Paarberatung. Anlässe, Konzepte und Methoden des Beratungsfeldes


Hausarbeit, 2021

27 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Eine allgemeine Einführung in die Trennungs- und Scheidungsberatung
1.1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Trennungs- und Scheidungsberatung

2. Paarberatung
2.1. Definition
2.2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Paarberatung

3. Anlässe in der Paarberatung
3.1. Praxisbeispiel einer Paarberatung
3.2. Exkurs: Paarberatung für gleichgeschlechtliche Paare

4. Ansätze und Methoden der Paarberatung
4.1. Der verhaltenstherapeutische Ansatz
4.2. Der psychoanalytische Ansatz
4.3. Der personenzentrierte Ansatz

5. Der systemische Ansatz
5.1. Konzept
5.2. Methoden
5.3. Wirksamkeit

6. Ausblick und Reflexion

7. Quellenverzeichnis

Anhang 1

Anhang 2

Abkürzungsverzeichnis

ASD Allgemeiner Sozialer Dienst

AußStrG Außerstreitgeset z

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

KJHG Kinder- und Jugendhilfegesetz/Achtes Buch Sozialgesetzbuch

RDG Rechtsdienstleistungsgesetz

Einleitung

„Es gibt wenige Grundmuster menschlichen Verhaltens, die derart über alle Kulturen und Epochen verbreitet sind wie die Institutionalisierung von Paarbeziehungen“ (Roesler 2018, S. 15).

Unabhängig von Zeit und Raum gab es immer Paarbeziehungen und wird es immer Paarbeziehungen geben. Das schließt nicht nur das Zusammenleben von zwei Menschen in den einfachsten Jäger-Sammler-Gruppen sowie hochkomplexen gesellschaftliche Allianzen ein. Darüber hinaus existieren auf der ganzen Welt kulturell beeinflusste Zusammenschlüsse zweier Menschen, die sich vorwiegend durch das Bündnis der Ehe ausdrücken.

Laut aktuellen Studien ist auch heute noch eine anhaltende und erfüllende Beziehung für junge Menschen von hoher Bedeutung.

Die ansteigende Zahl der Scheidungsrate (aktuell bei 50 %) beweist, dass aufgrund von kontinuierlich auftretenden Beziehungsproblemen, ein hoher Bedarf an Paarberatung besteht (vgl. Roesler 2018, S. 10ff.).

Die vorliegende Hausarbeit widmet sich dem Berufsfeld der Paarberatung. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in das Beratungsfeld zu geben und die Komplexität von Paarkonflikten sowie das weite Feld an möglichen Beratungsansätzen- und Methoden zu verdeutlichen.

Die Ursprünge der Paarberatung liegen in der Familienberatung sowie Trennungs- und Scheidungsberatung. Aufgrund dessen ist es für das Begriffsverständnis vorteilhaft, vorerst diese Grundlagen zu betrachten.

Auf Basis der Kenntnisse zur Trennungs- und Scheidungsberatung, wird die Paarberatung beleuchtet. An dieser Stelle werden Begriffserklärungen dargelegt und rechtliche Rahmenbedingungen erläutert.

In Kapitel 3 werden mithilfe von Praxisbeispielen und der Betrachtung gleichgeschlechtlicher Paarberatung, die Beratungsanlässe veranschaulicht. Kapitel 4 untersucht die Methoden und Ansätze der Paarberatung, wobei sich Kapitel 5 dem systemischen Ansatz ausführlicher widmet. Die Arbeit endet mit der Reflexion der dargelegten Erkenntnisse und einem Ausblick zum Beratungsfeld der Paarberatung.

