Drogenszene Europa und Drogenpolitik im internationalen Vergleich


Seminararbeit, 2000

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Drogenszene in Europa
1. Geschichte der Drogen in Europa in den letzten 30 Jahren
2. Straßenmarkt
3. Drogenhandel
4. Verbreitung innerhalb der Gesellschaft
5. Multipler Konsum

II Drogenpolitik in Europa
1. Einfluß
2. Drogencamps

III Drogenszene / Drogenpolitik der Länder im Einzelnen
1. Italien
2. Österreich
3. Frankreich
4. Schweden
5. Spanien
6. Schweiz
7. Großbritannien
8. Niederlande
9. Deutschland

IV Fazit

V Literaturverweise

I Drogenszene in Europa

Geschichte der Drogen in Europa in den letzten 30 Jahren

Nicht nur in den letzten Jahrzehnten unterlag der Drogenkonsum des Menschen stark variierende Trends. Auffällig jedoch ist, daß jene sich in immer kürzer werdenden Abschnitten abwechselten. Vor circa 30 Jahren waren in Amsterdam und Umgebung, und in größten Teilen der Niederlande sowie Haschisch, Marihuana als auch LSD und Speed besonders populär. Man darf ruhig behaupten, daß der Einfluß der Amsterdamer Drogenszene große Auswirkungen auf den Bereich der heutigen EU ausübte. Natürlich darf man hier die sozialpolitischen Zusammenhänge nicht außer Acht lassen, denn gerade mit Aufkommen der Hippie - Kultur wurden diesen Drogen eine Symbolik geradezu aufgedrängt. In den 80 -ern fand Kokain (als nächtliches Aufputschmittel) wieder eine große Anhängerschaft. Da Kokain von der Wirkung gegenteilig der oben genannten wirkt (außer Speed), überrascht auch dieser Trend wenig. Diese Zeit stand ja eher für gesteigerte Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz, Coolness und Singledasein. Den gesteigerten Kokainkonsum in dieser Zeit kann man getrost als eine Modewelle betrachten.

In Skandinavien und Großbritannien kursierten in dieser Zeit hauptsächlich Amphetamine (syn. Ecstasy b.z.w. XTC) und Schnüffelstoffe wie Benzin, Lacke, Farben, Klebstoffe etc. XTC fand Ende der 80 -er jedoch auch große Ausbreitung in den Niederlanden, durch die sich dort entwickelnde Szene um die Housemusik (125 bpm Ableger von Techno). Haschisch und Marihuana finden seit etwas mehr als 10 Jahren wieder wachsende Beliebtheit. Alles in Allem kann man sagen, daß der Markt modischen Trends unterliegt und deshalb die meisten Drogen eher szenetypisch anzutreffen sind. Bestimmt wird die Drogenszene aber letztendlich von der Heroinszene, denn sie ist Garant für den gesellschaftlichen und gesundheitlichen Abstieg, verbunden oftmals mit Kriminalität, Prostitution und Armut. Sowie Länder, als auch Städte schlußfolgern somit fälschlicherweise aus der Anzahl der Herointoten ein Gesamtbild ihrer Drogenszene.

Straßenmarkt

Der Straßenmarkt wird größtenteils von Dealern aus Nord- und Westafrika dominiert. Eine ganz besonders große Anzahl kommt aus Nigeria. Ein Beispiel: Frankfurt wurde bis Mitte der 80 -er von Senegalesen beherrscht. Ende der 80 -er kamen besonders viele Marokkaner und es entstand ein Interessenkonflikt. Die Senegalesen zogen den Kürzeren und gingen nach Hamburg. Dort mußten sie jedoch mit gambischen und türkischen Händlern in Konkurrenz treten.

In der EU gibt es circa 800 000 - 1 Million Heroinabhängige. Diese setzen pro Tag etwa 200 Millionen DM in Stoff um.

Drogenhandel

Als vor etwa 30 Jahren der Heroinkonsum drastisch stieg (man konnte es nun synthetisch herstellen), nutzte die Mafia ihre jahrzehntelange Erfahrung und stieg in das Geschäft ein. Sizilien wurde zum wichtigsten Einfuhrhafen Europas. Von Drogenfahndern auch deshalb die „Archillessehne“ Europas genannt.

Heute, so Drogenfahnder, haben sich die Syndikate, unter Absprache, den Europäischen Markt aufgeteilt. Anscheinend waren sie mit die Ersten die, die Globalisierung guthießen. Der Kokainmarkt wird bestimmt durch die Organisation namens „Camorra“. Der Stoff gelangt von Südamerika über Rußland, Polen, Tschechien und Deutschland nach Europa. In den letzten Jahren jedoch fanden sich neue Handelswege vor allem über Portugal und Spanien. Diese Länder haben den Vorteil, daß sie von langen Küsten begrenzt sind. Viele kleine (Fischer-) Häfen machen es dem Zoll schwer. Außerdem spricht man dort die selben Sprachen wie in den Ursprungsländern.

Türkische Organisationen sorgen für reichlich Heroin. Über den Balkan gelangt es bis in die USA. Den Schmuggel haben zur Hälfte nigerianische Organisationen in der Hand. Auch im Kokaingeschäft wächst ihr Anteil stetig.

Die Niederlande ist der größte Exporteur von Gras und Amphetaminen. Europas Haschisch kommt hauptsächlich aus Marokko.

Seit dem Ende des kalten Krieges jedoch drängen auch andere Länder auf den Markt. So ging ein Fang größerer Mengen XTC Pillen in Skandinavien auf eine staatliche Pharmafirma in Lettland zurück. Dort suchte selbst der Staat nach neuen Absatzmärkten. In Polen werden vermehrt Amphetamine produziert, und Kasachstans Marihuanaflächen sollen die fünffachen Ausmaßen der marokkanischen haben. Ein nicht zu unterschätzender Anteil, gerade bei Heroin und Cannabisprodukten, wird auch einigen asiatischen Ländern zugeschrieben.

