Bindungen in der Familie


Hausarbeit, 2001

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

Fast sechzig Prozent der Familien in Nordrhein-Westfalen waren 1996 kinderlos. Annähernd die Hälfte der Familien mit Kindern hatten ein Kind, der Anteil an kinderreichen Familien, also 3 und mehr Kinder, bestand aus 13, 8 Prozent, was einen Rückgang von 5 Prozent innerhalb der letzten 15 Jahre bedeutete.

(Vgl. Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen 1999, 64)

Kinderreiche Familien sind also vergleichsweise selten (geworden). Es stellt sich mir die Frage, welche Bedeutung die Beziehungen zu Mutter, Vater und Geschwistern auf die Entwicklung eines Kindes haben. Dies werde ich im ersten Abschnitt unter- suchen.

Im zweiten Abschnitt befasse ich mich mit einer kinderreichen Familie (Mutter, Vater, vier Kinder), in welcher das jüngste Kind vor einigen Wochen zur Welt kam, mit besonderer Sicht auf die Reaktion der älteren Geschwister auf das "neue" Familien- mitglied.

Im Abschnitt 2.6 vergleiche ich die Ergebnisse der Literatur mit meinen Erkennt- nissen aus der Praxis.

Anschließend bearbeite ich in Abschnitt 3 die Sozialpädagogischen Konsequenzen, die sich aus dieser Untersuchung ergeben.

1. Die Bedeutung der Familie für die Entwicklung

1.1. Die Bedeutung der Bindungsperson für das Kleinkind

Säuglinge und Kleinkinder äußern ihr Bedürfnis nach intensivem Schutz und Pflege durch Signale (z.B. Suchen, Rufen, Weinen etc.), die zur Herstellung von Nähe dienen. (Vgl. Bowlby 1969; Grossmann K. 1978; zit. n. Grossmann / Grossmann 1994, 26)

Nach Bowlby (1987) kann in der ersten Hälfte des ersten Lebensjahres jede Person als Bezugsperson dienen, erst in der zweiten Hälfte spezifiziert sich die Bindung an eine bestimmte Person (Bindungsperson), wenn weitere Bindungen durch das sog. Fremdeln [bis ca. 12 Monat, d. Verf.] verhindert werden.

Das Bindungssystem des Säuglings/Kleinkindes wird durch Fremdheit, Müdigkeit, Bedrohung, Krankheit, erwartete Trennung usw. aktiviert und durch die liebevolle Nähe zur Bindungsperson beendet. (zit .n. Grossmann/Grossmann 1994, 27) Bowlby (1987) und Ainsworth (1985) gehen davon aus, dass die Bindungsqualitäten dauer- haft, also lebenslang, sind. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass im weiteren Verlauf des Lebens reflektorische Fähigkeiten hinzukommen, die dem Kleinkind nicht zur Verfügung stehen. (vgl. Grossmann/ Grossmann, a.a.O.)

Mary Ainsworth hat ein Konzept der Feinfühligkeit gegenüber den Signalen des Säuglings entwickelt, die die Voraussetzungen für ein sicheres bzw. positives Bindungsverhältnis beschreibt. (Vgl. Ainsworth, Bell & Stayton 1974; Gross- mann 1977; zit. n. Grossmann/Grossmann, 1994, 29)

"Feinfühligkeit ist nach Ainsworth die Fähigkeit..., die Signale ...des Kindes..., richtig wahrzunehmen und zu interpretieren, und ..., auf die Signale angemessen und prompt zu reagieren. Um die Signale zu be- merken, muß die Mutter [bzw. die Bindungsperson, d. Verf.] häufig für das Kind verfügbar sein(...) "Angemessen" reagieren heißt, dem Baby geben, was es braucht, es weder zu überreizen noch zu isolieren, die Wünsche... anzuerkennen(...) Je feinfühliger die Bindungsperson ist, desto sicherer entwickelt das Kind das Gefühl, daß es Herr der La- ge ist und im Falle einer Gefahr nicht alleine bleibt, und daß eine sichere Basis vorhanden ist."

