Case Management als Methode in der Betreuungspraxis

Eine praxisnahe Darstellung anhand eines Konzepts


Studienarbeit, 2018

49 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung und These

2 Geschichtlicher Aspekte

3 Merkmale von Case Management
3.1 Probleme und Herausforderungen
3.1.1 Probleme der Klienten
3.1.2 Probleme der Institutionen/Mitarbeiter

4 Das Sechs-Phasen-Modell nach Manfred Neuffer
4.1 Erste Phase - Erstberatung
4.2 Zweite Phase - Assessment
4.3 Dritte Phase - Entwurf des Hilfeplans
4.4 Vierte Phase - Hilfeplanung
4.5 Fünfte Phase - Kontrollierte Durchführung
4.6 Sechste Phase - Evaluation

5 Professionelles Case-Management in der Betreuung
5.1 Verfahren des Betreuungsmanagements
5.2 Zielgruppen des Case Managements
5.3 Der Einsatz eines Case Managements ist sinnvoll bei Menschen
5.4 Aufbau und Gestaltung
5.4.1 Nutzerorientierung
5.4.2 Handeln auf der Grundlage von Vereinbarungen und Kontrakten
5.4.3 Fairness im Gestaltungsprozess
5.4.4 Nutzenorientierung
5.4.5 Qualitätssicherung
5.4.6 Koordination und Kooperation
5.5 Arbeitsweise und Verfahren des Case Management

6 Die Fallsteuerung des Betreuungsmanagements
6.1 Die Verfahren des Betreuungsmanagements
6.2 Die Verfahrensschritte
6.3 Verfahrensanwendung
6.4 Besonderheiten in den Verfahren des Betreuungsmanagements
7 Qualitätssicherung durch Standards

8 Kontaktaufnahme
8.1 Grundlagen der Kontaktaufnahme
8.2 Screening - Auswahl und Identifizierung
8.3 Intake - Fallannahme und Erstgespräch
8.4 Fachliche Standards für die Kontaktaufnahme
8.5 Vorgehensweise

9 Assessment/ Datenerfassung
9.1 Grundlagen des Assessments
9.2 Ganzheitlichkeit und Ressourcenorientierung
9.3 Systematisch in drei Schritten

10 Assessments im Betreuungsmanagement
10.1 Die Bedarfsermittlung im Betreuungsmanagement
10.2 Der relevante Handlungsbedarf des Betreuers
10.3 Das Assessment als sich widerholender Prozess
10.4 Fachliche Standards für das Assessment
10.5 Handlungsempfehlungen zum Beratungsprozess im Assessment

11 Planung - Ziele - Maßnahmen
11.1 Grundlagen von Planung
11.2 Grundlagen für die Arbeit mit Zielen
11.3 Ziele haben eine Struktur

12 Ziele im Betreuungsmanagement
12.1 Ziele des Unterstützungsprozesses
12.2 Von der Zielerfassung zur Planung
12.3 Fachliche Standards für die Betreuungsplanung

13 Linking - Vernetzung von Diensten
13.1 Grundlagen des Linkings
13.2 Linking im Betreuungsmanagement
13.3 Ermittlung der Leistungsanbieter
13.4 Vertragsverhandlungen mit Leistungsanbietern
13.5 Standards für die Durchführung des Linkings

14 Monitoring - Prozessbeobachtung - Erfolgskontrolle
14.1 Monitoring im Rahmen des Betreuungsmanagements
14.2 Prozessbeobachtung durch Terminplanung und Dokumentation
14.3 Modifizierung der Unterstützung
14.4 Standards für die Durchführung des Monitorings

15 Evaluation - Auswertung und Rechenschaftslegung
15.1 Grundlagen der Evaluation
15.2 Evaluation im Betreuungsmanagement
15.3 Auswertung im Betreuungsmanagement
15.4 Die Auswertung erfolgt anhand von Leitfragen
15.5 Standards für die Evaluation und die Rechenschaftslegung
15.6 Weiterentwicklung

16 Schlussbetrachtung

17 Literaturverzeichnis

18 Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung und These

Das aus dem angloamerikanischen Raum stammende Konzept „Case Management“ gewinnt im Rahmen von Reformbemühungen in der sozialen- und gesundheitlichen Versorgung und Inklusion zunehmend an Bedeutung. Case Management als Methode integrativer Versorgung ist eine einzelfallbezogene Intervention und grenzt sich somit von dem gesamtpopulationsorientierten Care Management ab. (Ewers & Schaeffer, 2005, S.7-14).

