Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)


Hausarbeit, 2000

14 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

0. Einleitung

1. Die Etappen auf dem Weg zur WWU
1.1 Der Binnenmarkt

2. Der Vertrag von Maastricht von Maastricht und seine Bestimmungen zu WWU
2.1 Die Wirtschafts- und Währungsunion und die Vertragsbestimmungen
2.2 Die Konvergenzkriterien für den Euro
2.3 Der Stabilitätspakt für den Euro

3 Die wirtschaftspolitische Koordination in der WWU
3.1 Das Verfahren der Überwachung der Wirtschaftspolitik
3.2 Das Verfahren zur Überwachung der Haushaltslage der Mitgliedstaaten

4. Zusammenfassung und Ergebnis

Literaturverzeichnis

0. Einleitung

In einem knappen Jahr wird der Euro in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union das alleingültige Zahlungsmittel sein. Das ist der bisher größte Schritt auf dem Weg hin zur Wirtschafts- und Währungsunion (weiter im Text: WWU), die ich in dieser Hausarbeit thematisieren möchte.

Zunächst gehe ich dabei auf die Geschichte der Währungsunion ein, ausgehend von der ersten Idee des Werner-Plans über die Errichtung des Europäischen Währungssystems (weiter im Text: EWS), ohne allerdings näher die allgemeinen Schritte des europäischen Integrationsprozesses darzustellen. Lediglich die Errichtung des Binnenmarktes erscheint mir in diesem Zusammenhang relevant, da mit dem entstanden gemeinsamen Wirtschaftsraum die Grundlage für einen gemeinsamen Währungsraum entstanden ist.

Im zweiten Teil meiner Arbeit erfolgt eine Darstellung der 1989 im Delors-Bericht gemachten Vorschläge zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion und der darauf basierenden Ausarbeitung im Maastrichter Vertrag. Bei der Umsetzung der drei Stufen bis zum heutigen Zeitpunkt werde ich die Funktion und den Aufbau der Europäischen Zentralbank (weiter im Text: EZB) allerdings nicht näher beschreiben, da eine ausführlichere Betrachtung dieses Aspektes den Umfang der Hausarbeit sprengen würde.

Der dritte Teil beschäftigt sich mit den wirtschaftspolitischen Konsequenzen, die daraus entstanden sind. Ich möchte die Frage aufwerfen, wie stark der Einfluss der Europäischen Union (weiter im Text: EU) auf diesen Politikbereich infolge der WWU geworden ist. Denn obwohl die Mitgliedstaaten keine Kompetenzen direkt abgetreten haben, sind ihre wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume eingeengt worden. Um dies zu veranschaulichen, untersuche ich die beiden Überwachungsverfahren, die der EU im Maastrichter Vertrag und im Stabilitätspakt für den Euro in die Hand gegeben wurden. Bei diesem Thema beschränke ich mich allerdings auf die in genanntem Vertrag gemachten Bestimmungen, nachfolgende EU-Beschlüsse, etwa zur Beschäftigungspolitik, bleiben ausgeklammert.

Am Ende der Arbeit möchte ich ein Resumeé bezüglich dieser Aspekte ziehen. In diesem Zusammenhang komme ich auch kurz auf das Verhältnis der wirtschaftlichen Integration auf der einen und der politischen Integration auf der anderen Seite zu sprechen.

Bei der Auswahl der - zur Genüge vorhanden - Literatur beschränkte ich mich aufgrund der hohen Aktualität des Themas auf Werke nach 1992. Auch das Internet bezog ich aus diesem Grund in meine Recherche mit ein, da manche Veränderungen noch nicht von der Fachliteratur aufgegriffen worden sind.

