Praktikum in einer Einrichtung für Straftäter mit psychischen Störungen und Suchterkrankungen

Abkürzungsverzeichnis

1        Einleitung

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um einen Bericht über das Pflichtpraktikum im Studiengang Soziale Arbeit. Das Praktikum fand im Zeitraum vom 1.04 bis zum 30.08.2019 im Krankenhaus des Maßregelvollzugs Berlin (KMV), Standort Berlin-Buch, statt.

Der Bericht beginnt mit der Reflexion meiner Motivation für das Praktikum in einer forensischen Einrichtung. Der Begriff forensisch kommt vom lateinischen forum, fori [n.] – der Platz, das Theater, das Gericht und „bezieht sich im weitesten Sinn auf die Anwendung einer Wissenschaft zur Beantwortung von gerichtlichen Fragen. Forensisch ersetzt somit den deutschen Begriff Gerichts- oder Rechts- in den jeweils zusammengesetzten Wörtern, wie Gerichtsmedizin, Rechtsmedizin und gerichtliche Psychiatrie“. (Müller & Nedopil, 2017, S. 2)

Im nächsten Schritt beschreibe ich das Praktikumsunternehmen und gehe auf die Krankheitsbilder und Delikte der Patienten ein. Anschließend erläutere ich meine Tätigkeiten und Erfahrungen im Praktikum.

Die Patienten der Einrichtung stehen im Fokus des Handelns der Sozialen Arbeit, daher werde ich auch auf die konkreten Fälle und Situationen eingehen. Durch die Beschreibung sozialarbeiterischer Lösungsstrategien in konkreten Situationen stelle ich einen Bezug zum bisherigen Studium her.

Den Schwerpunkt dieses Berichts bildet die Reflexion meines sozialarbeiterischen Handelns. Daher beschäftige ich mich anhand konkreter Situationen mit meinen Erwartungen und meinem sozialarbeiterischen Anspruch. Auch werde ich meine Stärken und Schwächen analysieren und gehe der Frage nach, wie ich in einer Situation aus heutiger Sicht anders bzw. professioneller handeln würde.

Zum Schluss erläutere ich meine Forschungsplanung, gehe auf die Frage der Berufsabwägung ein und ziehe mein Fazit.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werde ich im Text für die Bezeichnung von Personen und Personengruppen überwiegend die männliche Form verwenden. Im Fall der Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise werde ich eine geschlechtsspezifische Unterscheidung vornehmen.

2        Praktikum in der Forensik – Motivation und Vorüberlegungen

Am Anfang war die Neugierde – wer sind die Menschen, die hinter dem Stacheldraht untergebracht sind? Was haben sie getan, dass die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden muss? Nach einer gründlichen Recherche kamen weitere Fragen hinzu: Was ist der Stellenwert der Sozialen Arbeit in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs? Inwiefern ist die intrinsische Motivation für die Therapie im Zwangskontext überhaupt möglich? Wie kann die Soziale Arbeit die Patienten in einer forensischen Einrichtung bei der Resozialisierung unterstützen?

Diese Fragen bewogen mich zu einer Initiativbewerbung am KMV. Meine Bewerbung wurde positiv beschieden, was mich sehr gefreut hat. An dieser Stelle möchte ich mich bei dem sozialarbeiterischen Team des KMV für das entgegengebrachte Vertrauen herzlich bedanken.

3        Das Praktikumsunternehmen

Die Vorstellung des Praktikumsunternehmens möchte ich mit dem Zitat des deutschen Arztes und Schriftstellers Alfred Döblin aus seinem Großstadtroman „Berlin Alexanderplatz“ beginnen:

„Die Anstalt Buch liegt ein Stück hinter dem Dorf, das feste Haus liegt außerhalb der Häuser der anderen, die nur krank sind und nichts verbrochen haben. Das feste Haus liegt im freien Gelände, auf dem offenen, ganz flachen Land, der Wind, der Regen, der Schnee, die Kälte, der Tag und die Nacht, die können das Haus umdrängen mit aller Kraft und mit aller Macht.“ (Döblin, 1986, S. 30)

Alfred Döblin war Anfang des 20. Jahrhunderts in der damaligen 3. Berliner Irrenanstalt auf dem Gelände des heutigen Helios-Klinikum Buch als Assistenzarzt tätig. Das im Zitat erwähnte „feste Haus“ ist eine der drei Stationen des KMV am Standort Buch. Auf zwei dieser Stationen – X und Y – habe ich mein Praktikum abgeleistet.

