Der Mensch in Gesellschaft. Naturzustand und Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau


Seminararbeit, 2017

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Mensch in Gesellschaft
2.1 Naturzustand und Menschenbild im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau
2.2 Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau
2.2.1 Der Gesellschaftsvertrag
2.2.2 Staatsziel und Widerstandsrecht

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sofern ein Mensch nicht alleine ausgesetzt wird (beispielsweise auf einer einsamen Insel, im Hochgebirge, dem Polarmeer oder einem fremden Planeten) beziehungsweise der/die letzte Überlebende auf der Erde ist, wird er/sie gezwungen sein, in Gesellschaft zu leben. Aus diesem Umstand ergibt sich ein komplexes Geflecht von Regeln, Normen und Beziehungen, die ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen untereinander ermöglichen sollen. Die Aufgaben einer Gesellschaft reichen von der Existenzsicherung des Einzelnen, dem Schutz von Leib und Leben, bis hin zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben wie medizinischer Versorgung, Bildung und Entsorgungswirtschaft.

Aus dieser Ausgangsposition ergeben sich Grundfragen, die die Menschheit schon seit Jahrtausenden beschäftigen: Was ist das Wesen und die Natur des Menschen? Welches Gesellschaftsmodell und Herrschaftssystem sind dem Erreichen gemeinsamer Ziele am ehesten zuträglich?

Im Rahmen dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, durch die Beschäftigung mit Werken der politischen Philosophen Aristoteles1, Thomas Hobbes2 und Jean-Jaques Rousseau3, deren Standpunkte in Bezug auf diese Fragen herauszuarbeiten und darzustellen.

Zu diesem Zweck wurden von Aristoteles die Standardwerke Nikomachische Ethik4 sowie Politik5 ausgewählt. Die Nikomachische Ethik gilt mit einem Alter von etwa 2300 Jahren als die älteste wissenschaftliche Ethik Europas – für das Werk Politik gilt dasselbe auf dem Feld der Politikwissenschaft, als deren Begründer Aristoteles heute angesehen wird (vgl. Nikomachische Ethik, S. 363). Von Thomas Hobbes werden die Werke Leviathan 6 (im Original: Leviathan. Or The Matter, Forme and Power of a Common Wealth Ecclesiasticall and Civil. London 1651) und Vom Bürger7 (im Original: De Cive. London 1642. Erschienen als dritter Teil der Trilogie Elementa Philosophiae) herangezogen.

Von Jean-Jaques Rousseau dient das Werk Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts 8 (im Original: Du contrat social ou principes du droit politique. Amsterdam 1762) als Referenz.

Um die gebotene Kürze der Arbeit einhalten zu können, beschränkt sie sich in der Hauptsache darauf, die Positionen Rousseaus ausführlich darzulegen und an gegebener Stelle mit jenen von Aristoteles und Hobbes zu vergleichen. Zur ideengeschichtlichen Wirkung des Werkes von Rousseau werden zudem entsprechende Stellen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 herangezogen.

2. Der Mensch in Gesellschaft

2.1 Naturzustand und Menschenbild im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau

Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten (Vom Gesellschaftsvertrag, S. 6): Mit dem wohl bekanntesten Zitat Jean-Jaques Rousseaus beginnt der Schweizer Philosoph sein staatstheoretisches Hauptwerk. Aus diesem vermuteten Urzustand – auf den er sich im Laufe des Werkes immer wieder bezieht – leitet Rousseau sowohl sein Menschenbild ab, als auch seine Vorstellung von Zweck und Ziel eines Gemeinwesens.

Im Urzustand sei der Mensch zwar ein*e autonome*r, selbstgenügsame*r Einzelgänger*in. Der/die Einzelne ist jedoch von Natur aus gut und gütig, strebt nicht nach Besitz und Herrschaft. Daher lehnt Rousseau auch den autokratischen Herrschaftsanspruch des/der Einzelnen ab: Einer hält sich für den Herrn der anderen und bleibt doch mehr Sklave als sie (ebd.) . Durch den Willen, andere zu beherrschen, versklavt sich der Mensch demnach selbst. Er/sie wird zum Getriebenen der eigenen Ansprüche: sei es nun der Wille zur Macht oder andere niedere Begehren. Dieser Einschätzung widerspricht Aristoteles` Ansicht, dass es von Natur aus Herrschende und Beherrschte gäbe, und das sich sowohl die Hausgemeinschaft als auch die erweiterte Gesellschaft nach diesem Prinzip konstituieren würde:

Wenn man nun darauf sieht, wie die Dinge von Anfang an heranwachsen, [muss man] also vorerst die vereinigen, die ohneeinander nicht existieren können, wie etwa zum einen das Weibliche und das Männliche um der Fortpflanzung willen - und das nicht zufolge einer freien Entscheidung, sondern wie das sowohl bei anderen Tieren als auch bei Pflanzen als Trieb naturgegeben ist, ein derartiges Wesen zu hinterlassen, wie man es selbst ist-, zum anderen aber das von Natur aus Herrschende und das Beherrschte wegen der Lebenserhaltung. Denn das, welches in der Lage ist, mit dem Denken vorauszusehen, ist von Natur aus das Herrschende und das von Natur aus Gebietende. Doch das, welches in der Lage ist, eben das mit seinem Körper durchzuführen, das ist das Beherrschte und das von Natur aus Dienende. Von Natur aus ist also das Weibliche und das sklavisch Dienende getrennt. (Politik, S. 76)

Zur Notwendigkeit für den Menschen, einen Staat zu konstituieren, hält Aristoteles darüber hinaus fest: daß der Staat zu den von Natur aus bestehenden Dingen gehört und daß der Mensch von Natur aus ein staatsbezogenes Lebewesen ist und daß ferner der, der seiner Natur nach und nicht dem Zufall gemäß ohne Bindung an einen Staat ist, entweder schlecht ist oder bedeutender als ein Mensch; wie es etwa der von Homer geschmähte 'Sippenlose' ist, der 'Satzungslose' und der 'ohne Herd'. Der nämlich ist zugleich ein solcher von Natur aus und nach Krieg begierig, weil er isoliert ist, wie man im Brettspiel sagt. Daß nun der Mensch in höherem Grade ein staatsbezogenes Lebewesen ist als jede Biene und jedes Herdentier, ist klar. (ebd., S. 78)

Für Rousseau ist die Familie die einzige natürliche Gemeinschaft und (wie auch bei Aristoteles) das kleinste Glied eines übergeordneten Gemeinwesens. Die Gemeinschaft in der Familie gebraucht er als Sinnbild, um sein Gesellschaftsverständnis zu verdeutlichen:

Die Familie ist deshalb, wenn man so will, das Urbild der politischen Gesellschaften: das Oberhaupt ist das Abbild des Vaters, das Volk das Abbild der Kinder, und da alle gleich und frei geboren sind, veräußern sie ihre Freiheit einzig zu ihrem Nutzen. (Vom Gesellschaftsvertrag, S. 7f.)

Folgerichtig ist für Rousseau jede Form der Gesellschaft, die über den Familienverbund hinausgeht, nicht natürlich, sondern dient einem bestimmten Zweck und wird durch Vereinbarungen geregelt. Nach der Vorstellung Rousseaus übt kein Mensch von Natur aus Herrschaft über seinesgleichen aus – und Stärke erzeugt keinerlei Recht. Dies verdeutlicht er mit einer Allegorie: wenn man im Wald von einem bewaffneten Räuber bedroht wird, hat man dann auch die moralische Verpflichtung, seine Geldbörse herauszugeben, nur weil dessen Pistole gleichsam ein Instrument der Macht ist? (vgl. Vom Gesellschaftsvertrag, S. 10). Gesetze bestehen demnach innerhalb einer Gesellschaft nicht von Natur aus, sondern beruhen auf Vereinbarungen (ebd. S. 6). Deshalb ist der einzelne Mensch auch nur gezwungen, gesetz-mäßiger Gewalt (ebd.) zu gehorchen und sich dieser zu fügen.

Rousseau widerspricht der Ansicht entschieden, es gäbe von Natur aus Herrschende und Beherrschte im Sinne der Sklaverei:

Vor [Hobbes] hatte Aristoteles ebenfalls gesagt, daß die Menschen von Natur keineswegs gleich sind, sondern daß die einen für die Sklaverei und die anderen für die Herrschaft geboren werden. [...] Wenn es also Sklaven von Natur gibt, dann deshalb, weil es Sklaven wider die Natur gegeben hat. Gewalt hat die ersten Sklaven geschaffen, ihre Feigheit hat diesen Zustand verewigt. (Vom Gesellschaftsvertrag, S. 7f.)

