Piontek, Heinz - Die Verstreuten


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

4 Seiten


Leseprobe


Stilform: Interpretation poetischer Texte

Aufgabe II. Heinz Piontek, Die Verstreuten

Heinz Piontek wurde am 15. November 1925 in Kreuzburg/ Oberschlesien geboren. Noch während seiner schulischen Laufbahn zog er 1943 als Soldat in den II. Weltkrieg, wo er unter anderem zwei Jahre in Gefangenschaft erleben musste. 1947 folgte ein Umzug von München nach Lauingen, dort holte er sein Abitur nach und verfasste bereits erste Gedichte. Nach einem Studium der Germanistik an der Hochschule in Dillingen 1955 (zu dem Zeitpunkt entstand auch das nachfolgend interpretierte Gedicht) zog er 1961 wiederum nach München, bis heute lebt und arbeitet er dort als freier Schriftsteller. Gerade die Tatsache, dass er schon als relativ junger Mensch sehr erfolgreich Gedichte und Erzählgedichte geschrieben hat macht es interessant sich mit solch einem Werk „aus jungen Jahren“ näher zu beschäftigen.

Das Gedicht „Die Verstreuten“ ist in 13 Strophen aufgeteilt, auf eine „zweiversige“ Strophe folgen immer zwei „vierversige“ Strophen, mit Ausnahme des Schlusses, hier folgt auf den fünften Zweizeiler nichts mehr. Das Werk lässt sich am ehesten einer Ballade zuordnen, es ist ein Erzählgedicht, lang, ist zunächst von einer traurigen Grundstimmung geprägt, im Höhepunkt ändert sich das Erzählverhalten, der Sprecher wechselt dort und vor allem sind lehrhafte Züge enthalten, welches allesamt Kennzeichen einer Ballade sind. Auf den ersten Blick ähnelt es jedoch einer strukturierten Erzählung, was sich durch das Nicht- Vorhandensein von jeglichem Reimschema oder Metrum nur noch zu bestätigen scheint. Inhaltlich kann das Gedicht in drei Sinnabschnitte gegliedert werden, wobei es sich in den ersten 22 Zeilen um eine Art Bericht oder Erzählung über die Flucht aus Oberschlesien zu handeln scheint, die Zeilen 23 bis einschließlich 30 beziehen sich eher auf die Besiedlung Oberschlesiens im 12. Jahrhundert, während der Autor zum Ende des Gedichts, genauer ab der 33. Zeile, in eine zunächst scheinbar zusammenhangslose Erzählung abgleitet, wobei er auch nicht zögert, ein Beispiel aus der antiken, lateinischen Schriftkunst zu verwenden (Zeile 37 bis 40- Beispiel der Flucht Aeneas aus dem brennenden Troia). Zu erwähnen ist jedoch unbedingt, dass die fünf Zweizeiler sich auf keinen der Sinnabschnitte direkt beziehen, vielmehr handelt es sich dabei anscheinend um unabhängig voneinander eingefügte Sinneswahrnehmungen und Eindrücke während der Flucht / Vertreibung aus Oberschlesien. Womit auch gleich die Thematik und das Hauptmotiv des Textes angesprochen wären, die erzwungene Flucht aus der anvertrauten Heimat steht klar im Vordergrund und kommt auch im Gesamtaufbau immer wieder vor. Des Weiteren verwendet Heinz Piontek wie schon erwähnt auch Beispiele aus anderen Zeitaltern, die aber allesamt von Heimat, bzw. der Flucht aus derer handeln. Die Überschrift des Gedicht, „Die Verstreuten“, bestätigt ihresgleichen dieses.

Ein Eindruck von Zerrissenheit, Verstreutheit, Tiefgründigkeit, vielleicht auch auf den ersten Blick hin Unverständigkeit, entsteht beim Lesen des Gedichtes. Daran hat natürlich sowohl der Inhalt als auch die Form sowie die sprachlichstilistische Gestaltung Schuld.