(Grossmann/Grossmann 1994, 29)

Die sozial-emotionalen Bindungen des Kindes sind wie o.a. nicht nur auf diesen ersten Lebensabschnitt beschränkt. Besonders in der Zeit nach dem "Fremdeln" werden weitere Personen für die Entwicklung des Kindes bedeutsam.

Fthenakis (1985) beschreibt z.B., dass die Bedeutung des Vaters für die frühkindliche Entwicklung in den letzten 20 Jahren zunehmend besser erkannt wurde. (zit. n.

Schmidt-Denter 1993, 338)

1.2. Die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes

Schmidt-Denter (1984) teilte die Vätertypen bezüglich der Beteiligung an der Erziehung, nach einer repräsentativen Erhebung, folgendermaßen ein:

Abbildung 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Spielstil der Väter ist nach Clarke-Stewart (1980) und Lamb (1980) lebendiger, körpernäher und origineller als der der Mütter, das lebhaftere Spiel wirkt sich positiv auf die kognitive Entwicklung des Kindes aus.

Nach Daten Schmidt-Denters besteht eine enge emotionale Beziehung zwischen Vätern und ihren Kindern im Klein- und Vorschulalter, die emotionale Funktion des Vaters nahm unter allen väterlichen Funktionen den ersten Rangplatz ein.

(zit .n. Schmidt-Denter 1993, 338-339)

Töchter sammeln in den Interaktionen mit den Vätern Erfahrungen, die grundlegende Bedeutung für ihre späteren Beziehungen mit Männern haben.

Parson und Bales (1950) wiesen in ihrem rollenspezifischen Konzept dem Vater eine große Bedeutung bei der kindlichen Geschlechtsidentifikation, moralischen und kognitiven Entwicklung zu. ( zit. n. Schmidt - Denter 1988, S. 61)

Nach Biller (1981) beeinflusst die Geschlechtsrollenidentität des Vaters seine Zuwendung und die Gebote und Verbote innerhalb der Erziehung, was wiederum die Geschlechtsrollenidentität seiner Söhne beeinflusst (zit. n. Schmidt - Denter ebd.).

Insgesamt konnte dem Vater eine spezifische Einflussnahme in verschiedenen Entwicklungsbereichen nachgewiesen werden: Erwerb moralischer Werte und Normen, Entwicklung der Geschlechtsrollenidentität, Förderung der Leistungs- motivation, intellektuelle Entwicklung, Entwicklung sozialer Kompetenzen und des Selbstwertgefühls. (Vgl. Schmidt-Denter 1984; zit. n. Schmidt-Denter 1993, 339)

1.3. Veränderungen innerhalb der Eltern-Kind-Beziehungen

Entwicklungen des Kindes oder der Eltern haben, bei einer positiven

Eltern-Kind-Beziehung, Einfluss auf die Anforderungen an die Beziehung und es ergeben sich neue Entwicklungsaufgaben, z.B. bei der Geburt des ersten oder jedes weiteren Kindes oder beim Beginn der Schulpflicht etc..(vgl. Willi 1985; zit.n. Schmidt-Denter 1993, 341)

"Die Geburt des zweiten Kindes verändert die Dynamik der familiären Beziehungen .. . Die erweiterte Struktur ermöglicht vielfältige Konstel- lationen in den Eltern-Kind-Beziehungen (Kreppner, 1988). Des weiter- en kann sich ... ein eigenes Geschwister-Subsystem entwickeln Das jüngere Kind zieht ... die Aufmerksamkeit und Zuwendung der Mutter auf sich. Der Vater ... dagegen nicht..., so daß er zugunsten des Erst- geborenen für... Ausgleich sorgt. Das ältere Kind versucht.. mit der gleichen Intensität zu beiden Elternteilen Kontakte zu initiieren, bevor- zugt dann aber nach acht bis neun Monaten den Vater." (Schmidt-Den- ter 1993, 342)

Der Interaktionsstil und das Zuwendungsverhalten der Mutter bleibt, laut Meyer (1985), gegenüber beiden Kindern sehr stabil. (zit. n. Schmidt-Denter 1993, 342)

1.4. Die Bedeutung von Geschwisterbeziehungen

Laut Ullich (1988, zit. n. Schmidt-Denter 1993, 344) gehören Geschwisterbe- ziehungen zu den intensivsten und dauerhaftesten Erfahrungen überhaupt.