Verbreitung innerhalb der Gesellschaft

Die Verbreitung der Drogen im Einzelnen wird in Europa durch mehrere Beobachtungsstellen in jährlichen Bilanzen zusammengefaßt. Alle nachfolgenden Fakten stammen aus den Jahresbilanzen 1998, der EU weiten Beobachtungsstellen mit den Kürzeln EMCDDA und EBDD. Demnach gehören Cannabisprodukte zu den am häufigsten illegal konsumierten Drogen. Wenn man einmal die Lebenszeitprävalenz betrachtet, dann haben von den 15 - 39 jährigen rund ein Viertel bis die Hälfte schon mindestens einmal in ihrem Leben gekifft. Während ihr Anteil in den skandinavischen Ländern (außer Dänemark) und in Belgien unter

10 % liegt, probierten in Deutschland und Frankreich etwa 15 %. In Spanien, den

Niederlande und Großbritannien sind es sogar 22 - 28 %. Spitzenreiter jedoch ist mit 33 % Lebenszeitprävalenz Dänemark. Bei den Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren sind die Zahlen erwartungsgemäß etwas höher. Hier liegt Deutschland mit 22 % an unterer Stelle. Dänemark (28 %), Niederlande und Frankreich (beide 30 %) bewegen sich eher im Mittelfeld. Spitzenplätze belegen Großbritannien und Irland mit je 36 % der Befragten. Bei allen anderen illegalen Drogen wird eine Lebenszeitprävalenz von 10 % generell nicht überschritten. Auffällig ist die weite Verbreitung von Schnüffelstoffen gerade in den skandinavischen Ländern, in England und Griechenland. Die Lebenszeitprävalenz der 15 - 16 jährigen beträgt in den eben genannten zwischen 6 - 9 %. In der Häufigkeit der Drogen folgen dann die Amphetamine. Speed wird vor allem viel in England und in Luxemburg konsumiert. Die Umfragen sind natürlich nicht wirklich repräsentativ, da sich aus Zahlen (besonders bei Umfragen) und Statistiken nicht wirklich die Situation erfassen läßt. Jedoch geben sie wenigstens einen Überblick über die ungefähre Lage. Man ist davon abgekommen, Umfragen für harte Drogen (gemeint ist in diesem Fall Heroin) zu betreiben, da man sich zu unsicher über die Ergebnisse ist. Zur Entwicklung der Lage kann man sagen, daß es einen stetig steigenden Konsum der weichen Drogen gab und gibt, mit einer Zunahme von bis zu mehreren 100 Prozent pro Jahr. Auch bei den meisten anderen Drogen verzeichnet man einen Anstieg des Konsums während der letzten 10 Jahre.

Multipler Drogenkonsum

Mehr als ein Drittel der Befragten konsumieren 3 illegale Drogen regelmäßig. 8 Prozent sogar bis zu 5 illegale Drogen. Hierbei muß jedoch zwischen Beikonsum und Ersatzkonsum unterschieden werden. Ein Beispiel für Beikonsum: Der Abend fängt in gemütlicher Freundesrunde an. Es wird zur Entspannung gekifft. Später im Club gibt’s die erste XTC - Pille um gut drauf zu sein. Gegen Mitternacht läßt die Wirkung nach. Eine weitere Pille würde wenig bringen, deshalb wird auf Speed (ein Wachmacher) umgestellt. Gegen Morgen wird sich dann meist wieder „heruntergekifft“. Ersatzkonsum kommt vermehrt bei Junkies vor. Um die Schmerzen zwischen zwei Heroinschüben zu lindern, greift der Heroinkonsument zu Kokain, Alkohol, Cannabisprodukten etc. Dabei verblaßt oft die Grenze zwischen Bei - und Ersatzkonsum. Aber wie schon erwähnt neigen nicht alle der Befragten zu multiplen Drogenkonsum. 29 % der Kiffer gaben an, sonst keine illegale Droge zu konsumieren. Bei den XTC Konsumenten sind es etwa 6 %. Rund ein Drittel aller XTC Schlucker gab an, nur (großzügige) Erfahrung mit Cannabis Sativa zu haben. Der Genuß von Zigaretten und Alkohol jedoch ist in allen Kreisen weit verbreitet.

II Drogenpolitik in Europa

Einfluß der Drogenpolitik

Sieht man die Zahlen der Umfragen, käme man leicht auf den Gedanken, ein Verbot der Drogen sei nur eine Farce seitens der Regierungen. Warum ein Gesetz, wenn ein Viertel der Bevölkerung es zum Teil unterwandert. Ist nicht diese Art des stummen Protestes eine der reinsten Formen der Demokratie? Nun wie schon erwähnt, sollte man vorsichtig sein was Zahlen anbelangt. Jedoch ist auch Unverständnis für die aktuelle Drogenpolitik berechtigt. So gibt es nur zwei Länder innerhalb der EU (Niederlande und Belgien), die offiziell einen Unterschied zwischen “harten“ und “weichen“ Drogen machen. Dennoch, beim genauen Hinsehen erkennt man Unterschiede in den verschiedenen Ländern. Generell kann man aber schon sagen, daß allgemeine Ratlosigkeit herrscht. Die meisten Länder haben keine wirkliche nationale Drogenpolitik, es sei denn, Verbote alleine seien schon Politik. Was wir vielmehr haben, ist der Ausbruch und Zusammenschluß mehrerer Städte zu Bündnissen („Frankfurter Resolution“ (weiche Linie), „European Cities Against Drugs“ (harte Linie)) mit gemeinsamen Zielen und Vorgehensweisen. Doch zuerst etwas zum Einfluß der Drogenpolitik.

Auf der einen Seite haben wir natürlich die Regierung (Bundes- und Landesebene) mit der Justiz. Diese erlassen Gesetze, beraten von der Wissenschaft, und unter großem Druck seitens Kirche, dem Volk und den Medien. Diese wiederum beeinflussen sich auch gegenseitig. Was all diese Gruppen gemein haben ist, daß sie die Lage zum größten Teil eher aus einer Distanz betrachten. Die Wissenschaft, die auch die Regierungen berät, kann die Dinge da sicher am objektivsten beurteilen, trotzdem fehlt auch hier der direkte Draht. Es gibt europaweit tausende von Arbeitsgruppen, die sich auf zahlreichen Tagungen treffen um Erkenntnisse, Ergebnisse und Meinungen auszutauschen. Beobachter solcher Konferenzen sprechen aber von einer auffälligen Einigkeit. Vielmehr, so etwas böser gestimmte Zungen, heißt das Motto: „Sehen und gesehen werden“. Denn wer oft präsent, gilt schnell als Fachmann auf seinem Gebiet, und darf die EU Subventionen für sich kassieren b.z.w. auf einen besseren Posten hoffen. Besonders die Städte, in denen sich Drogenprobleme ja konzentrieren, haben davon „die Nase voll“. Als kleine jedoch wichtige Gruppe seien noch die Ärzte genannt. Ihr Kontakt ist zwar direkter, jedoch kommt es in den wenigsten Fällen wirklich dazu. Dafür gibt es landestypische Gründe. Als letzte Gruppen des Einflusses seien noch die Polizei und die Sozialarbeiter genannt. Sie verbindet der direkte Kontakt zur Drogenszene und damit auch die meiste Arbeit. Überwiegend ist das jedoch auch alles was sie verbindet. Nicht oft kommt es eher zu Interessenkonflikten.

