Psychosomatik und Wirkweisen körperlicher Aktivierung. Zusammenhänge zwischen chronischem Stress und Diabetes mellitus Typ 2


Bachelorarbeit, 2021

66 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Metabolisches Syndrom & Diabetes Mellitus Typ 2
3.1.1 Metabolisches Syndrom
3.1.2 Diabetes Mellitus Typ 2
3.2 Chronischer Stress und Depressionen
3.2.1 Chronischer Stress
3.2.2 Depressionen
3.2.3 Körperliche Reaktionen auf chronischen Stress
3.2.4 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und Allostatic Load
3.3 Psychosomatische Zusammenhänge
3.3.1 Zusammenhänge chronischer Stress und Depressionen, Frühkindlichen Prägung
3.3.2 Zusammenhänge chronischer Stress & Metabolisches Syndrom/Diabetes Mellitus Typ 2
3.3.3 Zusammenhänge Depressionen und Metabolisches Syndrom/Diabetes Mellitus Typ 2
3.3.4 Die „selfish-brain “- Theorie
3.4 Epidemiologische Daten & Ökonomische Auswirkungen
3.4.1 Epidemiologie Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus Typ 2, Depressionen
3.4.1.1 Metabolisches Syndrom
3.4.1.2 Diabetes mellitus Typ 2
3.4.1.3 Depressionen
3.4.2 Ökonomische Auswirkungen Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus Typ-2, Depressionen
3.5 Körperliche Aktivierung - Sport- & Bewegungstherapie in der Prävention und Therapie psychosomatischer Erkrankungen

4 METHODIK
4.1.1 Ein- und Ausschlusskriterien & Suchmethodik

5 ERGEBNISSE
5.1 Tabellarische Darstellung einbezogener Studien
5.1.1 Körperliche Aktivität und Depressionen
5.2 Wirkwege körperlicher Aktivität und Depressionen
5.3 Wirkwege körperlicher Aktivität und Diabetes Mellitus Typ 2/Metabolisches Syndrom ..

6 DISKUSSION

7 ZUSAMMENFASSUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS, FREMDWÖRTERERLÄUTERUNG
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
9.4 Fremdwörtererläuterung

1 Einleitung und Problemstellung

Chronische Erkrankungen, wie Diabetes Mellitus Typ 2 und das Metabolischen Syndrom, haben sich im Laufe der letzten Dekaden zu einer Pandemie entwickelt. Vor allem in den Industrieländern lässt sich eine steigende Prävalenz nachweisen, obwohl Milliardensummen in die Prävention und Behandlung investiert werden. Weltweit sind 463 Millionen Menschen an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt. Die Internationale Diabetes Federation (IDF) sieht in der stetig wachsenden Prävalenz von Diabetes eines der größten sich entwickelnden Gesundheitsprobleme der Welt. In Verbindung mit Diabetes und dem Metabolischen Syndrom stehen häufig Übergewicht und Adipositas. In Deutschland sind laut Robert-Koch-Institut 67% der Männer und 53% der Frauen übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen wird sogar als stark übergewichtig kategorisiert (Robert-Koch-Institut, 2014). Auch auf dem Rest der Welt bleibt Übergewicht als ein ernsthaftes Problem des Gesundheitswesens bestehen. Sucht man nach den Gründen und Risikofaktoren für die Entstehung von Übergewicht, Diabetes oder dem Metabolischen Syndrom, werden häufig genetische Dispositionen, mangelnde körperliche Aktivität und hochkalorische Ernährung benannt. Betroffenen wird von der Gesellschaft häufig Eigenschaften wie Disziplinlosigkeit oder Willensschwäche zugeschrieben. Das gehäufte Auftreten stressassoziierter Erkrankungen, wie beispielsweise depressive Störungen bei an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Menschen, lassen diesen vereinfachenden Rückschluss unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten jedoch zunehmend fragwürdig erscheinen. Komplexere Erklärungsmodelle, wie die „selfish-brain“-Theorie (Peters, 2004), lassen bio-psycho­soziale sowie Zusammenhänge, vorrangig chronischen Stress und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Organismus, als Risikofaktoren für die Entstehung dieser Krankheiten erkennen. Auch erscheint aufgrund dieser relativ neuen Erkenntnisse die Einflussmöglichkeit von körperlicher Aktivierung im Sinne einer psychosomatischen Wirksamkeit in einem neuen Licht. Die bio-medizinische Perspektive von Krankheit und Gesundheit ist derzeit noch das dominierende Erklärungsmuster für die Entstehung verschiedenster Krankheitsbilder. Diese Sichtweise auf den Körper sucht nach einer feststellbaren Ursache, wie beispielsweise eine nachweisbare Schädigung von Zellen oder Gewebe, um eine Krankheit zu diagnostizieren und zu behandeln. Bei einigen postmodernen Krankheitsbildern, wie zum Beispiel Depressionen, lassen sich jedoch häufig keine klaren, feststellbaren Ursachen finden. Das bio-psycho-soziale 4 Krankheitsmodell bietet im Gegensatz zum bio-medizinischen Modell eine Einordnung multifaktorieller und heterogener Bedingungsfaktoren, welche an der Entstehung und Aufrechterhaltung komplexere Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen, beteiligt sind. Die Psychosomatik ist ein wachsendes Feld in der Medizin und erlangt immer mehr Aufmerksamkeit. Komplexere Krankheitsbilder können zunehmend besser verstanden werden. Im Rahmen der Erklärung, Prävention und Therapie verschiedenster Krankheitsformen muss es zu einer zunehmenden interdisziplinären und ganzheitlichen Sichtweise kommen, welche verschiedenste Regulationsebenen, wie soziale Bedingungen, neuronale- physiologische- und molekulare Prozesse berücksichtigt (Egle, Heim, Strauß & von Känel, 2020, S. 47).

