Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Aufgabenstellung
1.2 Zielsetzung, Nutzen
2 Einführung
2.1 Mensch und Maschine
2.1.1 Entwicklung der KI nach Ramge
2.1.2 Feedbackdaten
2.1.3 Entwicklung einer Superintelligenz?
2.2 Poppers Falsifikation
2.2.1 Poppers Einwand gegen den wissenschaftlichen Anspruch der Theorien von Freud, Adler und Marx
2.2.2 Unterschied zu den Theorien von Einstein
2.2.3 Popper’sche Feedbackdaten oder ein Algorithmus falsifiziert sich selbst
3 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Diese Projektarbeit entstand im Rahmen der Lehrveranstaltung „Wissens- und Prozessmanagement“ des MBA Digital Transformation Management Studiums an der Fachhochschule des BFI Wien.
1.1 Aufgabenstellung
Die Lektüre von Karl Popper Aufsatz „Conjectures and Refutations“ sowie des Buchs „Mensch und Maschine“ von Thomas Ramge bildet den Ausgangspunkt zur Ausarbeitung konkreter Fragestellungen. Diese beschäftigen sich mit der Theorie der Entwicklung einer Superintelligenz ebenso wie mit den Einwänden Poppers zu den Theorien von Siegmund Freud, Alfred Adler und Karl Marx. Im Rahmen der Projektarbeit soll ferner eine mögliche Verbindung zwischen dem von Popper dargelegten Prinzip der Falsifikation und den für die Künstliche Intelligenz (KI) essentiellen Feedbackdaten diskutiert werden.
1.2 Zielsetzung, Nutzen
Die Projektarbeit zielt darauf ab anhand der Wissenschaftstheorie von Karl Popper sowie der Entwicklungsperspektive künstlicher Intelligenz die erlernten, theoretischen Erkenntnisse durch eigenständige Überlegungen zu reflektieren.
2 Einführung
„I’m sorry Dave. I’m afraid I can’t do that.“
Der Supercomputer HAL 9000 verweigert die Befehlsausführung.
HAL 9000 ist ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Supercomputer eines Raumschiffes der in Stanley Kubricks Meisterwerk „2001: A Space Odyssey“ eine Forschungsmission sicher durch das Weltall bringen soll. Der Film kam 1968 in die Kinos und wird seither in regelmäßigen Abständen, etwa durch das American Film Institute (AFI), zu den besten Filmen aller Zeiten gezählt. Das Weltrauepos besitzt Kultstatus und wird auch nach 50 Jahren nicht müde immer jüngere Generationen von Cineast*innen zu begeistern. Das ist zum einen auf Kubricks visuelle Filmsprache zurückzuführen, anderseits thematisiert die Geschichte komplexe Fragestellungen der Gegenwart und Zukunft. Mit HAL, der Kurzform für Heuristically programmed ALgorithmic computer, schufen Arthur C. Clarke, selbst Physiker, und Kubrik nicht nur eine intelligente Maschine, die bereits über Spracherkennung verfügt und zur Konversation fähig ist, sondern einen eigenständigen Filmcharakter der Schachspielen und wenn notwendig auch Lippenlesen kann. Diese Fähigkeiten reflektieren die Tatsache, dass die Autoren die Expertise führender Wissenschaftler*innen, darunter auch KI-Forscher*innen, ihrer Zeit in das Drehbuch einfließen ließen.
Die Darstellung einer intelligenten Maschine, die sich selbstständig macht, illustriert die seit Beginn der Forschung auf dem Gebiet der maschinellen Intelligenz diskutieren Potenziale und Risiken anschaulich. Die Grundannahme, dass Maschinen ähnlich wie Menschen intelligent sein können, ist im Jahr 1968 keine ganz neue Idee mehr. Bereits 1948 argumentierte Alan Turing in seinem Aufsatz „Intelligent Machinery“ erste Perspektiven maschineller Lernfähigkeiten und damit Künstlicher Intelligenz (KI). Darin kommt er zu der bemerkenswerten Feststellung „that intellectual activity consists mainly of various kinds of search“ (Turing, 1948) und skizziert erste Grundzüge seines heute unter Turing-Test bekannten „Imitation Game“. Da so Turing, die Potentiale menschlicher Intelligenz nur unter der Voraussetzung geeigneter Trainings ausgeschöpft werden könnten, entwickelte er in Analogie zum menschlichen Gehirn die Idee eines geeigneten Lernverfahrens für Maschinen. Der Aufsatz wurde nicht veröffentlicht, gilt aber als das erste „Manifest Künstlicher Intelligenz“. (Copeland, 2004, S. 401)
Erst zwei Jahre später, im Jahr 1950, veröffentlicht Turing seine Ideen in „Computing Machinery and Intelligence“ und argumentiert, dass die meisten Programme „which we can put into the machine will result in its doing something that we cannot make sense of at all, or which we regard as completely random behaviour. Intelligent behaviour presumably consists in a departure from the completely disciplined behaviour involved in computation, but a rather slight one, which does not give rise to random behaviour, or to pointless repetitive loops.” (Turing, 1950, S. 459)
Spätestens mit Veröffentlichung dieser Arbeit ist der Grundstein für eine neue Forschungsdisziplin gelegt: die Künstliche Intelligenz (KI). Mit der Festlegung des 17. Jänner 1992 als Geburtsdatum von HAL 9000 waren Clarke und Kubrik allerdings etwas zu optimistisch, was den weiteren Verlauf der Forschung auf diesem Gebiet betraf. Zwar gab es seit den 1950er Jahren immer wieder Durchbrüche, begleitet von großer Euphorie und ebenso großen, mitunter zu großen, Erwartungen, aber „bis jetzt wurden diese zu hohen Erwartungen nie erreicht, weshalb die Hypes abflachten.“, resümiert Thilo Stadelmann, Professor für Informatik mit Fokus auf Künstliche Intelligenz an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (Attinger, 2019, S. 24)
Wie aber geht es HAL 9000 heute? Hierzu muss man zunächst nochmals Turings Modell der lernende Maschine, die als „Child-Machine“ von einen Lehrer trainiert wird und dadurch einem Menschen gleich reift, betrachten: „An important feature of a learning machine is that its teacher will often be very largely ignorant of quite what is going on inside, although he may still be able to some extent to predict his pupil's behaviour. This should apply most strongly to the later education of a machine arising from a child-machine of well-tried design (or programme). This is in clear contrast with normal procedure when using a machine to do computations: one's object is then to have a clear mental picture of the state of the machine at each moment in the computation.” (Turing, 1950)
Clarke beweist auch hier tiefe Sachkenntnis und zeichnet die Entwicklung der Maschine im Sinne Turings nach, allerdings in umgekehrter Chronologie: „Das Denken macht mir Schwierigkeiten. Mein erster Lehrer war Dr. Chandra. Er brachte mir ein Kinderlied bei: >Hänschen klein, ging allein in die weite Welt hinein...«Die Stimme verstummte so plötzlich, daß Bowman einen Moment wie versteinert inne- hielt. Seine Hand umfaßte einen der Erinnerungsblöcke, die noch eingeschaltet waren. Dann, unerwartet, begann Hal wieder zu reden. Er sprach jetzt viel langsamer, und die Worte klangen fremd und mechanisch. Ihrem Tonfall nach würde Bowman nie erraten haben, woher sie kamen. Guten ... Morgen ... Doktor ... Chandra ... Ich ... bin ... HAL ... Ich ... nehme ... heute ... meine ... erste ... Lektion ...« Bowman konnte es nicht länger ertragen. Mit einem Ruck riß er das letzte Aggregat her- aus, und Hal schwieg für immer.“ (Clarke, 1987, S. 145)
2.1 Mensch und Maschine
„Im Verhältnis von Mensch und Maschine ändert sich durch Künstliche Intelligenz im Grundsatz weniger, als es uns der ein oder andere KI-Entwickler weismachen möchte. (…) KI-Systeme, gut programmiert und mit den richtigen Daten gefüttert, sind nützliche Fachidioten.“, resümiert Ramge in seinen Schlussworten zu „Mensch und Maschine“. (Ramge, 2018, S. 93 f.)
2.1.1 Entwicklung der KI nach Ramge
Die Fragestellung, ob Ramge die Künstliche Intelligenz eher als eine Technologie schätzt, die menschliche Intelligenz ersetzt oder sich in Kombination mit dieser entwickeln wird, kann mit der oben zitierten Textpassage beantwortet werden. An plakativen wie alarmierenden Ideen rund um allmächtige Maschinen, die die Menschheit unterjochen oder im schlimmsten Fall auslöschen könnten, mangle es so Ramge nicht. Ebenso wenig an prominenten Verfechtern derartiger Thesen, angefangen bei Stephan Hawkins bis hin zu Elon Musk. Unabhängig von der Tatsache, dass die Geschichte der Menschheit eindrücklich unter Beweis gestellt habe, dass die Unterdrückung von Menschen auch ohne digitale Werkzeuge möglich ist, warnt der Autor eindringlich vor den Gefahren der Anwendung neuer Technologien in den falschen Händen. Debatten um eine Superintelligenz würden laut Ramge aber vor allem dazu beitragen, dass die tatsächlichen Gefahren, die mit einer schnelle Entwicklung sogenannter schwacher KI verbunden sind, unterschätzt oder nicht erkannt würden. Zu diesen zählt Ramge neben der Möglichkeit mit Hilfe künstlich intelligenter Systeme Menschen zu manipulieren auch die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung durch Regierungen und die Entwicklung hin zu einem „Datenmonopolkapitalismus“. Letzterem widmete der Autor mit „Das Digital“ ein eignes Buch. Ramge nennt zwar ebenfalls das Problem der Kontrolle künstlicher Intelligenz als wichtige Fragestellung, betont aber, dass die oben zitierten „nützlichen Fachidioten“ dies auch noch eine Weile bleiben werden. Er argumentiert, dass sie den Menschen das Denken nicht abnehmen können, da sie nicht in der Lage seien das große Ganze zu sehen. Allerdings brauche es eine kritische Reflexion unseres Verhältnisses zu Maschinen und der Frage, welche Entscheidungen wir an Maschinen delegieren und welche nicht.
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