Unterschiede zwischen §35 des Betäubungsmittelgesetzes und einer freiwilligen Entgiftung. Methoden der Sozialen Arbeit während einer stationären Entgiftung


Bachelorarbeit, 2018

65 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundproblematik

3. Definition Sucht & Abhangigkeit

4. Vorstellung einiger Drogen
4.1. Opiate
4.2. Kokain
4.3. Amphetamine

5. Grundlagen der Suchtentwicklung

6. Therapie
6.1. Die Kontakt- und Motivationsphase
6.2. Die Entgiftungsphase
6.3. Die Entwohnungsphase
6.4. Die Nachsorgephase

7. Umgang mit Suchtkranken
7.1 Tatigkeiten Sozialarbeiter*innen
7.2. Methoden von Sozialarbeitern*innen

8. Das Verhaltnis von Drogen und Kriminalitat

9. Das Betaubungsmittelgesetz
9.1 §35 BtMG "Zuruckstellung der Strafvollstreckung"
9.2. Formalitaten fur den §35 BtMG
9.2.1. Betaubungsmittelabhangigkeit nach §35 BtMG
9.2.2 Zweck und Ziel des §35 BtMG
9.2.3. Therapiebereitschaft und Gewahrleistung
9.2.4. Widerruf des §35 BtMG
9.2.5. Anrechnung der Therapiezeit nach §36 BtMG
9.3. Rechte und Pflichten

10. Methodik des Problemzentrierten Interviews
10.1. Problemzentriertes Interview
10.2. Leitfadenentwicklung
10.3. Qualitative Inhaltsanalyse

11. Auswertung des Interviews

12. Fazit

13. Literaturverzeichnis

14. Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Heckmann, Wolfgang (2000). Sucht. Verfugbar unter: https://www.google.com/search?q=multifaktorielles+entstehungsmodell+sucht&client=firefox- b-ab&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=0ahUKEwi1ja3H9dzbAhXF3CwKHaamBIEQ AUI DCgD&biw=1366&bih=654#imgrc=OJXXfXHI5ix5DM (18.06.2018)

1. Einleitung

"Gesellschaftlich sowohl als krank wie auch als kriminell stigmatisiert und verfolgt bleiben ihnen unter den gegebenen Bedingungen nur wenig Chancen, aus eigener Kraft eine Anderung dieser Situation herbeizufuhren." (Fengler, 2002, S.507)

Dieses Zitat als Einstieg in meine Bachelorarbeit druckt die Hilflosigkeit und die Bedurftigkeit der Personen aus, die durch eine Drogenabhangigkeit oder durch kriminelles Handeln nicht in der Lage sind aus eigener Kraft eine Anderung herbeizufuhren, sondern die Hilfe von Sozialarbeitern*innen oder anderen Personen benotigen. Die genaue Fragestellung meiner Bachelorarbeit lautet: "Welche Unterschiede gibt es beim §35 BtMG im Vergleich zu einer freiwilligen Entgiftung und welche Methoden sind bei Sozialarbeitern*innen wahrend einer stationaren Entgiftung erkennbar?". Das Ziel der Arbeit ist es mein Wissen uber den Bereich der "Zuruckstellung der Strafe" zu erweitern, um den Erkenntnisgewinn des Vergleichs zwischen einer freiwilligen und einer gezwungenen Entgiftung aufgrund eines §35 BtMG zu erlangen. Dieser Paragraf des Betaubungsmittelgesetzes sagt aus, dass eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, die aufgrund einer Betaubungsmittelabhangigkeit begangen wurde, in eine Therapie zur Drogenentgiftung umgewandelt, beziehungsweise zuruckgestellt werden kann. Hierbei soll also gepruft werden, ob es wesentliche Unterschiede von Patienten*innen gibt, die sich freiwillig einer Entgiftung unterziehen und von Patienten*innen, die aufgrund des §35 BtMG gezwungen entgiften. Weiterhin sollen die wichtigsten Methoden, die Sozialarbeiter*innen bei der Arbeit auf einer Entgiftungsstation anwenden kurz dargestellt werden. Bei der Bachelorarbeit handelt es sich auf der einen Seite um eine Literaturanalyse; auf der anderen Seite beinhaltet es eine qualitative Untersuchung in Form eines Problemzentrierten Interviews.

Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich dem Einstieg in das Thema. Hierbei wird der Begriff Sucht definiert; sowie die Drogen Opiate, Kokain und Amphetamine kurz vorgestellt. Es soll eine Vorstellung von Sucht und Drogen erlangt werden und was dies fur den menschlichen Korper bedeutet und welche Auswirkungen diese haben. Auf der Grundlage von diesem Einstieg und den Definitionen folgt der nachste Teil, der die Entstehung einer Sucht beleuchtet und darstellt, welche Risikofaktoren es gibt, die eine Abhangigkeit begunstigen. Im Anschluss daran wird die Therapie und die Entgiftung von Drogenabhangigen vorgestellt. Hierbei werden die Phasen der Motivation, der Entgiftung und Entwohnung vorgestellt sowie der Umgang mit Suchtkranken. Des weiteren geht es um die Standardmethoden, die Sozialarbeiter*innen in ihrer taglichen Arbeit auf einer Entgiftungsstation anwenden.

Als Ubergang zum Thema des §35 BtMG wird zunachst das Verhaltnis von Drogen und Kriminalitat kurz dargestellt und anschlieBend das Betaubungsmittelgesetz ausfuhrlich erklart. Darauf aufbauend wird der §35 BtMG definiert sowie das Ziel dieses Paragrafen und die Formalitaten, die ein*eine Angeklagte benotigt um eine Zuruckstellung der Strafe zu pladieren. Ein §35 BtMG kann aber auch durch das Fehlen von Formalitaten oder ahnlichem widerrufen werden. Dies wird im darauffolgenden Kapitel vorgestellt. Darauf aufbauend wird der §36 BtMG, also die Anrechnung der Therapiezeit auf die Strafzeit, kurz dargestellt. AnschlieBend werden die Rechte und Pflichten einer Einrichtung, die Patienten*innen mit einem §35 BtMG aufnehmen erlautert und schlieBt somit den Teil der Literaturanalyse ab.