2 Zielsetzung

Ziel der Bachelor-Thesis ist die Darlegung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands bezüglich chronischen Stresses und dessen physischer und psychischer Auswirkungen anhand einer narrativen Übersichtsarbeit. Schwerpunktmäßig mit dem Auftreten von Depressionen, dem Metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2. In diesem Kontext wird zudem die aktuelle Studienlage zu den psychosomatischen Auswirkungen allgemeiner körperlicher Aktivierung dargestellt, welche sich aufgrund der epidemiologischen Bedeutsamkeit auf die Krankheitsbilder des Metabolischen Syndroms/Diabetes mellitus Typ 2 und Depressionen beschränkt. Anhand der Ergebnisse soll eine neue Sichtweise zur körperlichen Aktivität im Sinne einer psychosomatischen Wirksamkeit verdeutlicht werden. Auf Basis der in der Literaturrecherche gewonnenen Erkenntnissen soll abschließend die Ableitung eines allgemeinen, praktikablen Handlungsansatzes im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention zur körperlichen Aktivierung und Prävention erfolgen. Der Handlungsansatz, welcher in der Thesis abgeleitet werden soll, soll bestenfalls einem multimodalen Ansatz entsprechen, um einem ganzheitlichen, bio-psycho-sozialem Betreuungskonzept gerecht zu werden. Die Frage, welche Inhalte dies sein könnten, wird versucht zu beantworten.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

In diesem Teil der Arbeit wird die einschlägige und gegenwärtige Datenlage zum aktuellen Kenntnisstand anhand zahlreicher Studien und Quellen dargestellt. Inhaltlich schneidet dieser Teil der Arbeit die grundsätzlichen und wissenschaftlich anerkannten Erkenntnisse zum Thema Diabetes mellitus Typ 2, Metabolisches Syndrom, chronischer Stress und Depressionen an. Dabei werden die klinischen Charakteristika sowie epidemiologische Daten sowie ökonomischen Auswirkungen kurz dargestellt. Zudem werden Zusammenhänge zwischen den dargestellten Krankheiten gezogen, um so die Tragweite und Zusammenhänge zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen zu beleuchten u. Dadurch sollen Anhaltspunkte zur Empfehlung des Handlungsansatzes gewonnen werden. Zuletzt wird das Konstrukt der körperlichen Aktivierung in Verbindung mit der Therapie von psychosomatischen Krankheiten kurz eruiert, um bereits etabliert Konzepte zu veranschaulichen.