„Case Management ist ein kooperativer Prozess, in dem Versorgungsangebote und Dienstleistungen, erhoben, geplant, implementiert, koordiniert, überwacht und evaluiert werden, um so den individuellen Versorgungsbedarf eines Klienten mittels Kommunikation und verfügbarer Ressourcen abzudecken.“ (CMSA,1995, S.14).

In Humandiensten ist ein Case Management angebracht, wenn eine komplexe, zeitlich andauernde Problembewältigung zu besorgen ist, die individuell angemessen sein soll (Wendt 2015, S.17).

Diese Studienarbeit wurde auf der Grundlage folgender These gefertigt.

Hauptthese: Es wird davon ausgegangen, dass in betreuungsrechtlichen Handlungsfelder.

- effizienter, d.h. wirtschaftlicher (kostengünstiger)
- effektiver, d.h. fachlich erfolgreicher durch systematisierte, zielorientierte, gesteuerte Hilfe gearbeitet werden kann.

Unterthese:

- das Case Management - Modell bietet hilfreiche Ansätze
- in der Anpassung als Betreuungsmanagement kann es zur Fallsteuerung in die Klienten zentrierte Arbeit implementiert werden

Die vorliegende Arbeit stellt zunächst in einer kurzen Abhandlung die Hintergründe der historischen Entwicklung da, aus der sich in einzelnen Teilschritten das Case Management zu dem herausbildete was es heute darstellt. Anschließend wird das sechs Phasen Modell von Neuffert vorgestellt, der in seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema maßgeblich an der Entwicklung des CM beteiligt war. Die Darstellung des Modells gewährt einen Einblick in eine praxisnahe Anwendung aus der Klienten zentrierten Arbeit wie sie aus der Sozialarbeit (z.B. des Sozialpsychiatrischen Dienstes) bekannt ist. Dieser Schritt, CM in seinen einzelnen Phasen zuerst aus dem Blickwinkel der soziale Arbeit zu beschreiben, wurde gewählt weil erstens CM im Spektrum der sozialen Arbeit besonders repräsentiert ist und zweitens um deutlich zu machen, welche Übereinstimmungen und Unterschiede es mit dem Handlungsmodell des Betreuungsmanagement gibt und wie die konzeptionelle Anpassung speziell auf die Arbeit in der Betreuung umgesetzt wurde. Dazu wurde in Folge das Konzept von Angela Roder gewählt, die wie keine andere ein in sich geschlossenes Grundlagenmodell entwickelte das einen Einblick in eine praxisnahe Anwendung gewährt. Da es sich um ein sehr umfangreiches und bis in das Detail ausgearbeitetes Konzept handelt, kann im Rahmen dieser Arbeit nur begrenzt die Inhalte der einzelnen Phasen beschrieben werden. Anschließend soll auf die Frage eingegangen werden wie die Anwendung eines solchen Modells gelingen kann, bzw. welche Faktoren die Grenzen in der Praxisanwendung, unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen eines gesetzlichen Betreuers, darstellen. Im Resümee werden dann noch einmal letzte Gedanke zu der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und mögliche Ausblicke formuliert.

Sämtliche Ausdrücke die mit Rücksicht auf die Lesbarkeit in männlicher Form formuliert sind, sind sinngemäß auch auf die weibliche Form bezogen.

2 Geschichtlicher Aspekte

Die Konzeption des CMs hat ihre Ursprungsgeschichte in den 70iger Jahren im US- amerikanischen Raum und sollte aufgrund neuer rechtliche Bestimmungen als Erweiterung der Einzelfallhilfe dienen. Die Motive dafür können in den Privatisierungen sowie De- Institutionalisierung des Gesundheitsbereiches gesehen werden. - Eine Entwicklung die in den letzten Jahrzehnten auch in der Bundesrepublik zu beobachten ist, die bis zum heutigen Tag so enorme Ausmaße angenommen hat, dass mittlerweile verschiedene medizinische Standards in der Versorgung, Behandlung und Pflege zu beobachten sind.- Im Rahmen der Kürzungen der amerikanischen Gesundheitsprogramme für bedürftige Personen wurden viele chronisch kranke, behinderte und pflegebedürftige Patienten aus stationären Einrichtungen entlassen und die Einrichtungen geschlossen. Für diese Personengruppe musste anschließend neue Optimierungsmodelle in der Versorgung geschaffen werden. Es kam zur Entwickelungen neuer Organisationsversorgungsformen in der ambulanten Hilfe (Wendt, 2015, S. 19).

