Die Vereinten Nationen als internationaler Mediator?

Die Mediationsbemühungen der UN im syrischen Bürgerkrieg


Hausarbeit, 2021

32 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen
2.1 Internationale Mediation
2.2 Erfolg von internationaler Mediation
2.2.1 Effektivität als Zielerreichung
2.2.2 Effektivität als Konfliktbeilegung
2.3 Konditionen von Mediationserfolg

3. Syrien - Ursachen und Entwicklung des Bürgerkriegs

4 Analyse der UN-Mediationsbemühungen in Syrien
4.1 Die Mediationsbemühungen unter Kofi Annan
4.1.1 Dimension der Zielerreichung
4.1.2 Dimension der Konfliktbeilegung
4.2 Die Mediationsbemühungen unter Lakhdar Brahimi
4.2.1 Dimension der Zielerreichung
4.2.2 Dimension der Konfliktbeilegung
4.3 Konditionen der Mediationseffektivität in Syrien

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Vereinten Nationen (UN) gelten wohl als bekannteste internationale Organisation der Welt, die sich gemäß ihrer Charta den Erhalt von internationalem Frieden und Sicherheit zur wichtigsten Aufgabe gemachte hatte. Diese Ziele verfolgen sie, indem sie Konflikten vorbeugen, Konfliktparteien bei der Friedensschließung helfen, oder Bedingungen schaffen, unter denen Frieden entstehen kann (Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen 2020). Die UN-Friedensmissionen bilden hierbei ein zentrales Instrument der Konfliktbearbeitung durch den Sicherheitsrat und werden in Peacekeeping-Missionen und besondere politische Missionen unterschieden (United Nations DPPA 2021). Während die Peacekeeping-Missionen mit dem Entsenden von Blauhelmeinsätzen eine militärische Komponente aufzeigen, konzentrieren sich politische Missionen vorwiegend darauf, Konflikte mithilfe von Vermittlung und diplomatischen Maßnahmen zu lösen. Eine der grundlegenden Methoden stellt die Konfliktvermittlung in Form der Mediation dar, die darauf abzielt eine friedliche Lösung zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Die UN spielten bereits in mehreren Konflikten eine bedeutende Rolle als Mediator und ermöglichten eine Wiederherstellung von Frieden in Fällen wie Namibia, El Salvador oder Kambodscha (Iji 2017: 85).

Gegenwärtig sind die Vereinten Nationen an insgesamt 25 politischen Missionen beteiligt. Mit dem vierten Sonderbeauftragten engagieren sie sich seit 2012 an Mediationsvermittlungen in Syrien, um eine friedliche Lösung des Konflikts durch einen politischen Übergang zu unterstützen (United Nations DPPA 2021). Nach dem Sturz von Tunesiens Diktator Ben Ali im Zuge des Arabischen Frühlings, begannen auch in Syrien Ende Januar 2011 friedliche Proteste und Kundgebungen (Yacoubian 2020: 1). Die Forderungen nach größeren Freiheiten und der Achtung der Menschenrechte verstärkten sich zunehmend aufgrund des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte und der Regierung. Infolgedessen bildeten sich verschiedene bewaffnete Oppositionsgruppen, die gegen die Regierungsarmee vorgingen. Die friedlichen Proteste entwickelten sich im Sommer 2011 zu einem grausamen Bürgerkrieg, der bislang über 500.000 Menschen das Leben kostete (IamSyria 2021).

Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Mediationsbemühungen der Vereinten Nationen. So gilt es festzustellen, in welchem Ausmaß die UN als internationale Organisation, die sich Frieden und Sicherheit zur höchsten Priorität gesetzt hat, ihren eigenen Bestrebungen nachkommen. Am Beispiel des Syrienkonflikts soll ein aktiver Beitrag zu diesem Forschungsfeld geleistet werden. Ziel ist es daher zu überprüfen, 1

inwieweit die Mediationsbemühungen der Vereinten Nationen im Syrienkonflikt als erfolgreich bezeichnet werden können. Aufgrund mangelnder Daten kann im Rahmen dieser Arbeit nicht auf alle Mediationsversuche eingegangen werden, sodass der Fokus auf den Mediationsbemühungen unter Kofi Annan (Februar 2012 bis August 2012) und seinem Nachfolger Lakhdar Brahimi (August 2012 bis Mai 2014) liegt.

Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung bedarf es zunächst eines analytischen Rahmens. Als theoretische Grundlage wird in Kapitel 2 zunächst die Definition von Mediation nach Bercovitch et al. (1991) herangezogen sowie eine Konzeptualisierung von Mediationseffektivität vorgenommen, die sich an Bergmann (2020) orientiert. Ergänzend dazu werden mögliche Erklärungsfaktoren vorgestellt, die einen Einfluss auf die Effektivität ausüben können. In Kapitel 3 erfolgt anschließend ein kurzer Überblick über die Hintergründe und Ursachen des Konflikts in Syrien. Die empirische Analyse in Kapitel 4 orientiert sich an der zweidimensionalen Konzeptualisierung von Mediationseffektivität und untersucht, ob die Mediatoren ihre gesetzten Ziele erreicht haben und ein aktiver Beitrag zur Konfliktbeilegung geleistet wurde. Außerdem sollen in der Analyse die Konditionen herausgearbeitet werden, die einen entscheidenden Einfluss auf die Effektivität der Mediationsbemühungen ausübten. In Kapitel 5 werden die wichtigsten Ergebnisse nochmals zusammengetragen und ein abschließendes Fazit darüber gegeben, ob die Mediationsbemühungen der Vereinten Nationen erfolgreich waren.

2. Theoretischer Rahmen

Um eine sorgfältige Analyse über die Effektivität der UN-Mediation in Syrien durchführen zu können, muss zunächst einmal der allgemeine Begriff der Mediation erläutert werden. Hier bildet der von Bercovitch et al. (1991) erstellte konzeptuelle Rahmen die grundlegende Basis. Nachdem in Kapitel 2.1 die Standarddefinition von internationaler Mediation erläutert wird, widmet sich Kapitel 2.2 der Konzeptualisierung von Mediationserfolg, wobei hier die beiden Dimensionen der Zielerreichung und der Konfliktbeilegung unterschieden werden. In Kapitel 2.3 werden anschließend einige Erklärungsfaktoren und Konditionen vorgestellt, die den Erfolg von Mediationsbemühungen beeinflussen können.

2.1 Internationale Mediation

Was wird konkret unter internationaler Mediation verstanden? Obwohl sich das Gebiet der Mediationsforschung in den 1960er-Jahren zu entwickeln begann, macht ein Blick in die Literatur deutlich, dass keine einheitliche Definition des Begriffs vorliegt. Während Young (1967) einen umfassenden Mediationsbegriff zugrunde legt, beschreibt Touval (2003) Mediation lediglich als „foreign policy“ (Touval 2003: 93). Grundsätzlich kann Mediation jedoch häufig als der Versuch verstanden werden, mithilfe einer dritten Partei eine gewaltlose Konfliktbeilegung zwischen zwei oder mehreren Konfliktparteien zu erzielen (Greig/Diehl 2012: 2). Insofern handelt es sich um eine friedliche Form von internationalem Konfliktmanagement1, welche nicht eine einmalige Aktivität, sondern einen kontinuierlichen Prozess darstellt (Bercovitch 1986: 156; Bercovitch et al. 1991: 8). In der Forschung hat sich insbesondere die von Bercovitch et al. entwickelte Begriffserklärung durchgesetzt. Mediation wird hierbei als „a process of conflict management where disputants seek the assistance of, or accept an offer of help from, an individual, group, state or organization to settle their conflict or resolve their differences without resorting to physical force or invoking the authority of the law” verstanden (Bercovitch et al. 1991: 8). Aus dieser Definition lassen sich fünf grundlegende Charakteristika von Mediation herleiten: Erstens bedarf es der Intervention eines außenstehenden Akteurs in einem Konflikt zwischen zwei oder mehreren Staaten oder anderen nichtstaatlichen Akteuren. Das Einschreiten des Außenstehenden muss von allen Konfliktparteien akzeptiert werden. Zweitens hat der Mediator durch seinen Sitz am Verhandlungstisch eine klare und aktive Rolle, die sich eindeutig vom Verhalten der Konfliktparteien unterscheidet. Drittens handelt es sich bei Mediation um einen freiwilligen Prozess, der ohne das Vertrauen und die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Akteure nicht funktionieren kann (Bercovitch 1986: 163). Die Konfliktparteien beteiligen sich aus freien Stücken und behalten die Kontrolle über das Ergebnis. Durch die Partizipation am Mediationsprozess erwarten beide Parteien eine Maximierung ihrer Präferenzen und Vorteile (Greig/Diehl 2012: 2). Viertens sind Mediationsbemühungen gewaltfreie Verfahren deren Ergebnisse (5) rechtlich nicht bindend sind und somit nicht implementiert werden müssen. Insgesamt ändert das Eintreten des Mediators die Konfliktkonstellation von einem ursprünglich dyadischen zu einem triadischen Verhandlungsprozess. Das Ziel von Mediation ist es somit, eine Einigung zwischen den Konfliktparteien hervorzubringen, die für alle Beteiligten zufriedenstellend ist und bestenfalls implementiert wird.

