Stellen Sie sich vor, ein Richter steht vor der schwierigen Aufgabe, das gerechte Strafmaß zu finden – ein Balanceakt zwischen Tat, Täter und dem Gesetz. Doch was geschieht, wenn Faktoren, die bereits bei der Festlegung des Strafrahmens berücksichtigt wurden, erneut in die Waagschale geworfen werden? Dürfen strafschärfende Umstände doppelt berücksichtigt werden, oder verstößt dies gegen fundamentale Rechtsprinzipien? Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine spannende Reise durch die Tiefen des deutschen Strafrechts, genauer gesagt des Strafzumessungsrechts, und beleuchtet das brisante Verbot der Doppelverwertung (DVV). Es ist eine detaillierte Analyse der Entstehung, Bedeutung und des Anwendungsbereichs des DVV gemäß § 46 III und § 50 StGB sowie eine systematische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Meinungen in Rechtsprechung und Literatur. Von der historischen Entwicklung des DVV über die Frage, ob es sich um einen "Mißgriff des Gesetzgebers" handelt, bis hin zur Bedeutung als Ausfluss der Arbeitsteilung von Gesetzgeber und Richter werden alle relevanten Aspekte beleuchtet. Die Untersuchung erstreckt sich auf typische Begleitumstände der Tat, den Gesetzeszweck, die Gesamtstrafe sowie benannte und unbenannte besonders und minder schwere Fälle. Ein besonderes Augenmerk gilt den Besonderheiten im Jugendstrafrecht und dem Zusammentreffen verschiedener Strafmilderungsgründe. Abschließend werden Schlussfolgerungen gezogen und mögliche Auswirkungen auf die Strafzumessungspraxis erörtert. Dieses Werk ist unverzichtbar für Juristen, Richter, Staatsanwälte und Studierende, die ein tiefes Verständnis für die Feinheiten des Strafzumessungsrechts entwickeln möchten, sowie für alle, die sich für die ethischen und praktischen Herausforderungen der Strafjustiz interessieren. Tauchen Sie ein in die komplexe Welt des Strafrechts und entdecken Sie die subtilen Nuancen, die über Gerechtigkeit und Billigkeit entscheiden.
Gliederung
Teil 1.Einführung
Teil 2. Das DVV gemäß § 46 III StGB
I. Entstehung des DVV
II. Bedeutung des DVV
1. DVV als „verunglückte“ Normierung des Gesetzgebers
2. Verstoß des DVV gegen das Erfordernis einer individuellen Tatschuldverwertung
3. Das DVV als „generalisierender Anwendungsfall der materiell-rechtlichen Begründungspflicht
4. Das DVV als materiell-rechtliche Folge des Verbots mehrmaliger Bestrafung derselben Tat (Art.103 III GG)
5. Das DVV als Ausfluß der Arbeitsteilung von Gesetzgeber und Richter
6. Das DVV als schlichtes logisches Prinzip
III. Anwendungsbereich des DVV
1. Die typischen Begleitumstände der Tat (Regeltatbild)
a. Abkehr der Rechtsprechung von der h.M. durch das Samenergußurteil
b. Errichtung eines Bezugspunktes
c. Strafschärfende Verwertung des Fehlens strafmildernder Umstände
2. Der Gesetzeszweck
3. Die Gesamtstrafe
4. Die benannten besonders und minder schweren Fälle
a. Obligatorische Strafrahmenänderun
b. Fakultative Strafrahmenänderung
5.Die unbenannten besonders und minder schweren Fälle
6. Die ungleichwertigen Tatbestandsalternativen
7. Die unrechts-und schuldbegründenden Merkmale
8. Besonderheiten des Jugendstrafrechts
Teil 3. Das DVV gemäß § 50
I. Zusammentreffen von gesetzlichen Strafmilderungsgründen und minder schweren Fällen
II. Zusammentreffen von gesetzlichen Strafmilderungsgründen und besonders schweren Fällen (Regelbeispiele) ,
III. Zusammentreffen mehrerer gesetzlicher Strafmilderungsgründe nach § 49
Teil 4. Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine strafrechtsdogmatische Untersuchung über den systematischen Aufbau der Strafzumessung und ihre Revisibilität im Erwachsenen-und Jugendstrafrecht, München 1969
Teil 1. Einführung
Die folgende Arbeit befaßt sich mit dem Verbot der Doppelverwertung. Dies bedeutet, daß diejenigen Tatbestandsmerkmale, die schon bei der Strafrahmenwahl in Erwägung gezogen und maßgeblich verwertet worden sind, nicht noch einmal bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen, zumal sie sich bereits in der konkreten Strafe ausgewirkt haben.1
Der Geltungsgrund und Geltungsbereich ist in dogmatischer Hinsicht noch völlig ungeklärt und uneinheitlich. Jedoch ist man sich in dem Punkt einig, daß die Bedeutung des Doppelverwertungsverbot (DVV) über die Vorschriften der §§ 46 III, 50 StGB2 hinausgeht.3 Die Uneinigkeit nimmt erst hinsichtlich der Bedeutung und der Reichweite des Prinzips überhand. Mit dieser Arbeit soll versucht werden, den Meinungsstand möglichst vollständig darzustellen und eine dem gerechten Empfinden entsprechende Lösung zu finden.
Teil 2. Das DVV gemäß § 46 III StGB
Um sich dem Problem des Doppelverwertungsverbots zu nähern, soll zunächst ein kurzer Abriß über die geschichtliche Entwicklung dargestellt werden.
I. Entstehung des DVV
Das Verbot der Doppelverwertung an sich entstand erst in diesem Jahrhundert.4 § 13 III a.F., der dem heutigen § 46 III im Wortlaut gleicht, wurde durch Art. 105 Nr.2 des 1. StRG vom 25.6.19695 eingeführt, jedoch trat er erst am 1.4.1970 in Kraft.
Das DVV wurde aber schon früher vom Reichsgericht entwickelt und ange- wandt. Hiernach sollte es z.B. nicht gebilligt werden, wenn die Strafkammer ein Tatbestandsmerkmal als Strafschärfungsgrund verwertet, das schon bei der Auf- stellung des gesetzlichen Strafrahmens durch den Gesetzgeber mit berücksichtigt wurde.6
Später wurde das DVV vom Reichsgericht auf tatbestandsähnliche Merkmale von besonders schweren Fällen ausgeweitet.7
Der BGH führte diese Rechtsprechung fort und präzisierte sie.8 Das Verbot der strafschärfenden Berücksichtigung wurde zum Verbot der Berücksichtigung von Tatbestandsmerkmalen als Strafzumessungsgrund.9 Desweiteren fand eine Erwei- terung auf rechtswidrigkeits-und schuldbegründende Umstände sowie auf Begleit- umstände der Tat statt.10 Es galten die Ausnahmen, daß es zulässig ist, Tatbe- standsmerkmale der schwerer wiegenden Alternative zur Strafschärfung heranzu- ziehen, wenn im Tatbestand zwei ungleichwertige Alternativen enthalten sind11, und, daß bei unbenannten Strafänderungsgründen (besonders schwerer und min- der schwerer Fall) das DVV gar nicht gilt.12
II. Bedeutung des DVV
Die Meinungen, aus welchem Grund das DVV überhaupt gilt, gehen weit ausein- ander.
1. DVV als „verunglückte“ Normierung des Gesetzgebers
Hier wird von einem nicht ganz unbeachtlichen Teil der Literatur die Auffassung vertreten, daß das DVV ein Mißgriff des Gesetzgebers ist.
So vertritt zum Beispiel Seebald die Auffassung, daß das DVV eine Behinderung für die schuldangemessene Strafzumessung darstelle und diese demzufolge auch nicht fördere.13 Der Richter sei gezwungen, auf die Schwere der Tat sowie auf die persönliche Schuld des Täters einzugehen, um eine schuldangemessene Strafe zu finden, so daß hier das DVV im Wege steht.14 Auch Peters wollte den Gedanken des DVV nicht übernehmen. Er meinte, dieses Prinzip kann nicht in vollem Um- fang erhalten bleiben.15 Ebenfalls gegen die Geltung des DVV richtete sich Sauer, der betonte, daß die Strafzumessung die konkrete Gestaltung der Unrechtmäßig- keit und der Schuld sei. Folglich ist das Verbot der Doppelverwertung hier irre- führend, wenn nicht sogar unrichtig.16 Auch Koffka sieht es als falsch an, wenn der Richter nach seinem Ermessen dem Schuldgedanken oder dem Besserungs- ,Sicherungs-oder Abschreckungsgedanken den Vorzug geben darf.17 Jagusch, Lampe, Niederreuther, Sarstedt und Gage vertreten ebenfalls die Auffassung, daß das DVV unangemessen ist und deshalb auch keinen Geltungsgrund hat.18
Meines Erachtens ist es schon richtig, wenn den Richter nach dieser Auffassung die Pflicht zur schuldangemessenen Strafe trifft, so daß er die Schwere der Tat und die Beweggründe des Täters berücksichtigen muß. Jedoch kann es meiner Meinung nach hier in bestimmten Fällen zu unsagbar hohen Strafen führen, wenn ein Tatbestandsmerkmal mehrmals verwertet wird. Deshalb muß sich dann für die Vertreter, die in dem DVV einen Mißgriff des Gesetzgebers sehen, die Frage stellen, wo die Grenze für die mehrfache Verwertung liegt. Wie oft könnte dann ein solches Merkmal verwertet werden? Und wer ist berechtigt, diese Grenze festzulegen? Wie sich zeigt ist diese Auffassung trotz des Aspektes der schuldangemessenen Strafe nicht haltbar.
