Netzen fischen, schaden sich die Malier, denn es wird den Fischen nicht mehr die Möglichkeit gegeben, sich (ausreichend) zu vermehren.
- Alle diese Folgen führten zu einem Mangel an Arbeitsplätzen und eine geringere Kaufkraft. Dadurch haben intensive Wanderungsbewegungen in Richtung Bamako und Ausland stattgefunden.
Office du Niger
Historische Situation:
Das ‘Office du Niger‘ liegt im Nigerdelta und ist das älteste und größte agroindustrielle Unternehmen in Westafrika. Nach den ersten Plänen der französischen Kolonialverwaltung von 1925, das Delta Mort (Totes Delta) im Norden von Markala für die Agrarproduktion nutzbar zu machen, wurde es 1932 als halbautosome Organisation gegründet. Es hatte für Frankreich 3 Ziele:
- Versorgung der Textilindustrie mit Baumwolle
- Erzeugung zusätzlicher Nahrung nach einer Hungerkatastrophe im westafrikanischen Kolonialgebiet
- Milderung des Bevölkerungsdruck in den Nachbargebieten des Deltas durch Umsiedlung
Die Pläne der Wiedernutzbarmachung eines nicht mehr vom Wasser durchflossenen Totarms für den Bewässerungsfeldbau von 1925 wurden aufgegriffen . In der Zeit von 1935-1947 wurde eine Staumauer bei Markala errichtet, wodurch nun die Regulierung des Hochwasserabfluss des Niger möglich war. Zur gleichen Zeit wurden auch 2 Zuleitungskanäle (Canal du Macina, 1935 & C. du Sahel, 1937) fertiggestellt. Zusammen mit den Totarmen, die nach Norden und Nord-Osten entwässern, wurde die Bewässerung bestimmter Agrarflächen ermöglicht. Da das Projekt in den Sommerregenmonaten (Juni- September) zusätzlich zwischen 550mm und 700mm Niederschlag erhält, wirkt es sich positiv auf die nationale Ernährung aus.
Frankreich nahm an, innerhalb der nächsten 50 Jahre 960.000 ha zu erschließen, wobei es sich im Anbau etwa im gleichen Verhältnis von Baumwolle und Reis handelte. Durch den Beginn der Entwicklung der Infrastruktur (Eisenbahn von Abidjan nach Algier), konnte die Baumwolle nach Frankreich transportiert werden.
Ab 1947 versuchte das Office zum ersten Mal die einheimische Bevölkerung umzusiedeln, doch es war vergebens. Die mit dem Reisbau erfahrenen Völkerschaften aus dem heutigen Burkina Faso werden zwangsweise umgesiedelt. Das Office ist Eigentümer der Produktionsmittel und bezahlt den Arbeitern Lohn.
Etwa drei Jahre später wurde wegen ausbleibender Erfolge umorganisiert. So wurde Land und Grundausstattung zur Produktion zu günstigen Preisen an die Siedler vergeben, wodurch sich dann der Lebensstandard verbesserte. Desweiteren wurden Bewässerungsgebiete ausgeweitet und 1953 der Canal du Sahel verlängert.
Am 22.9.1960 erklärte Mali seine Unabhängigkeit. Die neu entstandene Republik übernahm das Projekt und verstaatlichte dieses und organisierte es um. Die neuen Pläne bezogen sich auf den Baumwollanbau. 1968 wurde eine Baumwollspinnerei bei Markala mit 4000 Beschäftigten fertiggestellt. Der Baumwollanbau stellte sich als Mißerfolg heraus und vier Jahre später wurde dieser aufgegeben.
Ab 1982 startete das Office du Niger verstärkt wirtschaftliche Reformen zur Liberalisierung. Es wurde schrittweise von einer Verwaltungsbehörde in ein Wirtschaftsunternehmen umgebaut.
Gegenwärtige Situation:
Ein großes Problem des Office du Niger sind die schwierigen Infrastrukturbedingungen. Sie sind durch hohe Produktionskosten, Probleme im Management, teure Verwaltung und mehrere agrartechnische und agrarökologische Probleme entstanden. Trotz des Anbieten relativer Prosperität (Wohlstand), ist es schwer Neusiedler zu finden. Vom Office wird die Grundausstattung (u.a. Land, Haus, Saatgut, Pflug, Zugtiere, Düngemittel,...), sowie verfügbare Dienstleistungen bereitgestellt. Nach 10jähriger Kultivierung wird das Land dem Siedler angeeignet. In jedem Dorf gibt es u.a. eine Krankenstation und Schule.
