Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 FERGUSONS FRAGEN UND ANTWORTEN
2.1 War der Krieg aufgrund des Militarismus, des Imperialismus, der Geheimdiplomatie oder des Rüstungswettlaufs unvermeidbar?
2.2 Warum setzte die deutsche Führung 1914 auf Risiko?
2.3 Warum entschied sich die britische Führung zum Eingreifen als der Krieg auf dem Kontinent ausbrach?
3 SCHLUßFOLGERUNGEN
LITERATURVERZEICHNIS
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie und warum im Miteinander der Nationen eskalierende Entwicklungen eintreten können, die im Ergebnis zu internationalen Konflikten mit nicht selten verheerenden Folgen für alle Beteiligten führen. Untersuchungsgegenstand ist hier einer der verheerendsten Kriege der Geschichte, der Erste Weltkrieg. Besonders im Vordergrund stehen soll dabei die Unterscheidung zwischen Erklärungsversuchen, die während oder nach dem Krieg angestellt wurden und einem Ansatz, der sich aus einer sachlichen Beschreibung der Zustände vor Kriegsausbruch ergibt.
2 Fergusons Fragen und Antworten
2.1 War der Krieg aufgrund des Militarismus, des Imperialismus, der Geheimdiplomatie oder des Rüstungswettlaufs unvermeidbar?
Seit Ende des Ersten Weltkriegs bis heute vertreten viele Historiker die Ansicht, daß der Erste Weltkrieg unvermeidbar, gewissermaßen eine historische Zwangsläufigkeit gewesen sei. Allerdings ist diese These in den ersten Jahren nach Kriegsende vor allem von Personen vertreten worden, die sowohl auf deutscher als auch auf englischer Seite direkt an der Entstehung des Krieges beteiligt waren und daher ein Interesse daran hatten, die eigene Verantwortung als möglichst gering darzustellen.
Oft wird der damals in Europa vermeintlich weit verbreitete Militarismus als eine der Ursachen für den Ersten Weltkrieg genannt. Diese Kultur des Militarismus soll die Menschen so gut auf den Krieg vorbereitet haben, daß sie sich geradezu danach sehnten. Die Bilder von fröhlich und ausgelassen in den Krieg ziehenden jungen Männern scheinen diese Thesen zu stützen. Dennoch ist zweifelhaft, ob in Europa viele Menschen den Krieg mit Freude begrüßten. Tatsächlich waren die Vertreter einer militaristischen Politik in den Jahren vor Kriegsausbruch in ganz Europa relativ erfolglos. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs befand sich der Militarismus in nahezu allen später am Krieg beteiligten Ländern politisch im Niedergang. Antimilitaristische, sozialistische Parteien errangen in ganz Europa Wahlsiege. Gerade in Deutschland war die SPD die bei Wahlen mit Abstand erfolgreichste Partei der Vorkriegszeit. „[1912] errang [sie] ihren größten Wahlerfolg (...) mit einer Kampagne, in der die Folgen des Militarismus im Hinblick auf die hohen Brotpreise ausgespielt wurden.“ (Ferguson, 1999: 61). Diese antimilitaristischen Bemühungen der SPD wurden auch in England anerkannt. So erklärte Ramsay MacDonald, der 1911 zum Vorsitzenden der Labour Party und 1924 zum ersten Premierminister einer Labour-Regierung gewählt wurde, im Jahre 1909, die SPD habe „niemals einen Groschen für den Aufbau der deutschen Flotte bewilligt.“ Die Partei unternehme vielmehr „großartige Bemühungen (...) Freundschaft zwischen Deutschland und uns zu schaffen“ (Marquand, 1997: 164ff). Paradoxerweise führte gerade die Stärke der antimilitaristischen Bewegungen und deren stetes Warnen vor den Gefahren des Militarismus dazu, daß bis heute der Umfang genau dieses Antimilitarismus stets unterschätzt wird.
In ähnlicher Weise wurde und wird bis heute die Bedeutung des Imperialismus falsch eingeschätzt. Obwohl einige Vertreter von Industrie und Wirtschaft durchaus auf gute Geschäfte durch einen europäischen Krieg hoffen konnten, waren sich die meisten doch der negativen wirtschaftlichen Folgen bewußt, die ein großer Krieg mit sich bringen würde. So versuchte z.B. der deutsche Bankier Max Warburg bis zuletzt, seinen Einfluß auf die Politik zu nutzen, um die drohende Gefahr abzuwenden. Auf der politischen Seite hatten sich zudem in den letzten Jahrzehnten vor 1914 diplomatische Initiativen immer öfter als erfolgreich erwiesen. Die Großmächte regelten ihre imperialen Konflikte zunehmend friedlich. Deutschland und England hatten ihre Differenzen bezüglich Kolonialfragen und Flottenpolitik beigelegt und bewegten sich in einigen anderen Punkten aufeinander zu, so daß ein formales Bündnis im Reich des Möglichen lag. Daß es letztendlich nie zu einem solchen Bündnis kam, lag vor allem an Deutschlands Schwäche. Es war Englands Politik, Zugeständnisse an die Starken zu machen, um die eigenen Interessen zu sichern, auch wenn dies eine Verschlechterung der Beziehungen zu weniger bedeutenden Staaten, in diesem Fall zu Deutschland, mit sich brachte.
2.2 Warum setzte die deutsche Führung 1914 auf Risiko?
In den Jahren vor 1914 entwickelte sich der Rüstungswettlauf zwischen den europäischen Großmächten zunehmend gegen Deutschland. Obwohl der Begriff „Rüstungswettlauf“ hier durchaus angebracht ist, ist doch anzumerken, daß das Niveau der Rüstungsausgaben gemessen als Anteil am Bruttosozialprodukt in allen beteiligten Staaten relativ gering war. Dies galt in besonderem Maße für Deutschland, das zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines dezentralen bundesstaatlichen Systems und hoher Staatsschulden nicht in der Lage war, seine Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen. Eine signifikante Erhöhung des Militäretats wäre wirtschaftlich ohne größere Anstrengungen machbar gewesen, nur politisch ließ sich eine solche Entscheidung nicht zuletzt aufgrund der starken antimilitaristischen Bewegung nicht durchsetzen. So fanden sich die politisch und militärisch Verantwortlichen in Deutschland in einer Situation wieder, in der eine abwartende Haltung Deutschland immer weiter geschwächt hätte, da es mit der Aufrüstung seiner europäischen Konkurrenten aus innenpolitischen Gründen nicht mehr mithalten konnte. Deutschland handelte am Vorabend des Ersten Weltkriegs aus Schwächegefühl und nicht aus Weltmachtstreben. Der Gedanke, daß ein Präventivkrieg das kleinste aller Übel sei, setzte sich schließlich durch.
- Arbeit zitieren
- Christopher Verheyen (Autor:in), 2000, Ungewollte Eskalationen in internationalen Konflikten: Der Erste Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102550