Der nachste Teil meiner Arbeit widmet sich dem Problemzentrierten Interview. Dieses wurde mit einer Sozialarbeiterin gefuhrt, die schon seit mehreren Jahren in einer Psychiatrischen Klinik auf der geschlossenen Drogenentzugsstation arbeitet. In dem Interview geht es um die Methoden von Sozialarbeitern*innen auf einer Entgiftungsstation ebenso um Patienten*innen, die eine Auflage fur einen §35 des Betaubungsmittelgesetzes haben. Der Methodenteil dieser Bachelorarbeit wird mit dem qualitativen methodischen Zugang, der Darstellung des Problemzentrierten Interviews, eingeleitet. Darauf aufbauend wird die Entwicklung eines Leitfadens vorgestellt. Infolge dessen erfolgt ein Vergleich der Inhaltsanalyse mit den ausgewerteten Forschungsergebnissen. Im letzten Teil werden die wichtigsten Bestandteile der Literaturanalyse und des Interviews resumiert.

2. Grundproblematik

Die Abhangigkeit von Drogen stellt ein groBes Problem dar. Nach Schatzungen des Instituts fur Therapieforschung gibt es in Deutschland rund 2,6 Millionen Abhangige von legalen und illegalen Drogen. Dennoch sind auch diese Zahlen ungenau, da die Grauzahlen, die nicht erfasst werden konnen erheblich sind. Die Problematik der Drogenabhangigkeit spielt auf den Gesundheitsbereich an. Denn die Ausgaben fur einen Drogenentzug, eine qualifizierte Behandlung, Therapie, Substitution sind sehr hoch. Viele Untersuchungen zeigten auch, dass bei fast jedem Drogenabhangigen ein delinquentes Verhalten erkennbar ist. Dies auBert sich im Erwerb, dem Besitz und dem Handel mit Betaubungs- oder anderen Rauschmitteln, welche gemaB Betaubungsmittelgesetz strafbar sind. Miteinhergehend sind oft auch Beschaffungs- und Gewaltkriminalitat (Roth, 2012, S. 3f). Dies hat zur Folge, dass circa 30% der Gefangenen in Deutschland wegen Beschaffungskriminalitat oder anderen Drogendelikten einsitzen (Helmut & Schille, 2002, S. 237)

3. Definition Sucht & Abhangigkeit

Der Begriff Sucht geht im Allgemeinen mit einem krankhaften Verlangen, beziehungsweise mit einem unwiderstehlichen Drang nach einer bestimmten Substanz einher. Ursprunglich stammt das Wort Sucht vom altdeutschen "suht" ab, was korperliche Krankheit bedeutet. Die Abhangigen, beziehungsweise die Konsumenten*innen sind sich meist der schadlichen Folgen auf den Korper, die Psyche und das soziale Umfeld bewusst. Die WHO (World Health Organisation) hat 1965 den Begriff der Abhangigkeitserkrankung eingefuhrt. Dieser bezeichnet eine korperliche und psychische Abhangigkeit. Die physische Abhangigkeit bezieht sich hier auf die Entzugssymptome und die Toleranzentwicklung zu einer bestimmten Substanz. Denn der Korper gewohnt sich nach mehrmaliger Einnahme einer Substanz an die Wirkung und somit benotigen die Konsumenten*innen eine immer hoher werdende Dosis, um die gleiche Wirkung der Droge zu erzielen. Die psychische Abhangigkeit bedeutet hierbei den Drang nach einer Droge oder Substanz und den Verlust der Kontrolle uber diese (Bilitza, 2009, S. 11f). Der Begriff Sucht wird von der WHO als ein Stadium der chronischen oder periodischen Berauschung bezeichnet, der durch die wiederholte Einnahme einer Substanz hervorgerufen wird. Die Droge kann sowohl naturlich, als auch synthetisch hergestellt werden. Der*die Konsument*in verursacht durch die Einnahme der Substanz einen gewollt veranderten und als angenehm empfundenen Bewusstseinszustand. Sucht ist auch immer das Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand und durch dieses Verlangen wird der logische Verstand eines Menschen diesem Bedurfnis untergeordnet. (Muller, o. J., S. 1-3).

Nach der ICD-10 (International Statistical Classification of Disease and Realated Health Problems) gilt jemand als suchtig, der drei der nachfolgenden Kriterien innerhalb eines Jahres erfullt. Das erste Kriterium ist der Wunsch oder Zwang eine Droge oder eine bestimmte Substanz zu konsumieren. Der Fachausruck hierfur lautet "craving" oder auch Suchtdruck (Wendt, 2017, S. 7). Die verminderte Kontrollfahigkeit in Bezug auf den Beginn der Einnahme der Droge, die Haufigkeit und die Dosis einer Substanz sowie die korperlichen Entzugssymptome nach Abbruch des Konsums oder nach dem Abklingen der Wirkung der Substanz sind weitere Kriterien der ICD-10. Die Entzugssymptome konnen zum Beispiel Ubelkeit, Zittern, Herz-Kreislauf Storungen, Krampfanfalle oder Herzrasen sein. Sie konnen sich unterscheiden nach den Substanzen und der Dosis. Als suchtig wird auch jemand bezeichnet, der eine Toleranz entwickelt. Folglich verlangt der Korper nach mehrmaliger Einnahme einer Droge eine immer hohere Dosis, um die gewunschte Wirkung hervorzurufen, denn der Korper gewohnt sich an die Wirkung und an die Dosis der Droge. Ein weiteres Kriterium ist die fortschreitende Vernachlassigung von Pflichten oder anderer Interessen, da der Substanzkonsum einen erhohten Zeitaufwand verursacht. Angesichts des hohen Zeitaufwandes fur die Beschaffung der Droge oder auch des Geldes (Stangl, 2018, o. S.). Das unuberwindbare Verlangen nach dem Konsum der Droge wird zum Mittelpunkt des Lebens und so werden Arbeit, Freunde, Familie oder andere soziale Verpflichtungen oder Aktivitaten vernachlassigt. Das letzte Kriterium der ICD-10 ist der weiterfuhrende Drogenkonsum trotz bemerkbar werdenden schadlichen Folgen auf den Korper. Wer drei dieser Kriterien innerhalb eines Jahres erfullt, wird von der ICD-10 als suchtig, beziehungsweise abhangig eingestuft (Wendt, 2017, S.7).

4. Vorstellung einiger Drogen

Als Drogen werden psychotrope Substanzen bezeichnet, die chemisch oder synthetisch hergestellt werden konnen. Die Drogen oder auch Rauschmittelwirken im Gehirn und auf das zentrale Nervensystems des Menschen. Infolge dessen konnen bei einer Einnahme das Denken, Fuhlen, Wahrnehmen und das Verhalten der*die Konsumenten beeinflusst werden. Es gibt viele verschiedene Drogen, die sich in ihrer Art, Dosis, Herstellung, Wirkung und Abhangigkeit unterscheiden (Stangl, 2018, o.S.).

