Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Theorie und Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
1. 1 Konzept und Menschenbild
1.2 Theoretischer Hintergrund
1.3 Lebenswelt als Bezugspunkt
1.4 Die Struktur- und Handlungsmaxime
2. Die Entwicklung der Frühen Hilfen in Deutschland
2.1 Aktionsprogramm der Bundesregierung
2.2 Kinderschutzgipfel 2007 und
2.3 Bundeskinderschutzgesetz
2.4 Frühe Hilfen im Bundeskinderschutzgesetz
2.5 Nationales Zentrum Frühe Hilfen
3. Frühe Hilfen und Prävention
3.1 Begriffsbestimmung „Frühe Hilfen“
3.2 Definition „Frühe Hilfen“ des Nationalen Zentrums
3.3 Begriffsbestimmung „Prävention“
3.4 Das Präventionsverständnis von Frühen Hilfen und der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
4. Lebensweltorientierte Soziale Arbeit in den Frühen Hilfen
4.1 Lebensweltorientierte Soziale Arbeit in Familien
4.2 Die Handlungsmaxime der Lebensweltorienierung bezogen auf die Arbeitsweisen der Frühen Hilfen
5. Zusammenfassung und Fazit
Einleitung
Das Thema Frühe Hilfen begleitet mich schon seit längerer Zeit. Während meiner ErzieherInnenausbildung leistete ich ein sechsmonatiges Praktikum in einem Mutter-Kind-Wohnen mit dem Schwerpunkt psychische Erkrankungen ab. Zur gleichen Zeit trat das neue Bundeskinderschutzgesetz in Kraft und meine damaligen Anleiterinnen und Kolleginnen begeisterten sich für die neuen Möglichkeiten, mit denen Familien mit niedrigschwelligen Angeboten unterstützt werden könnten. Im Rahmen meines Studiums absolvierte ich ein sechsmonatiges Praktikum in einer Schwangerenberatungsstelle und sah mich nun tagtäglich mit Angeboten der Frühen Hilfen konfrontiert. Mir gefiel von Anfang an der präventive Gedanke dabei, Familien zu unterstützen, bevor Probleme entstehen, die eventuell zu einer Kindeswohlgefährdung führen könnten. Der Zugang zu den Eltern war jedoch nicht immer einfach. Zu verwurzelt schien der Gedanke, dass Hilfe annehmen bedeutet, etwas nicht „richtig“ zu machen oder sich nicht adäquat um sein Kind kümmern zu können. Frühe Hilfen wurden in den meisten Fällen mit dem Jugendamt in Verbindung gebracht, einer Kontrollinstanz, die sich in ihre Familienverhältnisse einmischen und ihre Erziehungsfähigkeit in Frage stellen könnte.
Als ich im Zuge meines Praktikums den Fachtag für Frühe Hilfen besucht habe, wurde dieser Aspekt, der vermeintlichen Kontrolle und alle Eltern unter einen Generalverdacht zu stellen, diskutiert und nicht abschließend beantwortet. Jedoch interessiert mich das Thema seitdem und ich möchte mich ihm in meiner Bachelorthesis widmen.
Die Relevanz der Thematik wird durch einen Blick auf die Statistik bewusst. Im Jahr 2013 wurden in Deutschland 42.100 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Das waren gut 1.900 Minderjährige mehr als im Jahr 2012. Darüber hinaus teilt das Statistische Bundesamt mit, dass die Zahl der Inobhutnahmen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat und im Vergleich zu 2008 um 31% höher als 2013 liegt. Der häufigste Anlass für die Inobhutnahme eines(r) Minderjährigen war mit einem Anteil von 40% (16.900 Kinder und Jugendliche) die Überforderung der Eltern beziehungsweise eines Elternteils.[1 ] Mit rund 40% aller Inobhutnahmen waren die unter 6-Jährigen in ihrer Altersgruppe besonders stark betroffen.[2 ]
Doch bereits in den Jahren 2005 und 2006 haben Fälle von schwersten Kindesvernachlässigungen, die im frühen Tod der Kinder Jessica und Kevin mündeten, eine tiefe gesamtgesellschaftliche Bestürzung ausgelöst.[3 ]
Risikosituationen sollten ab sofort frühzeitig erkannt und die Erziehungsfähigkeit von hochbelasteten Eltern verstärkt werden. Im Jahr 2007 wurde im Rahmen des Aktionsprogrammes „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder Soziale Frühwarnsysteme“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das „Nationale Zentrum für Frühe Hilfen“ (NZFH) eingerichtet.
Der Auf- und Ausbau von Unterstützungssystemen für Schwangere und Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern sollte gefördert werden, um den Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung zu verbessern.[4 ]
Bei meiner Recherche zum Thema Frühe Hilfen stellten sich mir zahlreiche interessante Fragen, denen ich im Laufe meines Berufslebens nachgehen möchte. Für die hier vorliegende Bachelorthesis habe mich entschieden mich dem Thema „Frühe Hilfen zwischen Prävention und Intervention“ zu widmen. Dabei werde ich mich im Besonderen der Theorie der Lebensweltorientierung widmen. Meine Fragestellung zum Thema lautet: „Wie kann ich als sozialpädagogische Fachkraft an der Schnittstelle zwischen Prävention und Intervention unter dem Aspekt der Lebensweltorientierung arbeiten und welche Herausforderungen, Chancen oder auch Grenzen ergeben sich daraus für die Soziale Arbeit?“
Im ersten Teil meiner Bachelorthesis werde ich mich mit der Theorie der Lebensweltorientierung auseinandersetzen, um danach überzuleiten zur Entstehungsgeschichte der Frühen Hilfen. In diesem Kapitel werde ich darlegen, auf Grund welcher Sachlage die Frühen Hilfen entstanden sind und welche Zwischenschritte auf dem Weg zur Bundesinitiative genommen wurden.
Im dritten Kapitel werde ich mich zum einen den Definitionsbestimmungen von Frühen Hilfen und Prävention zuwenden und mich zum anderen dem Themenkomplex von Frühen Hilfen und dem Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung widmen.
Danach werde ich auf Grundlage der theoretischen Aspekte der Lebensweltorientierung und der Arbeitsweisen der Frühen Hilfen Verbindungen ziehen, um aufzuzeigen, wo und wie in den Frühen Hilfen lebensweltorientiert gearbeitet wird. Schlussendlich werde ich eine Zusammenfassung der gesammelten Erkenntnisse verfassen und meine handlungsleitende Frage für mich beantworten.
Diese von mir untersuchte Frage kann dazu dienen, sich seines Arbeitsauftrages, unter Berücksichtigung einer in der Sozialen Arbeit relevanten Theorie, in den Frühen Hilfen, (noch) besser bewusst zu werden.
1. Theorie und Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
Bevor ich zu der Theorie der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit komme, möchte ich ein wenig vorgreifen. Es könnte sich die Frage stellen, wieso meine handlungsleitende Frage den Aspekt der Lebensweltorientierung aufgreift. So könnte sicherlich bereits ausreichend zum Thema Frühe Hilfen an der Schnittstelle zwischen Prävention und Intervention untersucht und geschrieben werden. Wieso darüber hinaus einen theoretischen Aspekt mit einbringen?
Sozialpädagogische Fachkräfte sollten Kenntnis über wissenschaftliche Theorien haben, da diese genauso zum Selbstverständnis Sozialer Arbeit gehören, wie sie Grundlage professionellen pädagogischen Handelns sind. Ebenso gehört die Reflexion des eigenen Handelns anhand wissenschaftlicher Theorien zum Selbstverständnis Sozialer Arbeit. SozialarbeiterInnen müssen darüber hinaus ihre Tätigkeit gegenüber KlientInnen und Kostenträgern mit Hilfe ebendieser Theorien begründen können.[5 ]
Wir treffen in der Sozialen Arbeit auf viele verschiedene Theorien und ich würde mit Herwig-Lempp d´accord gehen, dass es nicht die eine Theorie in der Soziale Arbeit gibt. Er sieht Theorien als Werkzeuge und umso besser ich die jeweiligen Werkzeuge kenne, umso besser kann ich für mich, in der jeweiligen Situation, entscheiden, welches Werkzeug ich benutze. Ich habe mich hierbei für die Theorie der Lebenswelt entschieden, da sie nicht nur die AdressatInnen und ihre subjektive Situation sieht, sondern auch gesellschaftliche Bedingungen mit in ihre Überlegungen einfließen lässt.[6 ]
1. 1 Konzept und Menschenbild
Das Konzept der Lebensweltorientierung „bezeichnet sowohl ein Rahmenkonzept der Theoriebildung Sozialer Arbeit als eine Orientierung ihrer Praxis, die sich in institutionellen Programmen und Modellentwicklungen […], in Konzepten sozialpädagogischen Handelns […] sowie in sozialpolitischen Rahmenbedingungen konkretisiert [...]. [7 ]
Es wird als anwendungsbezogenes Wissenschaftskonzept der Sozialen Arbeit dargestellt und betont die generellen Anordnungen von Alltäglichkeit in all ihrer Zwiespältigkeit. Das Profil der Sozialen Arbeit in ihrem Handeln ist gekennzeichnet durch das Spannungsfeld zwischen den subjektiven Erfahrungen ihrer AdressatInnen und den Chancen eines professionell, institutionellen Handelns.[8 ]
In der Differenzierung zum traditionellen Blick auf Defizite in sozialen Problemlagen betont die Lebensweltorientierung das Zusammenspiel von Problemen und Chancen sowie Stärken und Schwächen, um daraus ein Handlungsrepertoire zwischen Vertrauen, Niedrigschwelligkeit, Zugangsmöglichkeiten und gemeinsamen Konstruktionen von Hilfsentwürfen zu gewinnen.[9 ]
Herausgebildet hat sich das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit in den letzten Jahrzehnten des vorherigen Jahrhunderts und ist geprägt durch ein humanistisches Menschenbild. Es soll die Lebensentwürfe des einzelnen Menschen akzeptieren und sie gleichzeitig in ihrer Eigenverantwortung ernst nehmen.[10 ]
1.2 Theoretischer Hintergrund
Die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit versteht sich als theoretisches Konzept der Sozialen Arbeit. Die Lebensweltorientierung im Rahmen seiner theoretischen Annahmen und Konzepte zu sehen ist wichtig, um klar zu unterscheiden zwischen den Arbeiten des täglichen Lebens und einer professionellen sozialpädagogischen Arbeit mit ihren AdressatInnen in ihrem Lebensumfeld.
Die Lebensweltorientierte Soziale Arbeit ist fundiert in Bezug auf qualifizierte, wissenschaftliche Konzepte Sozialer Arbeit und nur mit diesem Hintergrund ist es möglich, Kriterien zu entwickeln, die auf die Frage der Wirksamkeit Sozialer Arbeit zielen.[11 ]
Das Leitinteresse der Lebensweltorientierten Arbeit liegt in der Lebenswelt seiner AdressatInnen. Sie ist als Konzept darüber hinaus auf Ergänzungen und Weiterführungen anderer Theorieansätze angewiesen.
Die Lebensweltorientierung greift auf verschiedene Wissenschaftskonzepte zurück:
- die hermeneutisch-pragmatische Traditionslinie der Erziehungswissenschaft
- das phänomenologisch-interaktionistische Paradigma
- die kritische Alltagstheorie alsTradition
Im folgenden werde ich jeweils kurz auf die drei Wissenschaftskonzepte eingehen und sie in skizzierter Form darlegen.
Die hermeneutisch-pragmatische Traditionslinie der Erziehungswissenschaft wurde in erster Linie begründet von Wilhelm Dilthey, Herman Nohl und Erich Weniger und weiterentwickelt zu einer sozialkritischen- und wissenschaftlichen Pädagogik durch Heinrich Roth und Klaus Mollenhauer.
In dieser Traditionslinie und in Bezug auf die pädagogische Theorie und Praxis ist die bestimmende Frage, die Frage nach dem Alltag und der subjektiv aufgefassten Lebenswelt der AdressatInnen.[12 ]
Sie beschäftigt sich konkret mit der „alltäglichen Praxis des Verstehens und dem darauf bezogenen Handeln.“[13 ]
Jedoch sind Theorie und Praxis in diesem Zusammenhang nicht getrennt voneinander zu betrachten. Vielmehr sind die Zugänge der beiden verschieden. Die Theorie ist an der Lösung von Problemen, Zusammenhängen und Hintergründen interessiert. Dies geschieht in Abstand zum eigentlichen Geschehen. Die Praxis ist daran interessiert, gestellte Anforderungen und Aufgaben zeitnah und in der Situation zu erledigen. Zusammenhänge und Hintergründe der Situation spielen dabei eher eine Nebenrolle beziehungsweise werden nur einbezogen, insoweit dies notwendig ist.
So unterschiedlich diese Zugänge jedoch auch sein mögen, ist es dem Konzept der Lebensweltorientierung wichtig, dass es wechselseitige Bezüge zwischen Theorie und Praxis gibt, um Perspektiven zu schaffen für die Gestaltung und effiziente Entwicklung der Praxis.[14 ]
Die Phänomenologisch - interaktionistische Tradition rekonstruiert Lebenswirklichkeit und Handlungsmuster unter dem Aspekt des alltäglichen Lebens. Der Alltag wird dabei als Lebenswirklichkeit des Menschen beschrieben, der auch dessen Lebenswelt bestimmt. Diese Herangehensweise ermöglicht es Fachkräften einen Zugang zum Menschen zu erlangen, der sie in ihrem alltäglichen Leben sieht, als Menschen, die von ihrem Alltag geprägt und es ihnen gleichzeitig möglich ist, diesen mitzubestimmen, mitzugestalten und eventuell auch zu verändern. Aus diesem Blickwinkel können sowohl belastende Konstruktionen wie auch Möglichkeiten des Handelns gesehen werden.[15 ]
Im dritten Aspekt, der Kritischen Alltagstheorie, geht es vor allem um die Zweideutigkeit von Realität und Möglichkeit in der Alltagstheorie. Es wird ein Spannungsfeld beschrieben, das einerseits durch Routine, die Sicherheit gibt, und andererseits durch Enge, die den Menschen in seinen Möglichkeiten einschränkt, gekennzeichnet ist. Die Absicht der Kritischen Alltagstheorie liegt darin, unentdecktes und verborgenes Potenzial zu finden, das dem Menschen wiederum hilft, freiere, weiterführende Möglichkeiten zur Bewältigung eines gelingend(er)en Alltags zu entdecken.[16 ]
1.3 Lebenswelt als Bezugspunkt
Für das Konzept der Lebenswelt lassen sich fünf Zugänge als Grundlage Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit beschreiben:
- Phänomenologischer Zugang
- Gliederung in Soziale Felder
- Normativ Kritische Aspekte
- historisch- sozial konkretes Konzept
Vom phänomenologischen Zugang her betrachtet, wird der Mensch nicht als abstraktes Individuum verstanden. Er wird vielmehr als Mensch in seiner subjektiven Erfahrungswelt wahrgenommen, jemand der sich den sich ihn gestellten Bewältigungsaufgaben und seiner oft vielfältigen Herausforderungen widmet. Der Mensch wird wahrgenommen in seiner Bestimmtheit und Fähigkeit der Anpassung an seine Lebenswelt und gleichzeitig der Fähigkeit sich mit dieser Lebenswelt auseinanderzusetzen und Strukturen zu verändern. Der phänomenologische Zugang als beschreibendes Konzept stellt die gekonnte Fähigkeit heraus, sich im Leben mit den verschiedensten Widrigkeiten zu arrangieren ebenso wie das Bemühen, sich in schwierigen Verhältnissen zu behaupten.[17 ]
Thiersch und Grunwald sehen in defizitärem und abweichendem Verhalten auch immer das Bemühen in den eigenen, gegebenen Verhältnissen zurecht zu kommen. Dies müsse „zunächst respektiert werden, auch wenn die Ergebnisse für den Einzelnen und seine Umgebung unglücklich sein mögen.“[18 ]
Ein weiterer Zugang zur Lebenswelt ist die Aufgliederung der Sozialen Arbeit in Felder. Lebenswelt als Wirklichkeit ist unterteilt in unterschiedliche Lebensräume- und felder. Lebensfelder mit ihren Funktionen sind beispielsweise Familie oder Arbeit. In diesem Zugang wird davon ausgegangen, dass der Mensch verschiedene Lebensfelder während seines Lebens durchläuft und dadurch verschiedenste lebensweltliche Erfahrungen sammelt. Diese können sich im Laufe der Zeit häufen und sich ergänzen oder aber auch blockieren und zu verhärteten Situationen führen. Das Konzept Lebenswelt ist sensibel gegenüber Problemen in der Anpassung und dem Vermitteln in den verschiedenen Lebensfeldern und dem damit einhergehenden erworbenen Fähigkeiten zur Lebensbewältigung.[19 ]
Im dritten Zugang ist das Konzept Lebenswelt normativ-kritisch. Es sieht den Menschen in der Gegensätzlichkeit der Tabuisierung von elenden Zuständen sowie der Hoffnung auf einen gelingenderen Alltag. Handlungsmuster des Menschen werden als widersprüchlich erfahren. Sie können zum einem Erleichterung verschaffen, soziale Sicherheit und Identität bieten und andererseits als ausschließend, blockierend und einengend empfunden werden.[20 ]
Thiersch und Grunwald sprechen in diesem Zusammenhang von der „Pointe im Widerspiel von Respekt und Destruktion“.[21 ] Gemeint ist damit das Nichthinnehmen von gegebenen Lebensumständen auf der einen, und der Sensibilität starker Gefühle gegenüber, wie unterdrücktem Schmerz oder Trauer, andererseits.[22 ]
Im weiteren Zugang ist Lebenswelt ein historisch und sozial konkretes Konzept. In ihr ist Wirklichkeit durch Ressourcen und Strukturen bestimmt. Sie, die Lebenswelt, ist die Schnittstelle von Strukturen und Handlungsmustern.[23 ] Grunwald und Thiersch vergleichen Lebenswelt als Bühne, auf der verschiedenste Menschen miteinander handeln, „ein Stegreifspiel [...] in vorgegebenen Mustern“.[24 ]
Von dieser theoretischen Herleitung möchte ich nun zum Kern der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit kommen, den Struktur- und Handlungsmaximen. Sie geben uns als Sozialprofessionellen einen klaren Rahmen vor, was es bedeutet mit diesem Konzept zu arbeiten und wie es in der Praxis umgesetzt werden sollte. Auf diesen Punkt werde ich mich im letzten Teil meiner Arbeit noch einmal fokussieren, um zu untersuchen, welche Herausforderungen, Chancen und auch Grenzen es eventuell als SozialarbeiterIn in den Frühen Hilfen, bezogen auf das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit, gibt.
1.4 Die Struktur- und Handlungsmaxime
Die Philosophie einer Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit konkretisiert sich in Richtzielen, die der Orientierung sowie der Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit dienen sollen. Diese sind im 8. Jugendbericht für die Jugendhilfe formuliert und gelten darüber hinaus als allgemeines System für verschiedenste Konzepte und Arbeitsfelder in der Sozialen Arbeit. In diesem 8. Jugendbericht liegt der Versuch die verschiedenen, vielfältigen Arbeitsfelder der Jugendhilfe durch Richtziele transparent zu machen. Diese Richtziele sind auch unter dem Begriff der Struktur- und Handlungsmaxime bekannt, die im Folgenden erläutert werden.
- Prävention
- Alltagsorientierung
- Integration/Normalisierung
- Dezentralisierung/Regionalisierung
- Partizipation[25 ]
Prävention
Prävention in diesem Sinne, als allgemeine Prävention gesehen, ist ausgerichtet auf die Festigung unterstützender Infrastrukturen sowie auf die Bildung und Festigung allgemeiner Kompetenzen, die zur Lebensbewältigung benötigt werden. Ziele dabei sind es, gerechte Lebensverhältnisse und die Option eines guten Lebens, durch Erziehung, herzustellen.
Sie steht im Gegensatz zur speziellen Prävention. Nach Hans Thiersch setzt die spezielle Prävention nicht erst an, wenn Problemlagen sich dramatisieren oder Schwierigkeiten sich verhärten, sondern viel früher. Im Sinne eines vorausschauenden Handelns, wird demzufolge bereits eingegriffen, wenn sich Krisen abzeichnen oder eine Überforderung in Folge einer belastenden Situation zu erwarten ist.[26 ]
Nach Grunwald und Thiersch ist Prävention sinnvoll, „wenn spezielle Prävention eingebettet bleibt in allgemeine Prävention und bezogen ist auf definierte Problemlagen und ausweisbare Arbeitssettings.“[27 ]
Hans Thiersch gibt kritisch zu bedenken, dass, so wesentlich Prävention für die Soziale Arbeit auch ist, sie auch als heikel zu betrachten ist. Die Absicht hinter dem Begriff der Prävention sollte nicht durch ein Denken getrübt sein , dass immer vom schlimmsten Falle ausgeht, eine problematische Situation nur im Hinblick auf Risikosymptome sieht und verstärkt auf den Aspekt von Kontrolle setzt. Thiersch setzt in diesem Zusammenhang den stetigen Ausbau von Kontrollsystemen einer einhergehenden Einschränkung des freiheitlichen Handelns gleich, welchem es sich zu widersetzen gilt.[28 ]
Alltagsorientierung
Unter Alltagsnähe wird zum einen die sprichwörtliche Nähe und die mit ihr einhergehende Hilfe in der Lebenswelt der AdressatInnen verstanden. Damit ist die Erreichbarkeit und Niedrigschwelligkeit von Angeboten gemeint und zum anderen der ganzheitliche Blick in den Hilfen, „die den ineinander verwobenen Lebenserfahrungen- und deutungen in der Lebenswelt gerecht wird.“[29 ]
Offene Zugänge zu Angeboten sollen gegenüber speziellen Hilfsangeboten gestärkt werden, ohne jedoch, dass Angebote mit offenen Zugängen und spezielle Hilfsangebote in Konkurrenz miteinander treten und gegeneinander ausgespielt werden.[30 ]
Der ganzheitliche Blick in den Hilfen ist es auch, der im 8. Jugendbericht als besonders zu betonen erachtet wird. Eine Hilfe, die Probleme weder vereinzelt noch zergliedert, sondern eine ganzheitliche Orientierung an den traditionellen Methoden der Sozialen Arbeit in der Vordergrund hebt.[31 ]
Integration/Normalisierung
Mit Integration ist der Zielgedanke verbunden, in einer Welt ohne Ausgrenzung zu leben. Weitere anzustrebende Ziele sind die Abschaffung von Unterdrückung und Gleichgültigkeit.[32 ] Thiersch sieht Integration aber vor allem auch als „eine Herausforderung der Selbstverständlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft.“[33 ]
Gemeint sind damit das Wertschätzen, die gegenseitige Kenntnisnahme und eine prinzipielle Offenheit Unterschiedlichkeiten gegenüber. Dann gäbe es auch Räume für ein bereicherndes Miteinander.[34 ]
[...]
1 vgl. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2014/07/PD14_262_225.html
2 vgl. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/zdw/2014/PD14_047_p002.html
3 vgl. Kinderschutz-Zentrum Berlin (Hrsg.) (2009): Kindeswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. Berlin, S. 10
4 vgl. http://www.fruehehilfen.de/fruehe-hilfen/rechtliche-grundlagen/sonstige-beschluesse-und-hintergruende/bekanntmachung-des-bmfsfj-zu-fruehen-hilfen/
5 Vgl. Engelke/Borrmann/Spatscheck 2009, S. 11
6 Vgl. Herwig-Lempp 2009, S. 187 ff.
7 Grunwald/Thiersch 2008, S. 13
8 Vgl. Grunwald/Thiersch 2014, S. 2
9 Vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2010, S. 175
10 Vgl. Röh 2013, S. 27
11 Vgl. Grunwald/Thiersch 2008, S. 17
11 Vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2010, S. 182
12 Vgl. ebd.
13 Ebd.
14 Vgl. Grunwald/Thiersch 2014, S. 8
15 Vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2010, S. 183
16 Vgl. ebd
17 Vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2010, S. 184
18 Ebd.
19 Vgl. ebd., S. 184 f.
20 Vgl. ebd., S. 185
21 Thiersch/Grunwald/Köngeter 2010, S. 185
22 Vgl. ebd.
23 Vgl. Grunwald/Thiersch 2008, S. 19
24 Ebd.
25 Vgl. http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/kjb/data/download/8_Jugendbericht_gesamt.pdf, S. 33)
26 Vgl. Grunwald/Thiersch 2008, S. 26
27 Ebd.
28 Vgl. Thiersch/Grunwald/Köngeter 2008, S. 189
29 Thiersch/Grunwald/Köngeter 2008, S. 189
30 Vgl. ebd.
31 Vgl. http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/kjb/data/download/8_Jugendbericht_gesamt.pdf, S 103 f.
32 Vgl. ebd
33 Ebd.
34 Vgl. ebd