2.2 Erfolg von internationaler Mediation

Im folgenden Kapitel soll nun ein Einblick darüber gegeben werden, wann Mediationsbemühungen als erfolgreich bzw. effektiv gelten. Wie auch bei der Konzeptualisierung von Mediation selbst, liegt eine große Bandbreite an Definitionen und Operationalisierungen von Mediationserfolg vor (Wallensteen/Svensson 2014: 322). In der internationalen Mediationsforschung wird als Standardreferenzpunkt die Mediationseffektivität herangezogen. Diese wird vor allem anhand der vorgebrachten Ergebnisse des Mediationsprozesses gemessen, also ob z. B. eine Waffenstillstandsvereinbarung oder eine Beilegung des Konflikts erzielt wurde (Bergmann 2020: 26). Hierbei handelt es sich demnach konkret um eine ergebnisorientierte Definition von Mediationserfolg. Eine weitere Möglichkeit, den Erfolg von Mediationsbemühungen zu evaluieren, besteht darin, die Effektivität im Hinblick auf die Zielerreichung des Mediators zu messen. Dies ermöglicht eine umfassendere Analyse des Mediationserfolgs und verhindert, wichtige Aspekte angesichts des einseitigen, ergebnisorientierten Fokus auszulassen. Beide Forschungsbereiche unterscheiden zwischen einer problem- und einer akteurszentrierten Perspektive auf Effektivität (Bergmann 2020: 27). Die problemzentrierte Perspektive legt den Fokus darauf, ob die im Konflikt vorliegenden Probleme angemessen adressiert und möglicherweise gelöst wurden. Der akteurszentrierte Ansatz hingegen zielt auf die Intentionen und Absichten der beteiligten Akteure ab. Vor diesem Hintergrund wird für die vorliegende Arbeit eine zweidimensionale Konzeptualisierung von Mediationserfolg vorgenommen. Die erste Dimension umfasst die Effektivität als Zielerreichung, während sich die zweite Dimension auf die Effektivität als Konfliktbeilegung konzentriert.

2.2.1 Effektivität als Zielerreichung

Die Dimension der Zielerreichung (Goal-Attainment) impliziert die interne Konfliktperspektive und erfasst, ob der Mediator seine am Anfang gesetzten Ziele erreichen konnte und inwieweit ihm das auch tatsächlich gelungen ist (Bergmann 2020: 29). Hierbei werden zwei Kategorien von Zielen unterschieden, die der Mediator anstreben kann. Einerseits gibt es prozessbezogene Ziele, die sich vor allem auf die Umstände der Verhandlung beziehen, wie beispielsweise die Dauer der Mediationsbemühungen oder die Verhandlungsagenda. Andererseits liegen auch ergebnisbezogene Ziele vor, die das Endprodukt des Mediationsprozesses und den konkreten Inhalt einer Konfliktbeilegung betreffen (Bergmann 2020: 29-30). Die Dimension der Effektivität als Zielerreichung operationalisiert Bergmann (2020) mittels einer fünfstufigen Skala: (1) Effektivität ist sehr hoch (der Mediator hat alle seine Ziele in einem hohen Maß erreicht), (2) Effektivität ist hoch (der Mediator hat die meisten seiner Ziele in einem hohen Maß erreicht), (3) Effektivität ist mittelmäßig (der Mediator hat die meisten seiner Ziele nur in einem mittleren Maß erreicht), (4) Effektivität ist gering (der Mediator hat die meisten seiner Ziele nicht erreicht), (5) Effektivität ist sehr gering (der Mediator hat keines seiner Ziele erreicht) (Bergmann 2020: 30).