4.1. Opiate

Opiate werden aus der Pflanze des Schlafmohns gewonnen. Zu den bekanntesten Opiaten gehoren die Substanzen Heroin, Morphin und Codein. Opiate haben im menschlichen Korper eine schmerzlindernde und sedierende Wirkung. Sie dampfen die Aktivitat des sympathischen Nervensystems, welches zu Blutdrucksenkung, eng gestellten Pupillen oder auch zur Verlangsamung des Herzschlages fuhren kann. Die eintretende Wirkung wird von den Konsumenten*innen als wohlige Gleichgultigkeit, Angstlosung und als Stimmungsverbessernd beschrieben. Heroin wird missbrauchlich intravenos oder inhalativ eingenommen. Opium kann dazu noch geraucht, gegessen oder auch aufgelost in einem Tee eingenommen werden. Heroin kann in Deutschland nicht legal erworben werden. Die Konsumenten*innen sind infolge dessen gezwungen ihre Droge illegal zum Beispiel auf dem Schwarzmarkt zu erwerben. Die Opiate werden von seinen Konsumenten*innen bei einer Abhangigkeit mehrmals taglich eingenommen. Den meisten Abhangigen ist es nicht moglich die hohen Kosten fur die Drogen aufzubringen. Daher sind illegale Aktivitaten wie Beschaffungskriminalitat oder Prostitution keine Seltenheit. Durch die Beschaffungskriminalitat geraten viele Abhangige in Konflikte mit dem Gesetz. Dies zahlt zu den weitreichenden Folgen einer Opiatabhangigkeit. Abgesehen von den eventuellen juristischen Folgen, treten soziale AusschlieBung, Obdachlosigkeit oder Infektionen mit Hepatitis C- Virus durch benutzte Spritzen auf. Heroin, beziehungsweise andere Opiate fuhren oftmals schon nach einmaligem Konsum zu einer korperlichen Abhangigkeit. Diese Opiatabhangigkeit fuhrt zu Ausbildung von Toleranzen und Entzugsbeschwerden (Kuntz, 2007, S. 85-87)

Beim Entzug von Opiaten treten eine Reihe von Beschwerden auf. Diese konnen zum Beispiel Herzrasen, Kaltegefuhl, innere Unruhe sowie Schlafstorungen sein. Weitere Entzugsbeschwerden sind Knochenschmerzen, Durchfall, Krampfe, Ubelkeit und Erbrechen. Bei einem abrupten Absetzen von Heroin halten die Entzugssymptome etwa vier bis sieben Tage an. Beim Absetzen mit Methadon, einer medizinischen Ersatzdroge zur Erleichterung des Entzuges, konnen die Beschwerden etwa 10 bis 21 Tage anhalten (Batra & Bilke, 2012, S. 158-163). Die Konsumenten*innen von Opiaten haben ein besonders hohes Risiko unter zusatzlichen korperlichen und psychiatrischen Nebenerkrankungen zu leiden. Diese resultieren haufig aus der direkten Wirkung der Opiate konnen jedoch auch von verunreinigten Spritzen kommen. Zu den haufigsten Folgeerkrankungen zahlen Abszesse, Zahnprobleme, HIV- Infektionen, GefaBverschlusse sowie andere Infektionskrankheiten, die Lunge, Leber und Herz angreifen konnen. Viele Konsumenten*innen merken den Schmerz ihrer Erkrankung erst nicht, da das Heroin diesen betaubt. Zusatzlich zu den Folgeerkrankungen besteht bei Opiatabhangigen meist ein vollkommen desolates soziales Umfeld. Haufig existieren weder Wohnung noch Job und das soziale Umfeld besteht haufig nur aus Zweckgemeinschaften und Drogenbekanntschaften (Kuntz, 2007, S. 85-87).

4.2. Kokain

Kokain wird aus den Blattern des Kokastrauchs extrahiert. Es ist ein sehr wirksames Lokalanasthetikum, das die BlutgefaBe verengt. Kokain intensiviert ebenfalls die Wirkungen von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Es wirkt im menschlichen Korper verengend, pupillenerweiternd und fuhrt zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit und einer motorischen Hyperaktivitat. Weitere Wirkungen der Substanz sind Blutdruckerhohung, Anstieg der Pulsfrequenz, Erweiterung der Bronchien, Anstieg der Korpertemperatur sowie eine Verlagerung der Durchblutung von den inneren Organen zu den Muskeln. Bei einer Einnahme entsteht eine sofortige und intensive Euphorie des*r Konsumenten*innen. Weitere Veranderungen des Bewusstseins sind Leichtfertigkeit, eine gesteigerte Selbstsicherheit und Prahlerei. Nach diesen Empfindungen geht das Bewusstsein nach der Kokaineinnahme in eine milde, mit Angstgefuhlen gemischte Euphorie uber. Schlafbedurfnis und Mudigkeit werden hierbei unterdruckt (Batra & Bilke, 2012, S.174.180). Zu den weiteren erwunschten Wirkungen zahlen aufputschende Antriebssteigerung, sexuelle Stimulation und das Gefuhl der Unschlagbarkeit. Zu den unerwunschten Wirkungen einer Kokaineinnahme zahlenein erhohter Puls, Kreislaufprobleme, korperliche und psychische Auszehrung, Veratzung der Nasenschleimhaut, maBlose Selbstuberschatzung, aggressives Verhalten, Depressionen und schwere Schadigungen der Leber (Kuntz, 2007, S. 136). Die Einnahme von Kokain fuhrt bereits nach kurzer Zeit zu einer Abhangigkeit und dem Verlangen noch mehr einzunehmen, um den abfallenden Erregungs- und Bewusstseinszustand zu vermeiden. Kokain kann durch Kauen der Kokablatter oder intranasal durch Schnupfen, intravenos oder durch Rauchen eingenommen werden. Folgen nach einer Rauschgifteinnahme konnen Depression, Angstzustande und paranoide Wahnvorstellungen sein (Batra & Bilke, 2012, S.174.180).