Denn auch wenn sich jeder Mensch selbst in ein sklavisches Abhängigkeitsverhältnis begeben könnte, so hätte er dennoch nicht das Recht, dies für seine Kinder zu entscheiden: diese werden als Menschen und frei geboren; ihre Freiheit gehört ihnen, niemand außer ihnen hat das Recht, darüber zu verfügen (ebd., S. 11). Eine darüber hinausgehende Verfügungsgewalt der Eltern über den Nachwuchs schließt Rousseau aus – mit der Begründung, dies übersteige deren Erziehungsauftrag und die Fürsorgepflicht. An dieser Stelle lässt sich ein weiteres Mal sein liberales Menschenbild sowie das daraus abgeleitete Erziehungsideal herauslesen.

Aus der Ablehnung der Sklaverei ergibt sich für Rousseau demzufolge die Ablehnung einer willkürlichen Herrschaft und damit auch des Gottesgnadentums: Es wäre [...] zur Recht-mäßigkeit einer willkürlichen Regierung nötig, dass das Volk in jeder Generation Herr wäre, sie anzuerkennen oder zurückzuweisen: aber dann wäre diese Regierung nicht mehr willkürlich (ebd.). Diese Schlussfolgerung steht im klaren Kontrast zu Aristoteles und Hobbes, die sowohl aristokratische als auch monarchische Systeme wegen deren Stabilität bevorzugten.

Nach Ansicht Rousseaus herrscht kein Kriegszustand zwischen den Menschen im Naturzustand:

Die Menschen sind schon deshalb von Natur aus keine Feinde, weil sie, solange sie in ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit leben, untereinander keinerlei Beziehungen haben, die dauerhaft genug sind, um einen Friedens- oder Kriegszustand zu begründen. (ebd. S. 12)

Ein Kriegszustand ergibt sich folglich nicht aus dem Interesse der/des einzelnen Bürgerin/s heraus. Dieser ist stattdessen: keine Beziehung von Mensch zu Mensch, sondern eine Beziehung von Staat zu Staat, in der die Einzelnen nur durch Zufall Feinde sind, nicht als Menschen und nicht einmal als Bürger; sondern als Soldaten; nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als seine Verteidiger. Kurz, ein Staat kann in Anbetracht dessen, dass sich zwischen Dingen unterschiedlicher Natur auf Dauer keine wahre Beziehung herstellen lässt, nur andere Staaten zu Feinden haben und nicht Menschen. (ebd. S. 13)

An dieser Stelle unterscheidet Rousseau zwei klar getrennte Sphären: einerseits die Beziehungen der Bürger*innen untereinander, die gemäß seinem Menschenbild friedlich und frei zusammenleben wollen. Andererseits die Beziehungen der Staaten untereinander, die auf einen ständigen Wettstreit ausgelegt sind. Was den Krieg der Staaten untereinander betrifft, pflichtet der englische Philosoph Thomas Hobbes der Einschätzung Rousseaus bei:

Gab es auch niemals eine Zeit, in der ein jeder eines jeden Feind war, so leben doch die Könige und die, welche die höchste Gewalt haben, miteinander in ständiger Feindschaft. Sie haben sich wechselseitig in stetem Verdacht; wie Fechter stehen sie gegeneinander, beobachten sich genau und halten ihre Waffen in Bereitschaft, ihre Festungen und Kriegsheere an den Grenzen und ihre geheimen Kundschafter im Feindeslande. (Leviathan, S. 117)

In der Widmung zur Originalausgabe des Werkes Vom Bürger von 1642 gibt Hobbes jene kurze Formulierung seines Menschenbildes ab, welche bis heute die Wahrnehmung seines Schaffens in der Öffentlichkeit prägt – wenn auch in unzulässig verkürzter Form:

Nun sind aber beide Sätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen und der Mensch ist ein Wolf für den Menschen; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht. Ergo, der Mensch ist ein Gott für den Menschen, wenn man die Bürger untereinander vergleicht.9

Thomas Hobbes sieht in der Selbsterhaltung die grundsätzliche Triebfeder menschlichen Handelns (vgl. Leviathan, S. 114). Er führt diese Grundannahme folgendermaßen aus:

Mitbewerbung, Verteidigung und Ruhm sind die drei hauptsächlichsten Anlässe, daß die Menschen miteinander uneins werden. Mitbewerbung zielt auf Herrschaft und veranlaßt Streit über Gewinn; Verteidigung hat Sicherheit zur Absicht und streitet für Wohlfahrt; Ruhm strebt nach einem guten Namen und bewirkt oft über geringfügige Dinge Uneinigkeiten. (ebd., S. 115)