3.1 Metabolisches Syndrom & Diabetes Mellitus Typ 2

3.1.1 Metabolisches Syndrom

Hanefeld, Schaper & Ceriello (2007) beschreiben die Eigenschaften des Metabolischen Syndroms als „ein heterogenes Cluster von Stoffwechselkrankheiten und Hypertonie, die eng miteinander assoziiert sind und mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen verflochten sind“. Als Indikatoren für die Diagnose werden die Adipositas (viszerale Adipositas), eine gestörte Glukosetoleranz, atherogene Dyslipidämie, ein erhöhter Blutdruck sowie erhöhte Triglyzerid- und reduzierte HDL- Werte aufgeführt (Hanefeld, Schaper & Ceriello, 2007, S. 177). Die endgültige Diagnose wird bestätigt, wenn mindestens drei dieser fünf Faktoren klinisch bestätigt sind. Schumm-Draeger & Riemann (2017) fügen zudem die Fettleber sowie eine bereits manifestierte Diabetes mellitus Typ 2-Erkrankung als zusätzliche klinische Charakteristika für dieses Krankheitsbild hinzu. Bei der viszeralen Adipositas, welche sich in Form einer Fettansammlung um die Organe innerhalb der Körperhöhlen zeigt, wurde eine positive Korrelation mit dem metabolischen Syndrom nachgewiesen. Die subklinische Inflammation, welche hauptsächlich in dysfunktionalem Fettgewebe von viszeral-adipösen Menschen entsteht, stellt laut aktuellen Erkenntnissen eine Hauptursache für die Entwicklung der oben genannten metabolischen Störungen und kardiovaskulärer Schäden dar. Die subklinische Inflammation ist gekennzeichnet durch die vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine wie Tumornekrosefaktor (TNF-a), Interleukin-6 (IL-6) oder monocyte chemoattractant protein 1 (MCP1). Gleichzeitig wird die Ausschüttung antiinflammatorisch wirkender Zytokine wie Interleukin 10 und Adiponektin inhibiert (Hanefeld & Pistrosch, 2017, S. 301). TNF-a hemmt die Phosphorylierung des Insulinrezeptors und reduziert somit die Insulinwirkung. Bei bereits insulinresistenten Personen ist zu dem die Produktion von IL-6 deutlich erhöht. Die Eigenschaften von IL-6 sind u.a die Inhibition der Bildung von Glukosetransporten und eine damit einhergehende verminderte Glukoseverwertung (Wirth, 2006, S. 58). Bereits 1947 konnte Jean Vague die weitaus verheerenderen Auswirkungen der viszeral betonten Adipositas, im Vergleich zur subkutan betonten Form, auf die Häufigkeit von Stoffwechsel erkrankungen und Hypertonie nachweisen. Der Unterschied zwischen viszeralem und subkutanem Fettgewebe liegt vor allem in der weitaus größeren hormonellen und metabolischen Aktivität des viszeralen Typs (subklinische Inflammation). Aus diesem Grund ist die Messung des Taillenumfanges ein Maß für das viszerale Fett und somit eine notwendige Bedingung für die Diagnose eines Metabolischen Syndroms (Wirth, 2006, S. 58). Die viszeral betone Adipositas ist daher mit einem höheren Risiko für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms assoziiert (Paschke & Blüher, 2003, S. 2319). Da aktuell keine einheitliche Definiton des Metabolischen Syndroms besteht, werden im Folgenden drei verschiedene Definitionen dargestellt. In den Tabellen eins bis drei werden die verschiedenen Definitionen mit den jeweiligen Kriterien und Grenzwerten dargestellt.

Tabelle 1 Definition des Metabolischen Syndroms nach den Kriterien NCEP ATP III (2001) (Vgl.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 Definition des Metabolischen Syndroms nach IDF (2005) (Vgl. Hahn, 2009, S. 231)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3 Definition des Metabolischen Syndroms nach den Kriterien WHO (1988) (Vgl. Hahn, 2009, S. 231)

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Nüchtern-BZ = Nüchtern Blutzucker, BMI = Body Mass Index, WHR = Waist to hip ratio, 2H-BZ = 2-Stunden- Blutzuckerwert, HDL = High Density Lipoprotein

3.1.2 Diabetes Mellitus Typ 2

Diabetes mellitus ist der Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels. Das Leitsymptom ist eine chronische Erhöhung des Glukosespiegels im Blut (Hyperglykämie). Die Ursachen einer Hyperglykämie sind entweder eine gestörte Insulinsekretion oder Insulinwirkung (Nauck et al., 2017, S. 94). Die Folge ist eine chronisch erhöhte Blutzuckerkonzentration, welche unbehandelt zu Schäden an Blutgefäßen und Nerven führen kann (RKI, 2016). Primärer Indikator für die Diagnose einer Diabetes mellitus ist der sog. HbA1c-Wert, welcher die durchschnitte Blutzuckerkonzentration der letzten 8 bis 12 Wochen beschreibt. Liegt der HbA1c-Wert größer oder gleich 6,5 % (48mmol/mol) liegt ein Diabetes mellitus vor. Weitere Diagnosekriterien werden in der folgenden Tabelle dargestellt.

Tabelle 4 Diagnosekriterien des Diabetes mellitus (Vgl. Nauck et al, 2017, S. 94)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

OGTT-2h-Wert = Oraler Glukosetoleranztest-2-Stunden-Wert, HbA1c-Wert = Hämoglobin A1c

Die Klassifikation des Diabetes mellitus erfolgt in vier Typen. Diese werden in der nachfolgenden Tabelle veranschaulicht. Dargestellt werden die Charakteristika der einzelnen Typen sowie einige differentialdiagnostische Kriterien.

