Körpermodifikationen in der Adoleszenz und Post-Adoleszenz. Psychische Bedeutung, Schmerzbewältigung, Körperinszinierung


Bachelorarbeit, 2012

54 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Phase Adoleszenz

3) Schmerzbewältigung

4) Körperinszenierung

5) Körpermodifikationen
5.1) Historischer Kontext von Tätowierungen und Piercings
5.2) Schmerz in Verbindung mit Bodymodification

6) Feldforschung - exemplarisches Interview
6.1) Auswahl des Forschungsinstruments
6.1.1) Stichprobe und Interviewsituation
6.2) Datenauswertung
6.2.1) Analyse
6.2.2) Interpretation
6.2.3) Forschungsfragenrelevante Ergebnisse

7) Fazit

8)Literaturverzeichnis

9) Anhang
9.1) Leitfragen
9.2) Transkription des Interviews am 12.07.2012 um 13 Uhr

8) Literaturverzeichnis

„Tätowiert zu sein bedeutet, sich einer mitunter langwierigen, häufig mehrere Sitzungen andauernden und schmerzhaften Prozedur zu un­terziehen, die dazu führt, dass der Körper dauerhaft mit dem Körperbild gezeichnet ist. Es wird ein Bund für das Leben geschlossen, der mit Blut besiegelt wird, ganz im Sinne der rituellen, historischen Herkunft der Kunst der Körperbilder“ (Groß, 2006, S. 2) .

1) Einleitung

Ausgehend von dem Eingangszitat von Victoria Groß soll es in der folgenden Bachelorarbeit um Körperveränderungen gehen, welche mit dem Vergießen von Blut verbunden sind.

In der modernen Gesellschaft ist es kaum noch nötig, körperliche Schmerzen zu erleiden, denn gegen viele Schmerzarten gibt es Medikation und somit geht im­mer mehr der Trend in Richtung „Schmerzvermeidung“. Warum auch nicht, wenn es medizinisch möglich gemacht wird? Dennoch rückt ein weiteres Phä­nomen in den Mittelpunkt - das freiwillige Zufügen von Schmerz. Und so kann man in der heutigen Gesellschaft verstärkt Personen mit Piercings und Tätowie­rungen wahrnehmen.

In medialen Kontexten werden häufig immer extremere Varianten der, durchaus mit Schmerzen verbundenen, Körpermodifikationen vorgestellt, sei es zur Ab­schreckung, zur Animation oder um zu informieren. Eine beispielgebende Sen­dung zu diesem Kontext ist unter anderem ein Format von RTL2 „Extrem schön - Endlich ein neues Leben1 “. Schon der Untertitel weißt deutlich darauf hin, dass Veränderung am Körper häufig mit Lebensveränderung in Verbindung ge­bracht wird. Kaum noch erstaunlich, dass Modifikationen am menschlichen Kör­per oftmals ohne zu hinterfragen durchgeführt werden. Teilweise wird die Ge­sellschaftsfähigkeit einer Person in Frage gestellt, wenn am Körper keine Ver­änderungen vorgenommen werden, sei es in den Bereichen Kosmetik, plasti- sche Chirurgie oder Bekleidung. Jedoch greifen vor allem jüngere Menschen immer mehr zu Verwandlungen mit Hilfe von Piercings oder Tätowierungen, wenngleich sich dieser Trend schon lange nicht mehr ausschließlich nur durch bestimmte Gesellschaftsgruppierungen zieht. Tattoos und Piercings sind mitt­lerweile in nahezu allen Schichten und Altersstufen vorhanden. Es stellt sich die Frage, ob in der modernen Gesellschaft der Körper im ursprünglichen Zustand überhaupt noch gefragt ist? Auch im pädagogischen Wirken nehmen Körper­veränderungen vermehrt Raum ein. Zwangsläufig muss mit diesem Phänomen umgegangen werden, so stellen sich auch besondere Anforderungen an die Professionellen2. Denn wo findet Individualität noch Raum, im „Massenphäno­men: Bodymodification“ und was steckt hinter diesem Streben nach Verände­rungen des Körpers? Sind es wirklich nur ästhetische Aspekte oder ein Rebellie­ren, stecken auch andere Gründe, vielleicht bisher seltener beachtet, dahinter?

Mit der vorliegenden Bachelorarbeit habe ich den Versuch unternommen, den Fragen nach den vielfältigen tieferen Hintergründen des Piercens und Tätowie­rens ein Stück näher zu kommen, allerdings nicht, wie in vielen Studien, anhand von vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Ich möchte individuellere Sichtweisen erschließen und habe mich daher zu einer eigenen Forschung entschieden. Um den vorgegebenen Rahmen dieser Bachelorarbeit einzuhalten, war es mir lei­der nicht möglich, mehrere Befragungen einzuarbeiten und auszuwerten, dem­entsprechend kann das durchgeführte Interview nur exemplarischen Einblick bieten.