1. Eine allgemeine Einführung in die Trennungs- und Scheidungsberatung

Paare, die aufgrund einer Trennung oder Scheidung professionelle Unterstützung suchen, begegnen einer Vielzahl an Beratungsangeboten, die auf Grundlage unterschiedlicher Ansätze und Methoden arbeiten. Diese Vielzahl erweist sich durch das breite Spektrum der Angebote, die von Partner-, Ehe-, und Paarberatung über Mediation bis hin zur Trennungs- und Scheidungsberatung etc. reichen (vgl. Mess/Germund 2017, S. 363). Bereits Mitte der 70er Jahre konnte sich die Scheidungsberatung als autonome Therapieform in den USA eingliedern. In Deutschland setzten sich in den 90er Jahren viele Ehe,- Familien,- und Erziehungsberatungen mit dem Themenkomplex Scheidung auseinander, da diese zuvor primär auf die Aufrechterhaltung der Ehen und Familien angelegt waren (vgl. Textor 1991, S. 95). Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Ehe- und Familienbild verändert und die Zahl der Scheidungen ist stetig angestiegen. Die mit Scheidung und Trennung in Verbindung stehenden Berufsgruppen werden vor allem durch die Erkenntnisse der längsschnittigen Familien- und Scheidungsforschung beeinflusst (vgl. Niesel 2008, S. 301).

Die Scheidungszahl hat sich von 1970 bis 2004 verdoppelt. Die am häufigsten von Scheidung Betroffenen, sind mittleren Alters. Eine deutsche Statistik von 2010 besagt, dass Männer im Durschnitt 45 Jahre und Frauen 42 Jahre alt sind. Die Geschlechter unterscheiden sich in der Umgangsweise und dem Unterstützungsbedarf während oder nach einer Scheidung. Aus einer Befragung von rund 1000 Geschiedenen geht hervor, dass Frauen öfter auf Hilfe aus dem sozialen Umfeld (Freunde und Familie) zurückgreifen oder professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Männer sagen hingegen aus, dass sie vorwiegend versuchen, die Situation allein zu bewältigen (vgl. Perrig-Chiello/Knöpfli 2017, S. 2ff.).

Thematisch widmet sich die Trennungs- und Scheidungsberatung der Reparatur oder der adäquaten Beendigung einer Beziehung. Das Urteil darüber kann entweder fremd- (z.B. im Gerichtssaal) oder selbstbestimmt (z.B. durch eine*n Mediator*in) getroffen werden (vgl. Northoff 1996, S. 298).

Unter Berücksichtigung der Trennungsphasen kann eine Strukturierung der Beratungskonzepte, die den Fokus auf das Bedürfnis der Klient*innen legt, gelingen.

1. Das Informationsbedürfnis: Die Hilfe zur Klärung von Trennungsgedanken sowie die Beseitigung von Informationslücken und die Auseinandersetzung mit vorhandenen Ambivalenzen, führt zu Sicherheit und vermittelt Perspektive. 2. Das Entscheidungsbedürfnis: Klärung der Beziehung zur optimalen Entscheidungsfindung. Nach Bedarf können Berater*innen ihre Klient*innen einzeln zu ihren Bedürfnissen befragen und diese dann gemeinsam besprechen. 3. Das Regelungsbedürfnis: Die Hilfe zur Bestimmung der Scheidungskonsequenzen (v.a. Sorgerecht und Umgang). Die Bestimmungen sind abhängig von der Konfliktstärke. Umso größer die Stärke, umso höher ist der Bedarf nach professioneller Unterstützung (von Mediation bis speziell ausgebildete Psychotherapeut*innen). 4. Das Bewältigungsbedürfnis: Die Hilfe zur systemischen Trennungs- und Scheidungsbewältigung soll Unterstützung zur Beendigung des Scheidungsprozess bieten. Da aufgrund der Trennung depressive Reaktionen auftreten können, steht bei Bedarf therapeutische Unterstützung zur Verfügung, die den Beteiligten wieder emotionale Stabilität und Selbstsicherheit vermittelt.