Doch die Stämme können sich von ihren traditionellen Bindungen, wie die Großfamilien, der Dorfverband und Boden, nicht lösen. So zählt die Bevölkerung nach wie vor etwa 50.000, davon 4500 Siedlereinheiten und 130 Dörfer.
Zukünftige Situation:
Das ‘Office du Niger‘ ist ein agroindustrielles Großprojekt mit hohen Investitionen.
Häufig gestellte Fragen zu Malis Wirtschaft
Worum geht es in dem Text über Malis Wirtschaft?
Der Text behandelt die Umstrukturierung in der Agrarproduktion Malis, insbesondere im Bereich des Nigerdeltas und des Office du Niger. Er beschreibt traditionelle Praktiken der Viehzucht und Fischerei, Veränderungen durch staatliche Eingriffe und die historische Entwicklung sowie gegenwärtige Situation des Office du Niger.
Welche Rolle spielt der Niger in Malis Wirtschaft?
Der Niger durchfließt Mali und bildet nördlich von Ségou ein Binnendelta, das für die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist. Das Delta wird durch die jährlichen Hochwasser geflutet, was die Grundlage für Weidewirtschaft und saisonale Fischerei bildet.
Welche traditionellen Praktiken werden im Text beschrieben?
Traditionell ziehen Viehherden dem abfließenden Hochwasser hinterher, um die Überflutungsweiden zu nutzen. Fischer folgen den Fischschwärmen und dem Niedrigwasser, was zu einer halbnomadischen Lebensweise führt.
Welche Veränderungen haben staatliche Eingriffe bewirkt?
Die Aufhebung traditioneller Regeln zur Sicherung der Nomaden führte dazu, dass sich verstärkt Ackerbauern, Geschäftsleute und Regierungsbeamte an der Viehhaltung beteiligten. Der Anbau von Naßreis wurde gefördert, jedoch mit geringen Erträgen. Auch in der Fischerei griff die Regierung ein, was zu einer Liberalisierung der Fangpraxis führte, die jedoch durch ganzjährige Fischerei und zu engmaschige Netze die Fischbestände gefährdet.
Was ist das Office du Niger?
Das Office du Niger ist das älteste und größte agroindustrielle Unternehmen in Westafrika, gelegen im Nigerdelta. Es wurde 1932 von der französischen Kolonialverwaltung gegründet, um Baumwolle für die Textilindustrie zu produzieren, zusätzliche Nahrungsmittel zu erzeugen und den Bevölkerungsdruck durch Umsiedlung zu mildern.
Welche Ziele verfolgte das Office du Niger ursprünglich?
Die ursprünglichen Ziele waren die Versorgung der Textilindustrie mit Baumwolle, die Erzeugung zusätzlicher Nahrung nach einer Hungerkatastrophe und die Milderung des Bevölkerungsdrucks durch Umsiedlung.
Wie hat sich das Office du Niger im Laufe der Zeit entwickelt?
Nach der Unabhängigkeit Malis wurde das Office verstaatlicht und umorganisiert. Der Fokus verlagerte sich zunächst auf den Baumwollanbau, der jedoch später aufgegeben wurde. Ab 1982 wurden wirtschaftliche Reformen zur Liberalisierung eingeleitet.
Welche Probleme hat das Office du Niger gegenwärtig?
Zu den Problemen gehören schwierige Infrastrukturbedingungen, hohe Produktionskosten, Probleme im Management, teure Verwaltung sowie agrartechnische und agrarökologische Schwierigkeiten. Es ist auch schwer, Neusiedler zu finden, obwohl das Office Grundausstattung und Dienstleistungen bereitstellt.
Welche Zukunftspläne gibt es für das Office du Niger?
Geplant ist die Vergrößerung und Verbesserung des Bewässerungssystems sowie die Expansion der Kulturflächen. Der Reisanbau soll verstärkt werden, und der Bau einer Zuckerraffinerie ist vorgesehen. Auch der Anbau von Futtermitteln und Baumwolle ist geplant.
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- Sandra Emmerling (Author), 1999, Malis Wirschaft: Veränderung und Office du Niger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102379