2. Verstoß des DVV gegen das Erfordernis einer individuellen Tatschuldverwertung
Zipf sieht in dem Doppelverwertungsverbot ein Verstoß gegen die Notwendig- keit individueller Tatschuldverwertung. Danach soll das DVV auf den Grundsatz der schuldangemessenen Strafe zurückgeführt werden.19 Insofern darf der Richter nicht auf der Stufe der Abstraktheit der Gesetze stehenbleiben, sondern er muß jeden konkreten Einzelfall neu entscheiden und hierbei die Tatschuld individuell werten, um dem Täter und seiner Tat gerecht zu werden.20 Dort, wo dem Tatbe- standsmerkmal über die generelle Aufnahme in den Strafrahmen hinaus kein kon- kreter Aussagewert für den Unrechts-und Schuldgehalt der individuellen Tat mehr zukommt, darf es nicht mehr als Strafzumessungsfaktor fungieren.21
Ich denke, Zipf vernachlässigt den Gedanken, daß gemäß § 46 III das DVV für Tatbestandsmerkmale gilt. Der Grundsatz der schuldangemessenen Strafe hat durchaus seine Richtigkeit, aber es besteht ja die Möglichkeit, daß Umstände, die zu einer schuldangemessenen Strafe führen nicht gleichzeitig Tatbestandsmerkmale sind, so daß in ihrer Verwertung kein Verstoß gegen die individuelle Tatschuldverwertung zu sehen ist. Daher ist dieser Meinung nicht zu folgen.
3. Das DVV als „generalisierender Anwendungsfall der materiellrechtlichen Begründungspflicht“
Timpe sieht in dem DVV ein Gebot zur Begründung der Strafzumessungsent- scheidung des Richters, zum einen als Gebot zu einer Begründung, die nachprüf- bar ist und prozessuale Bedeutung in Beziehung zu § 267 III StPO besitzt, zum anderen, und dies scheint ihm durchaus wichtiger zu sein, als generalisierender Anwendungsfall der materiell-rechtlichen Pflicht zur Begründung der Strafzumes- sungsentscheidung.22 Gemäß § 267 III StPO müssen in dem Urteil die tatsächli- chen Strafzumessungsgründe angegeben werden, das heißt, all diejenigen Um- stände, die für Strafzumessung entscheidend waren.23 Dies soll die Nachprüfung durch das Revisionsgericht erleichtern.24 Die Überprüfung des Ergebnisses allein reicht hier aber nicht aus, sondern auch der Weg dorthin muß nachvollziehbar sein.25 Hierfür hat Timpe die materiell-rechtliche Begründungspflicht herangezo- gen, die es dem Revisionsgericht erleichtern soll, die Strafzumessung zu kontrollieren und sie vor Willkür zu schützen. Diese Begründungspflicht soll es ermöglichen, zu überprüfen, ob dem vorherigen Richter ein sachlich-rechtlicher Fehler bei der Ermessensausübung unterlaufen ist.26
Jedoch ist gegen diese Meinung einzuwenden, daß die materiell-rechtliche Begründungspflicht dazu diene, die Beachtung des DVV sicherzustellen und nicht umgekehrt.27 Die Anwendung der Begründungspflicht als Verbot ist wahrlich schwer vorstellbar.28 Ebenfalls ist die Meinung Timpes, daß das DVV nur die richtige Begründung der Strafzumessungsentscheidung sicherstellen soll unzureichend. Denn das DVV soll auch dazu beitragen, daß die Strafe an sich richtig ist. Folglich kann dieser Auffassung auch nicht gefolgt werden.
4. Das DVV als materiell-rechtliche Folge des Verbots mehrmaliger Bestrafung derselben Tat (Art.103 III GG)
Die Herleitung dieses Geltungsgrundes für das DVV wurde schon von Brandt bevorzugt, der der Meinung war, der Grundsatz „Ne bis in idem“ beziehe sich auch auf die Strafzumessung.29
Auch Montenbruck hat sich für die Heranziehung dieses Grundsatzes ausgesprochen.30 Jedoch stellt er den Bezug nicht zum DVV von Tatbestandsmerkmalen, sondern zur Gesetzeskonkurrenz her.31 Aufgrund dieser Bezugnahme zu dem Grundsatz „Ne bis in idem“ kann das Gericht in einem Verfahren nicht ein Tatbestandsmerkmal mehrmals verwerten.
Dieser Meinung ist aber entgegenzuhalten, daß unter dem Grundsatz des Art.103 III GG das Verbot verstanden wird, den gleichen Gegenstand nicht nochmals in einem neuen Verfahren zu verhandeln. Der Grundsatz enthält lediglich eine Aussage zur Rechtskraft von Entscheidungen32, so daß die Heranziehung des Art.103 III GG verfehlt ist und dieser Meinung nicht gefolgt werden kann.
5. Das DVV als Ausfluß der Arbeitsteilung von Gesetzgeber und Richter
Die herrschende Meinung in der Literatur leitet das DVV aus der Arbeitsteilung von Richter und Gesetzgeber her. Der Gesetzgeber hat hier durch die Aufstellung der gesetzlichen Tatbestände mit entsprechendem Strafrahmen einen Teil der Strafzumessung vorweggenommen, nämlich dahingehend, in welchem Rahmen die Strafe bestimmt werden soll.33 Aufgabe des Richters ist es dann, eine angemesse- ne Strafe im Einzelfall, im Rahmen, den der Gesetzgeber vorgeschrieben hat, zu finden.34 Diese Umstände, denen der Gesetzgeber durch die Aufstellung von Tat- beständen schon Rechnung getragen hat, darf der Richter nicht noch einmal be- rücksichtigen.35 Insofern sind diese Umstände für die richterliche Tätigkeit ver- braucht.36 Die Tatbestandsmerkmale haben den Gesetzgeber bei der Aufstellung geleitet, so daß sie deshalb schon berücksichtigt worden sind und der Richter sie für die Strafzumessung nicht mehr verwenden darf.37
Gegen die h.L. ist aber einzuwenden, daß sie ihre Argumente aus der Rechtsprechung ableitet und sich an ihr orientiert, jedoch konnte die Argumentation nicht erweitert werden.38 Eine eigene Argumentation liegt also nicht vor. Insofern kann der herrschenden Meinung nicht zugestimmt werden.
6. Das DVV als schlichtes logisches Prinzip
Bergmann sieht den Hintergrund des DVV in den Gesetzen der Logik.39 Dem- nach hat ein Merkmal, das an jeder Stelle des Strafrahmens vorausgesetzt ist, nicht den Zweck, eine konkrete Strafe innerhalb dieses Rahmens zu finden.40 Nach Bergmanns Meinung sind Tatbestandsmerkmale „klassenbildende Merkma- le“, und innerhalb einer Klasse kann aber das klassenbildende Merkmal zur Un- terscheidung nicht beitragen.41 Tatbestandsmerkmale sind also keine Strafzumes- sungsgründe für den Richter.42 Der Richter kann zwar jeden ihm erdenklichen Umstand zum Strafzumessungsgrund machen, jedoch darf er kein gemeinsames klassenbildendes Merkmal benutzen.43 Denn ein solches Merkmal bezieht sich auf das Strafminimum, das Strafmaximum und auf alles, was zwischen diesen beiden Extremen liegt.44
Ich finde die Ausführungen von Bergmann am sinnvollsten, denn die gesetzlichen Tatbestände sind für eine Vielzahl von Lebenssachverhalten abstrakt-generell geregelt. Es ist dem Gesetzgeber wahrlich unmöglich, Unmengen von Tatbestän- den aufzustellen, die die mögliche Vielfalt des Lebens beschreiben. Meiner Mei- nung nach ist es utopisch, wenn man für jeden Einzelfall einen konkreten Tatbe- stand erstellen würde, das würde zu einer unermesslichen Zahl von Gesetzen und Normen führen. Insofern bleibt dem Gesetzgeber nichts anderes übrig als Tatbe- stände aufzustellen, die eine bestimmte Art von Handlungen beschreiben. Man könnte sagen, ein Tatbestand ist der Oberbegriff für viele Tathandlungen. Er bil- det, wie Bergmann schon ausführte, eine Klasse. Ich denke, man kann hier auch sagen, der Tatbestand stehe der „Gattung“ im biologischen Sinne gleich. Ebenso, wie eine Vielzahl von engverwandten Spezies einem Oberbegriff, der Gattung zugeordnet sind, so sind eine Vielzahl von Unrechtstatbeständen einem abstrakt- generell geregeltem Tatbestand zugeordnet. Um aber dem jeweiligen Einzelfall gerecht zu werden und eine schuldangemessene Strafe zu finden, muß das Gericht die Möglichkeit des Ermessens besitzen. Der Richter muß also das Recht haben, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Er kann innerhalb des vorgegebenen Strafrahmens eine schuldangemessene Strafe finden. Jedoch wäre es ungerecht, wenn die Judikative Tatbestandsmerkmale mehrmals als Strafzu- messungsgrund verwenden darf, dies würde unter Umständen zu unsagbar hohen Strafen führen, wenn man ein und dasselbe Merkmal mehrmals strafschärfend berücksichtigt. Andererseits müßte dies im umgekehrten Fall der Strafminderung gegebenenfalls zu geringsten Strafmaßen führen, wenn nicht sogar zur Strafaus- schließung. Um dies zu verhindern, gibt es das DVV. Die Gesetzestatbestände stellen also eine Klasse dar und diese Klasse kann keine konkrete Strafe inner- halb der Klasse finden. Vergleichbar ist dies wieder mit der Gattung im biologi- schen Sinne. Jede spezielle Tier-oder Pflanzenart gehört zu einer Gattung. Hier ist es auch nicht möglich, eine Differenzierung innerhalb der Gattung mit der Gattung vorzunehmen. Folglich schließe ich mich aus oben genannten Gründen der Mei- nung von Bergmann an.