Die Emotionen innerhalb dieser Beziehungen schwanken zwischen Liebe und Hass einerseits und Rivalität und Loyalität andererseits.

Durch den Wettbewerb um die elterliche Zuwendung, Bevorzugung des jüngeren Kindes oder durch den sozialen Vergleich der Geschwister durch die Eltern oder im sonstigen Umfeld kann es zu Rivalitäten und Hass kommen. (vgl. Bryant 1982; zit. n. Schmidt-Denter, ebd.)

Bank und Kahn, (1982; zit. n. Schmidt-Denter, ebd.) gaben jedoch auch Beispiele von ausgeprägter Loyalität und Opferbereitschaft innerhalb von Geschwisterbezieh- ungen, diese sind geprägt durch aktives Suchen nach Zusammensein, einer speziellen Sprache, gegenseitigem Verteidigen, häufige niederlagenlose Konfliktlösungen und bestimmten Ritualen des Verzeihens.

Sie sehen den Grund für solche Geschwisterbeziehungen in einem schwachen elter- lichen Beitrag zum Bindungssystem, denn wäre die elterliche Beziehung emotional befriedigender, wäre die geschwisterliche unbedeutender.

Weiter gehen sie davon aus, dass Geschwister untereinander eine Pionierfunktion erfüllen, die zur Folge hat, dass die anderen Geschwister in ähnlichen Situationen eher eine Erlaubnis erhalten, z.B. wenn es darum geht, wie lange die Kinder abends draußen bleiben dürfen.

"..Kinder ..beschreiben die Beziehung zu ihren Geschwistern... mit "Macht" und "Unterstützung". Ältere Geschwister und insbesondere ältere Brüder werden als dominant und kontrollierend erlebt (Bryant, 1982). (...)..von den älteren Schwestern werden Hilfeleistungen er- wartet. (...)Ob Abhängigkeit von den Geschwistern bzw. deren Macht und Kontrolle akzeptiert wird, hängt u.a. vom Altersabstand ab; ca. drei Jahre scheinen diesbezüglich eine kritische Grenze zu sein. ..Cicerelli (1972) [konnte] nachweisen, daß helfendes Verhalten von den jüngeren Geschwistern bei einem größeren Altersabstand eher als angenehm er- lebt wird. Bei geringerem ..kann es zu Konflikten kommen, ...(...)..daraus darf nicht geschlossen werden, daß geringere Altersabstände ungünstige Entwicklungsbedingungen bedeuten. (...)Die Kinder beschäftigen sich intensiver miteinander und beeinflussen sich gegenseitig mehr. (Abramo- vitch/Pepler/Corter, 1982)." (Schmidt-Denter 1993, 344-345)

2. Empirische Studie über Bindungen in der Familie

2.1. Fragestellung

Da nach Ainsworth (a.a.O.) die prompte und angemessene Reaktion auf Signale des Kindes eine Grundvoraussetzung für eine sichere Bindung ist, lässt sich annehmen, dass bereits vorhandene Kinder bei der Geburt eines weiteren Geschwisterkindes ihre Beziehung zur Mutter bedroht sehen, da das Neugeborene einen großen Teil der Aufmerksamkeit der Mutter verlangt.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Bindungen in der Familie
Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf
Veranstaltung
Ringvorlesung Psychologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V103249
ISBN (eBook)
9783640016273
Dateigröße
370 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bindungen, Familie, Ringvorlesung, Psychologie
Arbeit zitieren
Klaudia Horvat (Autor:in), 2001, Bindungen in der Familie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103249

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