Was, wenn die Genialität eines Philosophen untrennbar mit dem Abgrund des Wahnsinns verbunden ist? Diese Frage durchdringt die vorliegende Analyse von Friedrich Nietzsche, einer der schillerndsten und meistdiskutierten Figuren der deutschen Geistesgeschichte. Jenseits des Bildes vom Übermenschen und der Willenskraft, enthüllt diese Auseinandersetzung die Zerrissenheit eines Denkers, der die Grenzen des Historismus erkannte, aber selbst in dessen Fallstricken gefangen blieb. War Nietzsche ein visionärer Mahner vor den Gefahren einer entfesselten Geschichtsschreibung, oder verlor er sich in seiner eigenen tiefgründigen Analyse, unfähig, im Hier und Jetzt zu leben? Die Untersuchung beleuchtet Nietzsches ambivalente Haltung zur Historie – zwischen der Notwendigkeit, aus der Vergangenheit zu lernen, und der Gefahr, von ihr erdrückt zu werden. Dabei werden seine Konzepte des „historischen“, „unhistorischen“ und „überhistorischen“ Standpunkts lebendig und ihre Relevanz für die heutige Zeit herausgearbeitet. Insbesondere die Kritik an einer oberflächlichen Wissensaneignung und die Warnung vor einer „Schwäche der modernen Persönlichkeit“ hallen in den gegenwärtigen Debatten um Werteverfall und Orientierungslosigkeit wider. Doch war Nietzsche selbst ein Opfer seiner eigenen Ansprüche? Scheiterte er daran, die von ihm gepriesene „unhistorische“ Lebensweise zu verwirklichen, gefangen in einem unaufhörlichen Streben nach Erkenntnis und Übermenschlichkeit? Diese Biografie ist eine Einladung, Nietzsche neu zu entdecken – nicht als unfehlbaren Propheten, sondern als einen zutiefst menschlichen Philosophen, dessen Genie und Wahnsinn auf beklemmende Weise miteinander verwoben sind. Ein Muss für alle, die sich mit den großen Fragen der Philosophie, derConditio humana und den Herausforderungen der Moderne auseinandersetzen wollen. Tauchen Sie ein in die Gedankenwelt eines Denkers, der bis heute polarisiert und dessen Werk eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration und Kontroverse bleibt. Erforschen Sie die Tiefen seiner Philosophie und entdecken Sie die überraschende Aktualität seiner Erkenntnisse für unsere Zeit.
F r i e d r i c h W. N i e t z s c h e
- GENIALER PHILOSOPH UND IRRER ÜBERMENSCH -
Friedrich Wilhelm Nietzsche gehört zweifelsohne zu den umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Philosophie. Bezeichnet als Genie, hochintelligenter Philosoph, aber auch als Irrer und Vordenker des Rassen- und Züchtungswahns wurde er bewundert und zugleich heftigst kritisiert oder einfach nur belächelt.
Meiner Meinung nach ist bei ihm sehr deutlich zu erkennen, wie nah Genie und Wahnsinn bei einander liegen können. Die Attribute des genialen Philosophen und irren Übermenschen halte ich für besonders interessant und möchte deshalb etwas näher darauf eingehen.
Ich meine, Nietzsche war ein tiefgründiger, ständig suchender Denker, der nach neuen Erkenntnissen in der Philosophie trachtete und dabei auch ungewöhnliche Wege einschlug. Er setzte sich z.B. umfassend mit dem Prinzip des Historismus auseinander und ist laut W. Schulz eigentlich der erste, der„die Gefahren des Historismus klar erkennt und radikal kritisiert“(1).
Bei der Betrachtung der Historie unterscheidet er verschiedene Sichtweisen und illustriert sie an vielfältigen Beispielen. Er verwendet dabei eine sehr bildhafte Sprache und knüpft an alltägliche und praktische Erfahrungen an, die er offenbar auch selbst gemacht hat und deshalb überzeugend darlegen kann. Man spürt, dass diese Themen ihn selbst berühren und gefühlsmäßig durchdringen. In seinen Schriften findet man diese Einflüsse immer wieder und in „Vom Nutzem und Nachteil der Historie für das Leben“ sagt er selbst:„Ich habe michbestrebt, eine Empfindung zu schildern, die mich oft genug gequält hat; ich räche mich an ihr, indem ich sie derÖffentlichkeit preisgebe.“(2, Seite 5).
Im Wesentlichen lassen sich Nietzsche zufolge drei unterschiedliche Standpunkte des Historischen unterscheiden. Der erste ist der „historische Standpunkt“. Er äußert sich darüber wie folgt:„Diese historischen Menschen glauben, dass der Sinn des Daseins im Verlaufeseines Prozesses immer mehr ans Licht kommen werde, sie schauen nur deshalb rückwärts,um an der Betrachtung des bisherigen Prozesses die Gegenwart zu verstehen und die Zukunftheftiger begehren zu lernen; ...“(2, Seite 11).