Tabelle 5 Diabetes mellitus-Klassifikationen (Vgl. Roden, 2004, S .156)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

LJ = Lebensjahre

Im Kontext der Bachelor-Thesis beschränkt sich die Eruierung auf den Diabetes mellitus Typ 2. Die Pathomechanismen des Diabetes mellitus Typ 2 sind, laut Robert-Koch­Institut (2016), eine Kombination aus ungesunder Ernährung, Bewegungsmangel und daraus resultierendem Übergewicht (Robert-Koch-Institut [RKI], 2016). Vor allem kalorienreiche Kost, mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren und geringer Zufuhr von Ballaststoffen, scheint das Diabetesrisiko signifikant zu erhöhen (Hauner & Scherbaum, 2002, S. 1003). Als bewährtes Instrument zur Vorhersage einer Erkrankungsmanifestation kann die Familienanamnese dienen. Bei einem Elternteil mit Diabetes mellitus Typ 2 müssen statistisch 30 - 40 % der Nachkommen mit der Entwicklung einer Erkrankung im Verlaufe des Lebens rechnen (Hauner & Scherbaum, 2002, S. 1003). Zudem stellen Patienten mit diagnostiziertem Metabolischem Syndrom (Vgl. 3.1.1) eine Hauptrisikogruppe für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2 dar. Häufig geht ein bereits diagnostiziertes Metabolisches Syndrom einer Diabeteserkrankung voraus (Stadler, Fröhlich-Reiterer & Prager, 2016, S. 41). Wie auch bei Forschungen zum Metabolischen Syndrom festgestellt wurde (Vgl. 3.1.1), stellt bei Diabetes mellitus Typ 2 die Vermehrung und Akkumulation viszeralen Fettgewebes ein erhöhtes Erkrankungsrisiko dar (Hauner & Scherbaum, 2002, S. 1003). Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Diabetes im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes häufiger an Folgeerkrankungen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Einschränkungen der Nierenfunktion und Sehbeeinträchtigungen bis zur Blindheit, leiden (RKI, 2015, S. 65).

3.2 Chronischer Stress und Depressionen

3.2.1 Chronischer Stress

„Stress ist ein ubiquitäres Phänomen, welches unseren Alltag durchdringt und in verschiedensten Ausprägungen unser Leben beeinflusst“ (Feneberg & Nater, 2020, S. 155).

Im Alltagsgebrauch wird der Begriff „Stress“ für diverse Situation und Zustände verwendet. Dem modernen Menschen ist mittlerweile bewusst, dass chronischer Stress zu den bedeutsamsten gesundheitlichen Risikofaktoren zählt. Noch vor 50 Jahren war dieser Begriff für den Zivilisten weitestgehend unbekannt. Hauptsächlich benutzten Materialwissenschaftler diesen Begriff und bezeichneten damit physikalische Kräfte, die auf feste Körper wirkten und diese verformten (Kaluza, 2017, S. 4). Der Begriff Stress im physiologischen Kontext wurde erstmals von Walter Cannon im Jahre 1932 verwendet. Dabei beschrieb er das sogenannte „flight-or-fight “-Phänomen, welches zahlreiche biologische Reaktionen des Körpers angesichts einer für das Individuum bedrohlichen Situation beschreibt. Nach der Konfrontation mit einem bedrohlichen Reiz oder Situation löst der menschliche Organismus über zwei Stressachsen eine schnelle Freisetzung verschiedener Stresshormone (z. B. Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol) aus, was zu einer Erhöhung verschiedener biologischer Parameter, wie kardiovaskuläre Aktivität und Muskeltonus führt. Unter Stresseinfluss geht das Gleichgewicht zwischen Individuum und Umwelt, die sog. Homöostase, temporär verloren (Faller & Lang, 2016, S. 25). Der Körper stellt sich durch die Alarmbereitschaft auf eine „Kampf oder Flucht“- Situation ein, um der bedrohlichen Situation mit adäquaten Mitteln entgegen zu wirken (Feneberg & Nater, 2020, S. 155). Diese bedrohlichen Situationen bzw. Reize werden als sog. „Stressoren“ bezeichnet. Kaluza (2017) definiert Stressoren als äußere Anforderungsbedingungen in der Umwelt, durch welche es zur Auslösung einer Stressreaktion kommt. Stressreaktionen beschreiben im physiologischen Kontext all jene Prozesse, welche auf Seiten der betroffenen Personen als Antwort auf den einwirkenden Stressor in Gang gesetzt werden. Die Intensität solcher Reaktionen hängt j edoch von einer individuellen Reaktionsspezifität ab. Nicht jeder Mensch reagiert gleich auf denselben Stressor. Während das eine Individuum stärker mit dem Herz-Kreislauf-System reagiert, dominiert bei dem Anderen die Muskelanspannung. Begründet wird dies unter anderem durch genetische Dispositionen (Kaluza, 2004, S. 21).