Die Zielerreichung als Bewertungsmaßstab einer erfolgreichen Mediation heranzuziehen, ist jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden. So werden Mediationsziele manchmal zu weit gefasst oder gar nicht erst publik gemacht, sodass eine empirische Analyse beeinträchtigt wird. Mediationsziele können sich ebenfalls im Laufe der Verhandlungsprozesse ändern oder unterschiedlich priorisiert sein. Insofern bedarf die Analyse der Zielerreichung einer besonderen Sorgfalt.

2.2.2 Effektivität als Konfliktbeilegung

Als externe Konfliktperspektive bezieht sich die Dimension der Konfliktbeilegung (Conflict Settlement) darauf, ob die Mediationsbemühungen einen positiven Effekt auf den Konflikt ausüben oder nicht. Somit handelt es sich bei dieser Dimension um eine beobachtbare Veränderung des Verhaltens auf Seiten der Konfliktparteien, welche während des Mediationsprozesses oder als Ergebnis der Verhandlungen auftreten kann. Hieraus können unterschiedliche Arten von Vereinbarungen zwischen den beteiligten Parteien resultieren (Bergmann/Niemann 2015: 960-961). Für die Operationalisierung der abhängigen Variable der Dimension der Konfliktbeilegung unterscheidet Bergmann (2020) eine fünfstufige Skala: (1) eine vollständige Beilegung des Konflikts (alle Konfliktprobleme wurden durch ausgehandelte Vereinbarungen vollständig gelöst), (2) eine größtmögliche Beilegung des Konflikts (die Mehrzahl der Konfliktprobleme wurde ganz oder teilweise durch ausgehandelte Vereinbarungen gelöst), (3) eine geringfügige Beilegung des Konflikts (eine kleine Anzahl von Konfliktproblemen wurde ganz oder teilweise durch ausgehandelte Vereinbarungen gelöst), (4) Prozessvereinbarungen (es wurde keine Einigung für die Beilegung von Konfliktproblemen erzielt, jedoch besteht eine Einigung über die Durchführung weiterer Verhandlungsrunden), (5) keine Beilegung (die Mediationsbemühungen haben weder zur Beilegung von Konfliktproblemen, noch zu weiteren Prozessvereinbarungen geführt) (Bergmann 2020: 28­29). Diese Einteilung bildet die Basis, um die Effektivität als Konfliktbeilegung sorgfältig analysieren zu können.

An dieser Stelle sei abschließend zu erwähnen, dass die Dimensionen nicht exklusiv sind, sondern sich gegenseitig bedingen können. Viele Mediatorziele können beispielsweise erst durch Fortschritte in der Konfliktbeilegung erreicht werden, sodass die Effektivität nicht nur auf eine der beiden Dimensionen begrenzt ist (Bergmann 2020: 31).

2.3 Konditionen von Mediationserfolg

Da es sich bei Mediation um einen äußerst komplexen Prozess handelt, lässt sich die Mediationseffektivität nicht anhand eines einzigen kausalen Faktors messen. Vielmehr liegen verschiedene Erklärungsmechanismen vor, die in einer möglichen Interaktion zueinanderstehen und über den Erfolg oder das Scheitern einer Mediation entscheiden (ebd.: 32). In der Literatur werden als mögliche Einflussgrößen beispielsweise die Hebelwirkung des Mediators (leverage) (Wallensteen/Svensson 2014: 319), die Art und die Intensität des Konflikts (Kleiboer 1996: 362-364) oder auch die interne Kohäsionskraft der Konfliktparteien herangezogen (Niemann/Bergmann 2015: 2012; Bergmann 2020: 42). Des Weiteren haben sich die Mediationsstrategie und die Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien als relevante Konditionen herauskristallisiert. Die Mediationsstrategie kann als Gesamtplan des Mediators zur Lösung und Bewältigung von Konflikten bezeichnet werden und ist demnach eine der entscheidenden Bedingungen für Mediationseffektivität. Aufgrund des trilateralen Charakters von Mediation spielt die Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien eine gleichermaßen wichtige Rolle (Bercovitch/Lee 2003: 3; Bergmann 2018: 242). Die vorliegende Arbeit wird daher die Mediationsstrategie und die Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien als potenzielle Konditionen einer effektiven Mediation berücksichtigen.

