Zur Legitimation von Sportunterricht


Seminararbeit, 2001

14 Seiten


Leseprobe


Zur Legitimation von Sportunterricht

1. Vorwort

Ziel dieser Seminararbeit soll sein, eine ausgearbeitete Form zu meinen Beiträgen an den Seminarsitzungen vom 11. 12. 2000, 18. 12. 2000 und 15. 01.2001 zu liefern, und damit die Vorbereitungen und den Verlauf zu dokumentieren. Das Thema Legitimation von Sportunterricht wurde schon während des Seminars in vorigen Sitzungen über andere Themen angesprochen und lieferte dort schon reichhaltigen Diskussionsstoff.

Somit konnte mit Vorwissen der Seminarteilnehmer gerechnet werden und auf bestimmte Zusammenhänge mit anderen Seminarsitzungen zurückgegriffen werden.

Im Mittelpunkt meiner Erarbeitungen steht die Frage nach der Legitimation von

Sportunterricht an jeder Schulform, im besonderen aber an Sonderschulen wie der Schule zur individuellen Lebensbewältigung, und die damit verbundenen Zielsetzungen, Aufgaben und Ansprüche, um den Seminarteilnehmern, auch im Hinblick auf kritische Hinterfragungen im späteren Berufsleben als Lehrer, den Sinn von Sportunterricht noch näher zu bringen.

2. Gedankenanregungen zur Einstimmung und Vorbereitung

Zur näheren und speziellen Vorbereitung und Einstimmung der Seminarteilnehmer auf die Inhalte meines Referats habe ich zum 11.12. 2000 ein Thesenpapier mit Zitaten aus der Fachliteratur zusammengestellt, die aus dem jeweiligen genauen Sinnzusammenhang gerissenen wurden. Sie sollten auf provokante Art einen groben Einblick in die Debatten namhafter Sportpädagogen liefern und dazu anregen sich mit dem Thema in seiner Tiefe auseinanderzusetzen und das breite Spektrum an Kritik, Perspektiven und Begründungen wahrzunehmen..

Im Folgenden habe ich diese Zitate noch einmal zusammengestellt:

-„Der größte Teil der Begründungen von Schulfächern ist auß erschulischer Natur. Sie zielen darauf ab, daß nicht für die Schule, sondern für das Leben außerhalb der Schule gelernt wird : für das Leben mit dem Körper, in der Natur, in der Freizeit, in der Gemeinschaft, aber auch für das Leben mit dem Sport“ ( Scherler ).

-„Sport soll zur Bewältigung von Situationen des außerschulischen Sports befähigen: zur Selbstorganisation sportlicher Situationen und zur Variation derselben, zum Sporttreiben mit Gleichaltrigen und zum Sport von Erwachsenen“ ( Kultusministerium NRW 1989 ).

-„Kinder haben mehr Spaß an motorischen Inhalten, wenn sie auch über mehr sportliches Können verfügen“ ( Bös ).

-„Die Anleitung zum Sporttreiben kann auch der Verein leisten, für gesundheitliche Auswirkungen reichen die wenigen Sportstunden pro Woche nicht aus, und sozialbildende Potenzen des Sports sind Annahmen ohne Beweisführung“ ( Größing ).

-„Darf Sport ein pädagogisches Mittel sein ?“ ( Scherler ).

-„In einer Umfrage mit 20jährigen zur Bedeutung des Sportunterrichts und des Sportlehrers für die aktuelle sportliche Aktivität schrieben weniger als 5 % der Schule einen bedeutsamen Einfluß zu“ ( Bös ).

-„Beim Sporttreiben besteht jedoch die Chance, jene bereichernden und z. T. genußvollen Erfahrungen des Umsonst - Getanen, des Zweckfreien und Spielerischen zu sammeln“ ( Balz).

-„Die sportliche Handlungsfähigkeit als personale Kompetenz im Unterricht zu vermitteln ist deshalb als Auftrag an die Schule gerechtfertigt, weil dem Sport eine hohe öffentliche Anteilnahme zukommt, er ein vielschichtiges und mehrdeutiges Phänomen unserer gegenwärtigen Kultur darstellt und in der Freizeit vieler Menschen in allen Sozialschichten eine bedeutsame Rolle spielt“ ( Größing ).