Stressoren entstehen dabei auf unterschiedlichster Weise. Im Folgenden werden verschiedene Formen von Stressoren aufgelistet:

- Physikalische Umweltfaktoren: Kälte, Wärme, Lärm, Schmutz.
- Alltagsbezogene Faktoren: Zeitdruck bei der Arbeit, familiäre Verpflichtungen, finanzielle Sorgen.
- Körperliche Faktoren: Schmerzen, Verletzungen, körperlicher Einschränkungen, Infektionen, Hunger Durst, Schlafentzug, Substanzabhängigkeit.
- Psychosoziale Faktoren: soziale Isolation/Einsamkeit, Über- und Unterforderung, zwischenmenschliche Konflikte, Konkurrenz, Rollenkonflikte.

In der heutigen Welt spielen jedoch vor allem psycho-soziale und alltagsbezogene Stressoren wie Leistungsanforderung in der Schule, in der Universität oder am Arbeitsplatz eine einflussreiche Rolle. Auch zwischenmenschliche Beziehungen und damit verbundene Konflikte können Stressoren darstellen (Kaluza, 2017, S. 8). Stressoren können unterschiedlich wahrgenommen und verarbeitet werden. Dies ergibt sich aus der subjektiven Bewertung der mit dem Stressor konfrontierten Person. Ist der Betroffene sich nicht sicher, ob er die Anforderung bewältigen kann, erlebt er Stress und damit verbundenen physischen und psychische Stressprozesse, auf welche im späteren Verlauf noch explizierter eingegangen wird. Stressoren mit gesundheitsschädlichem Charakter entstehen also erst durch die subjektive Unsicherheit darüber, ob die eigenen Fähigkeiten zu Bewältigung der Aufgabe bzw. Anforderung ausreichend sind (Kaluza, 2017, S. 8). Eine Ausnahme stellen systemische Stressoren dar, dazu zählen: massive Druckveränderungen, extremer Blutverlust, erhöhter Blutzucker oder Inflammation. Bei dieser Stressoren-Art folgt eine direkte Stimulierung der HPA-Achse, ohne dass höhere Entscheidungsebenen notwendig sind (Knop & Heim, 2020, S. 88). Nach Kaluza (2004) und Busse, Plaumann & Walter (2006) sind die subjektive Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung des Reizes bzw. Stressors (außer systemische Stressoren) dafür verantwortlich, ob es zu einer gesundheitlichen Schädigung kommt oder nicht (Busse, Plaumann & Walter, 2006, S. 69, Kaluza, 2004).

Grundsätzlich können Stressoren sowohl positive (Eustress) als auch negative (Distress) Folgen auf den menschlichen Organismus haben. Positiver Stress kann sich beispielsweise in Form einer temporär erhöhten Energiebereitstellung und damit einhergehender Leistungsverbesserung beim Sport äußern. Stress als solches ist also nicht per se gesundheitsschädlich. Dies äußerte auch schon Hans Selye und betitelte Stress „als die Würze des Lebens“ (Busse, Plaumann & Walter, 2006, S. 66-67). Die Stressreaktion ist im Grunde der Prozess der Herstellung des Gleichgewichts zwischen äußerer Umwelt und Organismus und spielt somit eine unverzichtbare Rolle in der Sicherung des Überlebens eines Organismus. Stress ist daher nicht grundlegend gesundheitsschädlich (Werdecker & Esch, 2019, S. 351). Den Einflüssen chronischer Stresseinwirkungen wird im weiteren Verlauf und im Kontext der Forschungsthematik der Thesis noch zureichend Aufmerksamkeit geschenkt. Im Folgenden wird die Differenzierung von Stressoren nochmals mittels einer Abbildung veranschaulicht. Die Abbildung lehnt an das salutogenetische Modell von Antonovsky an, welches die individuellen Entwicklungs­und Erhaltungsprozesse von Gesundheit darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Das salutogenetische Modell in Bezug auf Stress (Vgl. Bengel et al. 2001)

3.2.2 Depressionen

Depressive Störungen zählen zu den häufigsten Formen psychischer Störungen. Die Hauptsymptome einer Depression zeigen sich in Form von gedrückter Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität sowie Interessenverlust und Freudlosigkeit.

