Friedrich Schillers Gedicht "Die Götter Griechenlands". Eine Darstellung der beiden Fassungen und ihrer Debatte


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehungszeit des Gedichts

3. Struktur und Inhalt des Gedichts

4. Die Debatte
4.1. Schillers eigentliche Aussage

5. Die zweite Fassung

6. Zusammenfassung der Ergebnisse

I. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Friedrich Schillers Gedicht „Die Götter Griechenlands“ erschien 1788 kurz nach seiner Fertigstellung im Märzheft von Wielands „Teutschem Merkur“. Er entwarf in dem Gedicht ein Sehnsuchtsbild der griechischen Mythologie, die in ihrer Lebensfreude und menschlichen Nähe zu den Göttern bestand und seiner Welt fremd war. Das lyrische Ich klagt über einen gegenwärtigen Zustand der Leere und Verlassenheit. Viele Rezipienten sahen in dem Gedicht eine Verherrlichung des Polytheismus, sowie eine Ablehnung des monotheistischen christlichen Gottes, was zu zahlreichen Kritiken führte. Diese öffentliche und private Kritik bewirkte eine lange andauernde Debatte, die die Stellung des Gedichts als ein bedeutendes Zeugnis der frühklassischen Antikerezeption verdeutlichte.

Schiller sah sich durch die Kontroverse in der Situation sein Gedicht zu überarbeiten, um die an ihn herangetragenen Änderungsvorschläge sinnvoll umzusetzen. Er fertigte eine zweite Fassung des Gedichts an und änderte viele Strophen, sodass letztlich die eigentliche Aussage fokussierter dargestellt werden konnte. Diese Neufassung erschien erst im Jahre 1800, also zwölf Jahre nach der ersten Fassung, in der von Schiller herausgegebenen Gedichtsammlung.

2. Die Entstehungszeit des Gedichts

Schiller befand sich während der Arbeit an seinem Gedicht in einer krisenhaften Situation, die sich auf dessen Entstehung auswirkte. Seine bürgerliche Existenz war nicht gesichert und damit einhergehend sah er sich auch auf schriftstellerischer Ebene Entscheidungen gegenübergestellt. Aus diesem Grund wandte er sich nach Weimar, um „[…] in diesem Zentrum zeitgenössischen Geisteslebens persönliche Verbindung mit den avanciertesten Autoren der damaligen deutschen Literatur aufzunehmen und damit seine Isolierung zu überwinden.“1 In dieser Zeit des Suchens bat ihn Wieland um einen Aufsatz für den „Teutschen Merkur“ und erhielt stattdessen das Gedicht, in dem Schiller seine problematische Situation auf eine komplexe Thematik fokussiert darstellte.2 Schillers Zerrissenheit und seine Vereinsamung ließen ihn ein Sehnsuchtsbild

entwerfen, in dem der Mensch als ein Teil einer harmonischen Welt dargestellt ist. Dabei orientierte er sich stark an der griechischen Antike, die unter den Weimarer Gelehrten im Zentrum ihrer geistigen Bestrebungen lag und auch für Schiller immer größere Bedeutung bekam.3

Seit Winckelmann in seinem Werk „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst“ (1755) von der „edlen Einfalt und stillen Größe“4 der Antike geschrieben hatte, galt diese als Orientierungspunkt für menschliche Schönheit und Größe im Aufklärungsjahrhundert.

Schillers Beziehung zur griechischen Antike wird bereits 1785 im „Brief eines reisenden Dänen“ deutlich, wobei diese Antikerezeption ganz im Zeichen Winckelmanns steht. Über den Antikensaal zu Mannheim heißt es dort: „Die Griechen mahlten ihre Götter nur als edlere Menschen, und nährten ihre Menschen den Göttern. Es waren Kinder e i n e r Familie.“5 Dieser Grundgedanke, dass die Götter zu den Menschen auf die Erde hinabsteigen lässt sich auch in Schillers Gedicht wiederfinden. Seiner Vorstellung nach ist die Welt der Götter nicht streng von der Welt der Menschen getrennt, „[…] die Götter [tragen] vielmehr anthropomorphe Züge.“6 Ein weiterer Gedanke im „Brief eines reisenden Dänen“ ist der Zusammenhang zwischen den überlieferten Zeugnissen der Antike, wie z.B. Abgüssen antiker Plastiken, die für Schiller „[…] die schöne Kunst Griechenlands […]“7 darstellten und die schöne Kunst der Poesie, die sich in den Göttergeschichten der griechischen Mythologie finden lassen. Somit kann letztlich auch nur die Kunst bzw. die Poesie ein adäquates Mittel sein, um das Altertum wieder lebendig zu machen. Auch Schillers Ansicht, dass „[…] dieses Volk [das Volk der Griechen] an Wahrheit und Schönheit glaubte […]“8 findet sich in „Die Götter Griechenlands“ wieder.