Auch wenn diese Strukturierung den klassischen Scheidungsphasen gleicht, werden die Hilfsangebote individuell an den Fall angepasst und müssen dementsprechend nicht chronologisch abgearbeitet werden (vgl. Witte/Sibbert/Kesten 1992, S. 59; Northoff 1996, S. 300).

Fachkräfte, die beratend, sozialpädagogisch und/oder therapeutisch arbeiten, sehen laut Niesel ihren Auftrag in der Folgenmilderung einer Trennung oder Scheidung.

Zu dieser Folgenlinderung gehören grundlegende fachliche Aspekte: Die Sachkenntnis eine Ehescheidung und/oder Elterntrennung als Transition der (Familien-)Entwicklung anzuerkennen. Hierbei wird die Transitionsfähigkeit einer Familie beurteilt. Dies beinhaltet den Zusammenhalt sowie die Flexibilität oder Standhaftigkeit der Familie beim Umgang mit Konflikten. Demnach ist es sinnvoll zu beobachten, wie Familien auf Veränderungen, welche im Verlauf der Zeit unvermeidlich auftreten werden (z.B. Übergang von Paar- zur Elternbeziehung), reagieren und damit umgehen (vgl. Niesel 2008, S. 301). Die Komplexität der Veränderungen und die damit einhergehenden neuen Herausforderungen müssen nicht zwangsläufig (nur) negative Auswirkungen mit sich bringen. Die zukünftigen Anforderungen können ebenso eine neue Möglichkeit sein, für das Familiensystem sowie für die einzelnen Personen eine verbesserte organisierte Lebenssituation zu schaffen (vgl. Fthenakis 1995, zitiert nach Niesel 2008, S. 301f.) Die Ansätze dieser systemischen Betrachtungsweise finden sich auch im „binuklearem Familiensystem“ wieder, was laut Ahrons „eine Kernfamilie mit zwei Kernen“ darstellt (Ahrons 1979, zitiert nach Niesel 2008, S. 302). Das Kind bzw. die Kinder werden Mitglieder von zwei Haushalten, in denen die Eltern sich die Aufgaben soweit wie möglich aufteilen und die Eltern-Kind-Beziehung weiterhin aufrechterhalten wird.

Zu den Interventionsmaßnahmen eignen sich unter anderem ressourcenorientierte Ansätze. Die Ressourcen der Familie sollen so eingesetzt werden, dass für alle Beteiligten möglichst vorteilhafte Lebensbedingungen entstehen (vgl. Niesel 2008, S. 302). Diese langfristig zu erforschenden Anpassungsprozesse gelten als „Reorganisation“ die nach einer Trennung oder Scheidung erfolgt (vgl. Fthenakis 1995; Niesel u. Griebel 1997 zitiert nach Niesel 2008, S. 302).

Scheidungsberatung steht vor der Herausforderung alle Aspekte der intrapsychischen, dyadischen, familiendynamischen, juristischen und therapeutischen Entwicklungen miteinander zu koordinieren. Berater*innen sind beauftragt, Kenntnisse über Scheidungsrecht, Techniken der Sozialarbeit, Hilfsangebote der Jugendhilfe sowie Interventionstechniken zu verfügen. Textor betont hierbei die Relevanz des Scheidungszyklus und allgemeiner Trennungsprozesse. Des Weiteren wird bei Berater*innen ihre persönliche Reflexionsfähigkeit und das Bewusstsein über Gegenübertragungen vorausgesetzt (vgl. Textor 1991, S. 97f.) Die „Kernfamilie mit zwei Kernen“ kann im Idealfall für die Familie und v.a. die Kinder von Vorteil sein. Jedoch empfinde ich es als schwierig, diese Ressource als selbstverständlich anzusehen, da nicht jede Trennung sowie die Einigung über das Sorgerecht einvernehmlich abläuft. Zwei Haushalte können für die Kinder gewinnbringend sein oder eine zusätzliche Stresssituation auslösen, wenn die Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe nicht mehr an einem Strang ziehen.