4.3. Amphetamine

Zu den bekanntesten Amphetaminen oder auch Psychostimulanzien genannt, zahlen die Substanzen Speed, Pep sowie Crystal Meth und Ecstasy. Amphetaminstimulanzien wirken im zentralen Nervensystem und setzen Dopamin und Noradrenalin aus. Die Stimulanzien werden synthetisch hergestellt und meist in Pulver- oder kristalliner Form verkauft. Sie konnen intranasal oder intravenos eingenommen werden. Danach wird ein Gefuhl der Euphorie bei den Konsumenten*innen bemerkbar. Weitere Wirkungen sind eine gesteigerte geistige und korperliche Leistung, Wachsamkeit, Bewegungs- und Rededrang (Batra & Bilke, 2012, S. 192-194). Andere erwunschte Wirkungen bei der Einnahme von Amphetaminen sind Gelassenheit, Wohlbefinden, erhohtes Selbstwertgefuhl und eine innere Leichtigkeit (Kuntz, 2007, S. 124). Schlaf, Mudigkeit und Hungergefuhl werden unterdruckt. Zu den korperlichen Symptomen nach der Amphetamineinnahme zahlen Pupillenerweiterung, Puls- und Blutdruckanstieg, Schwitzen, Unruhe sowie Ubelkeit und Erbrechen. Missempfindungen der Haut, Hitzewallungen und Verspannungen konnen zusatzlich bei der Einnahme von Ecstasy bzw anderen Psychostimulanzien auftreten. Nach mehrmaliger Einnahme von Amphetaminen oder Ecstasy tritt eine psychische und korperliche Abhangigkeit bei den Konsumenten*innen auf. Entzugssymptome sind hierbei Konzentrationsstorungen, Abgeschlagenheit, Depressionen, Angstzustande oder suizidale Gedanken. Diese Symptome halten etwa eine Woche an (Batra & Bilke, 2012, S. 192-194). Langfristige Folgen von Amphetaminen sind Befindlichkeitsstorungen, seelisches Einfrieren, Gliederschmerzen, Zahnverfall, Herzschaden, seelische Auszehrung sowie das sogenannte "Hangenbleiben" (Kuntz, 2007, S. 124).

5. Grundlagen der Suchtentwicklung

Suchterkrankte oder Drogenabhangige haben ein starkes Verlangen nach dem Konsum einer bestimmten Droge oder einer Substanz. Toleranzentwicklungen sowie Entzugssymptome sind bei einer Abhangigkeit Begleiterscheinungen. Eine Sucht, beziehungsweise Abhangigkeit kann sich bereits durch eine einmalige Einnahme einer Substanz entwickeln oder auch erst durch mehrmalige Einnahme. Dies ist abhangig von der Substanz und der Dosis der Droge. Zusatzlich gibt es Risikofaktoren, Ursachen oder Entstehungsmodelle zur Erklarung der Sucht und Abhangigkeit. Ein Einflussfaktor dafur sind genetische Faktoren. Zahlreiche Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien haben festgestellt, dass eine Veranlagung fur eine Abhangigkeit einer Substanz vererbbar und genetisch veranlagt ist (Batra & Bilke, 2012, S. 30f).

Unser Verhalten wird durch ein hochkomplexes Belohnungssystem im Gehirn gesteuert. Diese Botenstoffe des Belohnungssystems sind Dopamin, Serotonin sowie Noradrenalin. Dieses System wird mit den Botenstoffen immer aktiviert, wenn wir etwas tun, was Freude oder Lust bei uns auslost Genau hier setzen die Drogen oder Rauschmittel auch an. Diese stimulieren das Belohnungssystem, wodurch der oft als angenehm empfundene Rauschzustand entsteht. Hierbei entsteht die Gefahr der Abhangigkeit. Durch diesen angenehmen Zustand hat der*die Konsument*in die Lust, den Zustand noch einmal zu erleben. Diese anfangliche Lust geht dann oftmals sehr schnell in ein unwiderstehliches Verlangen uber.

Bei der Entstehung beziehungsweise der Entwicklung von Sucht gibt es verschiedene Faktoren, die diese begunstigen konnen. Diese wirken in der multifaktoriellen Genese in einer sehr komplexen Art und Weise zusammen. Begunstigende Faktoren sind zum Beispiel Drogenabhangige Eltern oder hausliche Gewalt, fehlende emotionale Zuwendung, Vernachlassigung, sexueller Missbrauch oder ein gestortes Bindungsverhalten. Hierbei geht es dem*der Konsumenten*in oftmals um die Betaubung, das heiBt physische oder psychische Schmerzen nicht zu spuren oder um diese ertraglich machen zu konnen (Wendt, 2017, S. 14f). Die heutige Suchtforschung, welche verschiedene Theorien zur Entstehung von Sucht untersucht, ist der Meinung, dass eindimensionale Ansatze zur Erklarung nicht ausreichen. Denn verschiedene Aspekte und Faktoren im Bereich der Familie, der Person, der Gesellschaft und des sozialen Umfeldes beeinflussen die Entstehung der Sucht. Daraus resultiert sich das multifaktorielle Entstehungsmodell oder auch das Ursachendreieck genannt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung 1: Heckmann, 2000, o.S.)

Zum Bereich der Droge des multifaktoriellen Modells gehort die Art der Substanz, die Haufigkeit und Menge des Konsums sowie die Wirkung der Droge auf den menschlichen Korper. Dazu zahlen im Bereich der Droge auch die Faktoren, die die Abhangigkeit begunstigen. Darunter fallen die Verfugbarkeit einer Droge, die Qualitat, die Dosis, die Griffnahe, das Suchtpotenzial der Substanz sowie die Dauer der Einnahme. Denn es gibt auf der einen Seite Drogen, die bereits nach einmaliger Einnahme abhangig machen. Auf der anderen Seite gibt es Drogen, die erst nach mehrmaliger Einnahme ein Suchtpotenzial entwickeln konnen. Ebenfalls zahlt zum Bereich der Drogen die individuelle Erfahrung des*der Konsumenten*in mit der eingenommenen Droge (Fischer & Lammel, 2009, S. 25ff).

Zum Bereich der Person, beziehungsweise der Personlichkeit zahlt die Familie, genetische Veranlagung und die Vorbildfunktion der Eltern. Studien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit einer Abhangigkeit einer Substanz dreimal so hoch, wenn einer oder beide Eltern ebenfalls Drogenabhangig sind. Zum Bereich der Person zahlen unter anderem auch die Personlichkeitsmerkmale sowie Verhaltensbereiche, zum Beispiel bei deviantem (abweichendes Verhalten von der Norm oder Gesetzen) Verhalten, Aufmerksamkeitsstorungen oder Hyperaktivitat. Zusatzlich dazu spielen auch das Alter, Selbstwertempfinden, Frustrationstoleranz sowie kognitive Fahigkeiten eine zentrale Rolle bei der Begunstigung der Entstehung von Sucht (Fischer & Lammel, 2009, S. 25ff). Eine weitere Rolle spielen ebenfalls die Starken und Schwachen einer Person und sein*ihr Umgang mit Gefuhlen. Hierbei geht es um die gesamte Lebenssituation des*der Betroffenen und um die Belastungen, die sich aus diesen Lebensumstanden ergeben (Behrendt & Backmund & Reimer, 2015, S. 16).