1. Die Etappen auf dem Weg zur WWU

Nach den Anfängen der europäischen Integration, dem Abschluss der Römischen Verträge 1957 sowie dem Zusammenschluss der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Atomgemeinschaft (weiter im Text: EURATOM) und Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft (weiter im Text: EWG) zur Europäischen Gemeinschaft (weiter im Text: EG) 1967 entstand Ende der sechziger Jahre „der Bedarf an währungspolitischer Kooperation der Europäer“1. So beauftragten die Staats- und Regierungschefs der EG einen Ausschuss unter Vorsitz des luxemburgischen Premierministers Pierre Werner mit der Planung zur Durchführung einer WWU. Der so genannte Werner-Plan sah vor, innerhalb eines Jahrzehnts durch ein dreistufiges Vorgehen feste Wechselkurse, ein gemeinsames Zentralbanksystem sowie eine gemeinsame Wirtschaftspolitik der sechs teilnehmenden Staaten zu erreichen. Er sah die Währungsunion „als Ferment für die politische Union, ohne die er sie auf Dauer nicht für bestandsfähig hielt“2. So sollten große Teile typisch nationaler Elemente der Wirtschaftpolitik harmonisiert werden, wie es Frank R. Pfetsch näher ausführt3. Doch gerade dieser Punkt wurde von vielen „Euro-Kritikern“ wieder aufgegriffen, die sich in Maastricht mehr „Parallelen und Entsprechungen zum Werner-Bericht“ gewünscht hätten4.

Erster Schritt war die Schaffung einer „Währungsschlange“, die ein Schwanken der Wechselkurse der Währungen zwischen +/-2,25 Prozent erlaubte. Dies führte 1973 zur Gründung des Europäischen Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit (weiter im Text: EFWZ). Sollte eine Währung Gefahr laufen, diese Grenzen zu verlassen, hatten die Zentralbanken die Aufgabe, sie durch Stützungskäufe am Verlassen der Bandbreite zu hindern. Doch schon dieser erste Integrationsansatz scheiterte nach wenigen Jahren, weil die allgemeine Wirtschaftskrise dazu führte, dass die Wechselkurse aufgrund unterschiedlicher nationaler Strategien zur Stärkung der Wirtschaft nicht eingehalten wurden. Außerdem mangelte es am gemeinsamen Interesse zur Aufrechterhaltung des Systems.

Auf Betreiben des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt und seines französischen Pendants Valery Giscard D’Estaing wurde aber 1978 eine neue Koordinierung der europäischen Wechselkurse initiiert und im 1979 aufgestellten Europäische Währungssystem (weiter im Text: EWS) verwirklicht. Ziel war eine „engere Aneinanderbindung der europäischen Volkswirtschaften durch die Vermeidung starker Währungsschwankungen“5. Das Kernstück des Systems bildete die neu geschaffene European Currency Unit (weiter im Text: ECU). Sie setzte sich aus den verschieden stark gewichteten - nach jeweiligem Bruttosozialprodukt bewerteten - Währungen der Teilnehmerländer zusammen und war die Bezugsgröße für die Wechselkurse. Die D-Mark fungierte hierbei aufgrund ihrer Dominanz und Stärke als „Ankerwährung“6. Auch im EWS war zunächst eine Bandbreite von +/- 2,25 % vorgesehen, sie wurde jedoch 1993 auf +/- 15 % erhöht und verlor so de facto an Bedeutung. Ebenfalls wie beim EFWZ sind die Notenbanken zu Interventionen im Falle des Erreichens der festgelegten Grenze einer Währung verpflichtet, nur bei Zustimmung aller Teilnehmer sind Realignments erlaubt. Das bedeutet, dass die Leitkurse neu festgelegt werden. Dieses System erwies sich bis zu Beginn der neunziger Jahre als sehr wirkungsvolles Instrument zur Konstanz der Währungen und „trug dazu bei, die Pläne einer Wirtschafts- und Währungsunion wieder zu verfolgen“7 Auch nach Einführung der Währungsunion hat das EWS weiter Bestand, es heißt dann EWS II und regelt das Verhältnis zwischen dem Euro, der die ECU ablöst, und den Staaten, die nicht von Beginn an an der dritten Stufe der Währungsunion teilnehmen.

1.1 Der Binnenmarkt

Neben diesen Maßnahmen zur Koordinierung der Währungen kam in der Mitte der achtziger Jahre ein Voranschreiten bei der Ausbildung eines gemeinsamen europäischen Marktes hinzu. Schon in den Römischen Verträgen 1958 war dieses Ziel verankert, die Umsetzung erfolgte aber nur bei der Vollendung der Zollunion 1970, die ein Wegfallen der Zölle innerhalb der EG zur Folge hatte und gemeinsame Außenzölle gegenüber Drittstaaten festlegte. Den Anstoß zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes gab 1985 die Europäische Kommission, die unter ihrem damaligen Vorsitzenden Jacques Delors ein Weißbuch veröffentlichte, welches Maßnahmen zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes nach Art.3 c) des EG-Vertrags enthielt. Demnach war es Aufgabe der Gemeinschaft, „einen Binnenmarkt [zu schaffen], der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist“8. Die gemachten Vorschläge flossen in die 1987 verabschiedete Einheitliche Europäische Akte (weiter im Text: EEA) ein. Bis zum 31.12.1992 sollten die Bestimmungen in nationales Recht umgesetzt werden, tatsächlich dauert dieser Prozess aber noch weiter an. Der Binnenmarkt sieht, wie eben schon kurz erwähnt, die folgenden vier Grundfreiheiten vor: Den freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr innerhalb der EG. Dies führte u.a. zum Wegfall der Grenzkontrollen an den innereuropäischen Grenzen, der Niederlassungs- und Beschäftigungsfreiheit für Bürger der EU und einer weittestgehenden gegenseitigen Angleichung, bzw. Anerkennung von Normen und Vorschriften. Diese Punkte sind ausführlicher in Hugo Dickes Aufsatz über den Europäischen Binnenmarkt zu dargestellt9.

Die hier erwähnten Maßnahmen, vor allen Dingen die Schaffung des Binnenmarktes, dienten „als Grundlage für die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion“10, auf deren Konstituierung ich nun im nächsten Abschnitt näher eingehen werde.

2.Der Vertrag von Maastricht und seine Bestimmungen zur WWU

Nachdem sich das EWS etabliert hatte, wurde 1988 die Idee einer Währungsunion - vor allen Dingen auf Betreiben Deutschlands - wieder aufgegriffen. Im Sommer desselben Jahres rief deshalb der Europäische Rat einen Expertenausschuss ins Leben, der einen Plan zur Errichtung einer WWU ausarbeiten sollte. Dieser, nach dem Vorsitzenden des Ausschusses Jacques Delors benannte Bericht, wurde im April 1989 auf dem Gipfel in Madrid einstimmig von den Wirtschafts- und Finanzministern der EG angenommen. Er sah ein dreistufiges Vorgehen hin zur Währungsunion vor und diente als Vorlage für die drei Jahre später im Maastrichter Vertrag verabschiedeten Bestimmungen hierzu, „ohne aber zu genaue inhaltliche und zeitliche Vorgaben zu machen“11.

Zunächst sollte in der ersten Stufe, deren Beginn auf den 01.07.1990 festgelegt wurde, eine Harmonisierung der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme und -situationen stattfinden, ohne jedoch irgendwelche konkreten Zahlen dazu zu nennen.

Die zweite Stufe war als Vorlaufsphase gedacht, in der ein System europäischer Zentralbanken geplant und die wirtschaftliche Konvergenz vertieft werden sollte, bevor im dritten Teil die Europäische Zentralbank endgültig der geldpolitische Entscheidungsträger werden würde und die neue europäische Währung etabliert wird. Schon der Delors-Bericht sah für die Teilnahme an der Währungsunion die Annäherung der wirtschaftlichen Entwicklungen der Teilnehmerländer als unerlässlich an, was dann ja auch später in den Konvergenzkriterien berücksichtigt wurde.

Wie bereits erwähnt fanden diese Punkte sich im Vertrag zur Maastrichter Regierungskonferenz wieder, der am 7.02.1992 unterzeichnet wurde und am 1.11.1993 in Kraft trat. Neben den Bestimmungen, die die WWU betreffen und die ich gleich näher beschreibe, wurde hier die Europäische Union gegründet. Sie erweiterte die bisherige Zusammenarbeit auf dem wirtschaftlichen Sektor um die Zusammenarbeit bei der Außen- und Sicherheitspolitik (Art.11-28 EU-Vertrag) sowie der Justiz- und Innenpolitik (Art.29-42 EU- Vertrag).

2.1 Die Wirtschafts- und Währungsunion und die Vertragsbestimmungen

In den Artikeln 98 bis 124 des neuen EG-Vertrages sind alle Punkte bezüglich der WWU festgehalten. Diese wurden in einigen Punkten durch Protokolle, die u.a. die Konvergenzkriterien (Protokoll (11) und (12) zum EG-V) und die Zeitpunkte des Eintretens in die nächste Stufe festlegen (Protokoll (15) EG-V)12.

Wie bereits an früherer Stelle erwähnt, begann die erste Stufe am 01.07.1990. Durch sie sollte eine stärkere wirtschafts- und währungspolitische Koordination innerhalb der Gemeinschaft erzielt werden.

Die zweite Stufe, die am 01.01.1994 in Kraft trat, hatte das Ziel, die Errichtung einer Europäischen Zentralbank (weiter im Text: EZB) vorzubereiten und ohne den Einsatz von Sanktionen die wirtschaftliche Konvergenz weiter zu fördern. Zu diesem Zwecke wurde das Europäische Währungsinstitut (weiter im Text: EWI) gegründet, „das unter anderem Instrumente und Verfahren zur Durchführung einer einheitlichen Geldpolitik entwickelte“13. Zudem überwachte es die Entwicklung der Mitgliedstaaten in bezug auf die Konvergenzkriterien, die ich später näher beschreibe. Außerdem mussten die nationalen Notenbanken bis zum Beginn der dritten Stufe in die Unabhängigkeit entlassen werden.

Nach Art.121 (3) hat der Europäische Rat dananch folgendermaßen zu handeln:

„- er entscheidet, [...] ob eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die notwendigen Vorraussetzungen für die Einführung einer einheitlichen Währung erfüllt;
- er entscheidet, ob es für die Gemeinschaft zweckmäßig ist, in die dritte Stufe einzutreten;“14

Aufgrund der Tatsache, dass zum ursprünglich im Vertrag vorgesehenen Starttermin Ende 1996 zu wenige Staaten diese Kriterien erfüllten, entschied der Rat erst im Sommer 1998, die dritte Stufe etwas später zum 01.01.1999 beginnen zu lassen. Elf Teilnehmerländer gehörten zu diesem ersten Kreis: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Griechenland erfüllte erst später die Kriterien und kam am 01.01.2001 hinzu, Schweden verfehlte (absichtlich) die Bedingungen und Großbrittanien und Dänemark waren per Zusatzklausel nicht zur Teilnahme verpflichtet - andernfalls waren sie nicht bereit, dem gesamten Vertrag zuzustimmen - und lehnten diese auch ab.

So wurden zum 01.01.1999 die Wechselkurse fixiert, die EZB nahm in Frankfurt am Main ihre Arbeit auf und der Euro - 1996 einigte man sich auf diesen Namen für die europäische Währung - wurde bereits als Buchgeld geführt. Im Januar 2002 wird es dann auch das neue Bargeld geben.

2.2 Die Konvergenzkriterien für den Euro

Damit die europäische Währung auch stabil bleibt und um das oberste Ziel - die Preisstabilität (Art.105 EG-V), über die die EZB zu wachen hat15 - zu gewährleisten, wurde die Teilnahme an der dritten Stufe der Währungsunion an vier Konvergenzkriterien nach Art.121 EG-V gebunden. Diese sind16:

1. Um die Preisstabilität zu gewährleisten, darf die Inflationsrate eines Landes nicht stärker als 1,5 % von den drei Staaten mit dem besten Ergebnis in diesem Sektor abweichen.
2. Die Neuverschuldung eines Teilnehmerstaates darf jährlich nicht größer als 3% und insgesamt nicht mehr als 60% des Bruttoinlandprodukts (weiter im Text: BIP) ausmachen. So soll „eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand“17 gewährleistet werden.
3. Die Währung darf seit mindestens zwei Jahren keine Abwertung gegenüber einer anderen Währung innerhalb des EWS erfahren haben
4. Die langfristigen Zinssätze dürfen nicht mehr als 2% über denen der Länder mit der niedrigsten Inflationsrate liegen. So soll die Dauerhaftigkeit der Konvergenz garantiert werden.

Ob diese Kriterien tatsächlich Aufschluss über die wirtschaftliche Situation der Teilnehmerländer geben und auch eingehalten wurden, stand lange Zeit im Mittelpunkt der Kritik an der WWU. Zudem führte es zur Klage einiger Wissenschaftler vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro18.

2.3 Der Stabilitätspakt für den Euro

So wurde zwar der Eintritt in die dritte Stufe an Bedingungen geknüpft, es fehlte allerdings ein Instrument zur dauerhaften Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung in den EuroStaaten. Deshalb verabschiedete der Europäische Rat auf der Dubliner Konferenz 1996 den Stabilitäts- und Wachstumspakt für den Euro. Danach müssen die Euro-Mitgliedsstaaten Stabilitätsprogramme vorlegen, welche die Haushaltsentwicklung und Verschuldung eines Staates prognostizieren und die Maßnahmen zur Durchsetzung erläutern. Im Falle einer Missachtung wird der betroffene Staat auf seine Verfehlungen hingewiesen und es können bei Nichtbeachtung Geldbußen verhängt werden.

3. Die wirtschaftspolitische Koordination in der WWU

Wie im vorangegangenen Abschnitt geschildert, ist die Währungsunion mit dem Eintritt in die dritte Stufe de facto abgeschlossen, auch wenn noch nicht alle EU-Mitglieder zum neuen Währungsraum gehören.

Die Wirtschaftsunion stößt dagegen auf weit weniger öffentliches Interesse als der Euro. Nach Martin Seidel liegt der Hauptgrund darin, „dass die Substituierung der nationalen Währungen [...] als ein beträchtlicher Integrationsschub leichter als die mit der Wirtschaftsunion verbundenen Beschränkungen der nationalen Souveränität und Handlungsfreiheit für jedermann erkennbar war und auch sehr bald kontrovers diskutiert wurde“19. Im Gegensatz dazu treten die WWU-Länder im Bereich der Wirtschaftspolitik keine unmittelbaren Kompetenzen ab - sieht man einmal davon ab, dass „Geld-, Zins-, Kredit- und Wechselkurspolitik“ auf die EU übertragen worden sind20. Aber sowohl die Steuerpolitik als auch die Arbeits- und Sozialpolitik verbleiben im Kompetenzbereich der nationalen Regierungen. Doch trotz dieser Tatsache verlieren die Teilnehmerländer einen Teil ihres Handlungsspielraums bei der Gestaltung in diesen Bereichen. Auf diesen Verlust nationaler Souveränität in der Wirtschaftspolitik möchte ich im folgenden näher eingehen.

Im Gegensatz zu den währungspolitischen Bestimmungen, die in Maastricht beschlossen wurden und sehr konkrete Vorgaben machten, blieben die Artikel zur Wirtschaftspolitik eher vage. Dies lässt sich auch am Umfang der dazu gemachten Bestimmungen erkennen - sieben Artikeln zur Wirtschaftspolitik (Art.98 - 104) stehen 20 zur Währungspolitik und der EZB gegenüber (Art.105 - 124).

Als Grundlage der Koordinierung dient Art.98: „Die Mitgliedstaaten richten ihre Wirtschaftspolitik so aus, dass sie im Rahmen der in Artikel 99 Absatz 2 genannten Grundzüge zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 beitragen.“21. Ebenso wird auf den „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“22 hingewiesen, was allerdings durch den Binnenmarkt vorausgesetzt wird23. Im hier erwähnten Artikel 99 wird eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik im europäischen Rahmen festgelegt. Dabei übernimmt der Europäische Rat, bzw. die Europäische Kommission eine Kontrollfunktion. Der im Sommer 1997 in Kraft getretene Stabilitätspakt für den Euro hat diese Kontrolle aufgegriffen und erweitert. Die folgenden zwei Vorgehensweisen sind die maßgeblichen Punkte, durch die die EU die Entwicklung zu lenken versucht:

3.1 Das Verfahren der Überwachung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten

Auf der Grundlage von Berichten, welche die Europäische Kommission dem Rat vorlegt, sowie anhand der sogenannten Stabilitätsprogramme, in denen die Mitgliedsstaaten den beiden Gremien einen Überblick über ihre wirtschaftliche Entwicklung geben, wird die Wirtschaftspolitik überwacht. Bei den Programmen sollen die Erhaltung der Preisstabilität und wirtschaftliches, arbeitsplatzschaffendes Wachstum primäres Ziel sein. Kommt der Rat zu dem Schluss, dass ein Staat nicht auf der gemeinsamen europäischen Linie liegt oder „das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion zu gefährden droht“24, hat der Rat die Möglichkeit, dem betroffenen Land eine mit qualifizierter Mehrheit getroffene Empfehlung zu machen und sie zu veröffentlichen. Das Ergebnis der Überwachung wird außerdem dem Europäischen Parlament vorgestellt. Der Erhalt einer solchen Rüge bedeutet aber keine direkten rechtlichen Folgen für das Land. Hier steht eher ein indirekter, politischer Zwang im Vordergrund. So erhoffte sich zum Beispiel die Europäische Kommission beim ersten Fall eines solchen „Blauen Briefs“ an Irland im Februar 2001, dass „die Kritik [...] den Gruppendruck innerhalb der Euro-Länder erhöhen [solle], ihre in ihren Stabilitätsprogrammen gemachten Prognosen auch einzuhalten“25.

3.2 Das Verfahren zur Überwachung der Haushaltslage der Mitgliedstaaten

Die vertragsrechtliche Grundlage bei diesem Verfahren bildet Artikel 104 des EG-V sowie die Verordnung im Stabilitäts- und Wachstumspakt „über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit“26. Diesem Verfahren geht die unter 3.1 beschriebene Überwachung voran.

Die Mitgliedsstaaten werden dazu angehalten, keine stark defizitäre Haushaltspolitik zu betreiben. Als Grenzwert dienen dabei die unter Punkt zwei (siehe S.6) der Konvergenzkriterien genannten Prozentzahlen bezüglich der Verschuldung eines Landes, gemessen am BIP. Wie auch beim ersten Verfahren gibt die Kommission ihre Empfehlungen an den Rat der Europäischen Wirtschafts- und Finanzminister (weiter im Text: ECOFIN-Rat) weiter. Dieser hat, falls er zu dem Ergebnis kommt, dass die Richtwerte von einem Mitgliedstaat nicht eingehalten werden, die Möglichkeit, Empfehlungen an das betroffene Land abzugeben. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Sollte der Staat binnen vier Monaten nicht darauf reagieren, so können Sanktionen in Form einer Geldbuße erlassen werden. Das Stimmrecht im Rat erlischt für den Betroffenen bei dieser Abstimmung.

Dieses Verfahren dient in erster Linie der Stabilisierung des Euro, weshalb auch nur die EuroTeilnehmerstaaten mit Sanktionen belegt werden können. Außerdem wurde vereinbart, dass diese Bestimmungen im Falle von Naturkatastrophen oder starker Rezession nicht gelten.

Damit sind zwar die Handlungsspielräume der zwölf Euro-Staaten stark eingeschränkt , die Kompetenzen bei wesentlichen Fragen, vor allem natürlich der Steuerpolitik, aber auch bei der Lohn-, Sozial- und Infrastrukturpolitik, bleiben letztlich in der Hand der nationalen Regierungen. Wenn diese Tatsache - die mangelnde Bereitschaft zur Abtretung dieser Bereiche auf EU-Ebene - auch Kritik hervorrief, so lassen sich ebenfalls Argumente für ein derartiges Vorgehen in der Literatur finden. Hans R. Krämer sieht in der Koordinierung einen „Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips [...], weil sie es erleichtert, nationale Kompetenzen zu erhalten und trotzdem eine einheitliche oder abgestimmte Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft zu erreichen“27. Und Martin Seidel weist darauf hin, dass eine „zentrale Steuerung des Wirtschaftsablaufs in allen Mitgliedstaaten“ einen „dominante[n] Haushalt“ der EU voraussetzen würde28. Ein solcher Haushalt wäre aber nur durch eine fast komplette Abtretung der nationalen Politikbereiche auf europäische Ebene zu erreichen.

4. Zusammenfassung und Ergebnis

„Die Einführung des Euro bedeutete nicht nur die Krönung der wirtschaftlichen Integration, sie war zugleich ein zutiefst politischer Akt, denn die Währung ist nicht nur eine ökonomische Größe, sondern sie symbolisiert auch die Macht des Souveräns, der sie garantiert“, mit diesen Worten hob Außenminister Joschka Fischer die Bedeutung der neuen europäischen Währung hervor29. Der Euro ist damit der Schlusspunkt einer Entwicklung, die vor über dreißig Jahren mit dem Werner-Plan einsetzte, nach dessen Scheitern im EWS weitergeführt wurde und mit dem Maastrichter Vertrag letztlich beendet wurde. Und auch wenn die Euro-Zone noch nicht auf ganz Europa ausgedehnt ist, so haben alle Länder die Möglichkeit, bei entsprechender wirtschaftlicher Entwicklung hinzuzustoßen.

Auch der Binnenmarkt erfährt durch die Währungsunion einen großen Schub, weil mit dem gemeinsamen Geld weitere Handelsschranken wegfallen. Der gemeinsame Markt ist somit zwar auf der einen Seite die Voraussetzung für die WWU gewesen, weil hier die ersten Schritte zu engerer wirtschaftlicher Koordinierung getan wurden, auf der anderen Seite profitiert er aber nun davon, dass in jedem Staat mit denselben Münzen und Scheinen bezahlt werden kann, womit ein besserer Vergleich der angebotenen Waren und Dienstleistungen ermöglicht wird.

Im Gegensatz dazu hat die Wirtschaftsunion noch nicht einen so weitgehenden Integrationsstand erreicht. Während die Geldpolitik mit dem Eintritt in die dritte Stufe auf die EZB und die anderen EU-Institutionen übertragen worden ist, kann man dies von den die Wirtschaft betreffenden Politikfeldern nicht im gleichen Maße behaupten: „Mit dem Übergang in die Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion nimmt die ,wirtschaftspolitische Aufsichtsfunktion’ der Europäischen Gemeinschaft für die Mitgliedstaaten, die an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen, eine andere Gestalt an“30. Durch diese Aufsicht und die vorhergegangene notwendige Einhaltung der Konvergenzkriterien haben die Euro-Länder eine gemeinsame Richtung in der wirtschaftlichen Entwicklung eingeschlagen und sind auch weiterhin durch die Auflagen in der Haushaltspolitik dazu angehalten, einen möglichst ausgeglichen Etat aufzuweisen. Abschließend lässt sich also feststellen, dass „die Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht zentral verfasst [ist],“ wohingegen „die Wirtschaftspolitik nach wie vor primär in der Verantwortung der Mitgliedstaaten [liegt und] auf der dezentralen Grundstruktur der Gemeinschaft auf[baut]“31.

Ob die WWU neben der wirtschaftlichen auch eine Art „Motor“ für die politische Integration ist, bleibt allerdings weiter abzuwarten. Bisher war vielmehr zu beobachten, dass der Einigungsprozess nach dem Vertrag von Maastricht ins Stocken geriet. Zum einen konnten sich die „alten“ EU-Mitglieder nur teilweise auf weitergehende Zusammenarbeit im Bereich der politischen Union einigen, zum anderen ist die Frage der EU-Osterweiterung auch nach der Gipfelkonferenz von Nizza im Dezember vergangenen Jahres nicht endgültig beantwortet.

Vielleicht sollte man die Gedanken Joschka Fischers, die er in seiner Rede an der Berliner Humboldt-Universität hielt, aufgreifen und sie nochmals überdenken, um den Integrationsprozess nach diesem Muster wieder ankurbeln zu können: ein Voranschreiten einer Kerngruppe bei der politischen Union, die ein „Gravitationszentrum“ bildet, zu dem die anderen Staaten später hinzustoßen könnten32.

Literaturverzeichnis

Andersen, Uwe, Woyke, Wichard (Hrsg.), Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2000.

Caesar, Rolf und Scharrer, Hans-Eckart (Hrsg.), Maastricht: Königsweg oder Irrweg zur Wirtschafts- und Währungsunion?, Bonn 1994.

Financial Times Deutschland vom 12.02.2001, Online-Ausgabe am 08.03.2001.

Läufer, Thomas (Hrsg.), Vertrag von Amsterdam, Bonn 2000.

Nölling, Wilhelm u.a. (Hrsg.), Währungsunion und Weltwirtschaft. Festschrift für Wilhelm Hankel, Stuttgart 1999.

Pfetsch, Frank R., Die Europäische Union. Eine Einführung, München 1997.

Sarrazin, Thilo, Der Euro. Chance oder Abenteuer?, Bonn 1998.

Weidenfeld, Werner (Hrsg.), Europa-Handbuch, Bonn 1999.

Weidenfeld, Werner und Wessels, Wolfgang (Hrsg.), Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration, Bonn 2000.

Internetseiten:

www.europa.eu.int

www.politik-digital.de

[...]


1 Olaf Hillenbrand: Europa als Wirtschafts- und Währungsunion, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.), EuropaHandbuch, Bonn 1999, S.499.

2 Henry Krägenau/ Wolfgang Wetter: Europäische Wirtschafts- und Währungsunion - vom Werner-Plan bis Maastricht, in: Rolf Caesar/ Hans-Eckart Scharrer: Maastricht: Königsweg oder Irrweg zur Wirtschafts- und Währungsunion, Bonn 1994, S.60.

3 vgl. Frank R.Pfetsch: Die Europäische Union. Eine Einführung, München 1997, S.188-189.

4 Vgl. Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Joachim Starbatty: Wilhelm Hankel - homo politicus, homo contemplativus, in: Wilhelm Nölling/ Karl Albrecht Schachtschneider, Joachim Starbatty (hrsg.): Währungsunion und Weltwirtschaft, Stuttgart 1999, S. XVII - XVIII.

5 Frank R. Pfetsch: Die Europäische Union, S.194.

6 vgl. Uwe Andersen, Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2000, S.639.

7 Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration, Bonn 2000, S.399.

8 vgl.. Thomas Läufer (Hrsg.): Der Vertrag von Amsterdam, Bonn 2000, S.50.

9 vgl. Hugo Dicke, Der Europäische Binnenmarkt, in: Weidenfeld (Hrsg.): Europa-Handbuch, S.484 - 489.

10 vgl. Arnd Busche, Binnenmarkt, in: Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z, Bonn 2000, S.95.

11 vgl. Olaf Hillenbrand, Europa als Wirtschafts- und Währungsunion, S.504.

12 vgl. Thomas Läufer, Vertrag von Amsterdam, S.86 - 106 und S.199 - 236.

13 Olaf Hillenbrand, Europa..., S.507.

14 Thomas Läufer, Vertrag von Amsterdam, S.103.

15 Eine detaillierte Beschreibung der Aufgaben der EZB ist zu finden in: Thilo Sarrazin, Der Euro. Chance oder Abenteuer ?, Bonn 1998, S. 107 - 117.

16 vgl. Hillenbrand, Europa …, S.507.

17 Th. Läufer, Vertrag von Amsterdam, S.103.

18 vgl. Nölling, Schachtschneider, Starbatty, Wilhelm Hankel - ..., S.XXII.

19 Martin Seidel: Die Verfassung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion als Wirtschaftsunion, in: Währungsunion und Weltwirtschaft. Festschrift für Wilhelm Hankel, S.165.

20 ebd., S.167.

21 Thomas Läufer, Vertrag ... S.86.

22 ebd., S.87.

23 vgl. Martin Seidel, Die Verfassung ..., S.173.

24 Th. Läufer, Vertrag ..., S.87.

25 vgl. Financial Times Deutschland vom 12.02.2001, Online-Ausgabe.

26 vgl. Verordnung 1467/97, www.europa.eu.int/comm /economy_finance/document/europap/eup07de.pdf, S.79ff 11.03.2001

27 Hans R. Krämer: Wirtschaftspolitische Koordinierung in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, in: Caesar, Scharrer, Maastricht: ..., S.235.

28 vgl. Martin Seidel: Die Verfassung..., S.168.

29 vgl. Joschka Fischer, Joschka Fischer, Vom Staatenverbund zur Föderation - Gedanken über die Finalität der europäischen Integration, Rede am 12.05.2000 in der Humboldt-Universität in Berlin, zitiert nach: www.politik- digital.de/europa/dossier/fischer/rede1205.shtml .

30 Martin Seidel: Die Verfassung ...,S.184.

31 vgl. Ulrich Schröder: Wirtschaftspolitik, in: Weidenfeld/Wessels, S.370f.

32 vgl. Joschka Fischer, Vom Staatenverbund

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Propädeutikum Politikwissenschaften
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V102806
ISBN (eBook)
9783640011865
Dateigröße
362 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschafts-, Währungsunion, Propädeutikum, Politikwissenschaften
Arbeit zitieren
Matthias Kaiser (Autor:in), 2000, Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102806

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