III. Anwendungsbereich des DVV
Weiterhin stellt sich die umstrittene Frage, inwiefern die Geltung des DVV über den § 46 III hinaus geht.
1. Die typischen Begleitumstände der Tat ( Regeltatbild)
Die früher herrschende Meinung45 in der Literatur und die Rechtsprechung46 be- ziehen die tatbestandstypischen Umstände (Regeltatbild, auch tatsächlicher Durchschnittsfall, Regelfall, Normalfall oder regelmäßiges Erscheinungsbild ge- nannt) in den Geltungsbereich des DVV mit ein. Die Umstände, die typischerwei- se mit dem Tatbestand verbunden sind, dürfen nicht mehr verwertet werden. Will man aber das „Mehr“ an Tatbestandserfüllung zum Gegenstand des DVV machen, so besteht meiner Meinung nach die Gefahr, daß keine ausreichende Differenzierung hinsichtlich der Taten möglich ist. Ich denke, es ist angebracht, wenn es dem Richter erlaubt wird, Konkretisierungen oder Steigerungen des Tat- bestandes für die Strafzumessung zu verwerten, um eine individuell angebrachte Strafe zu finden. Zum Beispiel ist eine Differenzierung hinsichtlich der Schwere einer Körperverletzung oder des Ausmaßes des Schadens durchaus vertretbar.47 Es ist nicht im Sinne des schuldangemessenen Strafens, wenn der Täter, der Wa- ren im Wert von 500 DM stiehlt genau dieselbe Strafe (Höhe) erhält, wie ein Tä- ter, der Dinge im Wert von 50.000 DM stiehlt, obwohl beides als typischer Be- gleitumstand des Diebstahls anzusehen ist. Somit folge ich nicht der Einbeziehung des Regeltatbildes in den Geltungsbereich des DVV.
Anderer Meinung ist hier auch Hettinger, der ausführte, es sei mißverständlich, wenn der BGH die Verwertbarkeit eines zum Regeltatbild gehörenden Umstandes verneint.48 Und auch Timpe wollte die regelmäßigen Begleitumstände dem Anwendungsbereich des DVV entziehen.49 Er begründet dies damit, daß das DVV ein generalisierender Anwendungsfall der materiell-rechtlichen Begründungspflicht sei (siehe oben) und daher nicht für die Fallgestaltungen gilt, die gewöhnlich unter § 46 III zu subsumieren sind.50
a. Abkehr der Rechtsprechung von der h.M. durch das Samenergußurteil
Die neuere Rechtsprechung hat ebenfalls bei der Vergewaltigung angenommen, daß der ungeschützte, bis zum Samenerguß ausgeführte Geschlechtsverkehr als erschwerte Tatmodalität ein Strafschärfungsgrund ist, obwohl diese Art und Wei- se in der Praxis die Regelform der Vergewaltigung ist.51 Die Rechtsprechung kehrt sich mit dieser Entscheidung von der herrschenden Meinung ab, indem sie den Bezugspunkt für die Differenzierung von schärfenden und mildernden Umständen gänzlich preisgibt und alles wenig strukturiert im Gesamtzusammenhang gewürdigt wird.52 Diesem Einwand der geringen Strukturierung ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Einbeziehung der Begleitumstände in den Bereich des DVV als Befürch- tung anzusehen ist, daß diese Umstände sonst strafschärfend verwendet werden können.53 Denn alles, was nach der eigentlichen Tatbestandsvollendung noch kon- kret ausgeführt wird, fällt nicht unter das DVV sondern unter § 46 II.54
Meines Erachtens ist es sinnvoll, sich dieser Auffassung anzuschließen, da das Gesetz für eine Vielzahl von Fällen gilt. Im weitesten Sinne müssen alle Täter den normalen Fall eines Tatbestandes erfüllen. Um aber eine schuldangemessene Stra- fe zu finden, muß der Richter die Umstände verwerten können, die die Tat von dem normalen Tathergang unterscheiden.55 Die Mindestvoraussetzungen dagegen, die jeder Täter erfüllen muß, unterliegen dem DVV. Ich denke, für diese Auffas- sung spricht außerdem, daß § 46 II eine Vielzahl von zu berücksichtigenden Um- ständen, sei es täter-oder tatbezogene, auflistet. Dem Richter wird hiermit die
Möglichkeit gegeben, sich für jede individuelle Tat die richtige Strafhöhe heraus- zusuchen, was durchaus dem Gedanken des schuldangemessenen Strafens Rech- nung trägt.
b. Errichtung eines Bezugspunktes
Im Zusammenhang mit dem Problem des Regeltatbildes stellt sich auch die Frage, wo die Grenze zwischen den vom DVV umfassten Umständen und den bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Umständen zu ziehen ist.56 Hier konstruieren einige Vertreter in der Literatur einen Bezugspunkt, und zwar den des Regel-oder Normalfalles, dessen Existenz nicht ganz unumstritten ist.57 Unter dem Regelfall ist der Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle zu verstehen(Lehre vom faktischen Regelfall).58
Gegen diese Auffassung wurde aber eingewandt werden ,daß es zum Beispiel beim Diebstahl eine Vielzahl von Begehungsweisen gibt, so daß hier die Kon- struktion eines Regelfalls verfehlt wäre.59 Auch wird hier angeführt, ein statistisches Faktum ist zum Maßstab erhoben worden, für das es keinen praktischen Fall als Grundlage gibt, und dessen Richtigkeit noch nicht überprüft wurde.60 Ebenfalls wurde als Argument gegen diese Auffassung angeführt, daß bei der Berufung auf die Erfahrung des Richters die Gefahr besteht, daß der Richter seine Vorurteile in die Entscheidung mit einfließen läßt oder bei seltenen Fällen gar keine oder nur eine geringe Erfahrung des Richters vorliegt.61
Jedoch gehen die Gegner des Regelfalles von einem falschen Verständnis des Regelfalles aus. Er ist kein statistisches Faktum, sondern kennzeichnet überwie- gend die Erfahrungen in der Praxis mit der Alltagskriminalität.62 Der Regelfall stellt einen engen Bereich der praktischen Fälle dar und ist lediglich als Vergleichsmög- lichkeit des aktuellen Falles anzusehen.63 Hier wird der anliegende Fall mit den bereits abgeurteilten Fällen des Gerichts verglichen. Der Regelfall ist also ein ge- wisses Standardmaß für die Beurteilung von Fällen und hilft dem Richter insoweit eine angemessene Strafe zu finden. Es muß also, um eine Differenzierung vorzu- nehmen, ein bestimmter Wertungsmaßstab vorhanden sein, an dem sich der ent- scheidende Richter orientieren kann. Somit ist den Vertretern zuzustimmen, die die Existenz eines Regelfalles bejahen.
c. Strafschärfende Verwertung des Fehlens strafmildernder Umstände
Fraglich ist, ob das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfend und das Fehlen eines Strafschärfungsgrundes strafmildernd verwertet werden darf.
Foth, der nicht von der Existenz des Regel-oder Normalfalles ausgeht, setzt aber das Vorliegen eines solchen Regelfalles für das Verbot der strafschärfenden Verwertung des Fehlens einesStrafmilderungsgrundes voraus.64 Insofern gibt es für ihn ein solches Verbot nicht.
