Irreflexivität und metaphysisches Grounding. Die Plausibilität von Irreflexivität als Grounding Prinzip


Hausarbeit, 2020

20 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhalt

1. Thematische Einführung

2. Kit Fine Some Puzzles of Ground
2.1 Fines Auffassung von Metaphysischem Grounding
2.2 Fines Position bezüglich irreflexivem Grounding

3. Carrie Jenkins Is Metaphysical Dependence Irreflexive?
3.1 Jenkins Auffassung von Metaphysischem Grounding
3.2 Jenkins Position bezüglich irreflexivem Grounding

4. Gonzalo Rodriguez-Pereyra Grounding is not a Strict Order
4.1 Rodriguez-Pereyras Auffassung von Metaphysischem Grounding
4.2 Rodriguez-Pereyras Position bezüglich irreflexivem Grounding

5. Vergleich

6. Fazit

7. Verzeichnisse
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis

1. Thematische Einführung

Metaphysisches Grounding ist eine verhältnismäßig neue philosophische Disziplin, die erst in den letzten zwei Jahrzehnten näher diskutiert wurde. Trotzdem hat sie bereits viele Anhänger, die diese als Möglichkeit sehen, die Struktur der Realität zu ordnen. Um Grounding1 als Instrument nutzen zu können, wurden ihm mehrere Eigenschaften zugeschrieben, die von unterschiedlichen Autoren unterschiedlich bewertet werden. Erst wenn eine plausible Definition von Grounding erar­beite wurde, lässt sich mit diesem nachvollziehbar und einheitlich arbeiten. In dieser Arbeit soll das Prinzip der Irreflexivität und seine Notwendigkeit für Grounding untersucht werden. Zusammen mit Transitivität und Asymmetrie tritt es als Grounding Prinzip der strict Order auf. Grounding als strict Order zu definieren ist umstritten und für alle drei Prinzipe gibt es Gegenbeispiele.

An dieser Stelle bietet es sich an die Begrifflichkeiten von Grounding zu klären, um eine Ba­sis für die folgende Diskussion zu schaffen: Grounding wird allgemein als Relation zwischen Grund und Folge verstanden. Die Folge besteht aufgrund ihres Grundes. Es gibt vollständige und Teil­gründe. Teilgründe benötigen andere Gründe um eine Folge vollständig grounden zu können. Die Grounding Relation ist keine Kausalbeziehung. Wenn Grounding als strict Order definiert wird, be­deutet dies, dass sie transitiv, asymmetrisch und irreflexiv ist. Eine transitive Relation besteht, wenn die Relation a zwischen X und Y sowie Y und Z auch zwischen X und Z bestehen muss.2 Ein Beispiel hierfür ist die ,kleiner als...'-Relation. Wenn X kleiner als Y und Y kleiner als Z ist dann ist X auch kleiner als Z. Eine asymmetrische Relation besteht nur in eine Richtung und nie umgekehrt. Wenn X Y groundet kann Y nicht X grounden.3 Wenn X in der ,Vater von...'-Relation zu Y steht, kann dies nicht umgekehrt werden: Ist X der Vater von Y kann Y nicht der Vater von X sein. Eine ir­reflexive Relation erlaubt keine sich selbst groundenden Entitäten. X darf also nicht X grounden. Hier kann auf die ,kleiner...' als Relation zurückgegriffen werden: X kann nicht kleiner als es selbst sein.

Im folgenden Text werden die Positionen von Kit Fine, Carrie Jenkins und Gonzalo Rodri- guez-Pereyra bezüglich Irreflexivität als Grounding Prinzip vorgestellt und verglichen. Dazu werden die Texte Some Puzzles of Ground, Is Metaphysical Dependence Irreflexive? und Grounding is not a Strict Order herangezogen und an einigen Stellen durch verwandte Publikationen der Autoren un­terstützt. Abschließend wird untersucht, wie plausibel die Irreflexivitäts Annahme als Grounding Prinzip ist.