Durch die Umstrukturierung mangelte es jedoch an einem Überblick der Hilfsangebote, insbesondere an Transparenz welche der Unterstützungsformen für die Betroffenen wirklich hilfreich und angemessen waren. Somit kamen unterschiedliche Modelle zustande wie bspw. das „broker modell“, ein Vermittlungssystem für Hilfen, bei dem man den Hilfesuchenden auf Basis der Situationsanalyse ein passendes Dienstleistungsangebot in einem oder zwei Kontakten zu vermitteln suchte (Wendt, 2015, S. 20). Nach Wendt haben bestimmte Arbeitsvorgänge früherer amerikanischer Modelle bis heute im CM Bestand bzw. Erfolgspotenziale, insbesondere der Kontaktverbleib zwischen Klienten und Fachkraft oder Team, unabhängig davon welche und wie viele Zuständigkeitsbereiche die Fachkräfte haben (Wendt, 2015, S. 20).

Eine wirklich nachvollziehbare Verbindung zu Case Management in Deutschland ergab sich mit der Einführung des „Community care“ (von engl. Community, Gemeinwesen und Care, Sorge, Fürsorge) als gemeindestützendes Versorgungsmodell in Großbritannien. In den 80er Jahren definierte die britische Regierung dieses als Unterstützungsmodell, das speziell Menschen (vorwiegend psychisch kranke und ältere) dazu befähigen sollte, ein Höchstmaß an unabhängiger Lebensführung zu gewinnen. Wendt führt jedoch an, dass als amtliche Bezeichnung das „care management“ anstatt das „case management“ gewählt wurden, „weil der Prozess der Versorgung und nicht die einzelne Person als „Fall“ zu managen sei (Wendt, 2015, S. 21f.). Eine wirkliche Unterscheidung und saubere Abgrenzung der Begriffe zeigt sich allerdings immer unscharf. Galuske und Thole beschreiben für beide Bezeichnungen, also für „Care/Case Management“, allenfalls Unterschiede in der Umsetzung aufgrund der spezifischen wohlfahrtstaatlichen Verhältnissen in Deutschlands (Galuske/Thole, 2006, S. 21ff). Einzelne Elemente der Hilfeprozesse, wie z.B. das Assessment, fallen in die Zuständigkeit der Kommunalbehörden, die für die Ausführung auf der Grundlage der gesetzlichen Verpflichtungen und das zugesprochene Recht der Betroffenen auf professionell ausgeführte Bedarfserhebung zuständig sind (Galuske/Thole, 2006, S. 21ff). Das allgemeine Ziel des CMs, und zwar die Unabhängigkeit des Klienten/Patienten von Hilfen zu erreichen, war in den ausländischen Vorgängen zunächst im Gesundheitssystem angelangt (Kostenersparnis), während Deutschland von Beginn an das gesamte Gesellschaftssystem in den Blick nahm. Neuffer meint hierzu, dass die Bedarfe und Wünsche der Klienten mit Rechten und Pflichten eng verflochten werden, um so den Haushalt zu regulieren: „Kosten zu sparen wird von vielen Protagonisten des Case Management mit als Kernziel formuliert“ (Neuffer 2013, S. 11).

3 Merkmale von Case Management

Die Anwendungsbereiche des Case Managements sind vielfältig und gehen von einer „veränderten Arbeitsweise“ in den Organisationen aus, deren Zuständigkeit das Unterstützen, Pflegen, Heilen, Fördern und Betreuen ist. Deshalb findet sich CM in vielen Berufsbereichen wieder und zwar „im Sozialwesen, in der Pflege, in der medizinischen Versorgung, in der Beschäftigungsförderung und im Versicherungswesen“ (Wendt, 2015, S. 7f).

Alle Anwendungsbereiche betreffend unterscheidet Wendt zwischen zwei CM-Formen: „Case Management als methodisches Konzept auf der personalen Handlungsebene und Case Management als Organisations- und Systemkonzept in administrativer Funktion“ (Wendt, in Löcherbach u.a., 2009, S. 14). Der Autor argumentiert hier, dass beide Anwendungsformen von Bedeutung für den Hilfeprozess sind, aber voneinander zu trennen sind, da das CM auf der administrativ-organisatorischen Ebene nicht direkt die fachliche Methodik bzw. den professionellen Handlungsablauf im Management eines Einzelfalls meint. Dieser Ebene ist jedoch die unverzichtbare Unterstützungsfunktion anzurechnen, wenn die personenbezogene Handlungsebene auf die Organisationsentwicklung zurückgreifen muss, bspw. um die prozessualen Anforderungen des CM abzustimmen und zu kooperieren sowie ein Netzwerks der dazugehörigen Fachstellen zu koordinieren (Wendt, in Löcherbach u.a., 2009, S. 14 f.).