1.1. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Trennungs- und Scheidungsberatung

Berater*innen sowie Therapeut*innen, die beruflich in Kontakt mit Scheidungsfällen stehen, sind wie bereits in Kapitel 1 erwähnt, dazu beauftragt, über das Wissen der scheidungsrechtliche Grundlagen zu verfügen. Andernfalls droht das Risiko, relevante Aspekte der Scheidungsthematik außer Acht zu lassen. Der juristische Scheidungsprozess hat neben rein formalen Konsequenzen auch Auswirkungen auf die mentale Stabilität aller Beteiligten und das Familiensystem (vgl. Textor 1991, S. 58).

Wo es im 19. Jahrhundert noch laut §1353 BGB hieß: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen“ (Witte/Sibbert/Kesten 1992, S. 14), gelten zu der heutigen Zeit erweiterte Rahmenbedingungen. Damals galt die Gesetzesregelung einer Scheidung als Abweichung der sozialen Norm. Diese Art der Gesetzgebung hatte die Konsequenz, das Gefühl von Andersartigkeit und Abgrenzung zum Rest der Gesellschaft für Betroffene auszulösen (vgl. Witte/Sibbert/Kesten 1992, S. 14). Im 20. Jahrhundert steigen die Zahlen der Scheidungen und damit einhergehend auch der Bedarf an Familien- Trennungs- und Scheidungsberatung durch freie und staatliche Träger (§ 16, 17, 28, 50 KJHG) (vgl. Northoff 1996, S. 298).

Zu den ersten Anlaufstellen einer Beratung bei Trennungsthemen zählen in Deutschland kommunale Einrichtungen wie der ASD sowie kirchliche oder private Verbände wie Caritas, Diakonie oder pro familia. Für die Konfliktbewältigung betroffener Kinder, kann sich die Familie auch an das Jugendamt wenden. Diese vorerst kostenlosen Beratungsmöglichkeiten bieten eine erste Unterstützung der emotionalen sowie organisatorischen Konflikte aller Beteiligten. Die Mitarbeiter*innen dieser Einrichtungen, werden die Betroffenen an eine rechtlich gestützte Scheidungsberatung bei einem Rechtsanwalt weiterleiten, wenn eine Aufrechterhaltung der (elterlichen) Beziehung ausgeschlossen ist. Laut RDG darf nur ein Rechtsanwalt Auskunft über Rechtsberatung bei Scheidungsthemen geben. Im Idealfall kommt es zu einer einvernehmlichen Trennung, die Kosten und Nerven spart. Das Scheitern der Ehe und die damit einhergehende Scheidung wird erst nach einem Jahr der Trennung durch einen Richter zugelassen (vgl. § 1564-1568 BGB). Wenn dies der Fall ist, werden mithilfe des Anwalts folgende Aspekte geklärt: Trennungs- und nachehelicher Unterhalt, Verbleib der gemeinsamen Wohnung und des Hausrats sowie Sorgerecht und Unterhalt bei gemeinsamen Kindern (vgl. § 133-168a FamFG). Nach Bedarf können die Eheleute auch eine*n Mediator*in beanspruchen. Die beratende Person sollte entsprechend ausgebildet sein und über ausgeprägte rechtliche Fachkenntnisse verfügen (vgl. Ambros 2021, Internetquelle).

Die im § 95 Abs. 1a AußStrG. festgehaltenen Aspekte berufen sich auf die Beratung der Eltern über das emotionale Erleben der Scheidung ihrer minderjährigen Kinder. Bei dieser Beratung geht es konkret um die Erkenntnis, dass Kinder Verlust erfahren und die neue Lebenssituation Angst und Ungewissheit auslösen kann. Weiterhin können Gefühle wie Ohnmacht, Wut, Scham oder Schuld entstehen. Die Schulgefühle belaufen sich auf die Annahme wegen bestimmter Verhaltensmuster, Grund für die Trennung oder Scheidung der Eltern zu sein. Kinder befinden sich zudem in einem Loyalitätskonflikt, bei dem Kinder unter Stress stehen, wenn sie versuchen beiden Elternteilen gegenüber Genüge zu leisten. Die Beratung vermittelt Eltern, dass die entstehenden Gefühle der Kinder nicht unterdrückt, sondern verstanden und gemildert werden sollten sowie ressourcenorientiert Chancen in der neuen Lebenssituation zu stützen (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, 2014).