Daraus ergibt sich im Naturzustand „ ein Krieg aller gegen alle “ (ebd.) – ein anomischer Zustand, in dem durch die Abwesenheit sämtlicher gesellschaftlicher Normen, eines wirksamen Rechtssystems sowie eines ordnenden Herrschers das Recht des Stärkeren gilt:

Bei dem Kriege aller gegen alle kann auch nichts ungerecht genannt werden. In einem solchen Zustande haben selbst die Namen gerecht und ungerecht keinen Platz. Im Kriege sind Gewalt und List Haupttugenden; und weder Gerechtigkeit noch Ungerechtigkeit sind notwendige Eigenschaften des Menschen; weil, wenn es nämlich so wäre, sie auch bei demjenigen angetroffen werden müßten, der einsam und allein auf der Welt lebt. Sie sind Eigenschaften des Menschen, aber nicht sofern er Mensch überhaupt; sondern der Bürger ist. Ebendaraus ergibt sich ferner, daß es in einem solchen Zustande keinen Besitz, kein Eigentum, kein Mein und Dein gibt, sondern was jemand erworben hat, gehört ihm, solange er es sich zu sichern imstande ist. (Leviathan, S. 117)

Auch Hobbes betont die grundsätzliche Gleichheit aller Menschen im Naturzustand und widerspricht damit ebenso wie Rousseau der Haltung Aristoteles, wonach es eine natürlich konstituierte Ungleichheit zwischen den Menschen gäbe:

Die Natur hat die Menschen sowohl hinsichtlich der Körperkräfte wie der Geistesfähigkeiten untereinander gleichmäßig begabt; und wenngleich einige mehr Kraft oder Verstand als andere besitzen, so ist der hieraus entstehende Unterschied im ganzen betrachtet dennoch nicht so groß, daß der eine sich diesen oder jenen Vorteil versprechen könnte, welchen der andere nicht auch nicht auch zu erhoffen berechtigt sei. (ebd., S. 112f.)

Vielmehr bedarf es eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses, um die individuellen Nachteile des Einzelnen auszugleichen: „ Bezüglich der körperlichen Kraft wird man gewiß selten einen so schwachen Menschen finden, der nicht durch List oder in Verbindung mit andern, die mit ihm in gleicher Gefahr sind, auch den stärksten töten könnte “ (ebd, S. 113).

Eine noch größere Gleichheit unter den Menschen macht Hobbes in Bezug auf die Geisteskräfte aus. Er vertritt die Ansicht, dass die kognitiven Fähigkeiten des Individuums sich noch weniger voneinander unterscheiden als die körperlichen, wobei er jedoch anmerkt, dass der Selbstbezug der meisten Menschen, sich stets für den Klügsten und Fähigsten zu halten, ihn in der Praxis an dieser Gleichheit zweifeln lässt. Jedoch nicht in einem Ausmaß, als dass Hobbes seine grundsätzliche Einschätzung revidieren müsste:

Wenn auch der Mensch geneigt ist, einem andern in der Beredsamkeit oder Gelehrsamkeit den Vorzug vor sich selbst zuzugestehen, so wird er doch nicht einräumen wollen, daß jemand klüger sei als er. Jeder sieht seinen eigenen Verstand gleichsam aus der Nähe, den eines andern aber aus der Ferne an. Übrigens gibt die Zufriedenheit eines jeden mit seinem Verstande für die gleichmäßige Verteilung der Verstandeskräfte den besten Beweis. (ebd.)

2.2 Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau

2.2.1 Der Gesellschaftsvertrag

Als Grund für die Staatswerdung führt Rousseau an, dass Menschen freiwillig eine Gesellschaft und damit auch ein Staatswesen bilden, um sich zu erhalten:

Ich unterstelle, daß Menschen jenen Punkt erreicht haben, an dem die Hindernisse, die ihrem Fortbestehen im Naturzustand schaden, in ihrem Widerstand den Sieg davontragen über die Kräfte, die jedes Individuum einsetzen kann, um diesen Zustand zu halten. [...] Da die Menschen keine neuen Kräfte hervorbringen, sondern nur die vorhandenen vereinen und lenken können, haben sie kein anderes Mittel, sich zu erhalten, als durch Zusammenschluss eine Summe von Kräften zu bilden, stärker als jener Widerstand, und diese aus einem einzigen Antrieb einzusetzen und gemeinsam wirken zu lassen. (Vom Gesellschaftsvertrag, S. 16f.)