Betreffend den Kritiken an den Einsparungsoptimierungen ergibt sich für Galuske und Thole ein weiteres Merkmal. Ihrer Meinung nach wird das CM zwar als Weiterentwicklung der klassischen Einzelfallhilfe dargestellt, allerdings sei es an zwei Polen angesiedelt: Einerseits als „die Weiterentwicklung einer lebensorientierten Fachlichkeit und andererseits als die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit“ (Galuske/Thole, 2006, S. 11ff). Dass sich die Denkformen und Handlungsmuster der Betriebswirtschaft im sozialpädagogischen Code durchgesetzt haben und die Soziale Arbeit vor eine spezifische Herausforderung stellen, sieht Wendt genauso. Denn die Kernaufgaben der in der Sozialarbeit Tätigen und auch der gesetzlichen Betreuer sind nicht nur die direkte Personenbeziehung. Sie sind einerseits aufgefordert nach Kriterien unter Berücksichtigung individueller Situationen zu handeln, damit zum einen eine entsprechende, gezielte Hilfe gefunden werden kann und zum anderen den betriebswirtschaftlichen Kontext ihre Arbeit zu optimieren (Wendt, 2015, S. 35ff).

Trotz bestehender Kontroversen versteht sich CM nicht nur als System, das Defizite aus dem Weg zu räumen versucht, sondern auch als Seismograph Ressourcen für ein stabiles Hilfesystem zu erkennen und zu nutzen. Nach Neuffer bietet es „eine Chance, einzelfallorientiertes Vorgehen mit personaler Netzwerkarbeit und Sozialraumorientierung ganzheitlich verbinden zu können“ (Neuffer 2013, S. 21). Insofern konzentriert sich das CM auf mehrere Faktoren anstatt nur auf die bei der Einzelfallhilfe bekannte psychosoziale Beziehungsarbeit. Somit gehören zu den Grundlagen des Managements im personenbezogenen Dienst die Planung, das Organisieren, das Koordinieren (Entscheidungen zu treffen und umzusetzen) sowie die Kontroll- und Bewertungsfunktion (Wendt, 2015, S. 42 f). Außerdem versucht man dadurch die Probleme des Individuums mithilfe der Ressourcenanalyse zu beseitigen oder zu mildern. Dabei soll beachtet werden „so wenig wie möglich in die bestehende und gewohnte Lebenswelt“ des Klienten einzugreifen, um einen eigenständigen Perspektivenwechsel zu aktivieren (Neuffer 2013, S. 21).

3.1 Probleme und Herausforderungen

3.1.1 Probleme der Klienten

- vielfältige Bedarfe
- Unübersichtlichkeit der Hilfe und Unterstützungsmöglichkeit
- keine Orientierung an wenn er sich wenden kann
- soziale Kontakte eingeschränkt
- bisherige Lösungsversuche gescheitert
- (temporärer) Mangel an Ressourcen
- mangelnde Motivation bis hin zur Resignation

3.1.2 Probleme der Institutionen/Mitarbeiter

- unwirtschaftliches Arbeiten
- ineffektives Arbeiten
- Unterversorgung der Klienten
- Doppel- oder Überversorgung der Klienten
- Überlastung der Mitarbeiter
- Zeitmangel
- unklare Strukturen
- Kommunikationsprobleme

In Hinblick auf die Problemlagen bei den Klienten und in den Organisationen ist das Bestechende am CM-Verfahren, dass es sich durch klare Strukturen auszeichnet. Einer der renommiertesten theoretischen Modelle ist das von Manfred Neuffer, welches sich in sechs Phasen gliedert. Auf dieses wird aufgrund der allgemeinen Akzeptanz nachfolgend Bezug genommen und findet sich in seinen Strukturen auch in der Fallsteuerung der gesetzlichen Betreuung wieder.