Der Bereich der Gesellschaft bezieht sich auf das soziale Umfeld eines Menschen. Die wichtigsten Einflusse hierfur sind die Familie, Freunde, Schule sowie spater das Berufsleben. Im Bereich der Familie haben Faktoren wie der Erziehungsstil, das Lebensumfeld, das Familienklima oder auch eine Scheidung der Eltern einen groBen Einfluss auf die Entstehung einer Abhangigkeit. Der Drogenkonsum, beziehungsweise der Einstieg kann ebenfalls durch Probleme wahrend der schulischen Laufbahn oder durch Leistungsversagen beeinflusst und verstarkt werden. Die Freunde und das soziale Umfeld haben einen groBen Einfluss auf die eventuelle Drogenkarriere. Denn die Einnahme von legalen oder illegalen Substanzen wird anfanglich haufig erst in einer Gruppe ausprobiert (Fischer & Lammel, 2009, S.25-29).

Die drei Faktoren beziehungsweise Bereiche des multifaktoriellen Entstehungsmodells sind nicht getrennt voneinander zu betrachten. Sondern die Bereiche bauen aufeinander auf und begunstigen sich gegenseitig. Es geht bei diesem Modell um ein Wechselspielverhaltnis. Zusatzlich zu dem Ursachendreieck gibt es noch andere Modelle zur Erklarung der Sucht, die von Konflikten, Traumata und negativen Ereignissen in der Vergangenheit und Gegenwart ausgehen. Andere Modelle basieren auf der Annahme einer Risikogesellschaft oder der Zukunftsangst, die zur Begunstigung einer Sucht oder Abhangigkeit fuhren konnen (Fischer & Lammel, 2009, S.25-29).

Die Entstehung von Sucht, beziehungsweise Drogenkonsum ist ein komplexes Gefuge, welches sich aus sozialen, psychologischen und biologischen Bedingungen und Grundlagen zusammensetzt (Lettien & Welz, 1983, S. 9). Die Suchtentstehung aus triebtheoretischer Sicht, welche von Sigmund Freud entwickelt wurde, ist der Meinung, dass der Mensch hauptsachlich durch seine angeborenen Triebe gesteuert wird. In Bezug auf die Sucht steht die Droge im Dienst einer zwanghaften Triebbefriedigung, welche dem Lustprinzip folgt (Muller, 2013, S. 44). Eine weitere Entstehungstheorie ist die aus der Ich-psychologischen Sicht. Hierbei liegt das Problem der Abhangigen bei strukturellen Storungen. Den Betroffenen fallt es schwer die Gefuhle, die sie erleben zu akzeptieren. Denn das "Ich" kann die Gefuhle nicht ausreichend regulieren und so sind die Gefuhle der Betroffenen zu uberwaltigend. Die Droge stellt bei dieser Theorie eine Art Reizschutz dar, welcher den Konsumenten*innen hilft ihre Gefuhle zu kontrollieren und ihre Affekte auszugleichen. Die Droge hilft den Betroffenen sich wieder stark und selbstbewusst zu fuhlen (Muller, 2013, S. 70).

Neben dem multifaktoriellen Entstehungsmodell gibt es noch weitere Risikofaktoren, die eine Sucht begunstigen konnen. Diese sind zum Beispiel fehlendes Selbstbewusstsein oder die Beeinflussbarkeit besonders im Jugendalter im Sinne von Gruppenzwang oder die negativen Vorbildfunktionen der Eltern, Bezugspersonen oder alteren Freunden. Auch spielt das Umfeld in dem jemand aufwachst eine groBe Rolle bei der Entstehung von Sucht. Weitere Risikofaktoren sind erwunschte Leistungssteigerung in der Arbeit oder im Sport, chronische Krankheiten, Traumata oder Schicksalsschlage sowie eine geringe Schulbildung und Arbeitslosigkeit (Golz, 1999, S.83ff).

6. Therapie

Menschen, die an einer Drogenabhangigkeit leiden, sind korperlich und geistig von dieser Droge abhangig. Um von dieser Abhangigkeit loszukommen, ist der erste Weg ein Drogenentzug und eine Therapie mit dem Ziel der Abstinenz. Die Therapie von Abhangigen basiert auf einem Stufenmodell. Das oberste Ziel hierbei ist die vollige Abstinenz der Betroffenen. Die vier Phasen beziehungsweise die Stufen der Suchttherapie sind die Kontakt- und Motivationsphase, die Entgiftungsphase, die Entwohnungsphase und die Nachsorgephase. Zusatzlich gibt es manchmal eine Selbsthilfephase um zu verdeutlichen, dass die institutionelle Nachsorge irgendwann vorbei ist. Die vier Stufen bauen aufeinander auf und konnen auch im Laufe der Suchttherapie ineinander ubergreifen (Wendt, 2017, S.19).

6.1. Die Kontakt- und Motivationsphase

Hierbei geht es primar um die Herstellung des Kontaktes zu den Konsumenten*innen. Dies ist nicht immer einfach, da viele Konsumenten*innen ihre Abhangigkeit aus Scham oder Angst verleugnen. Die erste Phase erfolgt meist uber Hausarzte oder uber Suchtberatungsstellen, die dann die Abhangigen an weitere Stellen vermitteln konnen. Ist der Kontakt hergestellt, so kommt es zu einer Aufklarung, den Aufbau einer Veranderungsmotivation und die Schaffung eines Problembewusstseins. Der*die Abhangige wird uber die Suchterkrankung und uber die Folgeschaden aufgeklart. Auch wird uber Bewaltigungsstrategien gesprochen sowie uber verschiedene Methoden und Ablaufe einer Suchttherapie. Danach geht es um die Aufklarung der Notwendigkeit einer stationaren Entgiftung, eventuellen psychiatrischen Weiterbehandlungen und um die Klarung der Kosten fur die Therapie. Hierbei ist es wichtig den Punkt der Motivation aufrecht zu erhalten, da bei vielen in dieser Phase bereits Zweifel aufkommen konnen. Durch eine feinfuhlige und professionelle Art wird versucht, den*die Klienten*innen zu fangen und ihn*sie durch Selbstbestimmung auf den richtigen Weg zu leiten (Wendt, 2017, S. 20-22).