Die immer wieder eingeschobenen Zweizeiler mit ihren Anaphern und etliche Enjambements über das gesamte Gedicht hin verstreut, lassen solchen Eindruck der Zerrissenheit entstehen. Wobei die immer wieder kehrende Anapher auch wohl eine Art festen Rhythmus und etwas Regelmäßiges bezeichnen soll. Viele Vergleiche, Metaphern und Personifikationen besonders in den letzten beiden Sinnabschnitten „erhellen“ das Gedicht und sollen es wohl ein wenig aufheitern, was sich darin bestätigt, dass besonders die Metaphern zum Schluss hin positiver werden („feurige Sage“, Zeile 34; „rosenblättrigem Licht“, Zeile 40). Zum Anfang des Gedichtes sind die Stilmittel nämlich eher negativ von Hektik und Ungewissheit („wandernden Ratten“, Zeile 6; „eine getroffene Brücke“, Zeile 15; „Der Himmel ein Sieb“, Zeile 17; „zugiger Horizont“, Zeile 19) berührt, was die Annahme, es handle sich im ersten Teil des Gedichtes ausschließlich um die Flucht aus Oberschlesien, nur bestätigt. Des Weiteren beschreibt auch eine große Anzahl von negativ gestimmten Adjektiven und Subjekten in jenem ersten Sinnabschnitt eher eine düstere, kalte und triste Stimmung, nur wenige positiv gestimmte Wörter sind vorhanden („barmherzige Leute“, Zeile 9), was auch zur vorhandenen Jahreszeit („Schnee“, Zeile 3 => Winter) passt. Mit Beginn des zweiten Sinnabschnittes ändert sich nicht nur die Grundstimmung, auch ist dort erstmals eine direkte Rede anzufinden, was das allmähliche „Aufwachen“ und den Beginn eines etwas aufgeheiterten Erzählstils kennzeichnen mag. Die letzten zwei Zeilen des Gedichtes beschreiben dann letztendlich in bildlicher Form die Hoffnung auf ein Verbessern der äußeren wie selbstverständlich auch der inneren Umstände, das Gedicht endet also mit einem positiven Gedanken. Ferner ist durch die Verwendung des Subjekts „Wind“, welches ja sowohl in den ersten beiden Zeilen, als eben auch in der vorletzten Zeile vorkommt, eine Art Schließung eines Kreislaufes festzustellen. Was dringend erwähnt werden muss, ist ein besonderes Stilmittel, bzw. eine besondere Wortmalerei im ersten „vierversigen“ Absatz des Gedichtes. Die Anfangsbuchstaben der Ausdrücke „Nachbars Stimme“ und „Netzen Schnees“ in Zeile 1, sowie „Nacht...Ställen“ in Zeile 5 ergeben „NS“ als gängiges Kürzel für die Nationalsozialisten, die ja bekanntermaßen an der Vertreibung der Menschen aus Oberschlesien Schuld waren. Heinz Piontek fügt sie so recht verdeckt mit in das Gedicht ein, was wiederum darauf schließen lässt, dass er verständlicherweise Angst vor einer direkten Bloßstellung der grausamen Taten unter der NS-Regierung hatte.

Gerade dieses prägende Erlebnis der grausamen Vertreibung und Flucht aus der Heimat hat wohl Heinz Piontek dazu angeregt, seine Gedanken und Gefühle betreffs eines solchen Themas in Form dieses Gedichtes loszuwerden. Betroffene dieser erzwungenen Völkerbewegungen sind an sich gerne bereit, über ihre sehr erschreckenden Erlebnisse in der Vergangenheit zu berichten, sei es als ein Versuch, dadurch die Geschehnisse und Ängste besser verarbeiten zu können, nachdem sie ausgesprochen wurden, oder als eine Art Warnung oder Mahnung der Erzähler an die Nachwelt, v.a. an solche Menschen die diese teils doch sehr furchtbare Zeit nicht direkt miterlebten, sich stets die Vergangenheit und Geschichte Deutschlands vor Augen zu halten. Der Autor dieses Gedichtes versucht außerdem durch sprachliche Rückgriffe bis in die Antike zu verdeutlichen, dass der Mensch ein scheinbar nicht belehrbares Wesen ist und trotz schrecklichster Ereignisse in vergangenen Zeiten jederzeit zu gleichem Übel bereit sein kann. Daher denke ich, dass Heinz Piontek dieses Werk eher auf der Grundlage der Ermahnung und natürlich auch Warnung geschrieben hat.

Obwohl es sich auf den ersten Blick und beim ersten Durchlesen scheinbar um ein schwer verständliches, verwirrtes, ja verstreutes (!) Gedicht zu handeln scheint, ist es dennoch gerade die Neugier, den Hintergrund und die genaue Bedeutung und Aussage des Gedichts „Die Verstreuten“ von Heinz Piontek zu fassen, die den Leser animiert, sich näher und intensiver mit dem Werk zu befassen, trotz aller Schwierigkeiten. Dem Autor ist es meiner Meinung nach sehr gut gelungen, den Betrachter seines Gedichtes zu faszinieren und neugierig zu machen, das Wichtigste ist jedoch, dass es ihm voll und ganz gelingt, einen in mehrerer Hinsicht bleibenden Eindruck bei jedem Leser, bzw. Bearbeiter zu erschaffen.

Quelle: http://www.lyrikwelt.de/autoren/piontek.htm

„Ich versichere, den Aufsatz selbstständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt zu haben.“

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Piontek, Heinz - Die Verstreuten
Autor
Jahr
2001
Seiten
4
Katalognummer
V103313
ISBN (eBook)
9783640016914
Dateigröße
326 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Falls mal jemand über dieses absolut unbekannte Gedicht eine Interpretation schreiben muss, bittesehr!
Schlagworte
Piontek, Heinz, Verstreuten
Arbeit zitieren
Veronica Kessler (Autor:in), 2001, Piontek, Heinz - Die Verstreuten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103313

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