4 Das Sechs-Phasen-Modell nach Manfred Neuffer

4.1 Erste Phase - Erstberatung

In der ersten Phase handelt es sich um die Erstberatung und Bestandaufnahme, in der sich der Case Manager und der Hilfesuchende voneinander erste Eindrücke verschaffen. Doch handelt sich nicht nur um ein einfaches Kennenlernen. Bereits in diesem Abschnitt werden erste Ziele verfolgt. Nachdem die formale Datenerfassung abgeschlossen wurde kann aus den Erzählungen des Klienten eine Einschätzung über seine Probleme bzw. Hilfebedarf, das Lebensumfeld sowie die Motivation hinsichtlich weiterer Zusammenarbeit erfolgen, so Neuffer (Neuffer 2013, S. 79f). Eine aktive Mitarbeit des Klienten ist unverzichtbar, da ein relevantes Ziel der Aufbau einer Vertrauensbasis ist. Hier ist es Aufgabe des Beraters seine Funktion im Hilfesystem zu erläutern. Dabei ist zu beachten, dass der Case Manager den Klienten nicht als „Bittsteller“, sondern als Nutzer einer Dienstleistung anerkennt und das im Gespräch auch so vermittelt. (Neuffer 2013, S. 72) Unterstützend hierfür sind folgende Verhaltensweisen des Beraters: „Hilfen abzuklären statt Rat zu geben, das Tempo für eine gute Bestandsaufnahme zu drosseln, schnelle Hilfe (außer bei Krisen) abzulehnen, eine reflektierte Nicht-Intervention zu vollziehen, dabei aber Wünsche zu akzeptieren und Grenzen aufzuzeigen sind, zu prüfen anstatt zu unterstellen und Neugierde an seinem Klienten zu zeigen“ (Neuffer 2013, S. 72). Dies hilft den Berater, sich von einem selbst defizitorientierten Denken abzuwenden und die Ursachen für bestehende Probleme nicht ausschließlich auf das Individuum zu beziehen.

Ist eine aktive Mitarbeit seitens des Klienten nicht absehbar, kann durchaus ein Abbruch des CM- Verfahrens in der ersten Phase vollzogen werden. Wobei berücksichtigt werden muss, dass Klienten bereits vorher Versuche gestartet haben ihre Probleme (auch nach Anstößen von außen) zu beseitigen und sich eventuell im Resigniert-Modus befinden. (Neuffer 2013, S. 76) Anders ist es bei einer Zwangsverordnung wie z.B. bei einer Bewährung bzw. Straffälligkeit. Hier ist eine Unfreiwilligkeit aufgrund möglicher Sanktionen einzuberechnen. Insofern sollte der Berater offen darlegen, welche Informationen ihm bereits vorliegen und welche Vor- und Nachteile geboten werden. Auch durch diese Offenlegung kann der Berater vielleicht besser einschätzen, ob eine tatsächliche Klienten-Bereitschaft für eine Hilfe besteht oder sich entwickeln lässt (Neuffer, 2013, S.77 / Wendt, 2015, S. 141).

Dieses Vorgehen wird als Selektionsverfahren bezeichnet. Im sogenannten „Intake“ Verfahren, werden zwei Ziele verfolgt: Erstens informiert der Case Manager über seine Funktion sowie die Arbeitsweise der Institution und zweitens „entwirrt“ er mit dem Hilfesuchenden die Problematik, um anschließend zu prüfen, ob seine Stelle geeignet ist eine Hilfe anzubieten. (Wendt, 2015, S. 140). Hier lässt sich deutlich ein Kosten-Nutzen-Kontrollverfahren erkennen. Denn für beide Seiten macht es wenig Sinn ein CM durchzuführen, wenn von vornherein das CM für den Hilfesuchenden keine geeignete Methode darstellt. Neuffer weist hier eindrücklich auf die Vorteile für alle beteiligten Parteien hin: Es könnte dadurch Zeit gespart und eine effektivere Lösung gefunden werden. (Neuffer 2013, S. 73).

Sind alle notwendigen Faktoren abgeklärt, kann der Case Manager seine Fallzuständigkeit beurteilen und den Klienten über die weitere Vorgehensweise informieren.

4.2 Zweite Phase - Assessment

Die Phase des „Assessments“ bezeichnet und analysiert den „Ist-Zustand“(Wendt, 2015, S. 142), in dem versucht wird, sich ein Bild von den Ursachen der Probleme zu machen, die Beurteilung der eigenen Zukunft des Hilfesuchenden zu erfahren und um herauszufinden, welche Disposition bzw. Erwartungen vorhanden sind (Wendt, 2015, S. 147).

Für diesen Teilschritt ist die Bedeutung der Analyse der Problemlage erwähnenswert, da diese das Ausmaß des Unterstützungsbedarfs ermittelt und demzufolge den gesamten Hilfeprozess beeinflusst. Gemeint ist hier der Versuch eine psychosoziale Diagnose zu erzielen, der sich an den Komponenten der Psychologie bedient. Beide Fachrichtungen bearbeiten die innerpsychologischen Zusammenhänge, wobei die Soziale Arbeit die im Lebensumfeld bestehenden Aspekte stärker fokussiere. (Neuffer 2013, S. 82 f) Wendt unterteilt diese Analyse des Teilabschnitts in vier Dimensionen: „Umwelt (äußere Situation), Innenwelt (innere Situation), Lebensgeschichte und Lebensperspektiven“ (Wendt, 2015, S. 147). Aus dieser Erforschung sollen die Stärken, Schwächen, Beziehungen und Abhängigkeiten des Klienten feststellbar werden (Wendt, 2015, S. 148). Außerdem soll für den Ist-Zustand die Erörterung des sozialen Status‘ und des Bildungsstands hilfreich sein (Wendt, 2015, S. 147). Neuffer unterstreicht hierzu, dass der Berater nicht alleine beurteilen soll, sondern eine gemeinsame Einschätzung der Situation mit dem Klienten sowie mit anderen Beteiligten aus dem Kreis der unterstützenden Institution erfolgen soll (Neuffer 2013, S. 86).