Ein Staatswesen entsteht demzufolge nur zum Zweck des Selbsterhalts. An dieser Stelle formuliert Rousseau seine Vorstellung von einem Gemeinwillen, dem sogenannten ‚ volonté générale ‘. Ziel der Gesellschaft soll es sein, dass jeder Mensch dasselbe Maß an Freiheit genießt wie im Naturzustand. Das kann aber nur erreicht werden, wenn die Menschen einen Gesellschaftsvertrag eingehen. Dazu Rousseau:

Diese Schwierigkeit läßt sich, auf meinen Gegenstand so ausdrücken: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.“ Das ist das grundlegende Problem, dessen Lösung der Gesellschaftsvertrag darstellt. (ebd., S.17)

Ein solcher Vertrag könne nur funktionieren, wenn jeder Mensch auf alle Rechte verzichte, die er als Einzelne*r besitzt. Nur so könne gewährleistet werden, dass niemand mehr etwas nur für sich einfordern kann. Rousseau führt dazu aus:

[Die] Bestimmungen [des Vertrages] lassen sich bei richtigem Verständnis sämtlich auf eine einzige zurückführen, nämlich die völlige Entäußerung jedes Mitglieds mit allen seinen Rechten an das Gemeinwesen als Ganzes. [...] Darüber hinaus ist die Vereinigung, da die Entäußerung ohne Vorbehalt geschah, so vollkommen, wie sie nur sein kann, und kein Mitglied hat mehr etwas zu fordern. (ebd.)

[...]


1 Aristoteles (* 384 v. Chr. in Stageira, Griechenland; † 322 v. Chr. in Chalkis auf Euböa, Griechenland).

2 Thomas Hobbes (* 5.4.1588 in Westport, Provinz Wiltshire, England; † 4.12.1679 in Hardwick Hall, Provinz Derbyshire, England).

3 Jean-Jaques Rousseau (* 28.6.1712 in Genf, Schweiz; † 2.7.1778 in Ermenoville bei Paris, Frankreich).

4 Aristoteles: Nikomachische Ethik; übersetzt von Franz Dirlmeier. Stuttgart 2015. Im Folgenden: Nikomachische Ethik.

5 Aristoteles: Politik. Schriften zur Staatstheorie; übersetzt von Franz Schwarz. Stuttgart 2016. Im Folgenden: Politik.

6 Hobbes, Thomas: Leviathan; übersetzt von Jacob Peter Mayer. Stuttgart 1985. Im Folgenden: Leviathan.

7 Hobbes, Thomas: Grundzüge der Philosophie. Zweiter und dritter Teil: Lehre vom Menschen und Bürger (= Philosophische Bibliothek, Bd. 158); übersetzt von Max Frischeisen-Köhler. Leipzig 1918. Im Folgenden: Vom Bürger.

8 Rousseau, Jean-Jaques: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechts; übersetzt von Eva Pietzcker. Stuttgart 2011. Im Folgenden: Vom Gesellschaftsvertrag.

9 Koschorrek, Walter (2010): Der Wolf. Eine Untersuchung über die Vorstellungen vom Verbrecher und seiner Tat sowie vom Wesen der Strafe in der Frühzeit (= Beiträge zu Grundfragen des Rechts, Bd. 4; hrsg. von Stephan Meder und Alice Rössler), Göttingen, S. 4.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Mensch in Gesellschaft. Naturzustand und Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die Politische Philosophie
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V1032002
ISBN (eBook)
9783346438768
ISBN (Buch)
9783346438775
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politische Philosophie, Ideengeschichte, Politikwissenschaft, Politik, Philosophie, Aristoteles, Nikomachische Ethik, Ethik, Thomas Hobbes, Hobbes, Leviathan, Vom Bürger, Jean-Jaques Rousseau, Rousseau, Staat, Staatswerdung, Staatsziel, Naturzustand, Gesellschaftsvertrag, Gewaltenteilung, Menschenbild, Aristokratie, Demokratie
Arbeit zitieren
Falk Kurt Bräcklein (Autor:in), 2017, Der Mensch in Gesellschaft. Naturzustand und Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1032002

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Mensch in Gesellschaft. Naturzustand und Staatswerdung im Kontrast zwischen Aristoteles, Hobbes und Rousseau



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden