Johann Peter Hebel - „Unverhofftes Wiedersehen“: Häufige Fragen
Was ist die Haupthandlung von Hebels „Unverhofftes Wiedersehen“?
Die Geschichte erzählt von einem jungen Paar, dessen Hochzeit durch den Tod des Bräutigams in einem Bergwerk verhindert wird. Fast fünfzig Jahre später wird seine gut erhaltene Leiche geborgen. Die nun alte Verlobte beerdigt ihn und freut sich auf ein baldiges Wiedersehen im Jenseits.
Welche Erzähltechniken verwendet Hebel in seiner Geschichte?
Hebel nutzt eine auktoriale Erzählperspektive und kombiniert verschiedene Erzählzeiten. Er beginnt mit einer detaillierten Darstellung der Vorgeschichte, raffte dann den Zeitraum von fünfzig Jahren durch eine Aufzählung historischer Ereignisse und konzentriert sich schließlich wieder auf die Beerdigung und die Reaktion der alten Frau. Die Zeitraffung wird durch die Verwendung von „und…und…und…“ verstärkt. Zeitdeckung ist dagegen in der wörtlichen Rede der ersten Phase vorhanden.
Wie wird die Zeit in der Geschichte dargestellt?
Die Zeit spielt eine zentrale Rolle. Der Kontrast zwischen den wenigen Tagen vor dem Tod des Bräutigams und den fünfzig Jahren danach wird deutlich herausgearbeitet. Hebel nutzt historische Ereignisse, um die lange Zeitspanne zu veranschaulichen, setzt sie aber gleichzeitig in Beziehung zu den Ereignissen um das junge Paar. Das Motiv des Schlafes wird dreimal verwendet, um die Verbindung zwischen Leben und Tod/Jenseits zu verdeutlichen.
Welche Symbole werden in der Geschichte verwendet?
Das Kästchen, in dem die Frau das Halstuch ihres Verlobten aufbewahrt, symbolisiert die vergangenen fünfzig Jahre und ihre Treue. Das „kühle Hochzeitbett“ wird mit dem Grab gleichgesetzt. Der ausbleibende Abendgruß des Mannes wird am Tag seiner Beerdigung durch den Abschiedsgruß der Frau ersetzt, um die Vergänglichkeit zu überbrücken.
Welche Themen werden in „Unverhofftes Wiedersehen“ behandelt?
Die Geschichte befasst sich mit den Themen Liebe, Treue, Tod und Vergänglichkeit. Sie zeigt die Ausdauer der Liebe über einen langen Zeitraum hinweg und die Hoffnung auf ein Wiedersehen im Jenseits. Trotz des tragischen Hintergrunds ist die Geschichte einfühlsam und gibt Mut, an die Liebe zu glauben und sich von der Vergänglichkeit des Lebens nicht einschüchtern zu lassen.
Wie ist die erzählerische Wirkung der Geschichte?
Die Erzählung wirkt trotz des ernsten Themas durch ihren leichtfüßigen Erzählstil und die munteren Elemente. Der Kontrast zwischen der ergreifenden Geschichte und dem Tonfall erzeugt eine einzigartige Wirkung. Die Erzählperspektive wechselt geschickt zwischen der privaten Welt des Paares und den großen historischen Ereignissen.
Welche Rolle spielt die Personifizierung des Todes in der Geschichte?
Die Personifizierung des Todes („da meldete sich der Tod“) markiert den Übergang von einer neutralen zu einer auktorialen Erzählweise. Sie unterstreicht die Tragik des Ereignisses und die Macht des Todes über das junge Glück.
Wie ist die Charakterisierung der Frau in der Geschichte?
Die Frau wird als treue und geduldige Person dargestellt, die ihren Verlobten über fünfzig Jahre lang nicht vergessen hat. Ihre Reaktion auf das Wiedersehen ist geprägt von Liebe und Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen im Jenseits. Sie zeigt keine Angst vor dem eigenen Tod, weil sie an ein Leben nach dem Tod glaubt.