Zusatzsymptome sind dabei verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken/- handlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit (WHO, 1993). Für die Diagnose einer depressiven Erkrankung müssen laut WHO mindestens zwei Hauptsymptome für mindestens zwei Wochen bestehen. Beim Vorliegen von zwei Zusatzsymptomen besteht eine leichte depressive Episode, bei drei bis vier Zusatzsymptomen eine mittelgradige depressive Episode. Eine schwere depressive Episode ist gekennzeichnet durch Bestätigung aller Hauptsymptome und mindestens vier Zusatzsymptome (WHO, 2004). Nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) wird das Krankheitsbild der Depression unter Kapitel V „Psychische und Verhaltensstörungen“ und in der Subkategorie der affektiven Störungen gelistet. Darunter fallen manische Episoden inkl. bipolare Störungen, bipolare affektive Störungen, depressive Episoden, rezidivierende depressive Störungen, anhaltende affektive Störungen, andere affektive Störungen sowie nicht näher bezeichnete affektive Störungen (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2018). Eine besondere Problematik liegt bei den rezidivierenden depressiven Störungen. Mindestens 50% aller Patienten mit erstmaliger Depression erleben mindestens eine weitere depressive Episode im Verlaufe des Lebens (Kupfer, 1991). Für die Entstehung einer depressiven Erkrankung sind meist mehrere Faktoren verantwortlich. Psychische Erkrankungen wie Depressionen sind meistens das Ergebnis eines bio-psycho-sozialen Zusammenspieles neurobiologischer Ursachen (genetische & neurochemische Faktoren), psychologischer Faktoren wie Angststörungen sowie sozialer Aspekte wie Familie, Partnerschaft oder Arbeitssituation (Leucht, 2018). Zahlreiche neuere Befunden aus der Wissenschaft deuten darauf hin, dass eine Korrelation zwischen chronischem Stress und einigen Depressionsformen besteht. Dies resultiert unter anderem aus erhöhten Kortisol-Spiegeln im Blut (Waller, 2013, S. 79). In einer Meta-Analyse (24 Studien) von Dowlati et al. (2010) konnten zudem proinflammatorische Zytokine, unter anderem TNF-a und IL-6 als Biomarker für depressive Erkrankungen festgestellt werden.

3.2.3 Körperliche Reaktionen auf chronischen Stress

Stress verursacht zahlreiche körperliche Vorgänge, die der Organismus als Antwort auf den einwirkenden Stressor mobilisiert. Dies geschieht, um die Handlungsbereitschaft des Organismus zu gewährleisten und das Überleben durch sich verändernde Umweltbedingungen zu sichern (Vgl. 3.2.1). Bei Stressreaktionen im menschlichen Körper handelt es sich um ein äußerst komplexes Geschehen, welches zahlreiche biologische und psychische Vorgänge beeinflusst (Kaluza, 2017, S. 18). Die ursprüngliche Stressreaktion basiert auf einem entwicklungsgeschichtlichen sehr altem Reaktionsmuster, welches den Urmenschen auf tatsächliche Kampf- oder Fluchtreaktionen vorbereitete. Die Erbeutung von Nahrung und die Abwehr wilder Tiere erforderten körperliche Aktivität und damit einhergehende Zucker- und Fettreserven, welche durch das Stressprogramm optimal zum Energieverbrauch bereitgestellt wurden. Bei einer akuten Stressreaktion kommt es auf endokriner (hormoneller) Ebene zu einer verstärkten Aktivierung des Autonomen Nervensystems (ANS). Dabei kommt es zu einer verminderten Aktivierung des Parasympathikus mit gleichzeitiger Innervation des Sympathikus während einer Stressreaktion. Die gesteigerte sympathische Innervierung führt im weiteren Verlaufe zu einer Beschleunigung des Herzschlags, zur Kontraktion von Blutgefäßen und Muskulatur, zu einer Erweiterung der Bronchien bzw. Atemwege und zu einer vermehrten Glukoseproduktion und -freisetzung aus der Leber (Feneberg & Nater, 2020, S. 157). Durch diese automatisierten Vorgänge wird der Körper innerhalb kürzester Zeit mit ausreichend Energie und Sauerstoff versorgt, um der Belastungssituation Stand zu halten und das körperliche Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Diese Anpassungsprozesse des Organismus lassen sich nach McEwen (1993) als „Allostase“ definieren und stellt die Fähigkeit des Körpers dar, das innere Gleichgewicht auch während physiologischer Stressbelastungen aufrechtzuerhalten. Während der Begriff „Homöostase“ den Zustand einer Stabilität und Ausgeglichenheit lebenswichtiger physiologischer Sollwert-Parameter wie pH-Wert und Körpertemperatur steht, definiert die Allostase die Fähigkeit des Körpers, die Integrität des Organismus durch adaptive Veränderungen aufrechtzuerhalten. Allostatische Systeme werden dabei nicht durch Sollwerte (wie bei der Körpertemperatur) definiert, vielmehr richtet sich der Sollwert, wie z.B. die Adrenalinausschüttung während sportlicher Aktivität, nach der jeweiligen Anforderung, die zu bewältigen ist (Schulz, Hessen & Gold, 2005, S. 453). Das Autonome Nervensystem, die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse (HPA-Achse) und das Immunsystem beschützen den Körper während des Einflusses von innerem und äußerem Stress, um so das Gleichgewicht des inneren Körpermilieus aufrecht zu erhalten (McEwen, 1998, S. 171). Unter heutigen Bedingungen und in der postmodernen Gesellschaft ist die körperliche Antwort auf Stress jedoch eine inadäquate Mobilisierung von Energiereserven, da diese meist nicht in körperliche Aktivität, wie beispielsweise die Flucht vor einem Tier, umgesetzt wird. Die Mediatoren der Stressreaktion, auf welche im weiteren Verlaufe noch genauer eingegangen wird, bewirken bei übermäßiger Ausschüttung pathophysiologische Veränderungen im Herz-Kreislauf-System, im Glukose- und Fettstoffwechsel sowie im Immun- und Nervensystem. Diese Veränderungen führen bei anhaltender Belastung zu der Manifestation verschiedener Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, Adipositas, Diabetes oder Infektionskrankheiten (Schulz, 2009, S. 531).

3.2.4 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und Allostatic Load

Durch die körperlichen Stressreaktionen und die damit verbundenen Mechanismen auf hormoneller Eben kann es zu einer Gesundheitsschädigung kommen. Um die in 3.2.3 erläuterten körperlichen Auswirkungen detaillierter und im Kontext dieser Arbeit nachvollziehen zu können, findet ein Einblick in die hormonellen, stressregulatorischen Körpersysteme auf endokriner Ebene statt. Dabei handelt es sich um zwei primäre „Stressachsen“, welche letztendlich für die Entstehung von Stressreaktionen im menschlichen Organismus verantwortlich sind. Im Folgenden beschränkt sich die Erläuterung jedoch auf nur eine Achse, die Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse). Die HPA-Achse ist eines der Hauptreaktionssysteme des Körpers bei Stress (Knop & Heim, 2020, S. 78). Wirkt ein Stressor, psychischer oder physischer Natur, auf den Körper des Menschen, kommt es in Folge des subjektiven Bewertungsprozesses zu einer verstärkten Aktivierung der HPA- Achse (Kozlowska, Scher & Helgeland, 2020, S. 163). Ausgangspunkt der HPA-Achse ist der im Gehirn gelegene Hypothalamus, welcher in Folge einer Stresseinwirkung das sogenannte Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) sowie Arginin-Vasopressin (AVP) als initiierende Reaktion ausschüttet. Diese Hormone führen im weiteren Verlauf zu einer Synthese und Sekretion des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) in der Hypophyse. ACTH gelangt über die Blutbahn zur Nebennierenrinde und regt dort die Produktion und Freisetzung von Glukokortikoiden in Form von Kortisol an (Feneberg & Nater, 2020, S. 157). Kortisol ist neben Adrenalin und Noradrenalin ein weiteres wichtiges Stresshormon und bereitet den Organismus durch Bereitstellung von Blutzucker und Feinabstimmung des Immunsystems auf eine länger anhaltende Belastung vor. Eine höhere Konzentration des Hormons wirkt immunsuppressiv und antiinflammatorisch, sodass überschießende Immunreaktionen und damit einhergehende Schädigungen des Körpers infolge von Stresseinwirkungen vermieden werden können (Knop & Heim, 2020, S. 85). Bei chronischen Stressbelastungen, also Stresseinwirkungen und damit einhergehender körperlicher Aktivierung über einen längeren Zeitraum, kommt es aufgrund der dadurch erhöhten Kortisol-Ausschüttung und weiteren Einflüssen jedoch zu schädlichen Einflüssen auf den Organismus (Knop & Heim, 2020, S. 89). Diese schädlichen Einflüsse bezeichnet McEwen (1998) als Allostatic Overload. McEwen beschreibt das hormonelle Stresssystem (HPA-Achse), das Immunsystem und andere biologische Systeme (u.a Körpertemperatur & pH-Wert) als sog. „allostatische Systeme“. Allostatische Belastungen (Allostatic-Load) beschreiben nun was passiert, wenn der Körper sich zu lange an permanente psychosoziale oder physiologische Situationen anpassen muss. Damit einhergehend sind Schädigungen eben dieser Systeme mit zahlreichen Symptomen (Feneberg & Nater, 2020, S. 156). Der Allostatic Load beschreibt im Allgemeinen einen Abnutzungsmechanismus des Organismus, welche sich aufgrund wiederholter oder chronischer Anpassungssituationen an stressbehaftete Einflüsse auf den Körper einstellen. Daraus resultierend ist eine Kaskade von Ursachen und Wirkungen, bei welcher die Freisetzung sog. „primärer Mediatoren“ durch Hormone der HPA-Achse und des sympathischen Nervensystems stattfindet. Als primäre Mediatoren kategorisiert McEwen Glukokortikoide und Katecholamine (Adrenalin & Nordadrenalin) sowie Dehydroepiandrosteron (DHEA). Die Folge sind die sog. primäry effects, secondary and tertiary outcomes (Schulz, Hessen & Gold, 2005, S. 453). Die konstante Sekretion primärer Mediatoren fördert einen Allostatic Overload (secondary outcomes). Im weiteren Verlaufe entwickeln sich negative Konsequenzen auf die Gesundheit des Organismus, unter anderem die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen oder Depressionen (Mauss et al., 2005, S. 6). Die folgende Darstellung veranschaulicht den stressregulatorischen Prozess von der Homöostase - dem Ausgangszustand, zum Allostatic Load mit einhergehenden gesundheitlichen Auswirkungen - einem chronischer Stresszustand. Hier soll vor allem die Chronologie zwischen Stresseinwirkungen und Gesundheitsschädigungen veranschaulicht werden.