Unter Mediationsstrategie versteht man neben der grundsätzlichen Vorgehensweise des Mediators auch den Gesamtgrad an Kontrolle, den er auf den Verhandlungsprozess ausübt (Bergmann 2018: 241). Dies umfasst außer vorab festgelegten Plänen ebenfalls das konkrete Verhalten während der Verhandlungsgespräche sowie bestimmte taktische Maßnahmen, um die Konfliktparteien zu einer Einigung zu bewegen. Folglich hat der Mediator durch die Anwendung von Mediationsstrategien die Möglichkeit, die Verhandlungsgespräche zu lenken und zu kontrollieren (ebd.: 34). Anlehnend an Touval und Zartman (1985) differenziert Bergmann (2020) zwischen drei verschiedenen Typen von Mediationsstrategien, die nach ihrem Interventionsgrad geordnet sind: Vermittlung/Moderation (Facilitation­Communication), Formulierung (Formulation) und Manipulierung (Manipulation) (Bergmann/Niemann 2015: 962; Bergmann 2020: 35).

Die Vermittlung/Moderation ist die am wenigsten interventionistische Strategie. Der Mediator dient hier in erster Linie als Informationsbereitsteller und als Kommunikationskanal für die gegnerischen Parteien. Er selbst macht keine konkreten Vorschläge, sondern versucht die Beteiligten dazu zu bewegen, in einen permanenten Dialog miteinander zu treten und Kompromisslösungen zu finden, die für alle akzeptabel sind. Dieser Zustand wird zum Beispiel durch die Bereitstellung von Informationen oder die Klärung der zugrunde liegenden Probleme erreicht (Bergmann/Niemann 2015: 962; Bergmann 2020: 35). Im Unterschied dazu hat die Formulierung einen verstärkt eingreifenden Charakter. Durch die Strukturierung des Verhandlungsprozesses und die Formulierung von Alternativen und Kompromissvorschlägen nimmt der Mediator größeren Einfluss. Die Formulierung kann außerdem formale und strukturelle Gegebenheiten wie die Anpassung der Agenda oder das Tempo der Gespräche beinhalten. Die Strategie der Manipulation hat ebenfalls zum Ziel, mithilfe von Vorschlägen und der Strukturierung der Verhandlung zum Friedensprozess beizutragen. Allerdings beeinflusst der Mediator die Verhandlungen direkt, indem er Zwangsmaßnahmen oder positive Anreize schafft und die Parteien so zu einer Vereinbarung lenkt. Mittels manipulativer Maßnahmen ist der Mediator in der Lage, das Spektrum von annehmbaren Vereinbarungen zu erweitern (Bergmann 2020: 36). In der Forschung herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Manipulation die effektivste Methode zur Erreichung einer Friedensvereinbarung darstellt, während Vermittlungsstrategien insbesondere dauerhaften Frieden zwischen Konfliktparteien fördern. Schließlich handelt es sich bei den Mediationsstrategien um Idealtypen, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern oftmals gleichzeitig vorliegen (ebd.: 36).

Die Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien bildet einen weiteren Schlüsselfaktor der Mediationseffektivität. Die Initiierung oder Teilnahme an Mediationsbemühungen erfolgt aus unterschiedlichen Gründen. Diese reichen von einem wirklichen Interesse an der Beilegung des Konflikts bis hin zu eigennützlichen Motiven wie der Stärkung der eigenen Truppen oder der Ausweitung von nationaler und internationaler Legitimität (Kleiboer 1996: 367; Bergmann 2020: 41). Folglich ist davon auszugehen, dass ausgehandelte Vereinbarungen und deren Implementierung sehr unwahrscheinlich sind, wenn die Mediation lediglich als Mittel zur Zeitgewinnung dient. Die Konfliktparteien werden einer Verhandlungslösung hohe Priorität einräumen, wenn die erwarteten Vorteile der Verhandlung größer sind als jene, die sie auf andere Weise erzielen würden. Die Erwartungen ergeben sich allerdings nicht nur aus einer Kosten-Nutzen-Rechnung, sondern sind gleichermaßen von der Wahrnehmung der gegnerischen Partei und dem eigentlichen Mediationsprozess beeinflusst (Bergmann 2020: 41). Die Bewertung der Präferenzen und Motivationen der Konfliktparteien ermöglicht es, eine Zone potenzieller Einigung (Zone of Agreement) zwischen den Parteien und dem Grad ihrer Kompromissbereitschaft innerhalb dieses Bereiches festzustellen. Liegt keine Überschneidung ihrer Präferenzen vor, fehlt konsequenterweise die Zone of Agreement, sodass die Mediationsstrategie keinen Einfluss auf die Effektivität bewirkt (Bergmann 2018: 242). Abschließend lässt sich festhalten, dass die Kompromissbereitschaft und die Motivation für Zugeständnisse von den erwarteten Vorteilen einer ausgehandelten Einigung abhängen. Die Mediation ist umso effektiver, je höher diese Bereitschaft ausfällt (Bergmann 2020: 41).

3. Syrien - Ursachen und Entwicklung des Bürgerkriegs

Um die Mediationsbemühungen der UN-Sondergesandten auf ihre Effektivität analysieren zu können, ist es zunächst erforderlich, eine kurze Übersicht über die Ursachen des syrischen Bürgerkriegs zu geben, sodass ein größeres Verständnis über die eigentlichen Gründe der Mediation und die Rahmenbedingungen, unter denen sie stattfanden, geschaffen wird.

Inspiriert vom Arabischen Frühling begannen Ende Januar 2011 auch in Syrien friedliche Proteste und Kundgebungen für politische Reformen, mehr Rechtsstaatlichkeit und Freiheit. Die vereinzelten Demonstrationen verbreiteten sich Anfang März 2011 jedoch im ganzen Land, nachdem Sicherheitskräfte eine Gruppe von Jugendlichen inhaftierte und tagelang folterte, die oppositionelle Parolen an die Mauer ihrer Schule anbrachten (Yacoubian 2020: 1). Die zunächst friedlichen Aufstände entwickelten sich zu einer Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten Baschar al-Assad. Das Regime reagierte mit gewaltsamen Mitteln und setzte zur Unterdrückung der Demonstranten zunehmend militärische Gewalt ein, verriegelte einzelne Städte und stellte teilweise die Strom- und Wasserversorgung ein (Jaecke/Balluff 2020: 2; Malteser International 2021). Das brutale Vorgehen der Regierung forderte bereits nach kurzer Zeit hunderte Menschenleben und zwang viele zur Flucht. Infolgedessen formierten sich verschiedene oppositionelle Gruppen, darunter die Freie Syrische Armee (FSA), mit dem Ziel Assad zu stürzen und die Demonstranten zu schützen. Durch die anhaltenden bewaffneten Kämpfe zwischen den Widerstandsgruppen und dem Regime entwickelte sich der anfängliche Bevölkerungsprotest zu einem erbitterten Bürgerkrieg, der sich schließlich zu einem Stellvertreterkrieg mit vielen externen Akteuren wandelte (Jenkins 2014: 7-10; Jaecke/Balluff 2020: 2).

Der Beginn des syrischen Bürgerkriegs war zunächst durch eine Konfliktkonstellation aus zwei Akteuren, nämlich dem Regime und verschiedenen lokalen Widerstandsgruppen, gekennzeichnet. Unter Konflikt versteht man eine „actual or perceived incompatibility of goals between at least two parties” (Ramsbotham et al. 2011: 10). Der politische Machterhalt des Assad-Regimes vis-a-vis den Forderungen der Opposition konstituierte genau diese Unvereinbarkeit von Zielen. Die zugrunde liegenden Konfliktprobleme basierten zunächst auf ideologischen Auseinandersetzungen, da die anfänglichen Wünsche nach freiheitlichen Rechten und mehr Rechtsstaatlichkeit in die Forderung nach einem Regimewechsel mündeten. Das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien ist zu diesem Zeitpunkt aufgrund der militärischen Überlegenheit des Regimes als asymmetrisch2 zu bezeichnen. Im weiteren Verlauf organisierten sich allerdings zahlreiche Gruppierungen entlang ihrer Herkunft und Religion, sodass eine Veränderung der Konfliktkonstellation eintrat. Im Oktober 2012 wurde die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (Syrische Nationalkoalition3 ) gegründet, die aus zahlreichen Oppositionsparteien besteht und von mehreren Staaten als einzige legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannt wurde (Deutscher Bundestag 2017: 20). Neben der Nationalkoalition kämpften außerdem viele radikale Rebellengruppen wie die Ahrar al-Scham oder die al-Nusra-Front, die Hisbollah, die Demokratischen Kräfte Syriens (DKS) sowie der Islamische Staat (Deutscher Bundestag 2017: 24; International Crisis Group 2014: 4; UCDP 2021).

Grundsätzlich handelt es sich bei dem syrischen Bürgerkrieg um einen innerstaatlichen Konflikt, der angesichts der Beteiligung vieler externer Akteure und Staaten eine internationale Dimension erreicht hat. Auf Seiten des Regimes kämpfen neben den syrischen Streitkräften die schiitische Miliz Hisbollah, die aufgrund Assads Zugehörigkeit zur alawitischen Gemeinschaft die syrische Regierung unterstützt. Die Hisbollah wird durch den Iran finanziert, der einen Stellvertreterkrieg gegen das sunnitische Saudi-Arabien auf syrischem Boden austrägt (Deutscher Bundestag 2017: 11). Des Weiteren erhält Syrien militärische Unterstützung von Russland, das dem Konflikt offiziell im September 2015 beigetreten und Assads wichtigster Verbündeter ist. Die zahlreichen extremistischen Gruppierungen bilden mit Staaten wie Saudi­Arabien und der Türkei die gegnerische Seite. Während sich die Türkei durch die Unterdrückung der Kurden und die Ablehnung des Assad-Regimes einen Ausbau ihrer Vormachtstellung im Nahen Osten verspricht, zielen die Golfstaaten zusammen mit Saudi­Arabien auf eine Schwächung des iranischen Einflusses ab (Deutscher Bundestag 2017: 15). Die USA stellen seit einem direkten Militärschlag auf eine syrische Militäreinrichtung im Jahr 2017 einen weiteren relevanten Akteur dar4. Zusammenfassend sind die Hauptparteien des Konflikts die Folgenden: die syrische Regierung mit Präsident Assad, Rebellengruppen, die Demokratischen Kräfte Syriens, der IS sowie unterschiedliche Staaten. Alle Parteien verfolgen eigene Interessen und Ziele.

Die Veränderung der Konfliktkonstellation und die Involvierung verschiedener Akteure zeigt deutlich, dass es sich beim syrischen Bürgerkrieg um einen äußerst komplexen Konflikt handelt. Zu den ursprünglichen ideologischen Konfliktproblemen ist der Kampf verschiedener Organisationen aus ethnischen und religiösen Gründen hinzugekommen (Lundgren 2016: 283). Darüber hinaus streben die Kurden, die DKS als auch der IS nach eigenen territorialen Gebieten, sodass der Konflikt gleichermaßen als ein Streit um Souveränität und Unabhängigkeit, einzuordnen ist. Wie oben erwähnt verfolgen auch externe Akteure wie die Türkei oder Saudi-Arabien eigene geopolitische und strategische Interessen, sodass zwischen diesen eine symmetrische Konfliktkonstellation besteht.

Das Konfliktverhalten und die Konfliktintensität lassen sich als sehr aggressiv und intensiv beschreiben. Das Datenprogramm der Universität Uppsala verzeichnete seit dem Ausbruch des Konflikts im Jahr 2011 bis einschließlich 2019 mindestens 362.250 Todesfälle (UCDP 2021). Zudem gibt es knapp 6.6 Millionen Binnenvertriebene und ca. 5.6 Millionen Menschen, die seit 2011 das Land verlassen haben (UCDP 2021; UNHCR 2021). Die meisten Toten sind das Ergebnis staatlicher Gewalt, vorwiegend im Zentrum und im Nordwesten Syriens. Zwischen 2014 und 2015 ist außerdem die Zahl der Todesfälle drastisch angestiegen. Der Konflikt wird mit sehr gewaltsamen Mitteln ausgetragen, die von Bombenangriffen und Selbstmordattentätern über chemische Angriffe und Militärschläge, wie Luftangriffe und Drohnen, reichen. Dieses Ausmaß an Gewalt löste eine humanitäre Krise aus, welche sich in mangelnder medizinischer Versorgung, Unterernährung und verschmutztem Trinkwasser zeigte. Insgesamt ist der syrische Bürgerkrieg als „full-scale war“ einzuordnen.

4. Analyse der UN-Mediationsbemühungen in Syrien

In den vorausgegangenen Kapiteln wurde neben dem theoretischen Rahmen ebenfalls ein kurzer Überblick über die Ursachen und die Entwicklung des Bürgerkriegs in Syrien gegeben, die den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Forschungsfrage bilden. Auf Grundlage dieser Rahmenbedingungen sollen nun die Mediationsbemühungen von Kofi Annan und Lakhdar Brahimi auf ihre Effektivität analysiert werden. Der Hauptfokus liegt hierbei auf den beiden Dimensionen Zielerreichung und Konfliktlösung. Des Weiteren sollen die in Kapitel 2.3 vorgestellten Konditionen einer effektiven Mediationsbemühung berücksichtigt werden.

4.1 Die Mediationsbemühungen unter Kofi Annan

4.1.1 Dimension der Zielerreichung

Im Februar 2012 wurde der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan zum gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien ernannt (Asseburg et al. 2018: 35). Die offizielle Pressemitteilung der UNO am 23. Februar 2012 verkündete als primäre Aufgabe die Bereitstellung von „good offices aimed at bringing an end to all violence and human rights violations, and promoting a peaceful solution to the Syrian crisis“ (United Nations Press Release 2012a). Die Vereinten Nationen forderten in Übereinstimmung mit den Aktionsplänen der Arabischen Liga einen von Syrien geführten politischen Übergang in ein demokratisches und pluralistisches System, welches durch Mediation zwischen der syrischen Regierung und der Opposition erreicht werden sollte. Insofern verfolgten die Vereinten Nationen die Konfliktbeilegung mithilfe eines politischen Systemwechsels als langfristiges und ergebnisorientiertes Ziel (United Nations General Assembly 66/253: 2012a).

Im Unterschied zur Arabischen Liga, die in ihrem zweiten Plan konkret den Rücktritt Assads forderte, konzentrierte sich Annan zunächst darauf, das Ausmaß an Gewalt zu reduzieren, sodass überhaupt eine Grundlage für Mediationsgespräche geschaffen werden konnte (Eisner 2019: 53). Am 16. März 2012 stellte er der syrischen Regierung einen Sechs-Punkte­Friedensplan vor, dem Assad wenige Tage später zustimmte. Dieser enthielt folgende Bedingungen5: 1) Verpflichtung der syrischen Regierung, mit dem UN-Sondergesandten hinsichtlich eines politischen Prozesses zu arbeiten und einen Gesprächspartner zu bestimmen, 2) Verpflichtung zur sofortigen Beendigung von bewaffneter Gewalt und der Nutzung schwerer Waffen, 3) rechtzeitige Bereitstellung humanitärer Hilfen für betroffene Gebiete, 4) Freilassung willkürlich Inhaftierter, 5) Gewährleistung der Bewegungsfreiheit für Journalisten und 6) Verpflichtung, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren (United Nations Press Release 2012b; Hinnebusch/Zartman 2016: 7).

[...]


1 Bei internationalem Konfliktmanagement handelt es sich um ein übergeordnetes Konstrukt, welches sowohl die Bemühungen zur Eindämmung von Konflikten als auch zur Beilegung von Konflikten erfasst. Hierzu liegen verschiedene Instrumente vor: militärische Interventionen, Sanktionen, Diplomatie oder Mediation (Ramsbotham et al. 2011: 31).

2 Ein asymmetrischer Konflikt liegt nach Ramsbotham et al. (2011) dann vor, wenn es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen ungleichen Parteien kommt wie einer Mehrheit und einer Minderheit, einer etablierten Regierung und Rebellen, einem Meister und seinem Diener oder einem Arbeitgeber und seinem Angestellten. Das asymmetrische Verhältnis kann auch durch die normative Legitimität begründet sein (Ramsbotham et al. 2011: 24).

3 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Syrische Nationalkoalition als Opposition bezeichnet.

4 Die USA unterstützt die Freie Syrische Armee und andere Rebellengruppen mit Waffen und militärischer Ausbildung bereits seit 2012. Ein direktes Eingreifen erfolgte jedoch erst im Jahr 2017 nach einem weiteren Giftgasangriff auf Zivilisten (Deutscher Bundestag 2017: 17).

5 Hierbei handelt es sich lediglich um die wichtigsten Bestimmungen. Der Sechs-Punkte-Friedensplan ist detaillierter unter https://www.un.org/press/en/2012/sc10583.doc.htm nachzulesen.

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Vereinten Nationen als internationaler Mediator?
Untertitel
Die Mediationsbemühungen der UN im syrischen Bürgerkrieg
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,0
Jahr
2021
Seiten
32
Katalognummer
V1031033
ISBN (eBook)
9783346433091
ISBN (Buch)
9783346433107
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vereinten, nationen, mediator, mediationsbemühungen, bürgerkrieg
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Die Vereinten Nationen als internationaler Mediator?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031033

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