Johann Peter Hebel - „ Unverhofftes Wiedersehen “
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Die Kalendergeschichte „Unverhofftes Wiedersehen“ von Johann Peter Hebel erzählt von einem jungen Liebespaar, welches kurz vor der Hochzeit durch den Tod des Mannes in einem Bergwerk für immer getrennt scheint. Aber nach fast einem halben Jahrhundert wird die noch gut erhaltene Leiche geborgen und der Verlobten übergeben. Die nun fast siebzigjährige Frau ist die einzige Hinterbliebene und sorgt für die Beerdigung des Mannes. An dessen Grab verabschiedet sie sich mit der Vorfreude auf ein baldiges Wiedersehen.
Diese beklemmende Geschichte um Liebe, Treue und Tod ist in eine bemerkenswerte Zeitstruktur eingebaut und trotzdem schafft es Hebel, dass ein munterer Plauderton bestehen bleibt. Beim ersten Blick auf den vorliegenden Text erkennt man eine Gliederung in drei Erzählabschnitte. Die Erzählung beginnt mit der Einführung in die Vorgeschichte. Dem Leser werden die zeitliche Festlegung (Z.1 „vor guten fünfzig Jahren“) und die Beziehung des Brautpaares und ihre Heirats- absicht dargelegt. Bis dahin ist die erste Phase noch in der neutralen Erzählweise geschrieben und aufgrund der vorherrschenden wörtlichen Rede ist sie noch zeitdeckend aufgebaut. Mit der Personifizierung eines Geschehens (Z.13 „da meldete sich der Tod“) kann man dann aber nicht mehr von einem neutralen Erzähler sprechen, sondern die auktoriale Erzählweise setzt ein. Dies wird auch noch an der beiläufigen Anmerkung „der Bergmann hat sein Totenkleid immer an“ (Z.15f.) deutlich. Da in den ersten 5 Sätzen von drei Geschehnissen gesprochen wird, nämlich Brautkuss, Aufgebot und Abschied am Morgen, die sich innerhalb von wenigen Tagen abspielen, muss man schon hier von Zeitraffung sprechen. Der erste Abschnitt endet damit, dass der Jüngling sich an einem Morgen von seiner Braut verabschiedet, im Laufe des Tages im Bergwerk um kommt und so dem jungen Mädchen keinen Guten Abend mehr wünschen kann.
In der zweiten Erzählphase kommt es zu einer noch extremeren Raffung. Hier erreic ht Hebel die erzählerische Wirkung einmal durch die Erweiterung des Erzählwinkels, der vorher auf einen kleinen, gemütlichen Privatbereich begrenzt war, auf die wichtigen historischen Geschehnisse in der Welt. In einer Erzählzeit von nur 18 Zeilen wird der Ablauf eines halben Jahrhunderts veranschaulicht. Während der scheinbar ungeordneten Aufzählung von siebzehn geschichtlichen Ereignissen in raffender, berichtender Darstellung („...und...und...und...“), tritt die Braut in den Hintergrund. Ihr Leben vergeht unberührt von den großen geschichtlichen Vorkommnissen in der Welt. Von ihr ist nur noch überleitend die Rede: „und vergaß ihn nie“ (Z.22). Dennoch kann man an der Aneinanderreihung der Begebenheiten eine Reihenfolge und einen Zusammenhang zur eigentlichen Handlung der Kalendergeschichte erkennen. Erstens sind sie nach der Abfolge in der Geschichte geordnet. Zweitens tragen die meisten Vorfälle einen negativen Aspekt des Scheiterns oder gar des Todes. Im fünften Satz wechselt der Erzähler plötzlich von den auffälligen Vorfällen der globalen Politik zu jenen kleinen, bescheidenen Alltagsvorgängen (Z.35ff. „Napoleon eroberte Preußen, und die Engländer bombar- dierten Kopenhagen, und die Ackerleute säeten [!] und schnitten.“). Überdauernde Zustände und wiederholte Tätigkeiten werden benannt, sodass der Leser fast unmerklich an den eigentlichen Handlungsort, nämlich das Bergwerk in Falun, zurückgeführt wird (Z.38ff. „Der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und die Bergleute gruben nach den Metalladern in ihrer unterirdischen Werkstatt.“) Alle Aufmerksamkeit gilt nun wieder den Brautleuten und ihrem Schicksal. Mit ziemlich genauer Zeitangabe (Z.41 „im Jahr 1809“) schließt sich nun der dritte Erzählabschnitt an. Es zeigt sich wie der Lauf der Zeit seine Wirkung bei der Frau getan hat. Die einstige „junge hübsche Braut“ (Z.2/3) erscheint „in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters“ (Z.68). Im Gegensatz dazu steht die noch immerwährende „jugendliche Schöne“ (Z.69) des Bräutigams.