2. Kit Fine Some Puzzles of Ground

2.1 Fines Auffassung von Metaphysischem Grounding

Die Struktur der Realität basiert laut Fine auf einem festen metaphysischen Konzept. Dieses Konzept und seine Entitäten werden durch Grounding geordnet und in Beziehung ge­setzt.4 Grounding und logische Wahrheitsbedingungen müssen in diesem Konzept koexistie­ren können. Grounding dient als Satzoperator zwischen dem Groundendem und den Ge- Groundetem.5 Im Text wird Grounding mit ,aufgrund von' angezeigt:

„Die Tatsache, dass der Ball rot und rund ist ergibt sich aufgrund von der Tatsache, dass er rot und rund ist. "4 5 6 7 8 9

Wichtig ist, dass Fine Grounding als explanatorisch auffasst. Grounding soll als metaphysi­sche Erklärung dienen.7 Da Erklärungen unsere Informationsmenge vergrößern sollen, wird erwartet, dass diese nicht zirkulär, also weder symmetrisch noch reflexiv, sind.8 Wenn Grounding eine Art von Erklärung ist, müssen diese Anforderungen auch auf Grounding zu­treffen. Weiter fasst Fine Grounding als Operation, nicht als Relation auf. Er sieht es als sinn­voll an, Grounding nur zwischen gleichartigen Entitäten zuzulassen. Weiter spezifiziert er, dass es sich bei diesen Entitäten besser um Tatsachen als um Propositionen handeln sollte.9

2.2 Fines Position bezüglich irreflexivem Grounding

Fine stellt Annahmen über Grounding und logische Wahrheiten auf, die sich in eini­gen Fällen widersprechen. Es müssen folglich entweder eine oder mehrerer Grounding An­nahmen oder eine oder mehrere logische Annahmen verworfen werden.

Fine spricht sich deutlich dagegen aus, Grounding ganz zu verwerfen, sondern meint, es sollte ein Gleichgewicht zwischen Grounding und logischen Annahmen geschaffen wer­den.10 Um den Annahmenkonflikt zu verbildlichen führt er mehrere Adaptionen eines Grund­beispieles, welches es Puzzle nennt, an.11 Die einfache Form dieses Beispiels lautet wie folgt:

„Let f0 be the fact that everything exists.

Then everything exists partly in virtue of f0's existing.

But f0 exists partly in virtue of everything existing, since f0 is the fact that everything exists, and so everything exists partly in virtue of everything existing.

Which is an absurdity, given that nothing can hold in virtue of, or partly in virtue of, itself."12

Ausformuliert in Bezug auf Tatsachen ergibt sich folgendes Argument:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 1)13

Die erste Zeile ergibt sich aus der logischen Universal Existence Annahme ,Alles existiert.'14. Danach fährt Fine mit der Grounding Annahme Factual Existence ,Sei A, dann gibt es den Fakt A.'15 fort und erhält ,3f (f = [F0])'. Nun folgt daraus, dass der Fakt ,Alles existiert' exis­tiert. Daraufhin zeigt Fine durch Universal Grounding (,Wenn alles A ist und Y existiert so ist Y's Existenz ein Teilgrund für die Tatsache das alles A ist.')16 dass ,E(f0)' ein Teilgrund von ,F0' ist. Andersherum groundet durch Factual Grounding (,Wenn F existiert und die Tatsache A darstellt, dann ist A ein Teilgrund für F.')17,F0' aber auch ,E(f0)'. Nimmt man diese beiden Er­kenntnisse unter Transitivity (,Wenn A B groundet und B C groundet dann groundet A auch C.')18 zusammen, ergibt sich nun, dass sich ,F0' selbst groundet. Hier entsteht nun das Prob­lem, da das Grounding Prinzip Irreflexivity (,A darf sich nicht selbst grounden.')19 solche Zir­kelschlüsse verbietet.

Fine erläutert wie die Entkräftung verschiedener Annahmen das Puzzle lösen könnte: Es ließe sich zum Beispiel die Grounding Annahme Irreflexivität anzweifeln. Wenn diese nicht zwingend erforderlich für Grounding ist, wäre das Puzzle an dieser Stelle gelöst. Fine würde einzelne reflexive Grounding Operationen erlauben, solange sich der Grund A von der Folge A unterscheidet. Dies ist so zu verstehen, dass A hier in verschiedenen Formen auftreten müsste.20 Der Wahrheitsaspekt von A könnte also durch den Existenzfaktor von A gegroun- det werden. Im obigen Beispiel würde T's tatsachenübergreifende Wahrheit also von T's Existenz als einzelne Tatsache gegroundet werden. Inwieweit Irreflexivität als Grounding Prinzip hier verworfen oder erhalten bleibt, ist fraglich. Theoretisch ließe sich auch die Tatsa­che ,T(alles existiert)' selbst anzweifeln um das Puzzle zu lösen. Damit würde die Universal Existence angezweifelt werden, dies ist aber sehr fraglich, da dieses logische Prinzip nie wirk­lich bezweifelt wurde. Ein logischer Ansatz ohne Universal Existence ist äußerst ungewöhn­lich und vielleicht überhaupt nicht möglich.21 Fine weist darauf hin, dass auch Factual Exis­tence bezweifelt werden könnte. Wenn die Existenz von A (hier der Umstand, dass alles exis­tiert) nicht länger reicht, um die Tatsache A (T (alles existiert)) zu erzeugen, dann wäre das Puzzle schon im ersten Schritt gelöst worden. Dazu muss angenommen werden, dass Existenz nichts Konkretes und nicht relevant für Tatsachen ist. Fine merkt an, dass dazu die Reichweite von Grounding stark eingeschränkt werden müsste, um den logischen Schluss von Existenz A zu Tatsache A zu verhindern. Da er diese Option als unplausibel ansieht, geht er nicht weiter darauf ein.22 Neben der Widerlegung einzelner Annahmen, schlägt Fine vier konkrete Lösungsansätze vor, die die verschiedenen Formen des Puzzles lösen sollen:

Der Predicativist: Fines erster Vorschlag ist es, alle Existenzannahmen aufzugeben. Damit würden die logischen Annahmen Universal Existence und Factual Existence aufgege­ben werden und nur die Grounding Annahmen blieben übrig. Dieses System wäre funktions­fähig und würde das Puzzle im ersten Schritt lösen. Das Problem der Irreflexivität würde demnach nicht auftreten. Jedoch würde dieser Ansatz stark beschränken, was überhaupt existieren kann.23 24 Fines zweite Lösung ist der Impredicativist: Dieser würde weder die logi­schen noch die Grounding Annahmen komplett annehmen, sondern versuchen, einen Kom­promiss zwischen den Prinzipien zu schaffen. Dieser Ansatz klingt stark nach Fines Vorschlag von einem Gleichgewicht zwischen Grounding und Logik. Um den Kompromiss zu ermögli­chen würde Universal Existence aufgegeben werden und das Weak Existential Grounding (,Jede existentielle Wahrheit wird durch eine Instanz gegroundet.')24 eingeführt werden.25 Dieser Ansatz würde durch die Aufgabe der universellen Annahmen das Puzzle erneut im ersten Schritt lösen. Fines dritter und vierter Lösungsansatz sind Extremformen des Impredi­cativist: Lösungsvorschlag drei verwirft die logischen Annahmen komplett und behält nur die Grounding Annahmen bei.26 Dieser Ansatz würde die ersten beiden Schritte des Puzzles un­möglich machen. Auch hier käme es so gar nicht erst zur Absurdität. Der vierte Lösungsvor­schlag verwirft alle Grounding Annahmen und behält allein die logischen Annahmen bei.27 Das Puzzle wird so im vierten Schritt gelöst und Irreflexivität muss nicht länger widerlegt oder belegt werden, da sie nur bei Grounding und nicht bei Logik von Interesse ist. Fine ver­anschaulicht seine Lösungsvorschläge in einem Schaubild:28

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 2)

Abschließend ist festzuhalten, dass Fine keine feste Stellung bezüglich der Lösung des Puz­zles bezieht. Seine Lösungsvorschläge und Einwände bezüglich einzelner Annahmen fördern sein Ziel eines Gleichgewichts zwischen logischen und Grounding Annahmen unterschiedlich stark. Die Lösung des Impredicativists als Kompromiss entspräche seiner Vorstellung wohl am nächsten. Dennoch ist anzumerken, dass Fine ein Vertreter der strict Order of Ground ist und Transitivität, Faktualität und Irreflexivität als Grounding Prinzipien nicht aufgeben würde.