Kurzum, viele Köche verderben den Brei. Bei zuviel Einfluß von überall entstehen zu viele Meinungen. Daß führt oft zu Dogmen oder blinder Hysterie und somit zu unüberlegten (weil kurzsichtigen) Panikmaßnahmen, oder letztendlich, was immer fälschlicherweise wie die einfachste Lösung aussieht, zu Verboten. Die Länder der EU sind ein schöner Spiegel aller Facetten, wie man daß Problem falsch, jedoch auch in einigen Fällen, wie man es richtig anpacken kann. Ein Vergleich der Drogenpolitik der einzelnen Länder halte ich aber nicht für rentabel, da doch die Unterschiede zu groß sind. Jedes Land hat seine eigene (Drogen-) Geschichte und kulturellen Hintergründe. Außerdem kann man in den seltensten Fällen von einer nationalen Drogenpolitik sprechen, ein Grund auch, warum es so schnell keine EU - weite Drogenpolitik geben wird.

Drogencamps

Ein bei allen Seiten durchaus beliebtes Projekt ist das Drogencamp. Wie der Name schon richtig vermuten läßt, handelt es sich dabei um eine Art Arbeitslager für (ehemals) Süchtige. Der Sinn ist einfach. In sozialer Abhängigkeit sollen die Menschen lernen, den Tag wieder sinnvoll für sich und die Gesellschaft zu verbringen. Meist geht es um die Bewirtschaftung eines Bauernhofes.

In Europa gibt es circa 3000 dieser Camps. Verbreitet sind sie in Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. In den nördlichen Ländern mißtraut man dem Ganzen eher. Deshalb sind die meisten Camps multinational. Wie schon erwähnt geht es um Tätigkeiten auf dem primären Sektor. 25 Menschen, betreut von einem Sozialarbeiterteam, versuchen dort wieder ein normales Leben zu führen.

Nun gibt es für alles was es gibt immer das Außergewöhnliche. Bei den Drogencamps heißt dieser Superlativ San Patrignano und liegt folgerichtig in Italien. Auf etwa 350 Hektar wohnen dort ca. 2500 ehemals Drogenabhängige aus ganz Europa. Ein Viertel von Ihnen sind HIV - seropositiv. Sie wohnen in selbstgebauten Holzhäusern, meist zu siebend. Die Voraussetzungen, um in so ein Camp zu kommen (und zu bleiben !) sind allerdings nicht einfach. Zuerst muß man sich einer Entgiftung und einem AIDS - Test unterziehen. 10 Zigaretten am Tag sind erlaubt. Ein Handwerk muß erlernt und angewendet werden. Ganz wichtig ist die Mitarbeit in den Gemeinschaften, sprich soziales Engagement. Damit die Menschen auch dort bleiben, gibt es ausgeklügelte Hierarchie - Systeme. An sich ist dieses Camp so etwas wie eine kleine Stadt. Es gibt dort Kirchen, Kindergärten, Mensen, Kinos, Bibliotheken, eine eigene Wäscherei sowie eine international beachtete Pferdezucht mit über 200 Pferden. Die Haupteinnahmen kommen aus dieser Pferdezucht, und dem Weinbau. Alles in allem wird das Camp als ein Erfolg bezeichnet. Nur die Besitzverhältnisse sind etwas dubios und es gehen so einige Gerüchte umher. So sollen sich auch schon öfter der Verfassungsschutz, das Finanzamt, und Sektenbeauftragte näher mit dem Camp befaßt haben.

III Drogenszene / Drogenpolitik der Länder im Einzelnen

Italien

Italien ist ein typisches Beispiel dafür, wie die Drogenproblematik ein Land überfordern kann. Italien verfolgt nämlich seit Ewigkeiten die harte Linie, und das bedeutet, jeder der mit Drogen erwischt wird landet praktisch im Gefängnis. Ende der 80 -er übernahm man die „War On Drugs“ Parole von George Bush senior. Bush allerdings ging, und Bill Clinton wollte damit nichts am Hut haben. Auch nach Jahren intensiver Drogenbekämpfung (oft im Zusammenhang mit der Mafia - Bekämpfung), hat niemand in Italien eine Ahnung wieviel Heroinabhängige es gibt. Schätzungen reichen von 150 000 bis 300 000. Die Folge einer harten Linie ist, daß die Gefängnisse schnell überfüllt sind, und auch rasch neu gebaute Gefängnisse sind schnell belegt. Harte Linie heißt auch, daß man keinen Unterschied macht, Wer in welchem Umfang welche Drogen benutzt, und so gelangten viele Menschen erst im Gefängnis in den kompletten Drogenstrudel. Und das man in Gefängnissen leichter an Drogen kommt, als auf dem Kiez in Hamburg, darüber herrscht in Europa eine erstaunliche Einigkeit. Die einzige Lösung, die Gefängnis - Problematik in den Griff zu bekommen, sah man in einer etwas liberaleren Drogenpolitik. Das Problem, daß generell beim Wechsel von der harten in die weiche Linie besteht ist, die Junkies kommen nun einfach wegen anderer Delikte in den Knast. Also gab es kein wirkliches Vorankommen. Man hat versucht Methadon - und Morphiumabgabestellen einzurichten. Allerdings stieß man in den meisten Regionen auf heftigen Widerstand der Ärzte. Dort wo der Widerstand sich in den Grenzen hielt, kam es oft zu Sabotageakten. Hoffnung zeichnete sich erst mit der Bildung mehrerer Volksinitiativen ab. Eine der erfolgreichsten (CORA - gegen Mafia und für Legalisierung der Drogen) sitzt heute sogar im EU Parlament.

Italien hat es gewiß nicht leicht, nicht zuletzt weil der Einfluß der Mafia wohl nicht ohne Bedeutung ist.

Österreich

In Österreich gibt es circa 8000 Heroinabhängige. 60 % davon sollen in Wien leben.

Methadon wird schon seit Jahren verschrieben, in Begleitung einer umfassenden Psychotherapie. Österreich fährt da etwas zweigleisig. Auf der einen Seite liberal, auf der anderen Seite sitzt gerade in Österreich der Regierung das Volk im Nacken. Deshalb wird viel mit Propaganda gearbeitet und darauf verwiesen, daß im Ausland (gerade in Deutschland) die Situation noch viel schlimmer sei. Parallel dazu übt die Polizei einen starken Druck aus, um die Bildung einer offenen Szene zu verhindern.

Frankreich

In unserem westlichem Nachbarland ist man der festen Überzeugung, daß die Drogenabhängigkeit das Schlimmste ist, was einem Menschen überhaupt passieren kann, und damit ein individuelles Problem. Annäherung, und da sind sich linke wie rechte Parteien einig, ist tabu. Somit ist nur einer von sieben Abhängigen in Behandlung. Seit 1992 gibt es allerdings eine kleine Kursänderung. Frankreich startete ein Methadonabgabeprogramm, in dessen Zuge 55 Menschen Hilfe fanden. 1996 waren es immerhin schon etwa 5000 Menschen. Doch der Schein trügt. Die Versorgung ist eher schlecht gesichert. Es gibt zum Beispiel keine Spritzenaustauschprogramme, um das HIV - Risiko zu senken. Vieles läuft noch heute über freiwillige Helfer. So werden jedes Jahr große Mengen Chlorwasser aus Chicago heimlich in das Land geschmuggelt, um so versteckt Spritzen zu reinigen.

Schweden

Schweden gehört auch zu den seltenen Ländern, in denen sich alle Regierungsparteien einig sind: Drogen gehören verboten! Wer erwischt wird, der muß mit Zwangsentzug oder Gefängnis rechnen. Sogar Sozialarbeiter fordern mehr Polizeipräsenz. Ein Junkie aus Stockholm wird zitiert: „Die Schweden verbergen alles, ihren Alkohol und ihre Drogen, deshalb können sie damit nicht umgehen.“ Das Alkoholproblem an sich überfordert die Regierung schon, da steht das Drogenproblem hinten an. Mitte 2000 wurde Aktivkohle verboten, da sich zu viele Menschen ihren Alkohol selber brennen. Die Folge ist, daß die Menschen sich nun einfach lange Brote backen, sozusagen als Ersatz, und dieses als Filter benutzen. Das Schwarzbrennen hat in Schweden eine lange Tradition, die auch durch horrende Alkoholpreise aufrecht erhalten blieb. Durch Verbote läßt sich niemand wirklich beeindrucken. Einen nicht geringen Anteil der Bevölkerung stellen die Lappländer dar, die (weit weg vom Regierungseinfluß) sowieso Probleme haben, sich über Nationen zu definieren. Viele der Lappländer sind Alkoholiker, was auf die rauhen Lebensbedingungen, und die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen ist.

Aber zurück zur Drogenpolitik. Die berühmte harte Linie fand hier ihren Ursprung, genauer gesagt als Städteaktion von Stockholm. Es war die Antwort auf den Start der weichen Linie, die 1990 mit der „Frankfurter Resolution“ hauptsächlich von Frankfurt aus organisiert wurde. Der „Frankfurter Resolution“ schlossen sich nämlich nach und nach mehrere Städte (als Verdrußreaktion über fehlende nationale Signale) z.B. Hamburg, Amsterdam, Zürich etc. an. Die „European Cities Against Drugs“ war sozusagen die Gegenfront, der außer Stockholm noch Berlin, Moskau, London und Paris angehören.

Spanien

Spanien ist ein tolles Modell dafür, was passiert, wenn man Drogenkonsum über einen langen Zeitraum hin totalitär unterdrückt. Nach 40 Jahren Franco - Diktatur, ist dort der Drogenkonsum förmlich explodiert. Alles was vorher verboten war, wurde nun ausgiebig nachgeholt. Als man vor der Euroeinführung noch einmal neue Geldscheine in Umlauf brachte, fanden sich laut Hochrechnung auf nahezu 90 % der alten Scheine Spuren von Kokain. Das wundert nicht, mausern sich, wie bereits erwähnt, Spanien und Portugal zu wichtigen Einfuhrländern für Südamerika. Zusammen mit Italien und New York City hat Spanien den weltweit höchsten Anteil an HIV - positiven unter Drogenabhängigen. 70 % der AIDS - Kranken nehmen harte Drogen. Trotzdem fährt Spanien weiter die harte Linie, denn der öffentliche Druck ist sehr groß.

Schweiz

Wenn man so etwas wie ein EU Modell im Kleinen betrachten möchte, sollte man sich mal die Schweiz genauer angucken. Auf circa 6,8 Millionen Einwohner kommen 25 000 Heroinabhängige. 1993 gab es 350 Drogentote. Den Eidgenossen ist das Problem ebenfalls über den Kopf gewachsen. Die Ursachen liegen klar auf der Hand. Zum Einen sind die Schweizer bekannt für ihren Hang zur konservativen Meinung, zum Anderen aber sind sie doch mit ihren vielen Volksentscheiden, der Demokratie ein ganzes Stück näher, als andere Länder. Auch fehlt in der Schweiz eine starke Zentralgewalt. Das Land wird vielmehr von 23 sehr mächtigen Kantonen aus regiert. Das macht eine nationale Drogenpolitik nahezu unmöglich. Dafür gibt es allerdings noch andere Gründe. In der Schweiz gibt es 4 voneinander völlig abgetrennte Sprachräume, mit jeweils eigenen kulturellen Einflüssen. Die deutschsprachigen Kantone würden am liebsten harte Drogen unter Aufsicht vergeben. Die französischsprachigen Kantone sind natürlich strikt dagegen. So kommt es seit Jahren zu keiner Annäherung. Im Endeffekt kam es auch in der Schweiz sogenannten Städteaktionen. Allen voran Bern und Zürich.

Bern hatte das Problem, daß eine große offene Szene quasi alle Stadtparks kontrollierte. Dealer aus vielen Teilen der Welt waren dort vertreten. 1992 ließ die Stadt die Parks komplett von der Polizei räumen. Im Gegenzug wurden Fixerräume und Spritzenaustauschstellen geschaffen. Dort bekommen registrierte Süchtige, unter ärztlicher und sozialpsychologischer Betreuung, Heroin, Morphium, Methadon und saubere Spritzen. Etwa 2000 Spritzen werden dort täglich eins zu eins getauscht. Gleichzeitig soll eine große Polizeipräsens die Bildung einer neuen Szene verhindern. Der massive Polizeidruck schadet jedoch der liberalen Politik. So wurden schon oft Junkies beim Betreten b.z.w. Verlassen der Fixerräume verhaftet, denn wer Spritzen bei sich trägt, besitzt auch Drogen, und daß ist ja strafbar.

Zürich gilt als die Drogenhauptstadt der Schweiz. Da ist die Stadt natürlich nicht ganz schuldlos. Genau wie in Bern versammelten sich die Junkies in den zahlreichen Stadtparks. Sogar ein ganzer Stadtteil (Letten) galt praktisch als besetzt. Zuerst versuchte man mit großangelegten Polizeirazzien wenigstens die Dealer zu vertreiben. Die waren so stark verstört, daß sie in eine Art Streik traten, und keine Drogen mehr lieferten. Das führte zu einigen Unruhen unter den Junkies. Die Polizei zog sich fürs Erste zurück. Man errichtete innerhalb Zürichs an gut überlegten Stellen Fixerräume und Spritzenaustauschstellen. Dann ließ man durch die Polizei alle Parks und auch den Stadtteil Letten räumen, und versuchte die Süchtigen aufzuteilen. Letten wurde sogar mit Natodraht umsäumt, um die Menschen am Zurückkommen zu hindern. Heute werden allein in Zürich 14 000 Spritzen täglich getauscht. Das sind 2/3 aller Spritzen die täglich in der gesamten Schweiz getauscht werden. Das, und die Schaffung des sogenannten ZAK - 12 Projektes, in dessen Zuge man reines (!) Heroin und Kokain für einen Spottpreis an registrierte Süchtige verkauft, führte natürlich zu unbequemen Nebenwirkungen. So entwickelte Zürich eine Sogwirkung, auch für außer- städtische Drogenkonsumenten. Denn eine liberale Politik läßt auch automatisch die Preise in den Keller purzeln. Heroin kostet hier etwa ein Viertel weniger als in der restlichen Schweiz. Da lohnt es sich schon mal, in eine Zugfahrt zu investieren, um dann beim Drogenkauf das Geld wieder einzusparen.

Großbritannien

Wenn man sich die Insel mal so anschaut bekommt man leicht das Gefühl, dort wird wirklich alles getan, um eine nationale Drogenpolitik zu verhindern. Die Ministerien für Gesundheit, Soziales, Inneres und Erziehung vertreten jeweils ihre eigene Auffassung von vernünftiger Vorgehensweise. Dazu kommt noch, daß das Land in 17 Gesundheitsdistrikte aufgeteilt ist, die alle ihren eigenen Kurs vertreten. Auch die Polizei agiert überall unterschiedlich. Wenn ein Gesundheitsdistrikt versuchte eine etwas liberalere Schiene zu fahren, konnte es sein, daß die Exekutive kurzerhand alle Spritzenverkäufer festnahm. In England startete man jedoch mit Methadonprogrammen. In Schottland und Wales gibt es bislang noch kein Einziges. In Liverpool gibt es Heroin und Kokain auf Rezept, in London scheiterten die Versuche an den Ärzten. Sozialarbeiter sprechen von Vorurteilen und der Arroganz der Ärzte. Der Heroinkonsum in Großbritannien ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Die Jugendlichen greifen dafür vermehrt zu XTC und LSD, die hauptsächlich aus den Niederlande importiert werden. Auch Crack, angeblich eingeschleppt von Jamaikanern, findet immer mehr Beliebtheit. Gerade auch in Industriegebieten (z.B. Nord - Irland) gehören sie zu den populärsten Weggehdrogen der jungen Generation. In meinem Gedächtnis brannte sich dieses Interview fest, indem ein 22 jähriger aus der Nähe von Belfast erzählte, wie er seinen Feierabend verbringt. Nach acht Stunden gasmaskenverpacken (12 Stück in 40 Sekunden) sieht er keinen anderen Weg, als sich mit Alkohol und viel XTC dem seelischen und körperlichen Knockout hinzugeben.

AIDS ist damit auch ein immer größer werdendes Problem. In Edinburgh sind etwa 50 % der Heroinabhängigen HIV - seropositiv, mit kontinuierlichem Anstieg. Deswegen werden seit ein paar Jahren von staatlicher Seite Spritzen verteilt. Allerdings decken diese 6 Millionen pro Jahr gerade mal die Hälfte des Bedarfs.

Ein positives Zeichen gibt es auch in Großbritannien. In Liverpool startete man einen Modellversuch, dessen Grundsatz die "Harm Reduction" ist. Im Prinzip beschreibt diese den Versuch einer liberaleren Politik. Wer einmal mit einem Gramm Heroin, Kokain oder mit fünf bis acht Gramm Cannabis erwischt wird, kassiert eine Verwarnung mit anschließender aufklärerischer Belehrung. Beim zweiten Mal kommt es bereits zum Gerichtsverfahren, in dessen Zuge der Angeklagte sogar mit einigen Monaten Gefängnis bestraft werden kann. Das scheint abzuschrecken. Natürlich ist das noch nicht Alles. Für die 3000 bis 5000 Fixer in Liverpool (450 000 Einwohner) wurden 10 Spritzenaustauschstellen geschaffen. Zusätzlich erhalten die Junkies noch Utensil in 20 Apotheken. Dazu kommt eine allumfassende psychotherapeutische Begleitung, nach dem Motto „We make Drugs boring“. Gestartet wurde die Aktion von dem Psychiater John Marks. Er war sich durchaus bewußt, daß die Abhängigen immer einen Weg finden werden, um an den Stoff zu kommen. Deshalb verschreibt er Heroin auf Rezept an regional - registrierte Junkies. Er betreut etwa 200 Klienten. Davon kriegen 100 Menschen Heroin und 20 Kokain. Rund ein Drittel hat er nach langwierigen Überzeugungsgesprächen auf Methadon umgestellt. 5 % hören angeblich ganz auf. Natürlich kann kein Psychiater einfach so Drogen verschreiben. Jahrelange Überzeugungsarbeit in Krankenhäusern, bei Polizei und Regierung war nötig, um den Modellversuch, wie er offiziell genannt wird, zu starten. Das Hauptargument, daß der Modellversuch seine angesetzten 3 Jahre einfach überschreiten durfte liegt bei der Polizei. Normalerweise geraten Abhängige etwa sieben Mal pro Jahr mit der Polizei in Konflikt. Nach der Behandlung sind es höchsten noch ein bis zwei mal in zwei Jahren. Das erspart den Ordnungshütern eine Menge Arbeit.

Niederlande

Kommen wir nun mal zu einem Land, daß die ganze Drogenproblematik von einer anderen Seite aus versucht in den Griff zu kriegen. Die Niederlande sind, zusammen mit Belgien, ein Land, in dem man auch offiziell einen Unterschied zwischen “harten“ und “weichen“ Drogen macht. Das Hauptprinzip heißt auch hier “Harm Reduction“. Man schaffte schon vor Jahren eine Teillegalisierung von Cannabisprodukten, indem man die Schaffung sogenannter Koffieshops organisierte. Mit Hilfe dieser “Cannabisrestaurants“ versuchte man die etwa 1 Million Kiffer (entspricht ca. ein Fünftel der Gesamtbevölkerung) einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen und sie gleichzeitig vor der Kriminalisierung zu bewahren. Das klingt schön einfach, ist es aber nicht, und hat demzufolge auch nicht geklappt. Trotzdem halten die Niederländer seit Jahren der ausländischen Kritik stand. Doch wo liegen die Probleme? Erstens kam es zu einem Wildwuchs der Koffieshops. So weiß man heute nicht, ob es 1500 oder sogar 2500 Koffieshops landesweit gibt. Allein in Amsterdam soll die Zahl auf über 400 angewachsen sein. Auch die Plantagen, meist heimlich in extra angemieteten Wohnungen untergebracht, erfuhren eine wahre Expansion. Das nächste Problem war die Herausbildung von Monopolen. Dabei sank der Gewinn der Kleinanbauer, und um nicht unterzugehen, mußten sie ihr Geschäft ausweiten. So vertrieben viele von ihnen nebenbei noch harte Drogen wie Amphetamine, Pilze, LSD und Kokain. Die Trennung des Marktes wurde damit praktisch zunichte gemacht. Auch bedienten sie sich einer gesetzlichen Lücke. Weil sie nur 30 Gramm auf Vorrat haben durften, züchteten sie einfach potentere Grassorten. So entstand das Nederwiet, eine Grassorte die der Bezeichnung “weiche“ Droge nicht mehr gerecht wird. Statt der üblichen 7 % enthält sie über 15 % des Wirkstoffes THC. Aber in den Niederlanden herrscht die Pragmatik. Keine Dogmen, keine Philosophie, sondern Toleranz und Handeln bestimmen die Politik. Man versucht nun die Anzahl der Koffieshops um etwa 75 % zu reduzieren und lockert gleichzeitig die Verkaufsbestimmungen. Dabei versucht man aber stets den Dialog mit den Händlern aufrecht zu erhalten. 1994 wurde der “Bond van Cannabis Detaillisten“ (BCD) gegründet, der praktisch so etwas wie die Lobby ehrlicher Kleinbauern darstellt. Der BCD steht für einen sauberen Handel (nur Cannabisprodukte) und arbeitet eng mit der Regierung zusammen. Gemeinsames Ziel ist die Trennung der Märkte.

Ein weitaus größeres Problem schaffen die harten Drogen. XTC findet seit etwa 1991 immer mehr Beliebtheit bei den Jugendlichen aller Schichten. Die Niederlande gelten ja als der größte europäische Exporteur. Auch Speed und Kokain kommen wieder in Mode, denn der Preis ist rapide gesunken. Dabei zählt man die meisten nicht zur Problemgruppe, sondern zu den sogenannten Freizeitsniefern, deren einziges “Verbrechen“ oft der Drogenkonsum bleibt. Allein in Amsterdam ( 690 000 Einwohner) sollen es rund 14 000 sein. Hier griff man dennoch härter durch. Der Wirkstoff von XTC MDMA wurde einfach verboten. Als Folge wurden die XTC Pillen nun mit allen erdenklichen Substanzen von Traubenzucker über Aspirin bis hin zu Strychnin, ja sogar LSD und Speed gestreckt. Das hatte weitaus ernstere Folgen, als der Genuß von reinem XTC. Nachdem der Versuch der Kontrolle also fehlgeschlagen war, ging man den Weg der Annäherung. Damit die sogenannten Houseparties nicht mehr im Untergrund abliefen, stellte man Hallen zur Verfügung, mit chemischen Prüfstellen für die Drogen, Sanitäterteams, kostenlosem H2O und Abkühlräumen. Das ist freilich ambivalent, da ja XTC eine harte Droge bleibt, und offiziell immer noch verboten ist. Man hat aber Angst, die Kontrolle total zu verlieren, wenn die Szene wieder in den Untergrund abwandert.

Was das Heroin betrifft, hat man in der Vergangenheit einen Riesenfehler begangen. Es gab etwa 21 000 Abhängige im gesamten Land, mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren. 1981 betrug dieses noch 26 Jahre und lag damit immer noch etwa 7 Jahre über dem EU Durchschnitt. Lange hatte man so fälschlicherweise geschlußfolgert, Jugendliche würden Heroin nicht nehmen und die Szene sterbe letztendlich aus. Dies war aus folgenden Gründen ein Irrtum. Bei der Durchschnittserrechnung ließ man die vielen illegalen Einwanderer quasi unter den Tisch fallen. Doch gerade unter den Drogenkurrieren machten die jungen Osteuropäer und Marokkaner den Hauptanteil aus. Und wer oft Kontakt mit Drogen hat, der kommt auch schnell in Versuchung sie zu probieren. Auch im Gefängnis waren rund 50 % heroinabhängig.

So mußte man, nachdem man 10 Jahre lang die Szene sich selbst überlassen hatte, wieder schleunigst handeln. Schnell wurden zahlreiche Spritzenaustauschstellen (14 allein in Amsterdam) geschaffen. Nachts übernahmen spezielle Busse diese Funktion. Außerdem startete man Methadonprogramme, in dessen Zuge nun etwa 70 % der Junkies diesen Ersatzstoff bekommen. Auch gibt es vereinzelt Modellversuche mit der Verabreichung harter Drogen.

