Der illegale Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung. Eine Studienrezension


Hausarbeit, 2020

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Studie

Forschungsthema und -relevanz

Theoretische Einbettung

Hypothesen

Ergebnisse

Diskussion und Zukunftsperspektive

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit untersucht eine Studie die den Entscheidungsprozesses zum illegalen Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten zur kognitiven Leistungssteigerung analysiert. Anstoß für die Studie gab es nicht nur dadurch, dass das Phänomen bisher nur einseitig (die Käuferseite) betrachtet worden ist, sondern auch, dass die Kriminologie in der vorhergegangener Forschung dazu tendierte, nur einzelne Faktoren zu untersuchen, die zu einer Straftat oder kriminellem Handeln führen. (Sattler, et al. 2018, 370 nach Eifler und Leitgöb 2018) Die Autoren haben sich deshalb für die Anwendung von handlungstheoretischen Modellen in Weiterführung der Rational-Choice-Theorie entschieden, um Faktoren, die kriminelles Handeln begünstigen oder reduzieren, gleichzeitig und nicht unabhängig voneinander zu erheben, sodass auch Interaktionseffekte der Faktoren mitgemessen werden.

Die Studie

Die Studie „Der illegale Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung“ wurde von Sebastian Sattler, Peter Graeff, Carsten Sauer und Guido Mehlkop durchgeführt und wurde im Jahre 2018 als Artikel in der Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (MschrKrim) veröffentlicht. In dieser Studie wird die Entscheidung zu einem illegalen Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung (wie Ritalin) basierend auf den Überlegungen von drei verschiedenen handlungstheoretischen Ansätzen untersucht. Dabei spielen die Rational-Choice-Theorie (RCT), das Model-of-Frame-Selection (MFS) und die Situational-Action-Theory (SAT) eine Rolle. Im Vordergrund steht die Frage, wie stark die Faktoren erwarteter Gewinn, Gewinnwahrscheinlichkeit, internalisierte Normen, sowie die Selbstkontrolle die Entscheidung zu einem Verkauf begünstigen.

Die Samplegröße beträgt 1698 und besteht ausschließlich aus Studierenden einer deutschen Universität. Die Studie bezog sich auf ein hypothetisches Szenario, in dem eine mit Konzentrationsschwäche diagnostizierte Studentin, die entsprechende Medikamente verschrieben bekommt, von einem Studenten ein Kaufangebot bekommt, damit dieser die Medikamente selbst zur Leistungssteigerung in Prüfungen benutzen kann. Die Studie wurde in einem „Vignetten“-Design ausgelegt. Dabei wurden 900 Vignetten-Typen angefertigt, die jeweils das gleiche Szenario mit veränderten Faktorenlevels darstellten. Obwohl, die Befragungen zu diesem Szenario nur rein hypothetisch sind und deswegen auch nur hypothetische Antworten hervorbringen, sind die Autoren überzeugt, dass diese Antworten schon eine Handlungsabsicht darstellen können, da Handlungsabsichten und tatsächliche Handlungen (also Entscheidungen im realen Leben), hoch korrelieren, was auf gleiche Ursachen schließen ließe (Sattler, et al. 2018, 364 nach Pogarsky 2004; Beck und Ajzen 1991)

Das Ergebnis der Studie ist zunächst, dass 76,65% der Befragten nicht bereit sind, PCE-Medikamente zu verkaufen, und die übrigen 23,35% es zumindest nicht ganz ausschließen. (ibidem 371) Dies ist den Ergebnissen der Studie nach hauptsächlich durch einen hohen Grad an internalisierten Normen bedingt (375).

Forschungsthema und -relevanz

Die Relevanz in der Erforschung des illegalen Verkaufs verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerungen sehen die Autoren u.a. darin, dass die Medikamente bei Menschen ohne entsprechende Verschreibung negative Folgen in der Gesundheit und Änderungen in der Persönlichkeit bewirken können, (u.a. auch durch Über- und Unterdosierung, sowie Verunreinigung), dass insgesamt das Gesundheitssystem durch Nebenwirkungen stärker belastet wird, dass „Ansteckungseffekte“ hervortreten (also mehr Menschen zu einem Medikamentenmissbrauch bewegt werden) und dass Fairnessprobleme bei Prüfungen und auch negative rechtliche Konsequenzen aus dem illegalen Verkauf entstehen können. (Sattler, et al. 2018, 355) In der Studie wird der Begriff, der diese kognitiv leistungssteigernden Substanzen beschreibt auf den in der Fachliteratur verwandten Begriff  Pharmacological Cognitive Enhancement bzw. PCE reduziert (Sattler, et al. 2018, 353 nach S. Sattler 2016). Ein Bespiel für derartige Medikamente ist Ritalin, „ein verschreibungspflichtiges Medikament, welches für die Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) oder Narkolepsie eingesetzt wird, von dem sich jedoch einige gesunde Nutzer eine Verbesserung ihrer Konzentration versprechen“ (Sattler, et al. 2018, 353).

Die Relevanz der Studie geht auch daraus hervor, dass es die erste in Deutschland durchgeführte Studie ist, die sich mit den Perspektiven der Verkäufer und Verkäuferinnen von PCE Medikamenten beschäftigt. (Sattler, et al. 2018, 375) Bereits durchgeführte Studien in diesem Themengebiet beschäftigten sich bislang hauptsächlich mit der „Käuferseite“ - z.B. wurde in einer anderen Studie die Entscheidung zur Einnahme von PCE untersucht (ibidem 354) oder rein deskriptiv die Beschaffungswege und die Nachfrage von PCE-Medikamenten bei Ärzten (ibidem 370). Auf Grund der Anführung der Studien zu Beschaffungswegen ist es wahrscheinlich, dass die vorliegende Studie sich auf Studierende festgelegt hat, weil diese in den vorhergegangenen Studien eine gewisse Relevanz als Zielgruppe zugesprochen wurde. Eine Erklärung seitens der Autoren diesbezüglich fällt jedoch aus.1

Theoretische Einbettung

Theoretisch geht die Studie zunächst von der „engen“ Rational-Choice-Theorie nach Becker aus, laut der eine Straftat dann ausgeführt wird, wenn die Gewinne in einer Abwägung höher sind, als die zu erwarteten Kosten (Strafe) bei der Entdeckung und deren Wahrscheinlichkeit. (Becker 1968) Zu der Wahrscheinlichkeit der Entdeckung wurde dann in der Ausdifferenzierung des Abwägungsprozesses noch die Wahrscheinlichkeit des Gewinnes hinzugenommen. Gerade diese Entdeckungswahrscheinlichkeit hat sich auch als Variable der Abschreckung als effektiv herausgestellt. (Eifler und Leitgöb 2018)

„Wenn also die erwarteten Vorteile einer kriminellen Handlung (Eintrittswahrscheinlichkeit

und Gewinnhöhe) die erwarteten Nachteile (Entdeckungswahrscheinlichkeit und Strafhö-

he) übersteigen und keine nicht-kriminellen Handlungsalternativen mit ähnlichem Nutzen

verfügbar sind, sollte Kriminalität als Handlungsoption gewählt werden.“ (Sattler, et al. 2018, 356) Jedoch gibt es auch individuelle Unterschiede in dem Bewerten von Vor- und Nachteilen und unterschiedliche Wahrnehmungen darüber, wie wahrscheinlich der Eintritt der Entdeckung oder des Gewinnes ist. Darüber hinaus fehlen in diesem Rational-Choice-Modell auch noch Variablen wie der Fähigkeit zur Selbstkontrolle und internalisierte Normen. Ein weiterer Schritt, um dieses Modell zu verfeinern ist die Untersuchung der Selbstkontrolle. Beispielsweise ist diese dadurch zu untersuchen, inwiefern eine Person die Fähigkeit hat, die Kosten einer Handlung (Hirschi 2004) bzw. „die langfristigen Nachteile einer Bedürfnisbefriedigung“ (welche auch impulsiv sein kann) zu berücksichtigen (Schulz 2018). Eine Person mit niedriger Selbstkontrolle neigt beispielsweise dazu, die Kosten einer Handlung zu gering zu schätzen oder sie zu ignorieren. (Sattler, et al. 2018, 357) Darüber hinaus gilt die Fähigkeit zur Selbstkontrolle als relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal. (Sattler, et al. 2018, 373 nach Hirtenlehner und Kunz 2016) Ein Unterschied der Selbstkontrolltheorie zum Rational-Choice-Modell der kriminellen Handlung ist der, dass in dem engen Rational-Choice-Modell das Ignorieren von Kosten als irrational angesehen wird, während in der Selbstkontrolltheorie das Ignorieren von Kosten auf Grund des Fokussierens der Handlung auf kurzfristige Ziele rational bewertet wird. (ibidem) Bei beiden Modellen spielen jedoch internalisierte Normen und soziale Erwartungen, der sogenannte „homo sociologicus“ (Tittle, et al. 2010) - im Vergleich zum homo oeconomicus (Sattler, et al. 2018, 365) - keine Rolle. In den Ansätzen der Situational-Action-Theory und dem Model-of-Frame-Selection zur Erklärung einer kriminellen Handlung wird diese Komponente mitaufgenommen, um das Zusammenspiel aus „Normen und Rationalität“ (ibidem 359) zu erklären. Diese beiden handlungstheoretischen Ansätze gehen davon aus, dass prinzipiell nur eine geringe Anzahl von Menschen eine Kosten-Nutzen-Kalkulation durchführen, bevor sie sich zu einer kriminellen Handlung entscheiden. Die meisten Menschen würden eine kriminelle Handlung auf Grund internalisierter Normen von vornherein nicht als Handlungsoption erachten. (ibidem 359)2 Die Autoren schreiben, dass die Moral- und Wertevorstellung („richtig“ vs. „falsch“) von Menschen variieren, jedoch legt das Gesetz ja offen, was falsch ist, nämlich, das, was gegen das Gesetz verstößt. Dadurch, dass aber auch Emotionen mit den Moral- und Wertevorstellungen einhergehen und psychische Kosten bzw. emotionalen Stress verursachen, variieren Gefühle wie Schuld, Scham bei Normverletzungen aber auch (ibidem 358f). Dies führt dazu, dass verschiedene Handlungsoption deshalb individuell ausgefiltert werden können, und es bei einer Person so zu ständig gesetzeskonformen oder zu ständig nicht-gesetzeskonformen Handeln kommt. (ibidem 360 nach Wikström 2015). Dies ist also der erste Schritt in dem Zwei-Stufen-Modell von SAT und MFS, der eine moralische Filterung ist, und eine quasi-automatische, habituelle Handlung auslöst, und wird als der sogenannte Wahrnehmungsprozess (die erste Stufe) bezeichnet. (Sattler, et al. 2018, 360).