Zu den wichtigsten Aufgaben des*der Therapeuten*in und dem*der Patient*in zu Beginn einer Entgiftung oder Therapie ist das Festlegen der Ziele. Die Therapieziele werden durch funf verschiedene Faktoren beeinflusst. Zum einen die Krankheit und deren Ursachen, dem derzeitigen Schweregrad und der Prognose sowie der*die Patient*in selbst mit seinen Wunschen, Bedurfnissen und seiner Belastbarkeit. Therapieziele konnen ebenfalls durch das soziale Umfeld mit seinen individuellen Aufgaben und Anforderungen beeinflusst werden. Weitere Faktoren sind die therapeutischen Methoden sowie der*die Therapeut*in selbst in seiner*ihrer Person mit seinen*ihren eigenen Fahigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen (Schrappe, 1982, S. 3).

6.2. Die Entgiftungsphase

Bei dieser Phase geht es um das Erreichen der (Teil-) Abstinenz. Dies wird auf einer qualifizierten Entzugsstation vorgenommen. Die medizinische Versorgung auf einer Entzugsstation ist von groBer Bedeutung. Sie beschaftigt sich mit der Beseitigung der Droge aus dem Korper sowie mit der Linderung der Entzugserscheinungen. Die Abhangigen bekommen einen Drogenersatzstoff, der ihnen hilft moglichst ohne Entzugssymptome zu entgiften. Dies wird meist durch Ersatzstoffe wie Subutex oder Methadon genutzt. Eine medikamentose Therapie zur Unterstutzung des Drogenentzugs ist heutzutage sehr wichtig, um eventuelle Entzugssymptome lindern zu konnen. Heroinabhangige werden zum Beispiel mit Hilfe eines Substituts entgiftet. "Substitution bedeutet den Ersatz einer Abhangigkeit erzeugenden schadlichen Substanz durch eine weniger schadliche Form eines Medikaments mit gleich oder ahnlicher Wirkung". (Wendt, 2017, S. 215) Die erste Dosis des Substitutionsmittels darf nach dem ersten Auftreten von Entzugssymptomen verabreicht werden. Die erste Dosis sollte eher niedrig sein und die Patienten*innen mussen unter einer engmaschigen Beobachtung stehen. Nach dieser sogenannten Einstellungsphase erfolgt die Phase der stabilen Substitution sowie der Dosisanpassung. Wie lange ein*eine Patient*in substituiert ist, hangt vom Individuum und auch von dessen Umfeld ab. Eine Dauer von zwei bis drei Jahren gilt hier als angemessen. Denn je kurzer die Substitutionsphase, desto hoher ist die Gefahr eines Ruckfalls (Poehlke & Stover, 2010, S. 119).

Eventuell auftretende Symptome werden unter arztlicher Aufsicht mit entsprechenden Medikamenten behandelt. Bei der stationaren Entgiftung, geht es neben dem Erreichen der Abstinenz darum, dass der*die Patient*in sich mit seinem Suchtverhalten, seiner Vergangenheit und seinen Alltagsproblemen auseinandersetzt. Sie mussen wieder lernen mit ihren Emotionen umzugehen und diese auch zuzulassen. Denn die Abhangigen haben ihren Schmerz oder ihr Leiden durch die Drogen und die Rauschmittel bisher immer betaubt (Wendt, 2017, S. 23f).

Die Drogenabhangigen, die sich fur einen Drogenentzug entschlieBen, haben jedochoft unterschiedliche Motivationen und Ziele. Zum einen gibt es die Patienten*innen, die entgiften wollen und sich im Anschluss einer Langzeittherapie unterziehen wollen. Dann gibt es Patienten*innen, die nur einen stationaren Entzug machen in der Hoffnung oder dem Glauben sie konnen auBerhalb der Klinik und in ihrem gewohnten Umfeld ohne weitere Unterstutzung clean bleiben. Zum anderen gibt es auch Patienten*innen, die nur entziehen wollen, damit sie nach dem Entzug zu einer niedrigeren und somit auch billigeren Dosis der Droge greifen konnen. Auch gibt es Klienten*innen, die durch verschiedene Paragrafen zwangseingewiesen werden und diejenigen, die als Notfall durch zum Beispiel hohe Intoxikation eingeliefert werden (Heckmann, 1983, S. 79f).

Neben der medizinischen Versorgung gibt es auf einer Entzugsstation noch weitere Angebote, die den Patienten*innen helfen einen Weg aus der Abhangigkeit zu finden. Dies wird mit Therapiegruppen, Selbsthilfegruppen, Sporttherapien, Ergotherapien sowie Gesprachs- und Psychoedukationsgruppen erreicht, die von ausgebildeten Therapeuten*innen, Sozialarbeitern*innen und Psychologen*innen durchgefuhrt werden.Das Ziel hierbei ist die aktive Auseinandersetzung des*der Klienten*in mit dem Thema Sucht und einem spateren suchtfreien Leben. Zusatzlich gibt es auf einer Entgiftungsstation auch Sozialarbeiter*innen, die den Klienten*innen bei Angelegenheiten der Nachsorge, Langzeittherapie, Schuldenangelegenheiten sowie Wohnungslosigkeit oder bei amtlichen Angelegenheiten unterstutzen (Wendt, 2017, S. 23-26).

6.3. Die Entwohnungsphase

Im Anschluss an die Entgiftungsphase folgt die Entwohnungsphase. Hierbei geht es um die Frage, wie es ein Abhangiger schaffen kann, dauerhaft abstinent zu bleiben. Insbesondere in Stresssituationen oder in der Konfrontation mit Alltagsproblemen oder auch im gewohnten (Drogen-) Umfeld zu sein, kann das Risiko eines Ruckfalles sehr hoch sein. Wahrend der Entgiftungsphase sind die Patienten*innen in einem geschutzten Rahmen, in dem das Risiko fur einen Ruckfall gering bleibt. In der Entwohnungsphase geht es also um eine tiefgreifende Verhaltensanderung des*der Patienten*in. Diese Phase dauert in etwa sechs Monate, jedoch ist dies individuell unterschiedlich. Denn der Korper ist den meist jahrelangen Rauschzustand gewohnt und so dauert es infolge dessen sehr lang, dem Gehirn dieses Verhalten und insbesondere das Verlangen abzugewohnen.