Allerdings wird die Diagnose mit vorausgehender Anamnese von Kritikern unterbewertet. So heißt es: Die innerpsychologischen Zusammenhänge würden zu „oberflächlich“ behandelt werden. Neuffer hingegen ist der Ansicht, dass sich die Methode durchaus als therapeutische Hilfe bewähren kann und nur der Begriff „Diagnose“ scheinbar umstritten sei. Die Soziale Arbeit sieht sich somit mit dem Folgeprozess konfrontiert, da genau diese fachliche Urteile, also Urteile von Menschen mit professionell anerkannten Berufsbezeichnungen, zu Unterbewertungen von Handlungen der sozialen Arbeit führen. (Neuffer 2013, S. 83).

Zuzüglich zu der Diagnose ist in Bezug auf die Bedarfsklärung die ethische Wertvorstellung des Klienten zu berücksichtigen. Im Vergleich zu der früheren Einzelfallhilfe verhält sich das CM im Kontext von Individualisierungsprozessen flexibler. Auf den Einzelfall und Wünsche der Person einzugehen sei für die Zusammenarbeit profitabel. Wendt sieht diese Berücksichtigung allenfalls produktiv, da jeder Mensch sein eigenes Dasein lebe „und immer weniger nach den vorgegebenen Normen.“ (Wendt, 2015, S. 148).

Ist die Bedarfsermittlung geklärt, so erfolgt im Anschluss die Prognose. Einerseits wird die ökonomische Perspektive wie Zeitvolumen, Umsetzbarkeit und Arbeitsaufwand behandelt. Andererseits wird helfend und unterstützend prognostiziert, welche weiteren möglichen Ressourcen auf der Klienten Seite erreicht werden können, die bisher nicht genutzt wurden (Wendt, 2015, S. 148). Tiefsinnig erkennt Wendt bei dieser Phase an, dass der Klient durch die Wiedergabe seiner Lebenssituation seine Perspektiven erweitern kann und dadurch selbst auf eigene Lösungen komme. Dies trete sogar relativ häufig auf (Wendt, 2015, S. 148).

4.3 Dritte Phase - Entwurf des Hilfeplans

Das Aufstellen eines Hilfeplanentwurfs ermöglicht eine ausführlichere Zieldefinitionen und Ziel- Messbarmachung, die sich in Leit-, Teil- und Handlungszielen zergliedern lassen. Mit der systemstrukturierten Vorgehensweise kann individuell die Notwendigkeit für eine Änderung und dessen Vorrangigkeit sowie die Verbesserungsansätze einer Lebenssituation festgestellt werden, die im gesamten Prozess immer wieder überprüft werden kann. Die Teilziele sollten Rahmenbedingungen schaffen und als relevantes Mittel für alle Ziele gelten. Dabei sollten belastete Lebensbereiche, die stark miteinander verknüpft sind als Ausgangspunkt genommen werden. Die Handlungsziele sollen im Gegenzug zu den anderen Zielen wenig Spielraum lassen und konkrete Daten zu Umsetzungsmöglichkeiten nennen. Unter Berücksichtigung von den „s.m.a.r.t.“ -Kriterien (spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch, terminiert) kann demnach das Schritttempo gesteigert oder auch Abschnitte vermieden werden (Neuffer 2013, S. 112 ff.) Da vorgegebene Maßnahmen mehr Widerstand verursachen gilt es auch hier zusammen mit dem Klienten diese Ziele herauszuarbeiten. Ist dies aus den Rückmeldungen des Klienten nicht zu erfahren, so kann sich der Berater in einer stellvertretenen Funktion befinden und aus Informationen aus dem Umfeld, beobachteten Faktoren sowie aus dem Verhalten des Klienten ein geeignetes Zielformat zusammentrage (Neuffer 2013, S. 116). Der Hilfeplanentwurf ist schriftlich anzufertigen. Die formulierten Teilschritte und Ziele schaffen Klarheit und Transparenz für den Klienten und die beteiligten Institutionen. (Wendt, 2015, S. 157). Der Hilfeplanentwurf soll alle Beteiligten positiv ansprechen. Er soll bekräftigend und realitätsnah beschrieben werden, aber auch veränderbar sein. Für den Case Manager bedeutet er gleichzeitig Selbstkontrolle im seinem konstruktiven Handeln. Dieses sogenannte „Monitoring“ entlang einer operationalen Zielformulierung ermöglicht Qualifikationsmerkmale und vor allem eine rechtzeitige Intervention (Neuffer 2013, S. 117 ff.).