Teilweise beurteilt die Rechtsprechung aber die strafschärfende Verwertung des Fehlens eines Strafmilderungsgrundes differenzierend nach dem jeweiligen Einzel- fall.65
Die ganz herrschende Meinung geht aber von einem solchen Verbot aus.66
Ich denke, dies ist durchaus sinnvoll, denn würde es dieses Verbot nicht geben, so könnte in jedem Fall, in dem kein Strafmilderungsgrund vorliegt eine Straf- schärfung rechtmäßig sein. Das Fehlen eines Strafmilderungs-oder Strafschär- fungsgrundes wird in einer Vielzahl von Fällen der Fall sein, so daß immer eine Strafschärfung oder auch Strafmilderung stattfinden kann. Es würde dann keine „normalen“ Fälle mehr geben, die zwischen diesen Strafschärfungen und Strafmil- derungen liegen, das heißt, es würde immer einen speziell gesonderten Strafrah- men geben. Insofern stimme ich den Vertretern des Verbotes zu.
2. Der Gesetzeszweck
Fraglich ist, ob das DVV auch den gesetzgeberischen Zweck, der dem Tatbestand zugrundeliegt, umfasst.
Die frühere Rechtsprechung erweiterte den Anwendungsbereich des DVV auf den gesetzgeberischen Zweck.67 So führte das Reichsgericht schon in seiner „Schlingenstellen“-Entscheidung aus, daß die Verwertung des Umstandes, daß Schlingenstellen eine besonders rohe und hinterhältige Art der Wilderei sei, nicht zulässig ist, zumal dieser Aspekt den Gesetzgeber geleitet hat, diese Art der Wilderei als besonders schweren Fall unter Strafe zu stelle.68
Auch die spätere Rechtsprechung69 und Literatur haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Bruns war der Meinung, daß das DVV nicht nur für Tatbe- standsmerkmale ieS, sondern für alle Erwägungen gelten muß, die den Gesetzge- ber bei der Normierung eines Tatbestandes geleitet haben.70 Auch Lackner dehn- te das DVV auf den gesetzgeberischen Zweck, der einem Tatbestand im Ganzen zugrundeliegt, aus.71 Ebenso führt Horn aus, Erwägungen, die den Gesetzgeber zur Ausformulierung eines Tatbestandes geführt haben, seien vom DVV er- fasst.72 Diese Erwägungen haben hier bereits auf seiten des Gesetzgebers die Strafbarkeit als solche und die Zuordnung des jeweiligen Strafrahmens begründet und sind demzufolge verbraucht.73 Der Richter darf also die gesetzgeberischen Motive nicht nochmals verwerten.74 Begründet wird dies alles damit, daß der Richter, wenn er den Gesetzeszweck nochmals verwertet, auf die Kompetenz des Gesetzgebers übergreift.75 Dieser Einwand kann aber nur von denjenigen erbracht werden, die das DVV als Ausfluß der Arbeitsteilung von Gesetzgeber und Richter ansehen. Jedoch ist der Arbeitsteilung zwischen Gesetzgeber und Richter keine Begründung für das Verbot der Verwertung des Gesetzeszweckes zu entneh- men.76 Diesem Arbeitsteilungsprinzip hatte ich mich jedoch nicht angeschlossen (siehe oben), so daß ich auch der Ausdehnung des DVV auf den Gesetzeszweck nicht folgen kann.
Die Gegenauffassung, daß die Verwertung des Gesetzeszwecks für die Strafzu- messung zulässig ist, wurde zunächst in einer von der früheren Rechtsprechung abweichenden Entscheidung des BGH vertreten.77 Hier führte der BGH aus, daß es nicht zu beanstanden sei, wenn der Richter zusammen mit den übrigen, den Täter belastenden Umständen, strafschärfend heranzieht, daß das öffentliche Inte- resse zum Schutze der Allgemeinheit eine schwerste Bestrafung von Gewalt- verbrechen bedarf.78 Denn damit wird ja nur darauf hingewiesen, welcher Zweck mit der Aufstellung einer solchen Strafvorschrift und für die Verfolgung einer ent- sprechenden Straftat verfolgt werden soll und der Richter hat klargestellt, daß er den Zweck des Gesetzes nicht aus den Augen verloren hat.79 Weiterhin wird in diesem Urteil ausgeführt, daß aber dann eine unzulässige Strafzumessung vorliegt, wenn den Strafzumessungsgründen die Gewißheit oder auch nur die Möglichkeit zu entnehmen wäre, daß das Gericht sein Unwerturteil nicht allein nach dem rich- tig verstandenen Zweck des Gesetzes, sondern irrtümlich unter doppelter Heran- ziehung von gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gebildet hat.80 Dies lag aber im zu entscheidenden Fall nicht vor. Diesen Ausführungen hat sich unter anderem Tim- pe angeschlossen, der auch davon ausgeht, daß es zulässig ist, wenn der Richter den Zweck der Strafvorschrift oder die generelle Bewertung der Strafwürdigkeit in den Entscheidungsgründen nennt,(er begründet dies aber mit dem DVV als generalisierenden Anwendungsfall der materiell-rechtlichen Begründungs- pflicht).81 Er hält es auch für richtig, den Zweck der Strafdrohung für die Strafzu- messung nach dem , durch den zunächst festgelegten Zweck ausgelegten Rahmen, bei der Festsetzung der Strafe erneut zu verwerten.82 Jedoch ist es auch nach Timpe unzulässig, wenn der Richter den Zweck des Strafgesetzes in seiner Straf- zumessungsbegründung nennt, um damit nach dem richtig verstandenen Zweck des Gesetzes die Bestimmung der Schwere der konkreten Tat vorzuneh- men.83 Das entscheidende BGH Urteil wurde unterschiedlich in der Rechtspre- chung aufgenommen. So war auch das OLG Köln der Meinung, das Gericht könne den Gesetzeszweck nochmals bei der Strafzumessung verwerten.84 Das OLG Hamm folgte im wesentlichen den Ausführungen Timpes.85
Ich denke, das Argument gegen diese Auffassung, daß der Richter in die Kom- petenz des Gesetzgebers eingreift, wenn er den Gesetzeszweck berücksichtigt, kann dadurch aufgehoben werden, daß der Richter bei der Anwendung einer Strafnorm unter Umständen eine Auslegung vorzunehmen hat, sei es bei der Aus- legung eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder ähnlichem. Zum Zwecke dieser Auslegung ist der Richter aber berechtigt, unter anderem den kriminalpolitischen Grundgedanken, die Motive des Gesetzgebers also den Gesetzeszweck heranzu- ziehen. Aus diesem Grund folge ich denen, die den Geltungsbereich des DVV nicht auf den Gesetzeszweck ausdehnen.
3. Die Gesamtstrafe
Umstritten ist, ob die Tatsachen, die im Falle des § 53 bei der Bemessung der Einzelstrafe verwertet worden sind, nochmals die Bildung der Gesamtstrafe beeinflussen dürfen oder nicht.86
Nach einer Auffassung, die von Teilen der Literatur und der Rechtsprechung vertreten wird, greift das DVV im Verhältnis von Einzelstrafe zu Gesamtstrafe grundsätzlich nicht ein, sondern gestattet eine nochmalige Veranschlagung von Bemessungsfaktoren unter dem Gesichtspunkt der Gesamtstrafenbildung.87 Jedoch ist hier nach Maurach/Gössel/Zipf aber streng zu beachten, daß nur wenige Bemessungsfaktoren wirklich etwas Verwertbares für die Gesamtstrafenbildung aussagen.88 Der Schwerpunkt der Zumessung liegt hier auf der Auswertung der Täterpersönlichkeit.89 Horn entnimmt der Vorschrift des § 54 I 3, die für die Bil- dung der Gesamtstrafe eine zusammenfassende Würdigung von Taten und Täter verlangt, daß die Festsetzung der Gesamtstrafenhöhe ein originärer Akt sein soll, so daß die erneute Verwertung von den die Einzelstrafen-Höhe bestimmenden Faktoren als Doppelverwertung geschieht.90
Ein anderer Teil der Literatur vertritt die Auffassung, daß das Gericht die Straf- zumessungstatsachen, die es schon bei der Bestimmung der Einzelstrafe verwertet hat, nicht mehr bei der Bildung der Gesamtstrafe heranziehen darf.91 Tröndle führt zum Beispiel aus, daß das Gericht innerhalb der Gesamtwürdigung die für die Gesamtstrafe bestimmenden Strafzumessungsgründe ohne Doppelverwertung der Strafzumessungstatsachen zu finden hat und deshalb zunächst die Einzelstrafe für jede Tat ohne Rücksicht auf die übrigen Taten zuzumessen hat.92 Nur in diesem Falle, so Tröndle, soll es gewährleistet sein, daß nicht jeder Wegfall einer Einzel- strafe in der Rechtsmittelinstanz zur Aufhebung aller Einzelstrafen führt.93 Denn wenn ein Revisionsgericht ein wegen zweier Taten zu einer Gesamtstrafe verurteil- ten Täter wegen der einen Tat freispricht, so kann nach Dreher nicht einfach die Einzelstrafe für die andere Tat aufrechterhalten werden.94
Ich denke hier hat Dreher recht, wenn er meint, daß die Umstände, die schon für die Einzelstrafe verwertet worden sind, nicht mehr für die Zumessung der Ge- samtstrafe verwendet werden dürfen, denn die Gesamtstrafe dient ja der gleichzeitigen Aburteilung mehrerer Taten aus Kosten-und Zeitgründen. Weiterhin ist eine Gesamtstrafe als Begünstigung für den Täter anzusehen, zumal gemäß § 54 II 1 die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstraftaten nicht überschreiten oder erreichen darf. Das heißt also, daß die Gesamtstrafe immer geringer sein muß als alle Einzelstraftaten zusammen. Aus diesem Gesetzeswortlaut schließe ich, daß die Bildung der Gesamtstrafe auch den Zweck hat, den Täter nicht für viele Einzelta- ten zu hart zu bestrafen. Der Täter wird hier vor zu hohen Strafmaßen geschützt. Und diesem Schutzprinzip widerspricht es meiner Auffassung nach, wenn im Falle eines strafschärfenden Umstandes dieser in der Einzelstrafzumessung und in der Gesamtstrafenzumessung einer Berücksichtigung zugänglich istund doppelt ver- wertet werden darf. Aus diesen Gründen schließe ich mich der Auffassung an, die das DVV auch für die Gesamtstrafenbildung anwendet.
