Die vorliegende Arbeit möchte zeigen, dass Haushofers und Schmidts Texte nicht nur moderne Varianten der Robinsonade sind, sondern auch, dass Defoes Robinson Crusoe bereits das gesamte, in späteren Werken realisierte Variationspotenzial enthält. Die Wand und Schwarze Spiegel bieten sich für eine solche Untersuchung an, da sie eine ähnliche Grundsituation beschreiben, die auf ihre Vereinbarkeit mit der Robinsonade geprüft werden soll. Es soll gezeigt werden, dass es neben der in der Tradition Defoes stehenden Robinsonade ‚moderne’ Abwandlungen gibt, die auf derselben Vorlage basieren und dieselben Kriterien erfüllen. Dabei sollen Definitionsmerkmale der Robinsonade erarbeitet und diese von der Utopie abgegrenzt werden.
Auch im 20. und 21. Jahrhundert ist Defoes Roman "Robinson Crusoe" noch modern: William Goldings Lord of the Flies (1954), der Kinofilm Cast Away (2000) mit Tom Hanks und die US-Serie Lost (2004) sind nur einige Beispiele. Die Dramatik des Werks, das die einsame Existenz eines Einzelnen fern ab seiner Heimat im Kampf um sein Überleben beschreibt, rührt an den Urängsten jedes Menschen.
Robinson Crusoe wird heutzutage fast ausschließlich als Kinderbuch wahrgenommen. Die Robinsonade gilt als Abenteuergeschichte, Defoes Roman als deren "Stammvater". Trotz dieser Einigkeit überrascht es, dass es keine allgemein gültige Definition gibt, die die Merkmale der Robinsonade festsetzt. Und so existieren beinahe ebenso viele Definitionsversuche wie Publikationen zu diesem Thema.
Die herrschende Verwirrung wird sogar noch größer, wenn die Robinsonade mit der Utopie in Verbindung gebracht wird. Arno Schmidts Erzählung Schwarze Spiegel (1951) und Marlen Haushofers Roman Die Wand (1963) gehören zu den Texten, die von der Forschung bislang keiner der Gattungen eindeutig zugeordnet werden konnten. Die in Schwarze Spiegel und Die Wand beschriebene Einzelexistenz eines Individuums nach der totalen Vernichtung der Menschheit erinnert dabei nur noch wenig an das Inseldasein Robinsons. Viele Elemente, wie die Unmöglichkeit einer Rückkehr in die Zivilisation, werden als mit der Robinsonade unvereinbar betrachtet, während andere, wie die Überlebensbemühungen, dem Model des Robinson Crusoe zu entsprechen scheinen. Die radikalen Abweichungen vom vorgegebenen Handlungsmuster sind es, die die eindeutige Charakterisierung der Texte erschweren. Beide Werke werden daher häufig als Kompositionen aus Merkmalen von Robinsonade und Utopie charakterisiert.
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG.
- 2. DIE ROBINSONADE.
- 2.1 Der Ursprung der Gattung..
- 2.2 Quellen und Wirkung.
- 2.3 Forschungsdiskussion.
- 2.4 Untersuchung.
- 2.4.1 Katastrophe und Isolation.
- 2.4.2 Physisches Überleben.
- 2.4.3 Psychisches Überleben..
- 2.4.4 Insel und Zivilisation
- 2.4.5 Der typische Robinson.
- 2.5 Ergebnis und Definition...
- 2.6 Robinsonade und Utopie...
- 2.6.1 Definition der Utopie.
- 2.6.2 Vergleich und Abgrenzung.
- 3. ZWEI MODERNE ROBINSONADEN - ARNO SCHMIDTS SCHWARZE SPIEGEL (1951) UND MARLEN HAUSHOFERS DIE WAND (1963) ..
- 3.1 Forschungsmeinungen.
- 3.2 Untersuchung.
- 3.2.1 Weltkatastrophe und totale Isolation..
- 3.2.1.1 Hinter der Glaswand...
- 3.2.1.2 Im Zentrum der Zerstörung..
- 3.2.2 Jäger und Sammler..
- 3.2.2.1 Leben im Überfluss...
- 3.2.2.2 Leben als Überleben.
- 3.2.3 Last und Lust des Überlebens.
- 3.2.3.1 Misanthropie und Gesellschaftskritik.
- 3.2.3.2 Religion als unmögliches Prinzip..
- 3.2.4 Inselwelten.
- 3.2.4.1 Inselvariation.
- 3.2.4.2 Die Welt als Insel.
- 3.2.4.3 Ambivalente Welten.
- 3.2.5 Männliche und weibliche Robinsonade..
- 3.2.5.1 Geschlechtsidentitäten
- 3.2.5.2 Robinson und Robinsonin.
- 3.2.6 Robinsonaden mit verweigerter Utopie?.
- 3.2.6.1 Kampf der Geschlechter...
- 3.2.6.2 Kampf der Gattungen? ..
- 3.2.7 Rückkehr in die Gesellschaft.
- 3.3 Zusammenfassung und Ergebnis.
- 3.3.1 Vergleich und Abgrenzung..
- 3.3.2 Die Post-Desaster-Robinsonade...
- 4. AUSBLICK.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Zugehörigkeit von Arno Schmidts Erzählung „Schwarze Spiegel“ (1951) und Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ (1963) zur Gattung der Robinsonade. Die Arbeit analysiert die beiden Werke im Kontext der gattungsspezifischen Merkmale und stellt sie in Bezug zu klassischen Robinsonaden.
- Die Entstehung und Entwicklung der Robinsonade als literarische Gattung.
- Die charakteristischen Elemente der Robinsonade, wie Katastrophe, Isolation, Überlebenskampf und die Beziehung zur Zivilisation.
- Die spezifischen Merkmale der modernen Robinsonade und deren Abgrenzung zur klassischen Robinsonade.
- Die Rezeption und Interpretation von „Schwarze Spiegel“ und „Die Wand“ im Kontext der Robinsonade.
- Die Rolle von Geschlecht und Gender in der Robinsonade.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 befasst sich mit der Robinsonade als literarischer Gattung. Es werden die Ursprünge der Gattung, wichtige Quellen und deren Wirkung sowie die Forschungsdiskussion beleuchtet. Das Kapitel bietet eine umfassende Analyse des Gattungsbegriffs und untersucht die verschiedenen Elemente, die die Robinsonade auszeichnen.
Kapitel 3 widmet sich den beiden modernen Robinsonaden „Schwarze Spiegel“ und „Die Wand“. Es werden zunächst die bestehenden Forschungsmeinungen zu den beiden Werken und ihrer Beziehung zur Robinsonade vorgestellt. Anschließend werden die Werke im Detail analysiert, wobei besonderes Augenmerk auf die Themen Weltkatastrophe, Isolation, Überleben, die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie die Rolle von Geschlecht und Gender gelegt wird.
Schlüsselwörter
Robinsonade, Gattungstheorie, Arno Schmidt, Marlen Haushofer, Schwarze Spiegel, Die Wand, Weltkatastrophe, Isolation, Überleben, Zivilisation, Geschlecht, Gender, Utopie.
- Arbeit zitieren
- Yvonne Holländer (Autor:in), 2009, Untersuchung zur Zugehörigkeit von Arno Schmidts "Schwarze Spiegel" (1951) und Marlen Haushofers "Die Wand" (1963) zur Gattung der Robinsonade, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031426