Der Hauptaspekt dieser Entwohnungsphase ist die Psychotherapie. Hierbei wird intensiv in Einzel- und Gruppengesprachen agiert. Es geht dabei darum, sich mit dem bisherigen Verhaltens- und Konsummuster des*der Abhangigen auseinander zu setzten. Dies kann dem*r Betroffenen oftmals sehr unangenehm sein, daher sind Abwehr- und Vermeidungsverhalten seitens der Betroffenen moglich, gegen diese therapeutisch vorgegangen werden muss. Diese Phase kann fur die Patienten*innen sehr anstrengend und belastend sein. Die Gruppengesprache sind fur diese Phase wichtig um den Klienten*innen zu zeigen, dass sie in ihrer Not und Problematik nicht alleine sind. Die Gruppe bietet zusatzlich Halt, Unterstutzung, Hilfe und Orientierung. Ebenfalls wird die Gruppe als hilfreich und stutzend betrachtet und es entsteht oftmals ein Gefuhl der Gemeinschaft und der Zugehorigkeit, was sich positiv auf die Entwicklung ausuben kann.

Bei der Entwohnungsphase gibt es ebenfalls verschiedene andere Formen der Therapie. Es gibt die vollstationare Therapie, bei der die Klienten*innen den GroBteil in einer Klinik oder einer Einrichtung verbringen. Sie bekommen einen individuellen Wochenplan, der aus Einzel- und Gruppengesprachen, Sporttherapien und Ergotherapie besteht. Im Gegensatz zur Entgiftungsstation durfen sich hier die Patienten*innen frei bewegen und zum Beispiel auch uber das Wochenende nach Hause fahren. Bei solchen Kliniken besteht die Gefahr, dass eine GroBzahl der Patienten*innen ruckfallig wird.

Eine weitere Form der Entwohnungsphase ist die teilstationare Therapie oder auch Tagesklinik genannt. Hierbei sind die Klienten*innen tagsuber in der Klinik oder der Einrichtung und fahren am Abend wieder nach Hause. Der Nachteil einer solchen Therapie ist, dass der Abend oder die Nacht bei den meisten Betroffenen das hochste Risiko eines Ruckfalls birgt. Ebenfalls ist der Rahmen nicht so geschutzt wie bei einer vollstationaren Therapie. Gleichzeitig sind die Patienten*innen mit ihrem Alltag und dem gewohnten Umfeld konfrontiert, was gleichermaBen Vor- und Nachteile mit sich bringt.

Die ambulante Therapie ist eine weitere Therapiemoglichkeit der Entwohnungsphase. Der*die Klient*in lebt zuhause und hat seinen normalen geregelten Alltagsablauf. Am Nachmittag oder Abend besucht er dann die ambulante Therapie. Einmal in der Woche findet dann eine Gruppentherapie statt sowie einmal die Woche ein Einzelgesprach mit einem*einer Psychologen*in, Sozialarbeiter*in oder einem*einer Betreuer*in. Diese Therapieform ist jedoch nur fur einen geringen Teil der Betroffenen geeignet, da hier keinerlei geschutzter Rahmen geboten wird und es auch nur einmal die Woche stattfindet. Es sollten also Klienten*innen sein, die in Familie, wohnen und Arbeitsumfeld integriert sind und einen geregelten Tagesablauf haben.

Eine besondere Form der Entwohnungstherapie ist die Auffangtherapie. Hierbei geht es um Klienten*innen, die eine Vollstationare oder Langzeittherapie abgeschlossen haben, jedoch einen Drogenruckfall hatten. Hier wurde es wenig Sinn machen, erneut eine komplette Langzeittherapie durchzufuhren. Stattdessen gibt es eine kurze meist vollstationare Therapie fur den Betroffenen.

6.4. Die Nachsorgephase

Nach der Entgiftungs- und Entwohnungsphase erfolgt die Nachsorgephase. Das Ziel der Nachsorge ist die Festigung der Abstinenz. Der groBte Bestandteil dieser Phase sind die Selbsthilfegruppen. Zusatzlich gibt es fur Schwerstabhangige oder Abhangige mit einer zusatzlichen psychischen Storung therapeutische oder betreute Wohngruppen. Bei der Nachsorge geht es auch haufig um die Anbindung des*der Klienten*in an eine Suchtambulanz oder Suchtberatungsstelle. Hierbei ist zu beachten, dass Sucht nicht heilbar ist, sondern eine chronische Erkrankung ist. Der Betroffene ist also lebenslang mit Situationen konfrontiert, die jederzeit einen Ruckfall auslosen konnen (Wendt, 2017, S.31-40).

7. Umgang mit Suchtkranken

Drogenkonsumenten*innen oder Abhangige erleben in vielen Lebenslagen- und Situationen Ablehnung, Ausgrenzung, Abwertung und Vorwurfe sowie Vorurteile. Aus diesem Grund ist es bei der Arbeit in einer Entzugsstation wichtig dem*der Klient*in auf Augenhohe zu begegnen und ihm*ihr ein Gefuhl der Akzeptanz zu vermitteln. Des Weiteren ist es essentiell als Sozialarbeiter*in die Nahe und Distanz zum*zur Klienten*in zu bewahren. Auch wenn der*die Klient*in in einem verwahrlosten und intoxikierten Zustand erscheint oder bereits zum wiederholten Male zum Entzug erscheint, ist es wichtig ihm*ihr offen, respektvoll, wertfrei und wertschatzend gegenuber zu treten. Patienten*innen, die bereits im Entzug sind, konnen durch Entzugssymptome sehr reizbar oder auch aggressiv sein. Auch das Einhalten von Regeln und Vorschriften ist fur viele Patienten*innen schwer. Daher ist es als Mitarbeiter*in sehr wichtig Ruhe zu bewahren, respektvoll und freundlich mit dem*der Patient*in umzugehen sowie eine deeskalierende Haltung an den Tag zu legen. Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt in der Arbeit mit Suchtkranken ist dessen Motivation. Der*die Patient*in sollte in seinem Wunsch nach Abstinenz gestarkt werden und somit ist es wichtig, diese Motivation aufrechtzuerhalten und zu fordern (Wendt, 2017, S. 201-203).