-„Gerade der Sportunterricht trägt zur Persönlichkeitsbildung der Schüler bei“ (Bös ).

-„Die Forderung, daß Sport ein Schulfach sein müsse, wird durch die gesellschaftlich wünschenswerten Folgen des Sporttreibens begründet“ ( Scherler ).

-„Körper- und Bewegungserfahrungen, wie sie im Schulsport vermittelt werden, sind wichtige Elemente der Persönlichkeitsentwicklung, und das Vertrauen in den eigenen Körper und die eigene körperlichen Leistungsfähigkeit sind die Basis für die Entwicklung einer sicheren Identität“ ( Bauer ).

-„Ein lehr- oder lernintensiver Sportunterricht ist für den Ausgleich von Bewegungsmangel, Einseitigkeit oder Freudlosigkeit gar nicht notwendig. Er kann sogar selbst kompensationsbedürftig werden“ ( Scherler ).

-„Der staatliche Erziehungsauftrag des allgemeinbildenden Schulsystems kann nicht an die Sportvereine deligiert werden“ ( Bauer ).

-„Aus sportwissenschaftlicher Sicht bildet Sportunterricht einen notwendigen, erlebnisreichen Ausgleich zum Schulalltag“ ( DVS ).

-„Kompensatorischer Schulsport behandelt nur die Symptome von Schulkrankheiten, nicht aber deren Ursachen : den Sitzzwang, die Kopfarbeit, die Lustlosigkeit“ ( Scherler ).

-„Was im Sport und durch Sport erworben werden soll, ist auch außerhalb des Sports bedeutsam, zum Beispiel Gesundheit“ ( Scherler ).

-„Deshalb geht es im Sportunterricht nur oberflächlich gesehen um das Sporttreiben. Pädagogisch gesehen geht es um die Entwicklung fundamentaler Dimensionen des Leibthemas : (...), die Sinnlichkeit und Sensibilität der Selbstwahrnehmung (...), die Begegnungsfähigkeit im leiblichen Umgang mit anderen...“ ( Funke - Wieneke ).

-„Verbessert der Schulsport tatsächlich die Gesundheit der Schüler ? Fördert mannschafts- dienliches Verhalten im Sportspiel wirklich rücksichtsvolles Verhalten außerhalb des Spiels ?“ ( Scherler ).

3. Stellungnahme zu den provokanten Thesen

Nach der selbständigen Auseinandersetzung der Seminarteilnehmer durch diese lose Zitatsammlung versuchte ich am 18. 12. 2000 in der von mir gestalteten Seminarsitzung an diese Vorgedanken anzuknüpfen und konfrontierte die Seminarteilnehmer mit weiteren provokanten Thesen und Meinungen, wie man sie häufig leider nicht nur auf der Straße vorfindet. Die Seminarteilnehmer bekamen jeweils zwei dieser Sätze zugeteilt, sollten diese vortragen und selbst dazu Stellung beziehen. Natürlich unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus anderen Seminarsitzungen, dem Selbststudium und durch meine Gedankenanregungen. In dieser Phase fungierte ich als Moderator und Helfer und ergänzte die Beiträge mit Stellungnahmen meiner Literaturrecherche. Somit sollte das bisherige Wissen der Seminarteilnehmer angewärmt und bereitgestellt werden, neue Gedankenanregungen geschaffen, Neues erfahren werden und das Bewußtsein daraufhin geschärft werden, wie wichtig es bei dieser Thematik ist, sinnvoll zu argumentieren. Der Legitimationsdruck auf unser Fach sollte deutlich werden.

Die provokanten Meinungen waren diese:

- „ Sport ist Freizeitaktivität und gehört deshalb in den Freizeitbereich; auch an der Schule ! “

- „ Ohne Sport kommt man doch heute doch locker durchs Leben; in welchem Beruf muß man heute denn noch sportlich sein?! “

- „ Mit welcher Begründung kann man Jemanden zum Sporttreiben zwingen ? “

- „ Sport an der Schule ist Zwang und Gängelei; Spiel und Sport soll doch Spaß machen ! “

- „ Die Schule ist mit Inhalten schon sehrüberladen; heute gibt es doch Wichtigeres zu lernen als Sport ! “

- „ Gerade beim Sport ist das Leistungsniveau so unterschiedlich und breit, daß gar kein vernünftiger Unterricht machbar ist ! “

- „ Sportunterricht an der Schule zur individuellen Lebensbewältigung ? Wieso, da gibt es doch genügend Therapie, ja sogar Sporttherapie ! “

- „ Was nützen denn die zwei Stunden Sport in der Woche ? - Und dann noch so viele Sportarten - da kann man doch nichts richtig lernen ! “

- „ Durch die Verpflichtung zum Sporttreiben im Unterricht wird dem Schüler doch der Spaß am eigentlichen Sport genommen ! “

- „ Um mehr Bewegung und Ausgleich im Unterricht zu haben, gibt es Pausen - wozu dann noch extra Sportunterricht. Auß erdem findet der sowieso nur einmal in der Woche statt ! “

4. Experiment

Nach diesen Stellungnahmen, Betrachtungen und provozierter Diskussion ( die auch statt- fand ), wiederholte ich die Ergebnisse und wies noch einmal auf den großen Legitimationsdruck hin, der auf unserem Fach lastet. Es folgte ein Vortrag meinerseits über die Legitimationsbegründungen und einigen Betrachtungen zur Problematik aus der Fachliteratur.

Diesen Vortrag bat ich mit einem Experiment zu begleiten. Die Seminarteilnehmer sollten in ihrer Stellung verharren und sich während des Vortrags so gut es eben geht, um noch aufpassen zu können, sich nicht bewegen. Dadurch wollte ich auf den Bewegungsdrang des Menschen hinweisen, der ihm innewohnt und der durch Sitz- und Kopfarbeit, wie sie in der Schule passiert sehr stark beschnitten, beziehungsweise ganz blockiert wird. Die Komilitonen sollten das einmal ganz bewußt in Selbsterfahrung wahrnehmen. Nach dem Vortrag wurde darüber reflektiert und festgestellt, daß unsere Kinder diesen Bewegungsdrang ja noch viel stärker spüren und noch viel weniger unter Kontrolle halten können. Wie begreifbar wird dadurch das Umkippen mit dem Stuhl oder das Losfetzen in den Pausen. Im Sportunterricht kann man diesem Bewegungsdrang nachgehen. So unsere Feststellungen.

5. Vortrag über die Legitimationsproblematik

Dieser Vortrag wurde relativ frei und zum Teil auch als Gespräch mit Verweisen auf das bis dahin Erarbeitete gehalten, um ihn lebendig zu gestalten. In ausgearbeiteter Form, die diese Seminararbeit verlangt, könnte er wie folgt formuliert werden:

Nachdem wir nun den Unterschied zwischen den Ansprüchen und Aufgaben von Freizeitsport und Schulsport festgestellt haben, möchte ich nun auf die Legitimationsdebatte der Fachwelt noch näher eingehen. Uns ist klargeworden, warum es wichtig ist gerade unser Fach Sport genau zu hinterfragen, was sagt nun die Literatur zu diesem Thema, wie begründet sie Sportunterricht und wie will sie ihn vorfinden ?

Der große Unterschied zwischen Schulsport und Freizeitsport ist folgender: Wer im Verein oder nachmittags Sport treibt, tut dies meist aus eigenem Antrieb. Er sucht sich seine Sportart, seine Lehrer und Mitstreiter, sofern es diese überhaupt gibt, größtenteils selber aus. Raum, Zeit und Anstrengung obliegt ebenfalls dem Einzelnen. Nicht so in der Schule: Im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht ist man dazu verpflichtet Sport zu treiben beziehungsweise am Sportunterricht teilzunehmen. Man kann sich weder Lehrer, Mitschüler und Inhalte selber aussuchen. Auch die Zeit, der Ort und die Art der sportlichen Betätigung ist vorgegeben. Schon deshalb wird der Sportunterricht begründungspflichtig. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, daß der Schulsport zur Zeit - sei es aus welchen Gründen auch immer - meist werden es finanzielle sein - an Stunden beschnitten wird, oder sogar die Forderungen laut werden, diesen ganz abzuschaffen. Leonhardt Kuckhart forderte dies zum Beispiel als nordrhein - westfälischer Landtagsabgeordneter.

Lehrer müssen also begründen können, warum ihre Schüler Sport treiben müssen und warum Sportunterricht zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule gehören muß.

Meist wird mit den wünschenswerten Folgen von sportlicher Betätigung, also mit einer Mittel-zum -Zweck Argumentation: Entweder mit den Vorteilen durch sportliche Betätigung oder durch die Nachteile, wenn also kein Sport betrieben wird.

Hierbei lassen sich zwei Begründungen unterscheiden: Die innerschulische Begründung und die außerschulische Begründung.

5.1. Zur innerschulischen Begründung

Hier wird auf den nötigen und lobenswerten Ausgleich zu anderen Fächern hingewiesen.

Durch Sportunterricht käme Bewegung, Körperlichkeit und Spaß in den Stundenplan. Andere Fächer produzieren Bewegungslosigkeit, Kopflastigkeit, Ernst und zu wenig spielerische Elemente. Sie bieten dafür kein geeignetes Forum, dieses könne der Sportunterricht sehr gut kompensieren.

Das Wohlbefinden der Schüler wird hier also zum Zweck erklärt; Schulsport fungiert als Mittel und wirkt als Kompensator für die unerwünschten Nebenwirkungen anderer Fächer verstanden. Es soll also die Defizite anderer Fächer ausgleichen, damit die Schule insgesamt erträglicher wird.

Diese Begründung steht sehr schwer in der Kritik, da sie dem Schulsport als Fach nicht gerecht wird.. Denn der Schulsport wird dabei nur zweitrangig verstanden. Diese Argumentation liefert keinen Anhaltspunkt für ein eigenständiges gleichberechtigtes Schulfach. Außerdem behandelt Schulsport nur die Symptome von den unerwünschten Schulkrankheiten, aber nicht die Ursachen von Sitzzwang, Kopfarbeit, Bewegungslosigkeit oder Lustlosigkeit, die von anderen Fächern produziert werden. Aktive Bewegungspausen mit Selbstbestimmungscharakter oder ein lebendigerer Unterricht mit Bewegung könnte genauso helfen.

Der Schulsport erscheint hier nur instrumentalisiert.

5.2. Zur außerschulischen Begründung

Sport soll an der Schule gelernt und kennengelernt werden, um ihn auch außerhalb der Schule betreiben zu können ROBINSOHN hat das 1967 so formuliert: „Schüler sollen in der Schule qualifiziert werden, künftig bedeutsame Lebenssituationen autonom und kompetent zu bewältigen.“ Wenn man die hier gemeinten Lebenssituationen als Grundlage nimmt, kann man bei der außerschulischen Begründung noch einmal zwischen einer innersportlichen Begründung und einer außersportlichen Begründung unterscheiden.

5.2.1. Zur innersportlichen Begründung : Erziehung zum Sport

Man lernt Sport, um ihn auch außerhalb der Schule betreiben zu können. Dabei wird davon ausgegangen, daß Sport und Bewegung während des gesamten Lebens zuträglich für Gesundheit, also für das körperliche und seelische Wohlbefinden, ist und deshalb im Leben wichtig und notwendig erscheint. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen hier einen eindeutigen Zusammenhang und eine Zuträglichkeit bei sinnvoll betriebenem Sport.

5.2.2. Zur außersportlichen Begründung : Erziehung durch Sport

Hier steht der allgemeine Erziehungsauftrag der Schule im Mittelpunkt und wird zum Ziel erklärt. Denn gerade beim Sport gibt es überfachliche Inhalte, wie zum Beispiel Selbständigkeit und soziales Verhalten. Die Wichtigkeit von gegenseitiger Hilfe, der Stellenwert von Selbstdisziplin, gegenseitige Achtung und Anerkennung der Leistung des

Anderen, Leistungsvergleich und damit Selbsterfahrung oder Gruppendynamische Prozesse können hier gelernt werden; und dies oft spielerisch und ohne pädagogische Überfrachtung.

Diese Begründung erscheint schon sehr viel vielschichtiger und scheint dem Sport und dem Fach Schulsport schon sehr viel gerechter zu werden. Dem Fach Schulsport werden hier eindeutig berechtigte Lernziele der Schule anvertraut; es wird dadurch jedoch wie SCHALLER und SCHERLER meinen immer noch zu stark instrumentalisiert, wenn man es nur damit legitimieren will. Die Begründungen scheinen zu weit hergeholt.

Eine wichtige Frage bei der Legitimation von Sportunterricht muß also sein, inwiefern es gerechtfertigt ist, diesen auch zu instrumentalisieren, und wieweit dies geschehen darf ! Darf und soll Sport also zum Mittel für pädagogische Zwecke gemacht werden ? Zumal ein Schulfach ja immer pädagogischen Zielsetzungen verhaftet sein wird. Inwiefern passen diese Zielsetzungen also zum Fach, wird es überladen ?

SCHALLER fordert in provokativer Art die Eigenstruktur des Sports in den Mittelpunkt zu stellen. Für ihn gelten Begründungen nicht, die nur Nebeneffekte des Sports beachten, sie werden dem Sport nicht gerecht. Deswegen kritisiert er auch Didaktikmodelle aus der Gesundheitserziehung, der Körpererfahrung und des Sozialen Lernens. Für ihn ergibt sich die Legitimation des Sports an der Schule aus der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Menschen für den Sport. Er soll nach Schaller also zweckfrei gehalten werden : Seine Ziele dürfen nur die sportimmanenten sein.

Dem könnte man folgendes entgegen halten: Was sind eigenständige Ziele des Sports ?

Werden durch sportliche Betätigung nicht auch bestimmte Zwecke verfolgt ?

Wenn man Sport treibt, will man doch oft etwas für seine Gesundheit tun.. Man will wieder einmal schwitzen, sich bewegen und den Körper spüren. Man will sein eigenes Geschick beweisen, etwas über sich selbst erfahren, sich mit anderen messen, zusammen mit anderen spielen, zusammen gewinnen, man will sich ablenken und die Natur erleben. Ob nun bewußt oder unbewußt : Sport wird gerade auf dem Hintergrund seiner Funktionen und Möglichkeiten betrieben; Sport um seiner selbst Willen impliziert das !

Sport ist immer auch Mittel und Zweck : Wer im Sportunterricht lernt Geräte sachgerecht aufzubauen, lernt doch auch gleichzeitig effizient und umsichtig zu arbeiten, motorisches Feingeschick und gemeinsame Arbeit und Abeitsteilung mit anderen; im Mannschaftsspiel heißt es Zusammenzuarbeiten und Teamgeist zu beweisen, um leichter ein Tor zu erzielen, dem anderen Vertrauen und ihm den Vortritt lassen, wenn er sich in einer günstigeren Position befindet.

Aus diesen Gründen sollte man meiner Meinung nach den Schulsport mit pädagogischen Zielsetzungen eben nicht überladen und die Ziele dem Sport weitgehend selbst überlassen. Die Möglichkeiten die dem Sport immanent sind sollte man kennen und sie behutsam und angebracht nutzen.

Stefan GRÖSSING formuliert vier Bereiche von Bewegungserziehung, auf die ich verweisen möchte; in dem Text von Marianne FROSTIG, der anschließend behandelt wird, werden diese noch näher erläutert und in ähnlicher Weise benannt. Stefan GRÖSSING nennt:

1. Bewegungserziehung ist für die Bewegung zuständig

Hierbei sollen Schüler in und zur Bewegung gebracht werden. Bewegung heißt Leben. Bewegung impliziert Zeit- , Raum- und Selbsterfahrung und bedeutet immer ein Stück Entwicklung.

2. Bewegungserziehung ist für den Körper zuständig

Der eigene Körper soll in seiner Art, seinem Können, seiner Entfaltung und seinen

Abhängigkeiten erfahren werden. Der Einzelne kann hier seine Leiblichkeit erfahren und erlebt seinen Körper und die Kontrolle der Motorik.

3. Bewegungserziehung ist für die Bildung zuständig

Planvolle Bewegungstätigkeiten unterstützen die kognitive und soziale Entwicklung und tragen deshalb zur Bildung des Schülers bei.

4. Bewegungserziehung ist für ein Kulturgut zuständig

Unsere Kultur ist von Bewegung und Körpererfahrung geprägt und diese nehmen darin einen hohen Stellenwert ein, dies gilt es als Lehrer im Auftrag des Bildungsauftrages der Schule zu vermitteln.

Noch weitere Gedanken:

Sport zählt wie Bildende Kunst, Musik, Werken und Religion zu den Fächern, die den Schülern helfen sollen, sich verschiedene Lebensbereiche, die zwar zur Existenzbewältigung nicht unbedingt notwendig sind, die aber die Qualität ihres Lebens aktuell und für lange Zeit, ja sogar während ihres gesamten Lebens bereichern und bestimmen können, zu erschließen. Hier sei noch einmal auf den Gesundheitswert des Sports, auf die sozialen Kontakte durch Sport im Verein etc. hingewiesen.

Sport als Unterrichtsfach ist nicht austauschbar, da es das einzige Fach ist, das die Körperlichkeit des Menschen als Ausgangs- und Bezugspunkt hat und sich damit auf jegliche Form menschlichen Handelns bezieht.

Deswegen könnte man grob zwei Ziele des Sportunterrichts formulieren, um Handlungsfähigkeit und damit auch Beurteilugsfähigkeit anzustreben und zu vermitteln, beziehungsweise durch Sport zu lernen :

Nämlich erstens die Befähigung zum Umgang mit dem eigenen Körper und zweitens die Befähigung die vorliegenden Körper- und Bewegungskultur zu kennen und an ihr teilnehmen zu können Aus diesen Zielsetzungen und Überlegungen wird deutlich, warum Sport an jeder Schulform, sei es Gymnasium oder an der Schule zur individuellen Lebensbewältigung völlig legitim ist und einen hohen Stellenwert einnehmen muß !

6. Bearbeitung von Texten mit Hilfe eines Fragenkatalogs durch die Seminarteilnehmer

Nach diesem Vortrag folgte die Auflösung des Experiments und ein Austausch darüber.

Mit Hilfe von einem Textauszug von Marianne FROSTIG aus ihrem Werk „Bewegungs- erziehung“, erschienen 1984 in München und Basel, Seite 17 - 23, sollte das Verständnis, die Aufgaben und die Möglichkeiten von Sportunterricht gerade im Bezug auf die besondere Situation an der Schule zur individuellen Lebensbewältigung noch weiter vertieft und die von Stefan GRÖSSING formulierten Zielbereiche noch näher erläutert werden. Dies sollte zunächst in einer eigenen Auseinandersetzung mit dem Text unter Hilfestellung eines von mir ausgearbeiteten Fragenkatalogs und danach in einem sich anschließenden Gespräch und eines gelenkten Rollenspiels geschehen.

Hier die Fragen des Katalogs:

1. Was sind die Ziele von Bewegungserziehung an der Schule ?
2. Was bewirkt Bewegungserziehung an der Schule bezüglich des Gesundheitszustandes ?
3. Warum ist gerade heute Bewegungserziehung an der Schule notwendig ?
4. Warum ist körperliche Geschicklichkeit im täglichen Leben wichtig ?
5. Wie hängen Wahrnehmung, Bewegungsimpuls und Handlung zusammen ?
6. Was sollte der Lehrer bezüglich des Selbstgefühls und seinem Zusammenhang mit der Bewegungserziehung wissen ?
7. Wodurch erlebt der Schüler Zeit und Raum ?
8. Welche Bedeutung hat das Zeit- und das Raumgefühl für den Schüler ?
9. Welche Störungen und Folgeerscheinungen können durch ein gestörtes Nervensystem auftreten ?
10. Welche Übungen sollten auf jeden Fall in jeder Stunde enthalten sein ?

7. Gelenktes Rollenspiel

Zum Abschluß der Seminargestaltung zur „Legitimation von Sportunterricht“ wurde ein vorbereitetes gelenktes Rollenspiel initiiert und von allen rege durchgeführt. Dieses Rollenspiel sollte noch einmal das Erarbeitete in einer Art Anwendung verdeutlichen und die Problematik noch transparenter machen.

Jeder Teilnehmer mußte einmal die Rolle des Sportlehrers einnehmen, der seinen Sportunterricht vor Eltern und Kollegen legitimieren muß und in einem anderen Fall den kritisierenden Gegenpart nach Rollenvorgabe. Das Rollenspiel wurde also jeweils von einem „Lehrer“ und einem „Anhänger der Elterninitiative zur Abschaffung des Sportunterrichts“ durchgeführt. Die Grundsituation war also folgende:

Krisensitzung: Der Sportunterricht soll abgeschafft werden! Eine Elterninitiative hat das angeleiert. Statt Sportunterricht soll es ein breiteres Therapieangebot geben und Arbeitsgemeinschaften, wie Singen Theater und Kunsterziehung, die man frei wählen kann.

Die Sportlehrer sind gar nicht begeistert und müssen nun begründen, warum sie ihren Sportunterricht beibehalten möchten.

In dieser Krisensitzung werden die Lehrer mit Meinungen von Anhängern der Elterninitiative und Kollegen zu diesem Thema konfrontiert und müssen Stellung beziehen.

Die einzelnen Rollen der „Anhänger der Elterninitiative“ waren:

1. Vater / Mutter

Dein Sohn Lucas ist schwerstbehindert. Du verstehst sowieso nicht, wie er Sport machen soll. Sport ist doch Handball und Fuß ball und Barrenturnen. Bei der Basalen Stimulation fühlt sich Dein Sohn viel wohler, da wird sich um ihn in der 1:1 Betreuung gekümmert: Toll, daß dieses Angebot weiter ausgebaut werden soll.

2. Vater / Mutter

Von Marius. Marius hat autistische Züge und ist oft Einzelgänger. Mit der Situation der Sporthalle kommt er nicht zurecht. Was soll er da auch? Am liebsten wäre Dir, wenn das Therapieangebot an der Schule ausgebaut würde und neue Therapiemöglichkeiten geschaffen und ausprobiert werden würden. Wobei Du noch nicht weiß t, ob Marius einen Therapieplatz bekommt. Sportunterricht ist auf jeden Fall für Deinen Sohn nicht sehr ergiebig und bringt ihn anscheinend nicht weiter: Die Einen spielen und tollen, Dein Sohn bleibt auß en vor und spielt höchstens mal in der Ecke mit dem Ball, allein und nicht immer.

3.Lehrer / Lehrerin

Du hältst nicht viel vom Sportunterricht. Du siehst die Schüler lieber in freiwilligen AG`s, und das nicht nur am nachmittag. Du bietest eine Theater AG mit Pantomime und Tanz an, leider fehlen Dir Schüler. Eine gute Möglichkeit Schüler dafür zu gewinnen.

Auß erdem macht Sport in der Halle und im Schwimmbad oft krank - wie leicht holen sich die Schüler da einen Schnupfen !

4.Vater / Mutter

Dein Sohn ist leicht geistig behindert und hat HKS. Im Sportunterricht kam es schon desöfteren zu Verletzungen und Streitereien im Spiel. Sport scheint gefährlich und nicht die

richtige Bildung für Deinen Sohn. Was soll denn da gelernt werden, vielleicht, wie man Schmerzen aushält ?

5. Lehrer / Lehrerin

Bewegungspausen im Unterricht sind wichtig und eine tolle Sache. Dich ekelt das

Schwimmbad an und auch in der Sporthalle weiß t Du nicht so recht, wie Du Unterricht machen sollst: Die Jungs wollen immer Fuß ball spielen und dürfen das auch und die Mädchen schämen sich im kurzen Sportdreß vor den Jungen. Sie sitzen gelangweilt in der Ecke rum. Sportunterricht - im Verein ja - an der Schule unnötig !

6. Vater / Mutter

Von Lisa. Lisa ist 10 Jahre alt und Sport macht ihr gar keinen Spaß , das sagt sie zumindest in der letzten Zeit. Sie will nämlich viel lieber singen. Obwohl sie motorisch nicht so geschickt ist, bekommt sie keinerlei Therapie. Auß erdem hat sieübergewicht und liegt zuhause gern vor dem Fernseher. Du liebst Deine Tochter und möchtest, daß sie ihrem Hobby, dem Singen noch mehr nachgehen kann. Sport empfindet Lisa als Gängelei, zumindest sagt sie das in der letzten Zeit, wobei sie am Tanzen auch schon viel Spaß hatte. Du bist auf ihrer Seite, Sport kann ruhig freiwillig angeboten werden.

8. Literaturverzeichnis

Bei der Vorbereitung auf die Seminargestaltungen habe ich mich mit folgender Literatur beschäftigt und verwendet:

Balz, Eckart : Schulsport heute - Standpunkt zum Durchblick. In : Sportpädagogik 1 / 96. 20.Jg.

Baur, Jürgen: Im Interesse der Jugendlichen und kinder - Aktion für den Schulsport. In Sport Praxis 1 / 97.

Bös, Klaus : Aufgaben und Möglichkeiten des Schulsports zur Gesundheistsförderung. In : Baumann, H. (Hrsg.) : Kongressband „Schulsport - wozu ?“. Aachen, 1995. Bös, Klaus : Schulsport - wozu ?. In : Sport Praxis 1/ 97.

Brodtmann, Dieter : Wenn..., dann... oder : Wann Schulsport unentbehrlich wäre. In : Sportpädagogik 1 / 96. 20. Jg.

DVS : Schulsport. In : dvs - informationen 3 / 92. Hamburg, 1992.

Frostig, Marianne: „Bewegungserziehung“. München, Basel, 1984.

Funke - Wienecke, Jürgen : Warum Sport in der Schule ? Was will die sportpädagogik in der Sportpädagogik. In : Sportpädagogik 1 / 96. 20. Jg.

Größing, Stefan : Anspruch und Ziel schulischer Bewegungserziehung. In : Bewegungs - Erziehung 3/ 94.

Größing, Stefan : Bewegungskultur als Perspektive für den Schulsport - über Zielsetzungen und Begründungen eines Unterrichtsfaches. In : Baumann, H. (Hrsg.) : Kongressband „ Schulsport - wozu ?“. Aachen, 1995

Hohlmeier, Monika : Die bildungs- und gesellschaftspolitische Bedeutung des Schulsports. In: Baumann, H. ( Hrsg. ) : Kongressband „Schulsport - wozu ?“. Aachen, 1995.

Hummel, A. : Sport und gymnasiale Bildung - Versuch einer pädagogischen Begründung. In : Körpererziehung 7 / 8 / 97

Kugelmann, Claudia : Warum Sportunterricht sinnvoll ist. In . Sportpädagogik 1 /96. 20. Jg. Schaller, H.J.: Instrumentelle Tendenzen in der Sportpädagogik. In : Sportwissenschaft 22 (1992 ), 1.

Scherler, Karlheinz : Die Instrumentalisierungsdebatte in der Sportpädagogik. In : Sportpädagogik 2 / 97.

Scherler, Karlheinz : Legitimationsprobleme des Schulsports. In . Sportpädaogogik 1 / 94.

Wengler Markus

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zur Legitimation von Sportunterricht
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V103414
ISBN (eBook)
9783640017928
Dateigröße
364 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Legitimation, Sportunterricht
Arbeit zitieren
Markus Wengler (Autor:in), 2001, Zur Legitimation von Sportunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103414

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