Der zweite Standpunkt ist der „unhistorische“. „Unhistorisch“ wird von Nietzsche im Sinne von „Vergessen können“ verstanden. Der Augenblick wird dabei ins Zentrum des Betrachtens und Handelns gerückt. Diese Ansichtsweise hat für Nietzsche einen besonderen Stellenwert. Sie ist unmittelbar aus der „Gefahr der Historie“ abgeleitet.„Wer sich nicht auf der Schwelle des Augenblicks, alle Vergangenheiten vergessend, niederlassen kann, wer nicht auf einem Punkte wie eine Siegesgöttin ohne Schwindel und Furcht zu stehen vermag, der wird nie wissen, was Glück ist, und noch schlimmer: er wird nie etwas tun, was andere glücklich macht.“(2, Seite 7) so Nietzsche.
Der dritte Standpunkt wird als der „überhistorische“ bezeichnet. Nietzsche erklärt die Sichtweise so:„Mit dem Nein desüberhistorischen Menschen, der nicht im Prozesse das Heilsieht, für den vielmehr die Welt in jedem einzelnen Augenblicke fertig ist und ihr Endeerreicht. Was könnten zehn neue Jahre erreichen, was die vergangenen zehn nicht zu lehrenvermochten.“(2, Seite 11).
Nietzsche wird nicht müde auf die Gefahren des Historismus und besonders des Übermaßes an Historie hinzuweisen, gerade weil er Leben ohne Historie für genauso gefährlich und unmöglich hält.
Er beschreibt außerdem die Beziehung bzw. die Wechselwirkung zwischen Historie und Leben - das Leben ohne die Geschichte ist nicht möglich, aber zuviel Historie macht das Leben kaputt.„Was man am Christentum lernen kann, dass es unter der Wirkung einerhistorisierenden Behandlung blasiert und unnatürlich geworden ist, bis endlich eine vollkommen historische, das heißt gerechte Behandlung es in reines Wissen um dasChristentum auflöst und dadurch vernichtet, das kann man an allem, was Leben hat,studieren: das es aufhört zu leben, wenn man anfängt, an ihm die historischen Sezierübungenzu machen.“(2, Seite 38).„Alles Lebendige braucht um sich eine Atmosphäre, einengeheimnisvollen Dunstkreis; wenn man ihm diese Hülle nimmt, wenn man eine Religion, eineKunst, ein Genie verurteilt, als Gestirn ohne Atmosphäre zu kreisen: so soll man sichüberdas schnelle Verdorren, ..., nicht mehr wundern.“(2, Seite 39).
Hier ist meiner Meinung nach der Gedanke enthalten, dass historische Analyse, d.h. das Durchdringen und Verstehen der Welt mittels Verstand allein nicht ausreicht, sondern, dass das Fühlen des Augenblicks, also das gefühlsmäßige Erfassen der Welt hinzukommen muß. Nietzsche leitet daraus auch Gefahren für den „modernen Menschen“ und die Jugend ab, die hochaktuell erscheinen. Bezogen auf die derzeit geführten Diskussionen um einen Werteverfall in der gesamten Gesellschaft und um die Ursachen zunehmender Gewalt und Aggressivität z.B. unter Jugendlichen. Nietzsche spricht beispielsweise von einer„Schwäche der modernen Persönlichkeit“(2, Seite 22), die er auch mit der damaligen Bildung in Zusammenhang bringt. Er schreibt:„Unsere moderne Bildung ist eben nichts Lebendiges, weil sie ohne jenen Gegensatz sich gar nicht begreifen lässt, d.h.: sie ist gar keine wirkliche Bildung sondern nur eine Art Wissen um die Bildung, es bleibt in ihr bei dem Bildungs-Gedanken, bei dem Bildungs-Gefühl, es wird kein Bildungs-Entschluss daraus.“(2, Seite 22). Meint Nietzsche hier vielleicht, dass Aneignen von Wissen und Fakten zum Handeln noch nicht ausreicht, sondern eine Verinnerlichung im Sinne einer Verbindung mit der „unhistorischen“, immer an den Augenblick gebundenen, Gefühlswelt notwendig ist? In der modernen Persönlichkeits - Psychologie wird dies als emotionale Verankerung von Wissen, Normen und Wertvorstellungen bezeichnet, welche eine bedeutende Rolle in der Persönlichkeitsreifung und den sozialen Beziehungen des Menschen spielt.
Nietzsche kritisiert, dass übermäßiges Historisieren zwangsläufig zu schädlicher Oberflächlichkeit bei der Wissensaneignung führen könne.„Daraus entsteht eine Gewöhnung, die wirklichen Dinge nicht mehr ernst zu nehmen, daraus entsteht die‚schwache Persönlichkeit’, ...“(2, Seite 23). Nietzsche sieht hier Gefahren insbesondere für die Jugend, die die „Masse des Einströmenden“ noch schlechter als der Erwachsene verarbeiten könne und aus diesem Grund entweder „mit einem vorsätzlichen Stumpfsinn“ oder „Ekel“ reagieren könne.„Der junge Mensch ist so heimatlos geworden und zweifelt an allen Sitten und Begriffen.“(2, Seite 40).
Ich denke, diese Auffassungen Nietzsches haben schon etwas Geniales, wenn man bedenkt das sie vor mehr als einhundert Jahren geäußert wurden.
Trotz oder gerade wegen dieser Genialität hat Nietzsche aber meiner Meinung nach auch etwas von einem irren „Übermenschen“. Ich denke aus seiner Biographie geht hervor, dass er in seinem eigenen Leben und in seiner Gesundheit letzten Endes scheiterte: Vielleicht an seinem eigenen Übermaß an historischer Betrachtung und seiner Getriebenheit zu philosophischen Gedanken, zum Erkennen der Welt und in dem Wunsch, selbst ein Übermensch und immer nur tiefgründig und stark zu sein.
Die Tragik dieses „irren Übermenschen“ bestand wohl darin, dass der „geniale Philosoph“ nicht dazu kam, zu leben, den Augenblick zu genießen und aus der Ruhe einer „unhistorischen“ Lebensart Kraft und eigene Lebendigkeit zu schöpfen.
Quellenverzeichnis:
1) Walter Schulz: Philosophie in der veränderten Welt. Neske, Pfullingen 1972, S. 573 - 575
2) Friedrich W. Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben
Häufig gestellte Fragen zu Friedrich W. Nietzsche - GENIALER PHILOSOPH UND IRRER ÜBERMENSCH
Wer war Friedrich Nietzsche?
Friedrich Wilhelm Nietzsche war ein umstrittener deutscher Philosoph, der sowohl als Genie und hochintelligenter Denker als auch als Irrer und Vordenker des Rassen- und Züchtungswahns bezeichnet wurde.
Was ist das zentrale Thema des Textes?
Der Text untersucht die These, dass Genie und Wahnsinn bei Nietzsche nah beieinander liegen, und betrachtet ihn sowohl als genialen Philosophen als auch als "irren Übermenschen".
Wie beurteilt der Autor Nietzsche?
Der Autor sieht Nietzsche als einen tiefgründigen, ständig suchenden Denker, der nach neuen Erkenntnissen strebte und dabei ungewöhnliche Wege einschlug.
Was ist Nietzsches Auseinandersetzung mit dem Historismus?
Nietzsche setzte sich umfassend mit dem Prinzip des Historismus auseinander und kritisierte laut W. Schulz als Erster die Gefahren des Historismus.
Welche drei Standpunkte des Historischen unterscheidet Nietzsche?
Nietzsche unterscheidet den "historischen", den "unhistorischen" und den "überhistorischen" Standpunkt.
Was bedeutet "unhistorisch" für Nietzsche?
"Unhistorisch" bedeutet für Nietzsche "Vergessen können" und das Zentrieren des Betrachtens und Handelns auf den Augenblick. Dies ist für ihn von besonderer Bedeutung, um der "Gefahr der Historie" zu entgehen.
Was kritisiert Nietzsche an der modernen Bildung?
Nietzsche kritisiert die "Schwäche der modernen Persönlichkeit", die er mit der damaligen Bildung in Zusammenhang bringt. Er bemängelt, dass die Wissensaneignung oft oberflächlich sei und keine Verinnerlichung im Sinne einer Verbindung mit der Gefühlswelt stattfinde.
Welche Gefahren sieht Nietzsche in übermäßigem Historisieren?
Nietzsche sieht die Gefahr, dass übermäßiges Historisieren zu Oberflächlichkeit bei der Wissensaneignung führt und die Persönlichkeit schwächt. Dies könne insbesondere die Jugend überfordern.
Was war die Tragik Nietzsches laut Autor?
Die Tragik Nietzsches lag laut Autor darin, dass er als "genialer Philosoph" nicht dazu kam, den Augenblick zu genießen und aus einer "unhistorischen" Lebensart Kraft zu schöpfen.
Welche Quellen werden im Text genannt?
Es werden zwei Quellen genannt: Walter Schulz: Philosophie in der veränderten Welt und Friedrich W. Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben.
- Arbeit zitieren
- Frank Herzer (Autor:in), 2000, Nietzsche, Friedrich W. - Genialer Philosoph und Irrer Übermensch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102988