Der Bedarf an Ehe- und Scheidungsberatung ist aufgrund steigender Scheidungszahlen in den letzten Jahrzehnten drastisch gestiegen. Scheidungsberatung kann durch freie und staatliche Träger sowie Rechtsanwälte getragen werden. Der Auftrag der Beratung liegt hauptsächlich in der Wiederherstellung oder einer angemessen Beendigung einer Beziehung. Ein transparenter und einfühlsamer Umgang aller Beteiligten v.a. mit gemeinsamen Kindern ist bedeutsam für eine geeignete Lebensumstellung zur Vermeidung von Konflikten und Leidensdruck.

2. Paarberatung

Für das verbesserte Verständnis von Paarberatung und ihrem Beratungsauftrag, gilt es vorerst den Begriff einer Partnerschaft zu klären. Allgemein wird eine Partnerschaft als „ein Kommunikations- und Kooperationsprinzip bzw. eine Beziehungsstruktur zwischen Individuen oder Organisationen, denen ein spezifisches Leitbild zugrunde liegt, aus dem sich, für die Beteiligten oft unbewusst, ein diesem Leitbild entsprechendes Selbstverständnis, Verhalten und Empfinden ableitet“ bezeichnet (Koschorke 2021, Internetquelle).

Im hier betrachteten Sinne gilt Partnerschaft für das Zusammensein und/oder Zusammenleben zwischen zwei Menschen (vgl. Koschorke 2021, Internetquelle). In einer Partnerschaft wird zwischen drei verschiedenen Ebenen unterschieden: 1. Die Ebene der Lebensgefährt*innen. Die Partner*innen verfolgen gemeinsame Ziele und bauen sich ein Leben zusammen auf (z.B. gemeinsam ein Haus bauen oder in den Urlaub fahren). Die Leitbilder der Lebensgefährt*innen setzen sich aus der Zufriedenstellung durch Erfolg, Konsum und Beziehungen außerhalb der Partnerschaft zusammen. 2. Die Ebene der Eltern. Die Partnerbeziehung entwickelt sich durch die Elternrolle. Im Vordergrund steht das Erschaffen von Leben und das Fortbestehen in den eigenen Kindern. 3. Die Ebene der Liebhaber*innen. Das Paar drückt Liebe und Sexualität durch Zuneigung und Zärtlichkeit aus. Die Werte der Liebhaber*innen sind gegenseitige Befriedigung auf emotionaler und sexueller Ebene. Die unterschiedlichen Ziele der Ebenen kollidieren miteinander. In einer Partnerschaft kann dies Konfliktpotenzial mit sich bringen (vgl. Koschorke 2013, S.108f.).

Mit der Entwicklung des modernen Sozialstaats in den westlichen Industrieländern, änderte sich auch die Stellung von Partnerschaft, Familie und Ehe. Da die Ehe nun weniger aus praktischen und materiellen, sondern mehr aus emotionalen Gründen geschlossen wurde, veränderte sich auch die Gesellschaft. Aus Erstfamilien und -ehen entstehen heute vermehrt Patchworkfamilien und die Anzahl nichtehelicher Paare nimmt zu. Eine weitere neue Art der Lebensform betrifft die Living-apart-together-Paare, bei der zwei Menschen sich dazu entscheiden zusammen zu sein, aber nicht zusammen zu wohnen. Frauen und Männer sind heute näher an der Gleichberechtigung als vor dreißig Jahren. Dies hat zur Folge, dass Frauen trotz Familie zunehmend arbeiten. Die erhöhte Chance zur Selbstverwirklichung bringt zum einen Freiheit und zum anderen den Druck bei einer Vielzahl an (Berufs-)Möglichkeiten die richtige Entscheidung zu treffen. Durch die verringerte Kinderzahl ist auch die Zeitspanne, in der ein Paar allein zusammen lebt, gestiegen. Folglich ist auch die Qualität der Beziehung für die Partner*innen wichtiger geworden.

Durch diese partnerschaftlichen Veränderungen entstehen auch neue Beratungsthemen. Unverheiratete Paare beschäftigen sich oft mit anderen Thematiken als Eheleute oder geben bestimmten Beziehungsaspekten eine andere Bedeutung. Dabei kann es sich um (unterschiedliche) Sichtweisen von Verbindlichkeiten, Zukunftsplänen, Kinderwünschen oder Monogamie bzw. Polygamie handeln.

Dieser Wandel von partnerschaftlichen Themen beeinflusst die Arbeit von Paarberater*innen (vgl. Hess 2003, S. 71ff.).

2.1. Definition

Die Begriffsbezeichnung der Beratung steht als allgemeine Grundform aller Arten von professioneller Unterstützung zur Konfliktlösung.

Darunter zählen alle möglichen Formen der Einzel-, Paar- und Familientherapie sowie Beratung von Teams und Organisationen mithilfe von Coaching oder Mediation.

Grundsätzlich wird hierbei in Experten- und Prozessberatung unterschieden. Bei der Expertenberatung bietet ein*e Expert*in (z.B. Anwalt, Steuerberater*in etc.) angeeignetes Wissen als Unterstützungsleistung an. In einer Prozessberatung agieren Berater*innen als unterstützende Begleitperson der Klient*innen (z.B. Therapie, Organisationsentwicklung, Mediation). Grundlegend ist die Förderung der Hilfe zur Selbsthilfe. Das heißt, dass Klient*innen für ihre Prozesse selbst verantwortlich sind und Berater*innen nicht intervenieren, sondern prozessfördernde Entwicklungen unterstützen. In Anbetracht dieser Aspekte, wird Paarberatung als Prozessberatung angesehen. Paarberatung grenzt sich als Begriff von der Ehe- oder Paarmediation, Familienmediation und der Ambivalenzberatung ab.

Die Ehe- oder Paarmediation richtet sich an Paare, welche ihre Beziehung erhalten möchten. Zu der Zielgruppe der Familienmediation gehören Familien und Paare, die sich bereits dazu entschlossen haben, sich zu trennen oder scheiden zu lassen und außergerichtliche Unterstützung bei Konflikten aufsuchen.

Wenn Paare Unterstützung bei der Entscheidung die Beziehung aufrechtzuerhalten oder sich zu trennen, benötigen, ist die Ambivalenzberatung die passende Anlaufstelle.

Die Paarberatung oder Paartherapie (keine Unterscheidung in Anbetracht der Methoden) widmet sich vorrangig den Gefühlen und der individuellen Beziehungsgestaltung beider Partner*innen (vgl. Hess 2003, S. 74f.).

2019 nahmen 6179 Klient*innen die Unterstützungsleistung der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in München und Freising in Anspruch. Dabei widmeten sich Berater*innen 15426 Stunden den Themen der Paarberatung. Die Einzelberatung liegt mit 15180 Stunden nur knapp dahinter (Familien- und Gruppenberatungen wurden „nur“ bei ungefähr 350 Stunden beansprucht). Die Wartezeit auf eine Beratung liegt im Durchschnitt bei 29 Tagen und umfasst durchschnittlich fünf Sitzungen. Dabei handelt es sich um Kurzberatungen, die klären ob es sich bei der Problematik um Psychoedukation, Ursprung partnerschaftlicher Konflikte und/oder Hilfe zur Selbsthilfe handelt oder ob eine Weiterleitung an andere Beratungsstellen, Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen erforderlich ist. Frauen suchen die Beratungsstelle mit 58% etwas häufiger auf, als Männer (42%). Die Klient*innen sind durchschnittlich zwischen 31 und 50 Jahre alt und kommen zu 82% aus Deutschland (vgl. Dahlinger/Ranzinger/Schlierf 2019, S. 19ff.)

Koschorke verwendet im Kontext der Paarberatung auffallend häufig den Begriff Spaß: „Paarberatung oder Paartherapie soll Paaren, die den Spaß an ihrer Beziehung verloren haben, dabei behilflich sein, diesen Spaß wieder neu zu entdecken […] auch die Paarberatung selber soll der Berater*in und den Klient*innen Spaß machen“ (Koschorke 2013, S. 15).

Ob Berater*innen immer Spaß haben, lässt sich schwer beurteilen und ist in Frage zu stellen. Jedoch gibt es bestimmte Ansätze und Methoden, die zu einer erfolgreichen Paarberatung beitragen können. Diese werden in Kapitel 3 genauer behandelt. Davor gilt es im folgenden Kapitel zu klären, unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen Paarberatung umgesetzt wird.

2.2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Paarberatung

Paarberatung widmet sich der Aufgabe, partnerschaftliche Konfliktsituationen zu überwinden. Insofern ist Paarberatung keine medizinische Heilbehandlung und wird dementsprechend nicht von gesetzlichen oder privaten Krankenkassen übernommen. Paarberatung ersetzt keine medizinische und psychotherapeutische Behandlung. Es werden weder Diagnosen, noch Medikamente vergeben. Bei Verdacht auf psychische Erkrankungen verweisen Paarberater*innen auf andere Unterstützungsleistungen (z.B. Psychotherapie) hin und können Klient*innen eine vorübergehende Übergangsberatung anbieten.

Paar- und Eheberatung wird in Deutschland als rein beratende Unterstützung nicht rechtlich unterschieden.

In der Praxis ist Paarberatung häufig tiefgreifender und langfristiger, als Eheberatung, die sich vorwiegend auf organisatorische Aspekte bezieht.

Die Begriffe der Paarberatung und Paartherapeut*innen sind nicht gesetzlich geschützt. Es existiert keine einheitliche im Gesetz verfasste Vorschrift der Voraussetzungen für die Arbeit als Paarberater*in. Verschiedene Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten unterschiedliche Schulungen (mit unterschiedlichen Inhalten und Teilnahmevoraussetzungen), wobei bei erfolgreichem Abschluss teilweise ein Zertifikat verliehen wird. Soziale und kirchliche Träger bieten Paarberatung günstig, kostenlos oder spendenbasiert an. Wenn das Wohlergehen von Kindern oder Jugendlichen betroffen ist, werden die Kosten einer Familientherapie von Sozialhilfeträger oder Jugendämtern getragen (vgl. Nickel 2021, Internetquelle).

3. Anlässe in der Paarberatung

Bereits in Kapitel 2 wurde näher gelegt, mit welchen Beratungsanlässen Paare in der Moderne Paartherapie oder Paarberatung aufsuchen. Im Kontext der Selbstentfaltung, die jeder Mensch individuell im Laufe seines Leben erlebt, treffen bei einer Liebesbeziehung zwei Menschen aufeinander, die sich bei ihrer jeweiligen Entwicklung unterstützen und begleiten können. Da jedes Individuum unterschiedliche Interessen und Wünsche verfolgt, entsteht unumgänglich Konfliktpotenzial innerhalb einer Partnerschaft. Mit diesen Konflikten ist jeder Mensch bereits in Beziehungen (z.B. Eltern, Geschwister, Freunde, ehemalige Partner*innen) in Kontakt getreten.

Die Erfahrungen, die Personen innerhalb dieser Beziehungen erlebt haben, wirken sich auf die Stabilität einer Partnerschaft aus. Wurde zum Beispiel eine Frau in ihren Vorhaben selten bis nie von ihrem Vater unterstützt, werden in ihrer Partnerschaft Probleme auftreten, die weniger in der gegenwärtigen Beziehung, sondern der Vergangenheit liegen. Die Rede ist hierbei von neurotischen Konflikten, die von individuellen Erfahrungen geprägt werden (vgl. Schär 2016, S. 32).

Des Weiteren besteht Konfliktpotenzial in der Erwartungshaltung, dass die erste Phase der Verliebtheit erhalten bleibt. Ob die Beziehung nach der anfänglichen Verliebtheit im Alltag besteht, ist von den Grundannahmen und dem Umgang mit Problemen der jeweiligen Partner*innen abhängig (vgl. Koschorke 2013, S. 86). Wenn Paare diesem Erwartungsdruck standhalten und in der Desillusionierung weiterhin zusammenbleiben, treffen sie auf weitere mögliche Konfliktsituationen innerhalb einer Beziehung.

Weil jeder Menschen seinen Alltag jeden Tag in ähnlichen Mustern erlebt, wird häufig vergessen, welche Auswirkungen und Gefahren für eine Beziehung in alltäglichen Gegebenheiten stecken können. Der alltägliche Stress kostet vielen Paaren Zeit und Energie, die für Situationen im Beruf und/oder in der Kinderziehung „aufgebraucht“ wird. Folglich bleibt weniger Zeit für die Fürsorge der Partnerschaft. Unter Stressbedingungen verschlechtert sich häufig auch die Kommunikationsqualität. Paare die außerhalb ihrer Beziehung Stress erleben, tragen diese häufig in ihre Partnerschaft, auch wenn die Stresssituationen unabhängig von der*m Partner*in sind (vgl. Schär/Gmelch 2019, S. 120ff.). Wenn die Kommunikation leidet, besteht die Gefahr, dass Paare häufiger Nachrichten auf der Beziehungs- als auf der Sachebene austauschen. Eine auf sachlichen Informationen basierende Unterhaltung kann sich so in kommunikative Teufelskreise bis hin zur Eskalation entwickeln (vgl. Schulz von Thun 2017, S. 33).

Aus Sicht der Transaktionsanalyse kann es hierbei zu verdeckten Transaktionen kommen. Ein*e Partner*in sagt etwas und meint doch etwas anderes. Durch nonverbale Signale und Kontext kann zwar der wahre Inhalt der Nachricht decodiert werden, aber durch schon bestehende Stresssituationen und daraus resultierenden Mangel an Kommunikationsqualität, kann dies missinterpretiert werden und zu Konflikten führen (vgl. Gührs/Nowak 2014 S. 99f.). Stress kann ebenso bewirken, dass Menschen Charaktereigenschaften (z.B. Ungeduld, Aggression, Rücksichtslosigkeit etc.) offenbaren, die in harmonischen Situationen gut zurückgehalten werden können. Zudem kann häufiger Stress nicht nur zu psychischen, sondern auch physischen Erkrankungen führen, die eine Partnerschaft auf kurze Dauer verbinden kann, aber langfristig zu einer zusätzlichen Belastung des Alltags führt (vgl. Schär/Gmelch 2019, S. 120ff.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Paarberatung. Anlässe, Konzepte und Methoden des Beratungsfeldes
Hochschule
Hochschule Neubrandenburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
27
Katalognummer
V1023801
ISBN (eBook)
9783346423535
ISBN (Buch)
9783346423542
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beratung, Paar, Paarberatung, Beratungsfeld, Scheidung, Trennung, Systemischer Ansatz
Arbeit zitieren
Maxi Koch (Autor:in), 2021, Paarberatung. Anlässe, Konzepte und Methoden des Beratungsfeldes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1023801

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