3. Carrie Jenkins Is Metaphysical Dependence Irreflexive?

3.1 Jenkins Auffassung von Metaphysischem Grounding

"If reality has a structure, then perhaps that structure is ... created by the obtaining of relations of metaphysical dependence or grounding between objects, states of affairs, facts, and/or other things."29

Wie Fine sieht Jenkins Grounding als Möglichkeit, die Struktur der Realität zu ordnen. Grounding erschafft Relationen metaphysischer Abhängigkeit zwischen Entitäten. Im Gegen­satz zu Fine spricht sich Jenkins gegen Grounding als strict Order aus. Sie lässt offen, ob Grounding irreflexiv ist, behauptet aber, dass Irreflexivität nicht zwingend notwendig für Grounding ist.30 Dies basiert zum Teil darauf, dass die Autorin Grounding als vierstellige Rela­tionen zwischen zwei Entitäten sieht.31 Anders als bei reflexiven und irreflexiven, zweistelli­gen Relationen werden bei dieser zwei Tatsachen und zwei Aspekte dieser Tatsachen ver­bunden. Eine vierstellige Relation ist zum Beispiel:

[...]


1,Metaphysisches Grounding' wird in diesem Text fortlaufend mit ,Grounding' abgekürzt.

2 Vgl. Krämer 2017, S. 281.

3 Vgl. ebd.

4 Vgl. Fine 2001, S. 1.

5 Vgl. ders. 2010, S. 99.

6 Ders. 2012, S. 37. Ins Deutsche übersetzt.

7 Vgl. ders. 2012, S. 37.

8 Vgl. ders. 2010, S. 105.

9 Vgl. ders. 2012, S. 43.

10 Vgl. Fine 2010, S. 97 (?).

11 Dieses Grundbeispiel passt er jeweils für verschiedene Argumente an. So zum Beispiel für Tatsachen, Sätze und Propositionen.

12 Fine 2010, S. 98.

13 Die hier verwendeten logischen Zeichen übersetzt Fine in: = ,Identität'; Vx 'Allquantor'; 3x ,Existenzquantor'; < ,Grounding' und 1 ,Absurdität'. Vgl. Fine 2010, S. 98.

14 Vgl. Fine 2010, S. 99.

15 Vgl. ders. 2010, S. 100.

16 Vgl. Fine 2010, S. 100.

17 Vgl. ders. 2010, S. 101.

18 Vgl. ders. 2010, S. 100.

19 Vgl. ebd.

20 Vgl. ders. 2010, S. 105.

21 Vgl. ders. 2010, S. 107.

22 Vgl. Fine 2010, S. 106.

23 Vgl. ders. 2010, S. 109.

24 Vgl. ders. 2010, S. 108.

25 Vgl. ders. 2010, S. 109.

26 Vgl. ebd.

27 Vgl. ders. 2010, S. 110.

28,LT' steht für logical truths also logische Annahmen und ,TC' für truth conditions, hier die Grounding Annahmen.

29 Jenkins 2011, S. 267.

30 Vgl. dies. 2011, S. 270.

31 Vgl. dies. 2011, S. 272.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Irreflexivität und metaphysisches Grounding. Die Plausibilität von Irreflexivität als Grounding Prinzip
Hochschule
Universität Hamburg  (Geisteswissenschaften)
Veranstaltung
Metaphysisches Grounding
Note
1,8
Autor
Jahr
2020
Seiten
20
Katalognummer
V1024785
ISBN (eBook)
9783346424709
ISBN (Buch)
9783346424716
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philosophie, Metaphysik, Metaphysisches grounding, Grounding, Irreflexivität, Eigenschaften von grounding
Arbeit zitieren
Aileen Ramm (Autor:in), 2020, Irreflexivität und metaphysisches Grounding. Die Plausibilität von Irreflexivität als Grounding Prinzip, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1024785

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