7.1 Tatigkeiten Sozialarbeiter*innen

Sozialarbeiter*innen, die im Suchtbereich arbeiten, sollten Kenntnisse uber substanzinduzierte Storungen, Wirkungen der Drogen, Symptomatik der Intoxikation sowie Kenntnisse uber das Milieu der Drogenszene verfolgen. Weiterhin ist es in der Praxis wichtig Wissen uber psychiatrische Storungsbilder zu haben, da diese oft mit dem Drogenkonsum oder dem Entzug einhergehen. Des Weiteren ist es wichtig sich mit dem SGB (Sozialgesetzbuch), Hilfe- und Forderungsgrundlagen sowie mit Antragstellungen und Sozialberichten zu befassen. Ein GroBteil der Arbeit von Sozialarbeitern*innen im Drogenentzug ist das BtMG (Betaubungsmittelgesetz) und dessen Vorschriften. Zu den primaren Aufgaben der Sozialarbeiter*innen zahlen die Informations- und problemorientierte sowie die motivierende Beratung der Patienten*innen. Zielvereinbarungen fur den Verlauf der Entgiftung und die Zeit danach mit der dazugehorigen Hilfeplanung gehoren ebenfalls dazu. Auch die Netzwerkarbeit zahlt zu den Tatigkeiten. Hierbei spielt die Kooperation mit anderen Facheinrichtungen, dem Gesundheitswesen, Behorden und Amtern und anderen Suchthilfeeinrichtungen eine groBe Rolle. Bei Bedarf ist hier auch die Begleitung zu Amtern oder anderen Einrichtungen notwendig. Die Krisenintervention und die Dokumentation des Verlaufs in Bezug auf die Entwicklung des*der Klienten*in sowie auch die Beratung von Angehorigen oder anderen Bezugspersonen zahlen ebenfalls zu dem Aufgabenbereich von Sozialarbeitern*innen. Sie kooperieren innerhalb der Station zusatzlich mit den Arzten*innen, Psychologen*innen und Pflegern*innen uber die Patienten*innen. Hierzu gehort auch die Supervision der Fallarbeit (Poehlke & Stover, 2010, S. 123f).

7.2. Methoden von Sozialarbeitern*innen

Zu den Methoden von Sozialarbeitern*innen im Suchtbereich zahlt die Motivierende Beratung oder Intervention nach Rollnick und Miller. Sie zahlt zu den Standardmethoden der Suchtberatung. Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass bei Drogenkonsumenten*innen verschiedene Stadien der Motivationsveranderung erkennbar sind, die durch geeignete Methoden bei Gesprachen beeinflussbar sind. Bei dieser Intervention geht es nicht darum den*die Patienten*in zu konfrontieren, sondern um die Reflexion des Konsumverhaltens und dessen Veranderungen zu erkennen und darin positiv zu bestarken. Es ist wichtig den*die Klienten*in nicht zu einer Veranderung zu drangen oder zu uberreden, sondern der*die Klient*in muss dies selbst erkennen und positive Argumente finden. Die Motivierende Beratung basiert auf verschiedenen Grundprinzipien. Diese sind vor allem die Akzeptanz der Einstellung und Haltung des*der Klienten sowie ein respektvolles Zuhoren und Empathie. Es ist ebenfalls wichtig die Motivation der Klienten*innen zu starken und dessen Selbstwirksamkeit zu fordern (Poehlke & Stover, 2010, S. 91).

Eine weitere Standardmethode von Sozialarbeitern*innen ist die Gruppentherapie. Sie wird als eine Form der Intervention beschrieben. Die Therapie kann von einem oder auch mehreren Therapeuten*innen oder Sozialarbeitern*innen geleitet werden. Wahrend der Entwohnungsphase geht es um die Abstinenz und das Suchtverstandnis. Die Gruppentherapie ist hier eine besonders haufig angewandte Methode. Hierbei konnen individuelle Erfahrungen mit anderen Abhangigen geteilt werden. Ressourcen und Defizite werden hier erkannt beziehungsweise gefordert. Die therapeutische Gruppenarbeit dient als ein Lern-, Austausch-, und Ubungsfeld in einem geschutzten Rahmen. Hierbei konnen die Teilnehmer*innen neue Dinge wagen und versuchen ihr Verhaltens- und Denkmuster zu andern. Die Gruppentherapie stellt ein unterstutzendes System dar, in dem die Patienten*innen lernen ihre alten und schadigenden Verhaltensweisen zu andern. Ebenfalls soil es einen Ort der Begegnung schaffen und dem Knupfen von neuen Kontakten sowie der Selbst- und Fremdwahrnehmung dienen. Hierbei sollen den Patienten*innen ihre Starken und Schwachen aufgezeigt werden. Eventuelles problematisches Sozialverhalten wird verdeutlicht und verbessert sowie die eigenen Ressourcen der Klienten*innen werden hervorgehoben und neue werden geschaffen. Das Ziel der therapeutischen Gruppenarbeit ist den Patienten*innen ihr aktuelles Verhalten bewusst zu machen. Ebenfalls sollen die Teilnehmer*innen Solidaritat erfahren, um gemeinsam einen Weg aus der Abhangigkeit zu finden. Ein weiteres Ziel dieser Methode ist es, positive Veranderungen bei den Klienten*innen zu erkennen und diese zu fordern und somit eine positive und hoffnungsvolle Atmosphare in der Gruppe zu erschaffen und zu erleben.

Die Gruppentherapie basiert auf sechs verschiedenen Grundbausteinen. Zum einen das "curving", also die kurative Zielsetzung in Bezug auf die Beseitigung der Symptome und des Leidens. Zum anderen das "coping", das sich mit den Problemen der Patienten*innen und moglichen Bewaltigungs- und Losungsansatzen beschaftigt. Der "support" als weitere Grundlage beschaftigt sich mit der sozialen Unterstutzung und vermittelt Moglichkeiten der Lebens- und Problembewaltigung. Die Kompetenzverbesserung basiert auf Themen der Situationskontrolle. Eine weitere Zieldimension ist das "enrichment". Hierbei geht es um die Forderung von Potenzialen und um die Verbesserung der Lebensqualitat. Die letzte Dimension ist das "empowerment", also die Hilfe zur Selbsthilfe. Den Patienten*innen werden Strategien aufgezeigt zur selbststandigen und eigenverantwortlichen Lebensbewaltigung. Die therapeutische Gruppentherapie stutzt sich auf die These, dass Menschen in einer Gruppe durch Empathie und gemeinsame Probleme sich gegenseitig helfen und unterstutzen (Schay & Lojewski & Siegele, 2013, S. 119-123).

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Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Unterschiede zwischen §35 des Betäubungsmittelgesetzes und einer freiwilligen Entgiftung. Methoden der Sozialen Arbeit während einer stationären Entgiftung
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
65
Katalognummer
V1031827
ISBN (eBook)
9783346446480
ISBN (Buch)
9783346446497
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unterschiede, betäubungsmittelgesetzes, entgiftung, methoden, sozialen, arbeit
Arbeit zitieren
Tabea Lenz (Autor:in), 2018, Unterschiede zwischen §35 des Betäubungsmittelgesetzes und einer freiwilligen Entgiftung. Methoden der Sozialen Arbeit während einer stationären Entgiftung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031827

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