Im Model-of-Frame-Selection bezeichnen Kroneberg und Schulz dies auch als einen

„automatisch-spontanen Modus (as-Modus) und einen reflektiert-kalkulierenden Modus (rc-Modus) der Selektion. Im rc-Modus trifft der Akteur eine elaborierte Entscheidung unter systematischer Berücksichtigung und Abwägung einzelner Informationen und zu erwartender Folgen. Im as-Modus erfolgt die Selektion dagegen unhinterfragt oder unbedingt.“

(Schulz und Kroneberg 2018, 255)

Im MFS nimmt eine Person eine Situation wahr und „framet“ diese dann. Das heißt sie rahmt sie ein, bedingt durch ihr Disposition, und legt sie nach diesem Frame aus. Je nachdem, welcher Frame spontan ausgewählt wird, und diese Auswahl einer hohen Wahrscheinlichkeit unterliegt, folgt die Entscheidung zu einem Skript, dass der Person dann die Wahl konkreter Handlungen ermöglicht. (ibidem 254)

Wenn der moralische Filter, der bei der SAT den ersten Schritt darstellt, nicht greift und keine habituelle Handlung auslöst, folgt eine Deliberation, eine Abwägung, nach dem bereits vorgestellten Kosten-Nutzen Modell (Sattler, et al. 2018, 363) veranschaulicht in dieser Grafik:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: (Kroneberg and Schulz 2018, 59)

[...]


1 Näheres zum Sample und dem Studiendesign: (Sattler, et al. 2018, 363-364) Nur 9 Befragte beantworteten die Frage nicht.

2 An dieser Stelle ist es jedoch erwähnenswert, dass eventuell nicht alle Handlungen, die per Legaldefinition kriminell bzw. illegal sind, den gleichen wahrgenommen Stellenwert bei natürlichen Personen haben, wie andere kriminellen Handlungen. Darunter fallen beispielsweise sogenannte Kavaliersdelikte. Hier wäre zu diskutieren, ob das Empfinden oder das Bagatellisieren einer per Gesetz verbotenen, illegalen Handlung individuell stark von einem Konsens abweichen kann, oder ob dies eine Frage von kollektiv internalisierten Normen ist, also ob z.B. die Mehrheit der Menschen in einem Staat ein Gesetz nicht befolgen, wie durch das Überschreiten von roten Ampeln oder das Fahren unter Alkoholeinfluss, was einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach dem Strafgesetzbuch StGB darstellen kann.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der illegale Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung. Eine Studienrezension
Hochschule
Universität Hamburg  (Internationale Kriminologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V1030305
ISBN (eBook)
9783346456731
ISBN (Buch)
9783346456748
Sprache
Deutsch
Schlagworte
rational choice, sat, situational action theory, rct, model of frame selection, mfs, jugenddelinquenz, vignetten, illegaler verkauf
Arbeit zitieren
Philipp Blaich (Autor:in), 2020, Der illegale Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung. Eine Studienrezension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030305

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