4. Die benannten besonders und minder schweren Fälle
Das DVV gilt auch für Merkmale von verschobenen Rahmen, der Umstand, der den Sonderstrafrahmen auslöst, darf nicht mehr zur Begründung der konkreten Strafzumessung herangezogen werden.95
a. Obligatorische Strafrahmenänderung
Hier treten keine Probleme auf, da der Gesetzgeber die Strafrahmenverschiebung angesichts bestimmter Umstände vorschreibt.96
b. Fakultative Strafrahmenänderung
Probleme tauchen erst dort auf, wo die Strafrahmenverschiebung wegen spezieller Umstände nur zugelassen aber nicht zwingend vorgeschrieben ist.97
Problematisch ist hier, ob die Strafrahmenverschiebung von der „Gesamtwürdi- gung“ des Falles abhängig gemacht werden soll.
Horn wendet sich gegen die Methode der Gesamtbetrachtung. Er bezeichnet sie als rechtsdogmatische Hilflosigkeit.98 Er findet es richtig, wenn solche Fälle dem DVV unterliegen. Ebenfalls hält Dreher eine Doppelverwertung für unzulässig. Seiner Meinung nach käme es hier zu einer nochmaligen, zugunsten des Täters, ungerechten Milderung.99 Frisch/Bergmann sehen in dieser Methode die Gefahr einer Ungleichbehandlung.100 Dies begründen sie damit, daß jeder Richter subjek- tiv eine andere Auffassung von der Schwere einer Tat hat, was auch die unter- schiedlichen Strafen zeigen, die für vergleichbare Taten von unterschiedlichen Gerichten verhängt wurden.101 Vielmehr versuchen beide dem Richter bei der Fra- ge, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt oder nicht, eine Orientierungshilfe in Form von subsumtionsfähigen Obersätzen zu geben, mit dem Argument, daß da- durch die Rechtssicherheit und die Rechtsgleichheit erhöht werden.102 Diese Auf- stellung von Obersätzen ist aber insofern nachteilig, als bei gesellschaftlichen Ver- änderungen eine schnelle, ohne Verzögerung stattfindende Subsumierung nicht geschehen kann.
Die Rechtsprechung103 macht die Entscheidung, ob eine Strafrahmenverschie- bung eintreten soll oder nicht, von einer „Gesamtwürdigung“ abhängig. Davon umfasst sind die objektiven, subjektiven und die Persönlichkeit des Täters betref- fenden Umstände, die der Tat selbst innewohnen oder sonst im Zusammenhang zu ihr stehen.104 Nach dem BGH ist es also zulässig, diese Umstände für die Wahl des jeweiligen Sonderstrafrahmens als auch für die Festsetzung der Strafe inner- halb des gewählten Rahmens zu verwerten.105 Demnach ist eine doppelte Ge- samtwürdigung geboten, das DVV gilt hier nicht. Auch Bruns ist der Meinung, daß das DVV nicht für die Heranziehung von Strafzumessungstatsachen zum Zweck der Strafrahmenfindung gilt. Er unterscheidet zwischen nicht tatbestands- mäßigen und tatbestandsähnlichen Tatsachen. Die letzteren kann man seiner Mei- nung nach doppelt verwerten.106 Außerdem schließt sich dem Ganzen auch Stree an. er führt aus, mit der Gesamtbetrachtung werde nur festgestellt, daß der Regel- strafrahmen zur Vergeltung nicht ausreiche, die Feststellung klärt allerdings nicht, welches Gewicht dem Umstand im einzelnen für die Strafhöhe zukommt.107 Die innerhalb des besonderen Strafrahmens angemessene Strafe muß deshalb unter Berücksichtigung der einzelnen Umstände festgesetzt werden, auch wenn sie An- laß dafür gewesen sind, daß ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist.108 Für diese Meinung spricht, daß die Bewertung eines Sachverhalts die ursprünglichste Aufgabe eines jeden Richters ist.
Ich stimme der Auffassung des BGH zu, denn die Aufstellung von subsumtionsfä- higen Obersätzen würde viel Zeit kosten, außerdem müßten wiederum alle er- denklichen Fallkonstellationen berücksichtigt werden, so daß es eine große An- zahl solcher Obersätze geben würde. Eine Reihe von lückenlosen, Obersätzen aufzustellen, die alle Konstellationen des Lebens umfassen, ist deshalb unmöglich und als reine „Utopie“ anzusehen. Auch kann dieser Auffassung nicht entgegen- gehalten werden, daß jeder Richter subjektiv eine andere Auffassung davon habe, ob die Tat schwerer als normale Taten wiegt oder nicht, zumal es Aufgabe des Richters ist, die entsprechende Strafe im Einzelfall zu finden.
5. Die unbenannten besonders und minder schweren Fälle
Fraglich ist in den Fällen, in denen der Gesetzgeber offen gelassen hat, wann der Richter einen besonders oder minder schweren Fall annehmen soll, ob diese Strafänderungsgründe, die einen speziellen Strafrahmen im Gesetz vorsehen, auch noch bei der konkreten Strafzumessung innerhalb dieses Rahmens berücksichtigt werden dürfen.
Hier tritt wieder das oben genannte Problem der „Gesamtwürdigung“ auf. Insofern kann gänzlich auf die oben erörterte Problematik verwiesen werden.
6. Die ungleichwertigen Tatbestandsalternativen
Die herrschende Meinung vertritt die Auffassung, daß das DVV dann keine Anwendung findet, wenn ein Tatbestand mehrere ungleichwertige Alternativen vorsieht.109 Hier sollen die Tatbestandsmerkmale innerhalb des aufgestellten Strafrahmens noch einmal berücksichtigt werden dürfen.110
Anderer Ansicht ist, soweit erkennbar, nur Timpe. Er sieht in der doppelten Verwertung von Tatbestandsalternativen ein Verstoß gegen das DVV.111
7. Die unrechts-und schuldbegründenden Merkmale
Unumstritten werden die unrechts-und schuldbegründenden Merkmale in den Anwendungsbereich des DVV mit einbezogen.112 Es ist daher zum Beispiel verfehlt, einen minder schweren Fall zu verneinen, mit der Begründung, der Täter habe gewußt, daß er sich nicht hätte derart verhalten dürfen.113
8. Besonderheiten des Jugendstrafrechts
Gemäß § 18 I 3 JGG dürfen bei der Bemessung der Jugendstrafe auch Umstände berücksichtigt werden, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, denn das Jugendstrafrecht kennt keine dem Erwachsenenstrafrecht vergleichbare enge Bindung an tatbestandsbezogene Strafrahmen.114
Teil 3. Das DVV gemäß § 50
Die Vorschrift des § 50 enthält eine besondere Ausprägung des DVV.115 Jedoch treten hier hinsichtlich ihrer Auslegung weitreichende Probleme auf.
I. Zusammentreffen von gesetzlichen Strafmilderungsgründen und minder schweren Fällen
So ist zunächst problematisch, wie zu verfahren ist, wenn ein gesetzlicher Straf- milderungsgrund nach § 49 mit einem minder schweren Fall zusammentrifft.116 Es stellt sich die Frage, ob ein strafmildernder Umstand der die Annahme eines min- der schweren Falles begründet nochmals verwertet werden darf, wenn er auch die Annahme eines gesetzlichen Strafmilderungsgrund nach § 49 begrün- det.117 Fraglich ist also, welcher Strafrahmen herangezogen wird. Zu dieser Frage werden verschiedene Meinungen vertreten.