Zunächst sollen allerdings einige theoretische Aspekte erklärt werden. Dazu werde ich in einem ersten Schritt einige theoretische Grundlagen zu den The­men Adoleszenz und Körper und auch zu Körpermodifikationen - besonders im Fokus und entsprechend meines Forschungsinteresses zu Tätowierungen und Piercings - geben. Im Anschluss folgt die Feldforschung, deren Ergebnisse im abschließenden Schritt analysiert, interpretiert und diskutiert werden.

2) Phase Adoleszenz

In dieser Arbeit soll es vornehmlich um adoleszente Personen gehen. Mit Ado­leszenz wird eine Lebensphase bezeichnet, mit welcher sowohl psychische als auch physische Veränderungen einhergehen, verortet zwischen dem Verlassen der Kindheit bis hin zum Erwachsensein (vgl. King, 2011, S.79). Auch Jugend ist hierfür ein häufig verwendeter Begriff, jedoch habe ich mich bewusst für die Formulierung der Adoleszenz entschieden, da Jugend eine sehr weit gefasste Bezeichnung sein kann, denn „wann das Jugendalter beginnt, und wann es endet, variiert historisch und kulturell“ (Gugutzer, 2011, S. 93). Aufgrund gesamtgeselschaftlicher Entwicklungen kann die Phase der Jugend unter Umständen bis zum 30. Lebensjahr andauern (vgl. Bischof, 2006, S. 60). Im Übrigen wird die Bezeichnung der Jugend nicht selten verknüpft mit der Phase der Pubertät. Jedoch soll es in der vorliegenden Arbeit um mehr gehen als um die „typischen“ Aspekte, die in der Pubertät eine tragende Rolle einnehmen. „Als Adoleszenz wird eine Zeit bezeichnet, die als eine psychosoziologische Periode tituliert wird, welche über den Zeitraum der Pubertät hinausgeht“ (Szczypka, 2006, S. 23).

Prägend sind körperliche sowie psychische Veränderungen. Allerdings verlaufen diese nicht zwingend parallel zueinander. Dies kann zu großen Schwierigkeiten führen - emotional, aber auch im sozialen Umfeld.

Wie aber erleben die jungen Menschen nun diese Körperveränderungen? Man kann davon ausgehen, dass es verunsichernd und als eher negativ konnotiert werden kann, wenn der Körper plötzlich eine Art „Eigenleben“ übernimmt und sich vom inneren Selbst nur noch schwer kontrollieren lässt. Nichtsdestotrotz ermöglicht aber ebendieser [...] neue Empfindungen, neue und interessante Spannungs- und Lustqualitäten, die ertastet und erprobt sein wollen. Dieser neue veränderte Körper fühlt sich von innen anders an, als sich der kindliche Körper angefühlt hat, und er wird von außen mit anderen Blicken wahrgenommen und betrachtet (Göppel, 2011, S. 23f).

King folgend werden demnach die adoleszenten Inszenierungen auf der Bühne der Körpers und seiner Erscheinung gespielt (vgl. King, 2011, S.85). Doch es ist im Besonderen für adoleszente Personen selten ein leichter Umgang, sich mit dem eigenen, möglicherweise veränderten, Körper auseinanderzusetzen und ihn zu präsentieren. Eine Entwicklungsaufgabe besteht somit darin, ein positi­ves, gelassenes Verhältnis zu diesem zu finden und mit ihm umgehen zu lernen. „Der Umgang mit dem Körper hat für die Heranwachsenden etwas Spieleri­sches, d.h. der Körper darf in bestimmten Kontexten durch Make-Up, Kleidung, Accessoires geschmückt und durch Effekte ins' rechte Licht gerückt' werden“ (Hoffmann, 2011, S. 206). Hierzu zählen mitunter auch Körpermodifikationen extremerer Arten, wie beispielsweise Tätowierungen oder Piercings. Imke Schmincke begründet dieses Phänomen mit dem Wunsch nach Veränderung oder Verbesserung des Körpers (vgl. Schmincke, 2011, S.148).

Die Auseinandersetzung mit dem Leib rückt also in den Fokus, und Leiblichkeit ist nicht zu hintergehen - egal welche Rolle Menschen einnehmen, sie sind im­mer auch Leib (vgl. Niekrenz & Witte, 2011, S. 7). Das Erleben und Erforschen des Selbst, wie das Austesten von Körpergrenzen findet gerade in der Phase der Adoleszenz großen Anklang.

Dem Körpererleben des Menschen kommt [...] eine wichtige Bedeutung zu, da es die Lebenswirklichkeit [...] widerspiegelt, unabhängig vom philosophisch konstruierten Leib-Seele-Phänomen oder der System-Umwelt­Betrachtungsweise (Bräher, 1995, S. 3f).

Seelische Zustände stehen also immer auch in Verbindung mit Körperlichkeit. Selbstakzeptanz ist ein häufig verwendetes Schlüsselwort in derartigen Zusam­menhängen. Denn die Akzeptanz oder auch Ablehnung des Selbst, hier gemes­sen an Leiblichkeit - Außenwirkung, nehmen Einfluss auf Persönlichkeits- oder Identitätsformung.

„Der Begriff ,Identität' wurde 1919 in die psychoanalytische Literatur eingeführt, und zwar durch Viktor Tausk“ (Kogan, 2011, S. 160). Identitätsentwicklung geht ebenfalls, neben anderen Dingen, einher mit Entwicklung eines Moralverständo nisses3. Diese Moralentwicklung bedingt sich häufig durch verschiedene Le­bensereignisse, vorwiegend kritischerer Natur. Um jene bewältigen zu können, spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle: Die Frage nach Bindung4, aber auch Coping-Stile und nach Bandura (1997) ebenso die Selbst- und Hand- lungswirksamkeitserwartung5. In kritischen Lebenssituationen kommen auch immer Emotionen zutage, jedoch trägt nicht jeder Mensch ebendiese auch nach Außen oder ist sich ihrer aktiv bewusst.

Dennoch wäre jedes Wesen, dass über Wünsche und Überzeugungen, nicht je­doch über Emotionen verfügt, hochgradig eingeschränkt; auch die Wünsche und Überzeugungen, die es entwickeln könnte, wären in ihrer Entwicklung stark ein­geschränkt (Wollheim, 2001, S. 28).

Auch Emotionen haben Einfluss auf die Identitätsentwicklung sowohl positiv als auch negativ. Da allerdings gerade negativere Erlebnisse sich häufig fest im Gedächtnis verankern, lege ich in dieser Arbeit entsprechend Wert auf ebendie­se.

Negative Emotionen werden nicht selten als schmerzhaft empfunden, daher soll es im nun folgenden Abschnitt etwas genauer um Schmerz gehen, bevor ich mich mit den Bereichen der Körperinszenierung und -modifikation auseinander setze.

3) Schmerzbewältigung

Schmerzhaften Erfahrungen entgehen wir im Leben nicht. Weder dem physischen Schmerz, dem man bei Unfällen oder Krankheit begegnet, noch dem psychischen Schmerz, den wir im menschlichen Miteinander zwangsläufig immer wieder erleben (Kasten, 2006, S. 257).

Was genau ist aber mit Schmerz gemeint? Ausgehend vom Zitat von Victoria Groß, welches ich eingangs in diesem Kapitel platzierte, gibt es unterschiedliche Arten von Schmerz: die beiden großen Gebiete, sind zum einen der körperliche Schmerz und zum anderen der, im vorherigen Abschnitt bereits erwähnte, see­lisch psychischer Schmerz. Das eine schließt das andere jedoch nicht aus. „Freud betrachtete den Seelenschmerz als ein dem körperlichen Schmerz ana­loges Phänomen“ (Kogan, 2011, S. 26).

[...]


1 Zurzeit ausgestrahlt mittwochs 21.15 Uhr auf RTL2.

2 Hier Pädagogik als Profession.

3 Unter Anderem nach Kohlberg, 1983

4 Ainsworth (1978) beschreibt vier Bindungsstile: 1) sicher gebunden, 2) unsicher gebunden­vermeidend, 3) unsicher gebunden -ambivalent, 4) unsicher gebunden-desorganisiert

5 Wiedergabe der Erwartungen an individuelle Fähigkeiten und mögliche Beeinflussung der Si­tuation durch die entsprechende Person.

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Körpermodifikationen in der Adoleszenz und Post-Adoleszenz. Psychische Bedeutung, Schmerzbewältigung, Körperinszinierung
Hochschule
Universität Hamburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
54
Katalognummer
V1024825
ISBN (eBook)
9783346430960
ISBN (Buch)
9783346430977
Sprache
Deutsch
Schlagworte
körpermodifikationen, adoleszenz, post-adoleszenz, psychische, bedeutung, schmerzbewältigung, körperinszinierung
Arbeit zitieren
Juliane Sorge (Autor:in), 2012, Körpermodifikationen in der Adoleszenz und Post-Adoleszenz. Psychische Bedeutung, Schmerzbewältigung, Körperinszinierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1024825

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