Tabelle 6 Prozess von Homöostase zu Allostatic Overload (Vgl. Mauss et al, 2015, S. 6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Psychosomatische Zusammenhänge

Die psychosomatischen Zusammenhänge von chronischem Stress und den dargestellten Krankheiten nehmen im Rahmen Arbeit eine essenzielle Rolle ein. Ein besonderer Fokus liegt hier auf den Zusammenhängen zwischen Stress und Depressionen, Stress und dem Metabolischen Syndrom/Diabetes mellitus Typ 2 sowie Depressionen und Metabolisches Syndrom/Diabetes mellitus Typ 2. Außerdem werden die frühkindlichen Prägungen durch Stresserfahrungen, vor allem im Zusammenhang mit der Entstehung von Krankheiten im Erwachsenenalter, beleuchtet.

3.3.1 Zusammenhänge chronischer Stress und Depressionen, Frühkindlichen Prägung

Die Zusammenhänge von Stress und komorbiden Erkrankungen sind mittlerweile ein gut erforschtes Gebiet. Vor allem Depressionen werden immer häufiger in Zusammenhang mit chronischen Stresserfahrungen gebracht. Intensives Stresserleben oder Traumatisierungen in der Kindheit zählen zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer und somatischer Erkrankungen im Erwachsenenalter. Dazu zählen unter anderem: Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 und Depressionen (Heim, Dammering & Entringer, 2020, S. 185). Im Folgenden werden die Zusammenhänge zwischen Stress und Depressionen dargestellt. Außerdem wird ein Einblick gegeben, welche Systeme und Verursachungfaktoren zu einer erhöhten Vulnerabilität im Kindesalter führen.

Betrachtet man die Ergebnisse zeitgemäßer Studien, kann chronischer Stress auf Dauer auch zu einer hypoaktiven, also unteraktiven, HPA-Achse führen. Klinische Forschungsergebnisse von O'Keane et al. (2012) bestätigen in diesem Zusammenhang Hypokortisolismus (geringe Kortisolkonzentration) in der Entstehung und Progredienz bei stressbedingten Depressionen. Indikatoren bei Hypokortisolismus sind Phasen der Müdigkeit, Schmerzen sowie verminderte Stresssensitivität. Diese Anzeichen sind auch charakteristisch bei depressiven Patienten (Waller, 2013). Wie McEwen 1998 zudem in seiner Erforschung der Allostase festgestellt hat, geht die Akkumulierung allostatischer Belastungen über einen längeren Zeitraum mit einem erhöhten, allgemeinen Krankheitsrisiko einher (McEwen, 1998, S. 175). Studien belegen, dass psycho-soziale Stressoren wie Benachteiligung, ein niedriger sozioökonomischer Status und ungünstige Lebensbedingungen in der Kindheit auf Dauer zu einer erhöhten allostatischen Belastung, auch im Erwachsenenalter, führen können. Ein mittlerweile gut erforschter Biomarker zur Erfassung von allostatischen Belastungen über einen längeren Zeitraum sind die sog. Telomere. Als Telomere werden die protektiven Enden der Chromosomen eukaryotischer Lebewesen bezeichnet. Die Länge der Telomere und dementsprechende

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Details

Titel
Psychosomatik und Wirkweisen körperlicher Aktivierung. Zusammenhänge zwischen chronischem Stress und Diabetes mellitus Typ 2
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
66
Katalognummer
V1033533
ISBN (eBook)
9783346442109
ISBN (Buch)
9783346442116
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psychosomatik, wirkweisen, aktivierung, zusammenhänge, stress, diabetes
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Jan Wandelt (Autor:in), 2021, Psychosomatik und Wirkweisen körperlicher Aktivierung. Zusammenhänge zwischen chronischem Stress und Diabetes mellitus Typ 2, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1033533

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Titel: Psychosomatik und Wirkweisen körperlicher Aktivierung. Zusammenhänge zwischen chronischem Stress und Diabetes mellitus Typ 2



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