Schütz führt aus, daß bei Vorliegen eines gesetzlichen Milderungsgrundes dieser schon verbraucht ist und den Strafrahmen des minder schweren Falles nicht noch einmal nach § 49 mildern kann.118 § 50 verbietet seiner Auffassung nach eine dop- pelte Verwertung eines Milderungsgrundes.119 Horn sieht in § 50 ebenfalls die Bestimmung, daß ein Umstand, der sowohl einen besonderen gesetzlichen Milde- rungsgrund nach § 49 darstellt als auch die Annahme eines minder schweren Fal- les im Sinne des besonderen Teils des Strafgesetzbuches begründet, für die Fest- legung des entsprechenden Sonderstrafrahmens nur einmal verwertet werden darf.120
Horstkotte dagegen will das DVV bei strafmildernden Gesichtspunkten über- haupt nicht anwenden.121 Für ihn setzt § 50 voraus, daß der Richter einen Um- stand, der die Strafmilderung nach § 49 I zuläßt oder vorschreibt, zum Anlaß nehmen darf, die Strafe primär nach dem für minder schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmen zu mildern.122 Horstkotte führt aus, daß der Richter selbst dann ei- nen minder schweren Fall annehmen darf, wenn er bereits die Tatbestandsmäßig- keit des § 49 bejaht hat.123 § 49 bezeichnet nach ihm nur einen Maßstab, nach dem die Strafe mindestens gemildert werden muß, er schließt aber nicht die An- wendbarkeit eines anderen gesetzlichen Maßstabes, soweit dieser milder ist, aus.124 Auch Bruns ist der Meinung, eine grundsätzlich unzulässige doppelte Buch- führung gibt es auf dem Gebiet der Strafzumessungsregeln nicht.125 Lackner schließt eine Doppelverwertung in dem Sinne aus, daß derselbe Milderungsgrund zugleich zur Begründung einer allgemeinen Strafrahmenermäßigung wegen eines minder schweren Falles und einer darauf aufbauenden weiteren Ermäßigung nach der besonderen Milderungsvorschrift iVm. § 49 herangezogen wird.126 Jedoch soll seiner Meinung nach eine Doppelmilderung möglich sein, wenn nicht erst Konkre- tisierungen des vertypten besonderen Milderungsgrundes, sondern schon andere Gründe allein die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen.127 Diese Einschränkung machte auch Tröndle, er meinte, § 50 verbiete nicht die zusätzli- che Milderung nach § 49, wenn andere Umstände, die, ohne gesetzlich vertypt zu sein, eine selbständige sachliche Grundlage haben, die Annahme eines minder schweren Falles begründen.128 Tröndle ist der Auffassung, daß § 50 nur die nochmalige Herabsetzung des Strafrahmens verbiete, es sei aber erlaubt, auf die Umstände, die einen minder schweren Fall begründeten, innerhalb der Strafzu- messung ieS nochmals zurückzukommen, daß DVV gilt also nur für die Strafrah- menwahl, nicht aber für die konkrete Strafzumessung.129 Die Rechtsprechung will das DVV hier auch nur verneinen, wenn schon Umstände, die für sich allein be- trachtet, keinen gesetzlichen Milderungsgrund darstellen, die Annahme eines min- der schweren Falles begründen.130 Der Richter, der die Voraussetzungen eines minder schweren Falles als auch die eines gesetzlichen Milderungsgrundes an- nimmt, kann hier grundsätzlich die Strafe doppelt mildern, wenn jeder der straf- rahmenbildenden Milderungsgründe eine selbständige sachliche Grundlage hat.131 Der Richter hat hiernach die sogenannte Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Strafrahmen.132 Der Richter muß sich dieser Wahlmöglichkeit nur bewußt gewe- sen sein.133
Meiner Meinung nach ist der Auffassung der Rechtsprechung der Vorzug zu ge- ben, da Umstände, die unterschiedliche sachliche Grundlagen haben, als unter- schiedliche Umstände im weiteren Sinne angesehen werden können. Insofern kann dann wieder dem Verwertungsverbot von ein und demselben Umstand bei- gepflichtet werden. Derselbe Umstand liegt aber meines Erachtens wegen der unterschiedlichen sachlichen Grundlage nicht vor, so daß hier die Strafe bei Vor- liegen eines gesetzlichen Milderungsgrundes und eines minder schweren Falles doppelt gemindert werden darf.
II. Zusammentreffen von gesetzlichen Strafmilderungsgrün den und besonders schw eren Fälle (Regelbeispiele)
Weitere Probleme ergeben sich in dem Bereich, in dem gesetzliche Milderungs- gründe mit einem besonders schweren Fall zusammentreffen. Hier stellt sich die Frage, wie sich diese Fallkonstellation auf die Strafrahmenwahl auswirkt.134
Dreher ist der Auffassung, daß der Milderungsgrund, der mit einem besonders schweren Fall zusammentrifft, dazu führt, daß die Indizwirkung des Regelbeispiels als widerlegt anzusehen ist, so daß kein besonders schwerer Fall mehr zu bejahen ist.135 Auch Schäfer ist der Meinung, daß bei besonders schweren Fällen das Re- gelbeispiel die Vermutung des besonders schweren Falls begründet.136 Gewichti- ge ( und damit alle gesetzlich vertypten) können seiner Auffassung nach diese Vermutung widerlegen. Unter Umständen hat dies zur Folge, daß eine Milderung nach § 49 nicht mehr in Frage kommt.137 Das Bayrische OLG hat auch diese An- sicht vertreten.138 Im Falle des versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall befand das BayOLG, daß nach § 23 II iVm. § 49 I keine Milderung des Sonder- strafrahmens nach § 243 I stattfindet, da diese Milderung nicht zwingend ist und der nach § 49 I gemilderte Strafrahmen des § 243 höher ist als der Normalstraf- rahmen des § 242.139
V on Löbbecke 140 will die Tatsache des Versuchs wie Dreher als besonders schweren Fall berücksichtigen, hält aber eine Milderung für zulässig, wenn trotz des Versuchs ein besonders schwerer Fall vorliegt.141
Bruns dagegen vertritt die Auffassung, daß bei Zusammentreffen von gesetzli- chem Milderungsgrund und besonders schwerem Fall eine Milderung des Regel- beispielrahmens nach § 49 zulässig ist.142 Lackner tritt auch für eine Herabsetzung des Sonderstrafrahmens im Versuchsfall ein.143 Und ebenfalls Braunsteffer ist der Meinung, daß der Milderungsgrund nur zur Herabsetzung des verschärften Sonderstrafrahmens für besonders schwere Fälle führen kann.144
Ich halte die letztgenannte Auffassung für erstrebenswerter, da der Gegenmei- nung durchaus entgegengehalten werden kann, daß im Falle des versuchten be- sonders schweren Diebstahls der Grundtatbestand des § 242 bereits erfüllt ist und eine Vollendung vorliegt. Bleibt die Ausführung des Regelbeispiels im Versuch stecken, so hatte der Täter zumindest den Tatentschluß, ein Regelbeispiel des § 243 zu begehen. Insofern ist es meines Erachtens richtiger, den Milderungsgrund des Versuchs nach § 23 II iVm § 49 I innerhalb des Sonderstrafrahmens des § 243 zu berücksichtigen. Außerdem würde man, wenn man der Auffassung Dre- hers folgen würde, die Täter, die den Tatentschluß für den besonders schweren Fall hatten, den Tätern gleichsetzen, die den Tatentschluß zur Vollendung des Grundtatbestandes des § 242 hatten, unabhängig davon, ob diese die Tat vollen- det haben oder nicht. Aus diesen Gründen halte ich es für richtig, wenn der Milderungsgrund innerhalb des Regelbeispielstrafrahmens Berücksichtigung findet.
III. Zusammentreffen mehrerer gesetzlicher Strafmilderungsgründe nach § 49
Fraglich ist weiterhin, wie zu verfahren ist, wenn mehrere gesetzliche Milderungsgründe zusammentreffen.
Roxin will in allen Fällen des Zusammentreffens von § 27 II und § 28 I die Strafe doppelt mildern.145 Er räumt ein, daß beide Milderungsbestimmungen zwar unter verschiedenen Aspekten dasselbe beihilfebegründende Kriterium betreffen, da aber bei Pflichtdelikten die Teilnahme den Gehilfen wegen des von dem Täter verwirklichten Sonderunrechts in größerem Abstand zu diesem bringt als bei Herrschaftsdelikten, wird die doppelte Strafherabsetzung allein durch diesen Um- stand hinreichend legitimiert.146 Auch Horstkotte hat eine doppelte Verwertung ohne Einschränkung bejaht.147
Nach Bruns soll das DVV des § 50 nicht eingreifen, wenn mehrere gesetzliche Milderungsgründe miteinander konkurrieren.148 Vielmehr soll zum Beispiel eine mehrfache Verwertung zulässig sein, wenn ein vermindert Schuldfähiger (§ 21) Beihilfe (§ 27) zur versuchten (§23) Haupttat leistet.149 Hierbei handelt es sich seiner Auffassung nach um ein kumulatives Zusammentreffen von gesetzlichen Milderungsgründen, um eine zulässige Doppelverwertung von Strafzumessungstat- sachen, der weder § 50 noch § 46 III entgegensteht.150 Die Doppelverwertung ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn jeder dieser strafrahmenbildenden Minde- rungsgründe auch eine selbständige sachliche Grundlage hat.151 Auch Hirsch ist der Meinung, daß bei Vorliegen mehrerer Strafmilderungsgründe nach § 49 I eine mehrfache Milderung zulässig ist; er schränkt diese Möglichkeit der Doppelver- wertung aber dadurch ein, daß die mehrfache Verwertung nicht zulässig ist, wenn ein und dieselbe Tatsache allein und ohne Hinzutreten anderer Umstände über mehrere Vorschriften zur Anwendung von § 49 I führt.152 Ebenso führt Dreher aus, daß eine Mehrfachverwertung beim Zusammentreffen mehrerer Milderungs- gründe nach § 50 nicht ausgeschlossen ist, was sich aus dem Gegenschluß von § 50 ergibt; jedoch ist nach ihm Doppelverwertung der Natur der Sache nach dann verboten, wenn es derselbe Umstand ist, der nach verschiedenen Vorschriften Milderung vorschreibt oder zuläßt.153 Auch Stree 154, Horn 155 und Lackner 156 halten eine Doppelverwertung bei Zusammentreffen von mehreren gesetzlichen Milderungsgründen grundsätzlich für zulässig mit der Bedingung, daß die Milde- rungsgründe eine selbständige sachliche Grundlage haben. Der BGH hatte auch gerügt, daß das LG die Strafe lediglich nach §§ 49 II, 44 II a.F. gemildert hat und dabei übersah, daß neben der Milderung wegen Beihilfe nach § 27 II iVm. § 2 III n.F. auch noch nach § 28 I n.F.,§ 49 I n.F. iVm. § 2 III gemildert werden mußte, das LG hätte hier nach Meinung des BGH von einem doppelt gemilderten Straf- rahmen ausgehen müssen.157 Ebenso hatte der BGH in einer Entscheidung das vorhergehende Urteil unter anderem abgelehnt, weil die materiell-rechtlich gebo- tene doppelte Strafrahmenmilderung vom Senat abgelehnt wurde.158
Meiner Meinung nach ist der letzteren Auffassung beizupflichten, da die doppelte Verwertung von Umständen, die keine selbständige Grundlage haben, zu sehr einem Verstoß gegen das DVV nahekommt. Wenn uneigenständige Umstände mehrfach berücksichtigt werden, so ist dies im Hinblick auf Täter, bei denen nur ein Umstand berücksichtigt werden kann ungerecht. Diese Mehrfachverwertung von unselbständigen Umständen kann nicht zulässig sein, denn ein Täter, der z.B. den § 242 verwirklicht, wird auch nicht mehrfach bestraft, wenn er aufgrund zweier unselbständiger Umstände das Tatbestandsmerkmal der Fremdheit mehr- fach erfüllt. Insofern ist es einleuchtend, wenn bei ein und demselben Umstand, bei einer einzigen Tatsachenbasis, diese dem Täter nur einmal zugute kommen darf.
Teil 4. Schlußbetrachtung
Abschließend läßt sich sagen, daß hinsichtlich der Problematik des Doppelver- wertungsverbotes zahlreiche dogmatische Einwände, die den Geltungsgrund und den Geltungsbereich betreffen, bestehen. Eine akzeptable Einigung konnte bis dato noch nicht erreicht werden. Insofern ist es in der Praxis dem jeweiligen Rich- ter und seiner inneren Einstellung überlassen, z.B. wie weit er den Geltungsbereich des DVV auslegt. Damit ist die strafrechtliche Folge durch den Richter jedesmal im Einzelfall neu zu entscheiden, wobei hier eine dem Täter und der Tat gerechte Sanktion ermittelt werden muß. Man könnte umgangssprachlich fast formulieren „neues Spiel, neues Glück“. Dies hat dann aber meines Erachtens weitreichende Folgen auf die Strafzumessung einer Tat. Hier scheint eine Ungleichbehandlung der Täter aufgrund der unterschiedlichen Auslegungsansätze unvermeidbar, aber ich denke, der Richter kann dem abhelfen, indem er seine Entscheidung an schon abgeurteilten Sachverhalten ausrichtet. Um dem Unterschied von Entscheidungen eines gnädigen und eines gnadenlosen Richters auszugleichen, könnte in Erwägung gezogen werden, daß der Gesetzgeber die Strafrahmen enger stecken muß, da ja die Strafrahmen in der Praxis selten oder gar nicht ausgeschöpft werden. Dann würde man einer eventuellen Ungleichbehandlung entgegenwirken. Jedoch müßten dann alle Tatbestände neu gefasst werden und dies ist meines Erachtens ein aus- sichtsloses Unterfangen, so daß es letztendlich doch im Einzelfall auf das Verständnis des jeweiligen Richters ankommt.
[...]
1 Tröndle, StGB-Komm,§ 46,Rn.37.
2 Soweit nicht anders gekennzeichnet, sind alle Paragraphen solche des StGB.
3 Hettinger, Das Doppelverewertungsverbot...,S.17.
4 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.15.
5 siehe BGBl. I 1969,S.645.
6 RGSt 57,379
7 RGSt 70, 223, „Schlingenstellen-Entscheidung“.
8 BGHSt 19, 116.
9 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.16.
10 BGH NStZ 1985,215.
11 BGH NJW 1980,1344; vgl. auch RG GA 56 (1909),96.
12 BGHSt 26,312.
13 Seebald, GA 1975,230,232.
14 BGHSt 20, 264, 266.
15 Peters, ZStW 57, 53, 78.
16 Sauer, GA 1957, 129, 134.
17 Koffka, JR 1955, 322, 324.
18 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.19/20.
19 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.23.
20 Zipf, Die Strafmaßrevision,S.98.
21 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT,§63,Rn.62.
22 Timpe, Strafmilderungen...,S.44.
23 Timpe, Strafmilderungen...,S.45.
24 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.25.
25 Bruns, Strafzumessungsrecht,S.130.
26 BGH MDR/D 1970, 559
27 Streng, Strafrechtliche Sanktionen,S.213.
28 Hettinger,GA 1993,S.12,Fn.59.
29 Brandt,JW 1925,2720.
30 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.21.
31 Montenbruck, Strafrahmen,S.181.
32 Bruns, Strafzumessungsrecht,S.393.
33 Timpe, Strafmilderungen...,S.33.
34 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S:22.
35 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT,Bd.2,§63I,Rn.62.
36 Schall/Schirrmacher, Jura 1992,624,625.
37 Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht AT,Bd.2,§63I,Rn.60.
38 Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot...,S.47.
39 siehe auch Horn, SK-StGB,§46,Rn.150.
40 Dreher, JZ 1968,213.
41 Neumann , StV 1991,257.
42 Bruns, Das Recht der Strafzumessung,S.133.
43 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, S.28.
44 Neumann, StV 1991,256,257.
45 um nur einige zu nennen: Dreher,StGB-Komm,§46,Rn.37; Detter, NStZ 1991,274, Lackner, StGBKomm,§46,Rn.45, Streng, Strafrechtliche Sanktionen,S.205 f. usw.
46 BGH StV 1991,107; BGH NJW 1990,2570.
47 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.45.
48 Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot...,S.155.
49 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.86.
50 Timpe, Strafmilderungen...,S.57.
51 BGHSt 37,153ff.
52 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.45.
53 Schall/Schirrmacher, Jura 1992,624,627.
54 Grasnick, JZ 1991,933.
55 Schall/Schirrmacher, Jura 1992,624,627.
56 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.45.
57 so z.B. Schall/Schirrmacher,Jura 1992, 624, 627.
58 Bruns, JZ 1988,1053,1055.
59 Frisch, ZStW 99,751,791.
60 Streng, JuS 1993, 919, 926.
61 Frisch, GA 1989,350 ff.
62 Bruns, JZ 1988,1053,1057.
63 Horn, SK,§46,Rn.93.
64 Foth,JR 1985,397.
65 BGH NStZ 1982,113.
66 Mösl,NStZ 1981,132,1333 oder Streng,NStZ 1989,393,399, BGH JR 1980,335.
67 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.57.
68 RGSt 70,223.
69 BGH StV 91,558.
70 Bruns, Strafzumessungsrecht,S.366.
71 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.45.
72 Horn,SK,§46,Rn.150.
73 Schall/Schirrmacher,Jura 1992,624,626.
74 Schönke/Schroeder- Stree,StGB-Komm,§46,Rn.46.
75 Hettinger,Das Doppelverwertungsverbot...,S.160 f.
76 Timpe,Strafmilderungen...,S.43.
77 Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe,S.61.
78 BGH MDR 1953,148.
79 Timpe,Strafmilderungen,S.56.
80 BGH MDR 1953,148.
81 Timpe,Strafmilderungen...,S.57.
82 Timpe,Strafmilderungen...,S.58.
83 BGH MDR 1953,148.
84 OLG Köln NJW 1963,775.
85 OLG Hamm DAR 1955,284.
86 Tröndle, StGB-Komm,§46,Rn.39.
87 Maurach/Gössel/Zipf, StrafR AT,§63I,Rn.70.
88 Maurach/Gössel/Zipf,StrafR AT,§63I,Rn.70.
89 Bruns,Strafzumessungsrecht,S.379f.
90 Horn,SK-Komm,§46,Rn.159; vgl. auch BGHSt 8, 205,210.
91 Jescheck, StrafR AT,597,707
92 Tröndle,StGB-Komm,§54,Rn.6.
93 Tröndle, StGB-Komm,§54,Rn.6.
94 Dreher,JZ 1968,209,213.
95 Horn, SK-Komm,§46,Rn.154.
96 Horn, SK-Komm,§46,Rn.155.
97 Schäfer, Praxis der Strafzumessung,Rn.454.
98 Horn, Gesamtwürdigung,GS f. Kaufmann,S.573,594.
99 Dreher,JZ 1968,209,213.
100 Frisch/Bergmann,JZ 1990,944,946.
101 Frisch/Bergmann,JZ 1990,944,946.
102 Frisch/Bergmann,JZ 1990,944,953.
103 BGH GA 86,120.
104 BGHSt 28,319.
105 BGH NStZ 84,413.
106 Bruns, Strafzumessungsrecht,S.377.
107 Schönke/Schroeder- Stree, StGB-Komm,§46,Rn.49.
108 Schönke/Schroeder- Stree, StGB-Komm,§46,Rn.49.
109 Schönke/Schroeder- Stree, StGB-Komm,§46;Rn.47.
110 OLG Bremen,NJW 1952,158.
111 Timpe, Strafmilderungen...,S.49,Fn.122.
112 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.45; Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes...,S.53f.;Schönke/Schroeder- Stree, StGB-Komm,§46,Rn.45b.
113 BGH MDR/D 74,366.
114 Tröndle, StGB-Komm,§46,Rn.40.
115 Hettinger, Das Doppelverwertungsverbot...,S.20.
116 Tröndle,StGB-Komm,§50,Rn.2.
117 Lackner, StGB-Komm,§50,Rn.2.
118 Schütz, Jura 1995,339,403.
119 Schütz, Jura1995,339,403.
120 Horn, SK-Komm,§50,Rn.2.
121 Horstkotte, Dreher-FS,S.280.
122 Horstkotte, Dreher-FS,S.272.
123 Horstkotte, Dreher-FS,S.272.
124 Horstkotte, Dreher-FS,S,274.
125 Bruns, JR 1980,226.
126 Lackner, StGB-Komm,§50,Rn.3.
127 Lackner, StGB-Komm,§50,Rn.3.
128 Tröndle, StGB-Komm,§50,Rn.2b.
129 Tröndle, StGB-Komm,§50,Rn.2c.
130 Bruns, JR 1980,227.
131 BGHSt 26,53.
132 BGHSt 21,59.
133 BGH StV 1988,385.
134 Lieben, NStZ 1984,538,539.
135 Dreher, MDR 1974,58.
136 Schäfer, Praxis der Strafzumessung,Rn.452.
137 Schäfer, Praxis der Strafzumessung,Rn.452.
138 BayOLGSt 1980,26.
139 BayOLG JR 1981,118,119.
140 Löbbecke, MDR 1973,375.
141 Braunsteffer, NJW 1976,736,737.
142 Bruns, Strafzumessungsrecht,S.515.
143 Lackner, StGB-Komm,§46,Rn.2b.
144 Braunsteffer, NJW 1976,736,739.
145 Roxin, LK,§28,Rn.88.
146 Roxin, LK,§28,Rn.88.
147 Horstkotte, Dreher-FS,S.281.
148 Bruns, JR 1980,226.
149 Bruns, JR 1980,226.
150 Bruns, JR 1982,166,167.
151 Bruns, JR 1982,166,167.
152 Hirsch, LK,§50,Rn.11.
153 Dreher/Tröndle, StGB-Komm,§50,Rn.3.
154 Schönke/Schroeder- Stree, § 50,Rn.6.
155 Horn, SK-Komm,§50,Rn.9.
156 Lackner, StGB-Komm,§50,Rn.5.
157 BGH NStZ 1981, 299.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dieser Arbeit?
Diese Arbeit befasst sich mit dem Verbot der Doppelverwertung im Strafrecht. Das bedeutet, dass Tatbestandsmerkmale, die bereits bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt wurden, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.
Was ist das Doppelverwertungsverbot (DVV)?
Das Doppelverwertungsverbot besagt, dass Umstände, die bereits bei der Festlegung des Strafrahmens berücksichtigt wurden, nicht noch einmal bei der konkreten Strafzumessung innerhalb dieses Rahmens strafschärfend oder strafmildernd wirken dürfen.
Wo ist das DVV im StGB geregelt?
Das DVV findet sich in den §§ 46 III und 50 StGB, wobei seine Bedeutung darüber hinausgeht.
Was sind die verschiedenen Interpretationen der Bedeutung des DVV?
Es gibt unterschiedliche Meinungen zum Geltungsgrund des DVV. Einige sehen es als "verunglückte" Normierung, andere als Verstoß gegen die individuelle Tatschuldverwertung, als materiell-rechtliche Begründungspflicht, als Folge des Verbots mehrmaliger Bestrafung derselben Tat (Art. 103 III GG), als Ausfluss der Arbeitsteilung von Gesetzgeber und Richter oder als schlichtes logisches Prinzip.
Was sind die typischen Begleitumstände der Tat (Regeltatbild) im Zusammenhang mit dem DVV?
Die Frage ist, ob typische Begleitumstände der Tat in den Geltungsbereich des DVV fallen. Die Rechtsprechung hat sich hierzu gewandelt, indem sie zunehmend konkrete Ausgestaltungen des Tatbestandes für die Strafzumessung zulässt.
Was bedeutet die "Samenergußurteil" im Kontext des DVV?
Das sogenannte "Samenergußurteil" des BGH hat die Rechtsprechung in Bezug auf die Verwertung von Begleitumständen bei der Vergewaltigung verändert, indem es den ungeschützten Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß als strafschärfenden Umstand wertete.
Wie wird mit dem Fehlen strafmildernder Umstände umgegangen?
Es ist umstritten, ob das Fehlen strafmildernder Umstände strafschärfend und das Fehlen von Strafschärfungsgründen strafmildernd verwertet werden darf. Die herrschende Meinung geht jedoch von einem Verbot der strafschärfenden Verwertung des Fehlens eines Strafmilderungsgrundes aus.
Welche Rolle spielt der Gesetzeszweck beim DVV?
Die Frage ist, ob das DVV auch den gesetzgeberischen Zweck, der dem Tatbestand zugrunde liegt, umfasst. Die Rechtsprechung ist hier nicht einheitlich, wobei die frühere Rechtsprechung den Gesetzeszweck in den Anwendungsbereich des DVV mit einbezog.
Gilt das DVV auch für die Gesamtstrafe?
Es ist umstritten, ob Tatsachen, die bei der Bemessung der Einzelstrafe verwertet wurden, nochmals die Bildung der Gesamtstrafe beeinflussen dürfen.
Wie wird das DVV in Bezug auf besonders und minder schwere Fälle angewendet?
Das DVV gilt auch für Merkmale von verschobenen Strafrahmen. Der Umstand, der den Sonderstrafrahmen auslöst, darf nicht mehr zur Begründung der konkreten Strafzumessung herangezogen werden. Dies gilt sowohl für obligatorische als auch für fakultative Strafrahmenänderungen.
Wie wird mit ungleichwertigen Tatbestandsalternativen umgegangen?
Die herrschende Meinung ist, dass das DVV keine Anwendung findet, wenn ein Tatbestand mehrere ungleichwertige Alternativen vorsieht.
Gibt es Besonderheiten im Jugendstrafrecht bezüglich des DVV?
Gemäß § 18 I 3 JGG dürfen bei der Bemessung der Jugendstrafe auch Umstände berücksichtigt werden, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind.
Wie wird § 50 StGB im Zusammenhang mit dem DVV interpretiert?
§ 50 StGB enthält eine besondere Ausprägung des DVV, insbesondere im Hinblick auf das Zusammentreffen von gesetzlichen Strafmilderungsgründen und minder schweren Fällen, sowie auf das Zusammentreffen mehrerer gesetzlicher Strafmilderungsgründe nach § 49.
Wie ist zu verfahren, wenn gesetzliche Strafmilderungsgründe und besonders schwere Fälle zusammentreffen?
Es stellt sich die Frage, wie sich diese Fallkonstellation auf die Strafrahmenwahl auswirkt, wobei verschiedene Meinungen zu dieser Frage vertreten werden.
Wie ist zu verfahren, wenn mehrere gesetzliche Strafmilderungsgründe nach § 49 zusammentreffen?
Es ist umstritten, wie in diesem Fall zu verfahren ist, wobei einige eine doppelte Milderung befürworten, während andere dies einschränken.
- Arbeit zitieren
- Barbara Mörstedt (Autor:in), 1999, Das Verbot der Doppelverwertung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102889