[…] [Das] Schöne ist Ausdruck des Wahren […] und umgekehrt kann nur das Schöne die Wahrheit des Lebens, die Wahrheit der Götter wieder vor Augen führen.“9

3. Struktur und Inhalt des Gedichts

Die erste Fassung des Gedichts von 1788 besteht aus 25 Strophen, die jeweils aus acht Versen mit trochäischem Versmaß und Kreuzreimen gebildet sind. Dabei wird die antithetische Struktur durch die entgegengesetzten Strophen deutlich, in denen entweder die Antike besungen oder die Gegenwart beklagt wird.10 Neben dieser Darstellung lassen sich auch innerhalb einer Strophe die direkte und indirekte Konfrontationen beider Welten finden.11

Die vorgestellte „glücklichere“ (V. 3) Welt steht im Kontrast zum „jetzt“ (V. 17), wobei das lyrische Ich die Gegenwart als defizitär wahrnimmt.12 Diese konträre Darstellung der beiden Welten wurde von Schiller nicht grundlos vorgenommen:

Er verherrlicht das von ihm poetisch erinnerte Goldene Zeitalter um so mehr, als seine Gegenwart ihn alles vermissen läßt, was er in der früheren Welt an Schönem und Beglückendem für den Menschen voraussetzt.13

Dabei bleibt die Frage offen, ob das Ideal der Antike auch wirklich in der dortigen Zeit erreicht wurde oder ob es sich nur um ein idealisiertes Bild handelt, auf das Schiller seine Wünsche und Sehnsüchte projiziert.

Auffällig sind die häufigen Zitierungen mythologischer Namen, die „[…] in ihrer Gesamtheit die Vorstellung einer einst ungeteilten Lebenssphäre [bewirken].“14 Der Dichter hat hier für das bessere Verständnis seiner Leserschaft das Gedicht mit vier Fußnoten versehen. Diese Hinweise sind für heutige Leser meist unbrauchbar, zu Zeiten Schillers war die griechische Mythologie allerdings durchaus bekannter. Die zahlreichen Mythen ergeben in ihren Einzelgeschichten letztlich das Gesamtbild einer glücklichen Epoche der Menschheit. Helios lenkt „in stiller Majestät“ (V.20) seinen Wagen über den Himmel und die Götter steigen zu den Menschen, zu „Deukalions Geschlechte“ (V.33) hinab. Diese bilderreiche Wirklichkeit bewirkt, dass „[…] die Aufmerksamkeit des Lesers sich nicht an einem Einzelvorgang festhakt, sondern bei aller Einzigartigkeit der Göttergeschichten diese als stets wiederholbare vorgestellt werden.“15

Schiller würdigt die Mythologie der Griechen als poetische Leistung, wenn z.B. von der „malerische[n] Hülle“ (V. 9) die Rede ist, die sich „lieblich um die Wahrheit wand „ (V. 10). Diese malerische Hülle wird in allen folgenden Strophen aufgrund der vielzähligen Göttergeschichten deutlich. Es geht ihm dabei nicht um die Wiederherstellung eines realen Griechenlands, „[…] sondern vielmehr um eine Art poetischen Rückruf […].“16

Neben den mythologischen Erzählungen steht auch die Natur im Mittelpunkt des Gedichts, die von Luftgeistern in den Höhen (V. 21), Baumgeistern in den Bäumen (V. 22) und Wassergeistern in den Quellen (V. 23) belebt wird. Überall in der Natur konnten die Menschen die Götter antreffen, wodurch eine vertraute Beziehung zwischen ihnen herrschte. Am Ende der vorletzten Strophe erreicht diese Vorstellung ihren Höhepunkt in den Versen: „Da die Götter menschlicher noch waren, / waren Menschen göttlicher.“ (V. 191 f.)