4.4 Vierte Phase - Hilfeplanung

Der vorangegangene Punkt der Zielverhandlung und -vereinbarung stellte bereits das Kernstück des systemischen Hilfeplanverfahrens dar. Im weiteren Verlauf beschreibt Neuffert die notwendigen Inhalte und Argumentationen in den nun zu führenden Hilfekonferenzen und betont die Relevanz der vorherigen Phasen. Dabei stellt er ernüchternd fest: „Umso mehr kommt es auf eine fundierte fachliche Vorarbeit und Argumentation an, inwieweit Empfehlungen einer Hilfekonferenz in der Hierarchie der Einrichtung zu falladäquaten Entscheidungen werden. (...) Gegen fachlich fundierte Argumente, kann sich ein reines Effizienz ausgerichtetes Denken in der Sozialen Arbeit schwerer durchsetzen.“ (Neuffer 2013, S. 123) Der Erfolg im Hilfeprozess erhöht sich, wenn folgende Sachverhalte beachtet werden und im ausgewogenen Verhältnis stehen: Der Nutzen für den Klienten muss greifbar sein, also die Attraktivität des Angebots muss ihm zukunftsgerichtet bewusst werden. Diese beeinflusse die Eigenleistung des Hilfesuchenden, woraus sich schließlich die Intensität der Betreuung vorausblickend messen lässt. Ebenso stellt sich das professionelle Profil der Mitarbeiter als wichtiger Faktor heraus wobei Zeit- und Personalaufwand in Relation zur Eigenleistung des Klienten steht (Neuffer 2013, S. 125). Realistisch anzumerken ist aber auch folgende Beobachtung. Da diese Phase einen großen bürokratischen Aufwand und somit höhere Kosten beansprucht, komme es in der Realität vor, dass diese komplett übersprungen wird (Neuffer 2013, S. 141 ff).

4.5 Fünfte Phase - Kontrollierte Durchführung

Die kontrollierte Durchführung beinhaltet vereinbarte Handlungsschritte, die den Weg zur Zielfindung darstellen und ist als weiteres Element eines dialogischen und reflexiven Prozesses zu verstehen (Brinkmann, 2010, S. 35). Als Übergangsschritt von Phase 4 zu 5 ist das „Linking“ von Bedeutung (Brinkmann, 2010, S. 34). Dort befindet sich der Case Manager in der Funktion eines Koordinators zwischen dem Klienten und der Hilfeservicestelle, indem er beide Parteien über den nächsten Hilfeplanschritt präpariert und über die jeweiligen Erwartungen informiert. (Wendt, 2015, S. 160). Wendt fügt hinzu, dass diese Aufgabe einen Schwerpunkt bildet, da ein großes Maß von Beziehungsarbeit und Motivationsarbeit erfordert wird.

Wie bereits im Kapitel 4.3 hingewiesen wurde, nimmt der professionelle Akteur die Rolle eines Kontrolleurs ein. Auch hier kommt das „Monitoring“ zum Einsatz. Jedoch beobachtet der Berater als Teilsystem die Funktion eines ganzen Systems. Ihm kommt also die Steueraufgabe zu, den Ablauf des erarbeiteten Versorgungsplans nachzuprüfen bzw. auf die einzelnen Bereiche zu blicken, damit Vereinbarungen eingehalten werden (Wendt, 2015, S. 161). Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene würde dieser funktionale Teilbereich dem Controlling zugeordnet werden.

Außerdem gehört zum „Monitoring“ die Aufzeichnung (recording). Gemeint ist die (elektronische) Datenverarbeitung aller Informationen der einzelnen Teilbereiche (Wendt, 2015, S. 161 f.).