Die Frau hat ihren Bräutigam auf verschiedene Weise die Treue gehalten. Zum einen hat sie ihr Versprechen des Nichtvergessens gehalten, denn sie hat „fünfzig Jahre lang getrauert“ (Z.62) und zum anderen hat sie das schwarze Halstuch, welches sie an seinem Todestag vergeblich säumte (Z.19f.) in einem Kästlein aufbewahrt. Nun kann sie es dem unverhofft Wiedergesehenen an seinem Beer- digungstag umbinden (Z.78ff.). Es scheint als wäre das Kästlein ein Symbol für die vergangenen fünfzig Jahre, die sie einfach in einer Dose weggeschlossen hat.
Der ausbleibende Abendgruß des Mannes an seinem Todestag wird nun am Tag seiner Beerdigung durch das „Schlafe nun wohl“ seiner Verlobten ersetzt. Es kommt einem so vor, als ob keine fünfzig Jahre sondern nur ein Tag vergangen wäre. Überhaupt verhält sich die Frau so, als ob es ihr Hochzeitstag mit ihrem Verlobten wäre (Z.61 „es ist mein Verlobter“, Z.80ff. „und begleitete ihn ... in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und nicht der Tag seiner Beerdigung wäre“). Außerdem wird auch vom Erzähler das „kühle Hochzeitbett“ (Z.84) mit dem Grab gleichgesetzt. Das „Unverhoffte Wiedersehen“ ist ein Zeichen dafür, dass das Paar mit Hilfe von Treue und Liebe der endlos erscheinenden und vergehenden Zeit entkommt. Mit einer souveränen Überlegenheit gegenüber der Zeit sagt die Frau: „...noch einen Tag oder zehen ... und laß dir die Zeit nicht lang werden. Ich habe nur noch wenig zu tun und komme bald, ... (Z.83ff.). Sie zeigt keine Angst vor ihrem eigenen Tod, weil in ihr die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit ihrem Bräutigam im Jenseits schlummert (Z.86 „und bald wird’s wieder Tag“). Um eine Verbindung zwischen der vergänglichen Welt, dem Leben, und der Ewigkeit herzustellen, wird im Text dreimal das Motiv des Schlafes genutzt (Z.49, 52, 83). Dadurch werden die Schrecken des Todes verringert und der Glaube an eine Aufer- stehung im Himmel und ein neues Leben aufrecht erhalten.
Trotz des tragischen Hintergrundes ist diese einfache Erzählung einfühlsam und bewundernswert. Sie macht jedem Menschen Mut an die Liebe mit ihren Höhen und Tiefen zu glauben. Man sollte sich nicht von der Vergänglichkeit des Lebens einschüchtern lassen.
- Arbeit zitieren
- Tina Richardt (Autor:in), 2001, Hebel, Johann Peter - Unverhofftes Wiedersehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103310