3.1     Beschreibung der Praktikumsstelle

Seit Alfred Döblins Beschreibung blieb die Ausrichtung des Klinikums unverändert – hier werden Menschen untergebracht, die aufgrund einer psychischen Erkrankung beziehungsweise im Zusammenhang mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen eine Straftat begangen haben und vom Gericht als vermindert schuldfähig bzw. schuldunfähig nach §§21,22 des Strafgesetzbuches (StGB) beurteilt sind. (Scholl, 2019, S. 14ꟷ15)

Nach dem Schuldprinzip des deutschen Rechtssystems (Ohne Schuld keine Strafe) können die Straftaten dieser Menschen nicht mit üblichen Rechtsfolgen wie Geld- oder Vollzugsstrafe geahndet werden. In diesem Fall kommt die Maßregel der Besserung und Sicherung zur Anwendung. Der Fokus dieser Rechtsfolge liegt einerseits auf der Therapie des Patienten und andererseits auf den Sicherheitsmaßnahmen, um die Gesellschaft vor dem Straftäter zu schützen. (Müller et al., 2018)

Die Rechtsgrundlage der Unterbringung bilden §63 StGB – Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie §64 StGB – Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. (Scholl, 2019, SS. 37-38) Mein Praktikum habe ich auf zwei Stationen des KMV absolviert, auf denen die Patienten nach §64 StGB untergebracht sind.

Das KMV ist ein Krankenhausbetrieb des Landes Berlin und ist der für das Gesundheitswesen zuständigen Senatsverwaltung nachgeordnet. Das KMV führt Abteilungen in Stadtteilen Berlin-Reinickendorf und Berlin-Buch mit insgesamt 523 behördlich genehmigten Betten. (https://www.berlin.de/kmv/, abgerufen am 23.11.2019)

Das Konzept der Unterbringung nach §64 StGB ist streng abstinenzgestützt und beinhaltet therapeutische Angebote wie Einzel-, Gruppen- und Milieutherapie. Darüber hinaus wird intensiv an der Strukturierung des Alltags gearbeitet. Die Patienten nehmen regelmäßig arbeitstherapeutische Angebote wahr und es besteht die Möglichkeit, einen hochwertigeren Schulabschluss nachzuholen bzw. an Kursen zur Verbesserung der deutschen Sprachkenntnisse teilzunehmen.

Als Vorbereitung der Entlassung und mit dem Ziel der Erprobung des abstinenten Alltags außerhalb der Einrichtung kommt die schrittweise Erweiterung der Freiheitsgrade zur Anwendung.

Der Patient kommt nach und nach in Genuss von Lockerungen, bis er im fortgeschrittenen Stadium der Unterbringung den größten Teil des Tages außerhalb der Einrichtung verbringen bzw. bei sich zu Hause übernachten darf.

3.2     Die Patienten – Krankheitsbilder und Delikte

Während meines Praktikums waren auf beiden Stationen im Schnitt 60 bis 65 männliche Patienten zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr untergebracht. Die meisten Patienten waren zwischen 30 und 40 Jahre alt. Auf der Station X befanden sich Patienten mit Suchtproblematik aufgrund des Konsums nichtalkoholischer psychoaktiver Substanzen, auf der Station Y wurden Patienten untergebracht, die eine Alkoholproblematik aufwiesen, die ursächlich für ihr strafrelevantes Verhalten gewesen ist.

Auf den Stationen ist eine breite Spanne an Deliktformen vertreten - vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln über Betrug, Körperverletzung und Sexualdelikte bis hin zu Totschlag und Mord.