4.6 Sechste Phase - Evaluation

Nach Wendt ist die Evaluation eine „Einschätzung“ über den bisherigen und den gegenwärtigen Unterstützungsverlauf. Sie beleuchtet anhand der gesetzten Kriterien wie und welche Leit-, Teil- und Handlungsziele maßgeblich erreicht worden sind. Hierfür differenziert der Autor zwischen zwei Evaluationsarten, die intern von der Institutionsfachkraft (Selbstevaluation) oder extern von anderen beauftragten Fachkräften (Fremdevaluation) ausgeführt werden können. Von beiden wird aber eine „Bewertung“ zweierlei Hinsicht verlangt, die die Fragen aufstellen welchen Gewinn und Nutzen die Hilfeform für den Klienten erzielt hat und wie die Qualität der Fachkompetenz zu begutachten ist (Wendt, 2015, S. 165).

Ferner besitzt die Evaluation eine weitere Kernaufgabe die sich auf die Zusammenarbeit bezieht. Es ist dauerhaft nicht absehbar, ob sich die Zusammenarbeit zwischen Klient und Berater als richtige Konstellation erweist. Denn die Unterstützung kann zu Beginn durchaus positiv vorhergesagt sein, doch im Laufe der Zeit eine Wende vollziehen. Ist trotz des Re-Assessment oder Hilfeplanänderungen kein Erfolg in Aussicht, so sollte eine Beendigung erwogen werden, da ein „festhalten“ den Grundsatz „so wenig wie möglich in die Lebenswelt einzugreifen“ widerspricht (Neuffer 2013, S. 135).

Doch in jedem Hilfeprozess ist ein Erfahrungswert zu messen, welcher nicht unterschätzt werden sollte. Er soll für den weiteren Lebensweg des Klienten in positiver Erinnerung bleiben und daher gehört zum Abschluss einer Unterstützung ein Symbol der Wertschätzung, z.B. in Form eines Geschenks zu übergeben, aber auch in einer Abschlussreflexion besonders hilfreiche sowie schwierige Schritte zu erläutern (Neuffer 2013, S. 138).

Um eine Nachhaltigkeit zu erfahren, kann eine nachgehende Betreuung -bestenfalls innerhalb eines halben Jahres- erfolgen. Dies soll die Möglichkeit einräumen bei Konflikten oder Bedarfen einsatzbereit zu sein und dabei sich an die Fakten der Evaluation bedienen (Neuffer 2013, S. 139).

Wie in den vorgehenden Kapiteln beschrieben entwickelte sich das Case Management aus dem „Community care“ und ist als Ergänzung oder Nachfolge der Einzelfallhilfe im Kontext der bekannten psychosozialen Beziehungsarbeit in der Sozialen Arbeit mittlerweile wirksam verankert. Auch wenn die Argumente Unterstützung, Hilfe zur Selbsthilfe, Eigenverantwortlichkeit, Selbstermächtigung etc. in der Literatur die dazu gesichtet wurde sehr im Vordergrund steht, ist die Ökonomisierung und Rationalisierung im Gesundheitswesen ein Aspekt, der nicht von der Hand zu weisen ist und auch erklärt warum die Prinzipien des CM auch eine starke Verbindung zu betriebswirtschaftlichen Abläufen hat und auch in der Dienstleistungsbranche konzeptionell Anwendung findet.

Nachfolgend wende ich mich der Frage zu, inwiefern Case- Management auch in der gesetzlichen Betreuung umsetzbar ist und beschreibe ein Konzept des Betreuungsmanagement das von Angela Roder konzipiert wurde. Es beruht auf den Arbeitsschritten die im Case Management beschrieben werden und macht in Teilbereichen den Eindruck der völligen Übereinstimmung. In Folge der Darstellung wird aber sichtbar, dass es über ganz eigenständige Elemente verfügt, die es dann auch vom klassischen CM der sozialen Arbeit abgrenzt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Case Management als Methode in der Betreuungspraxis
Untertitel
Eine praxisnahe Darstellung anhand eines Konzepts
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin  (AKADEMIE für öffentliche Verwaltung und Recht)
Veranstaltung
Vormundschaft - und Betreuungsrecht
Note
2,4
Autor
Jahr
2018
Seiten
49
Katalognummer
V1030867
ISBN (eBook)
9783346432353
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Case Management, Sechs-Phasen-Modell, Betreuungsmanagement, Zielgruppen, Arbeitsweise und Verfahren, Fallsteuerung, Verfahrensschritte, Qualitätssicherung - Standards, Kontaktaufnahme, Assessment/ Datenerfassung, -, Handlungsempfehlungen/ Beratungsprozess, Planung / Ziele / Maßnahmen, S.M.A.R.T., Linking/Vernetzung, Monitoring/Prozessbeobachtung, Evaluation/Auswertung
Arbeit zitieren
Thomas Bruskowski (Autor:in), 2018, Case Management als Methode in der Betreuungspraxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030867

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