In Kontrast dazu setzt Schiller die „[…] seelenlos-mechanistische Naturauffassung […]“17 seiner Zeit. In der 19. Strophe kommt es dann zu einem Höhepunkt des Vergleichs der beiden Weltalter, als das lyrische Ich die „schöne Welt“ (V. 145) direkt anruft und diesen Ruf unmittelbar mit der Einsicht abschließt, dass deren „goldne Spur“ (V. 148) nur noch „in dem Feenland der Lieder“ (V. 147) existiere. Die noch folgenden Strophen sind auf das Gegenwärtige gerichtet und „[…] überbieten sich gleichsam in dessen radikaler Negation.“18 Erst in der letzten Strophe zieht das lyrische Ich die Konsequenz aus der Konfrontation der beiden Welten und trägt seine Lösungsvorstellung vor: „Nimm die ernste strenge Göttin wieder“ (V. 197), „Ihre sanftre Schwester sende nieder, / spare jene für die andere Welt.“ (V. 199 f.). Aufgrund der Singularform der Anrede wird deutlich, dass hier bereits der monotheistische Gott angesprochen wird, womit die Unwiederbringlichkeit der Situation endgültig besiegelt zu sein scheint. Trotzdem drängt das lyrische Ich auf eine Befreiung aus seiner jetzigen Situation.

Gott solle ihm die volle unbegrenzte Erkenntnisfähigkeit verleihen und es somit am Göttlichen teilhaben lassen oder die begrenzte Erkenntnisfähigkeit, die es im Bewußtsein seines Ungenügens unglücklich macht, wieder von ihm nehmen.19

Mit der Aussage, dass die „sanftre Schwester“, die Schönheit an die Stelle der Wahrheit rücken soll wird auch der Wunsch der Verschleierung deutlich, die die Menschen umgeben soll, da sie immer in ihren Grenzen gefangen sein werden.

[...]


1 Dahnke, Hans-Dietrich: Die Debatte um „Die Götter Griechenlands“. In: Debatten und Kontroversen. Literarische Auseinandersetzungen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Hans-Dietrich Dahnke und Bernd Leistner. Band 1. Berlin/ Weimar: Aufbau-Verlag 1989. S. 193.

2 Vgl. Schillers Werke. Nationalausgabe. Gedichte. Anmerkungen zu Band I. Hrsg. von Georg Kurscheidt und Norbert Oellers. Zweiter Band Teil II A. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 1991. S. 171.

3 Vgl. Dahnke: Die Debatte um „Die Götter Griechenlands“. S. 195.

4 Zitiert nach Demmer, Sybille: Von der Kunst über Religion zur Kunst-Religion. Zu Schillers Gedicht „Die Götter Griechenlands“. In: Gedichte und Interpretationen 3. Klassik und Romantik. Hrsg. von Wulf Segebrecht. Stuttgart: Reclam Verlag 1984. S. 38.

5 Schillers Werke. Nationalausgabe. Philosophische Schriften. Hrsg. von Benno von Wiese unter Mitwirkung von Helmut Koopmann. Band. 20 Teil I. Weimar: Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger 1962. S. 105.

6 Koopmann, Helmut: Die Götter Griechenlands. In: Interpretationen. Gedichte von Friedrich Schiller. Hrsg. von Norbert Oellers. Stuttgart: Reclam 1996. S. 76.

7 Schillers Werke. Nationalausgabe. Philosophische Schriften. S. 105.

8 Ebd.

9 Koopmann: Die Götter Griechenlands. S. 77.

10 Besingung der Antike: 4.-10., 12., 16, 18. Strophe; Beklagung der Gegenwart: 17., 19.-25. Strophe.

11 Direkte Konfrontation: 3., 11., 13. Strophe; Indirekte Konfrontation: 1., 2., 14., 15. Strophe.

12 Vgl. Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Hrsg. von Matthias Luserke-Jaqui. Stuttgart/ Weimar: J.B. Metzler 2005. S. 263.

13 Dahnke: Die Debatte um „Die Götter Griechenlands“. S. 198.

14 Schiller-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. S. 263.

15 Koopmann: Die Götter Griechenlands. S. 73.

16 Ebd. S. 75.

17 Demmer: Von der Kunst über Religion zur Kunst-Religion. S. 39.

18 Dahnke: Die Debatte um „Die Götter Griechenlands“. S. 199.

19 Ebd. S. 202.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Friedrich Schillers Gedicht "Die Götter Griechenlands". Eine Darstellung der beiden Fassungen und ihrer Debatte
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,3
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V1030603
ISBN (eBook)
9783346441935
ISBN (Buch)
9783346441942
Sprache
Deutsch
Schlagworte
friedrich, schillers, gedicht, götter, griechenlands, eine, darstellung, fassungen, debatte
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Friedrich Schillers Gedicht "Die Götter Griechenlands". Eine Darstellung der beiden Fassungen und ihrer Debatte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030603

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