Deutschland

Gerade hierzulande gibt es zahlreiche detaillierte Umfragen jedes Jahr, aus denen man versucht ein genaues Bild von der Situation zu bekommen. Demnach haben 1998 circa 7,5 % der 18 bis 59 jährigen mindestens einmal eine illegale Droge probiert. Cannabisprodukte eroberten dabei den Spitzenplatz. So wiesen die 21 - 24 jährigen eine 28 prozentige Lebenszeitprävalenz auf. 11 % der 14 bis 39 Jahre alten Befragten gaben zu schon mehr als 200 mal gekifft zu haben. Etwas niedriger sind erwartungsgemäß die Zahlen bei den anderen Drogen. Bei XTC gab es 1998 eine Lebenszeitprävalenz von 5 % bei den 15 bis 24 jährigen. 1997 hatten 4 % der Jugendlichen in Ostdeutschland und rund 7 % im Westen regelmäßige Erfahrung mit Speed. LSD und Pilzerfahrungen sammelten zwischen 8 und 18 % (je nach Umfrage) der Jugendlichen regelmäßig. Die Lebenszeitprävalenz der 18 bis 59 jährigen lag hier 1997 bei 2 %. Regelmäßig koksen scheinen circa 3 bis 4 % der 14 bis 25 jährigen. Bei den eben genannten Drogen kam es in den letzten 10 Jahren unterm Strich zu einem Anstieg, der je nach Droge unterschiedlich stark ausgeprägt war. Am stärksten war die Verbreitungsgeschwindigkeit bei Cannabis, Kokain und Amphetaminen. Drogenkonsum ist aber keineswegs ein Phänomen nur unter Jugendlichen. Gerade Entspannungsdrogen wie Marihuana und Haschisch, aber auch die beliebten Leistungsdrogen Speed und Kokain finden immer mehr Konsumenten jenseits der berüchtigten “30 Jahre Grenze“. Gerade der regelmäßige Kokaingebrauch zum Freizeitspaß setzt ja ein gewisses Einkommensniveau voraus. Aber den Einstieg in “die Drogenwelt“ finden Jugendliche am einfachsten, weil viele Drogen mit Freizeitgestaltung zusammenhängen, und auch eine gewisse Identität und Zugehörigkeit widerspiegeln. Sicher spielt dort auch der Protest gegen aufgezwungene Normen eine Rolle.

Man zählt in Deutschland etwa 100 000 bis 150 000 Heroinabhängige. 1991 gab es 2105 Drogentote, 1993 nur noch 1738. Experten warnen aber davor, von einem rückläufigen Trend zu sprechen, da es in der Vergangenheit immer wieder zu wellenförmigen Konsumverhalten kam. Seit 1992 dürfen in Deutschland auch Ärzte Polamidon (im Prinzip ähnlich wie Methadon ein Heroinersatz, ohne Anzeichen einer Sucht) b.z.w. Methadon verschreiben. Das Problem liegt allerdings in der bekannten deutsche Ordentlichkeit. So muß ein Abhängiger einer Sachverständigenkommision schriftlich (mit Lebenslauf) klar machen, warum er Hilfe braucht. Das ist nicht nur erniedrigend für die Junkies, sondern überfordert sie auch glatt. So gibt es derzeit nur rund 7000 Abhängige, die Polamidon auf Rezept erhalten. Man kann also sagen, daß Deutschland zwar offen für liberale Wege ist, aber trotzdem eher eine repressive Politik verfolgt. Nun wird Deutschland ja nicht zentralistisch regiert, wie zum Beispiel Frankreich, sondern förderalistisch. Es läßt den Ländern mehr Freiraum bei der Gestaltung ihrer eigenen Drogenpolitik. Dies läßt sich besonders deutlich anhand der Akzeptanz weicher Drogen zeigen. Generell kann man sagen, daß in Deutschland der Besitz von 7,5 g THC straffrei bleibt. Jedoch sind daß, je Sorte, 20 bis 60 g Gras b.z.w. Haschisch. In Bayern gibt es deswegen schon bei 3 Gramm Cannabisprodukt Ärger. In Nordrhein - Westfalen darf man getrost über 10 Gramm mit sich führen. In Schleswig - Holstein sind es sogar 30 Gramm. Dort versuchte Ministerpräsidentin Heide Simonis sogar, weiche Drogen ganz zu legalisieren. In Hamburg, macht man sich über die Diskussion eher lustig, indem man die Menge für straffrei erklärt, die in eine Streichholzschachtel paßt. Eine Definition über die Größe einer Streicholzschachtel gibt es freilich nicht.

Auch in Deutschland wird es wohl deshalb nicht so schnell zu einer nationalen Drogenpolitik kommen. Dies sagten sich wohl auch die Verantwortlichen in Hamburg und Frankfurt, und starteten eigene Projekt, denn sie hatten ein besonders großes Problem mit Heroinabhängigen. 1990 erklärten sie damit die repressive Politik für gescheitert, und starteten mit großangelegten Methadonprojekten, verschrieben Heroin auf Rezept und beschlossen quasi weiche Drogen zu ignorieren. In Frankfurt gibt es sogar eine eigene Cannabisforschungsstation der Universität. Am vorbildlichsten an den Stadtregierungen jedoch ist, daß deren Programm die Justiz, die Polizei, Experten, Sozialarbeiter und viele mehr in ihr Programm mit einbeziehen. Natürlich gibt es auch zahlreiche Probleme. Veränderungen kommen nur langsam voran, aber nicht nur die Öffentlichkeit erwartet ständig Ergebnisse. Diese Bilanzsucht läßt sich natürlich nicht erfüllen. Ein wirklich großes Hindernis jedoch ist die schon erwähnte deutsche Bürokratie.

Frankfurt startete 1990 mit der “Frankfurter Resolution“. Bis dahin gab es eine große offene Heroinszene in den Stadtparks. Die Stadtregierung beauftragte die Polizei mit der Räumung der Parks, und schaffte viele Schlafplätze, Methadonzentren und Spritzenaustauschstellen. Nun zählt die Stadt angeblich nur noch rund 300 Junkies.

Hamburg schloß sich schnell der “Frankfurter Resolution“ an. Auch in der Hansestadt eröffnete man zahlreiche Auffangzentren, Spritzenaustauschstellen ( 3 Mio. pro Jahr) und viele soziale Projekte für Frauen und Kinder. Überall achtete man auf genügend psychotherapeutische Begleitung, eigentlich immer eine der Voraussetzungen für eine liberale Politik. Geblieben sind etwa 10 000 Abhängige mit einem Harten Kern von rund 500 bis 800 Heroinjunkies. 2000 erhalten Polamidon auf Rezept.

Berlin schloß sich der harten Linie Stockholms an.

Im Osten der Republik blieb nach der Wende der von Experten befürchtete Ansturm (siehe Spanien oder auch Tschechische Republik) zunächst aus. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß doch die Propagandamaschine sehr nachhaltige Spuren hinterließ. Drogen wurden als zwanghafte Begleiterscheinung des Kapitalismus gesehen. Schwarzweißbilder (Fotos über die DDR waren in Farbe, die über das imperialistische Ausland stets Schwarzweiß) von der Mafia, Prostitution, Armut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und der Verfall in die Drogensucht (wohlgemerkt immer nach dem zweiten Konsum) gingen umher. Auch hier gab es keine Differenzierung der Drogen. Es muß aber auch eingestanden werden, daß es zu DDR Zeiten theoretisch keine Arbeitslosigkeit (wer sich weigerte zu arbeiten kam in den Knast) und Obdachlosigkeit gab. Das überall Überbeschäftigung herrschte, und einige Wohnungen mehr Kaninchenbuchten glichen steht außer Diskussion. Nach dem sozialem Umbruch kam es zunächst ja auch so, wie von der DDR - Propaganda vorausgesagt, und die Skepsis vor Drogen war groß. Außerdem warteten ja erst zahlreiche Konsumgüter darauf erworben zu werden. 1992 bis 1996 kam es allerdings langsam aber sicher zu einem Bumerangeffekt, in dessen Zuge nun auch die Drogen ihren festen Platz in der Gesellschaft fanden.

IV Fazit

Das Drogenproblem, könnte man meinen, überfordert die Regierungen der europäischen Länder, sprich die Menschheit. (Interessant wäre es auch, in diesem Zusammenhang, mal eine weitreichende Geschichtsbetrachtung zu starten.) Generell kann man sagen stützt sich die Drogenpolitik überwiegend auf Verbote, und Propaganda für das Volk. Oft scheitern aber auch gutgemeinte Versuche an Bürokratie, Bilanzsucht, Sabotage und/oder der fehlenden Unterstützung (z.B. seitens der Ärzte). Es gibt bislang zwei verschiedene Herangehensweisen an das Problem, im Text immer die “harte“ und die “weiche“ Linie genannt. Während die harte Linie eher eine Standprobe für die Hartnäckigkeit einer Regierung darstellt, müssen die Vertreter der weichen Linie ihren Weg stets verteidigen, da Erfolge bislang für Außenstehende kaum zu erkennen sind. Wenn man jedoch noch einige Jahre (vielleicht auch Jahrzehnte) wartet, könnte es sein, daß gerade in einigen Städten wie Frankfurt, Hamburg oder Zürich sich für jedermann sichtbare Erfolge einstellen. Dabei ist das Ziel, „...eine drogenfreie Welt zu schaffen...“ (original Zitat George Bush senior) sicher nur zu belächeln. Vielmehr ist es an der Zeit, die Menschen aufzuklären, und die sinnlosen Propaganda - Aktionen („Keine Macht den Drogen“) zu beenden. Die derzeit illegalen Drogen passen sicher nicht in eine kapitalistische Leistungsgesellschaft (außer sogenannte Leistungsdrogen), jedoch muß dem Menschen der Weg des Abschaltens frei wählbar bleiben. Es ist aber auch ungerecht, den Ländern, oder Städten ein Desinteresse vorzuwerfen. Schließlich gibt es noch mehr gesundheitliche Probleme (von Problemen anderer Art soll gar nicht erst die Rede sein), mit denen sich die Verantwortlichen mehr oder weniger beschäftigen. Dies soll einmal anhand eines willkürlichen Beispiels, der Stadt Amsterdam, gezeigt werden. In dieser 690 000 Einwohner Stadt gibt es neben den paar tausend Heroinjunkies, rund 40 000 alkoholkranke Menschen, 250 000 gelten als Nikotinabhängig, 60 000 haben Probleme mit Beruhigungsmitteln und für 4 000 Menschen wurde aus der Leidenschaft des Spielens (Automaten) ein wahres Leiden. Diese Daten darf man natürlich nicht simpel addieren, da sich viele Gruppen überschneiden. Es soll nur einmal darauf hingewiesen werden, welch Ausmaß das Drogenproblem wirklich darstellt, und daß man bei nüchterner Betrachtung Schwierigkeiten bekommt, diese Grenze der Legalisierung, allein aus gesundheitlichen Gründen nachzuvollziehen. Mehr scheint hier wirklich ein “Weglaufen“ vor den Problemen stattzufinden, wie es ja typisch für die Menschheit ist. Aber im Endeffekt werden sich auch die Länder der harten Linie früher oder später dem Problem stellen müssen, wenn sie Herr der Lage werden wollen. Beispiele dafür sind z.B. Italien , Deutschland, Schweiz oder sogar England, die ihr Konzept mehr als einmal änderten. Vorausgesetzt sie wollen es wirklich, und ziehen nicht sogar mehr Nutzen aus der gegenwärtigen Lage. Wichtig ist auf jedem Fall stets ein Weglassen sämtlicher Dogmen, sowie das Zusammensetzen aller Kräfte an den bildlich runden Tisch.

IV Literaturverweise

- R. Bergmann / G. Barsch „Drogenboom im Osten?“, Morgenbuch Verlag 1992

- M. Freitag / K. Hurrelmann „illegale Alltagsdrogen“, Juventa Verlag 1999

(aus diesem Buch stammen auch alle Fakten der Umfragen)

- B. van Teeck „Partydrogen“, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag 1997

- Script

Hiermit bestätige ich, Johannes Klement, alleiniger Verfasser dieser Hausarbeit zu sein, sowie alle Quellenangaben aufgelistet und deren Inhalt nicht vorsätzlich falsch wiedergegeben zu haben.

Gießen, 21. Februar 2001 Johannes Klement

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Drogenszene Europa und Drogenpolitik im internationalen Vergleich
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
medizinische Soziologie
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V102420
ISBN (eBook)
9783640008032
Dateigröße
369 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Drogenszene, Europa, Drogenpolitik, Vergleich, Soziologie
Arbeit zitieren
Johannes Klement (Autor:in), 2000, Drogenszene Europa und Drogenpolitik im internationalen Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102420

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