Heinrich von Treitschke


Seminararbeit, 2001

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biographie

3. Deutschland zwischen 1850 und 1880

4. Treitschkes Welt- und Geschichtsbild

5. Quellennachweis

6. Anhang

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit soll das Welt- und Geschichtsbild eines, in der Gegenwart nur allzuoft ignorierten Geschichtsbaumeisters der Preußenlegende, Historikers, Publizisten und Nationalisten kurz veranschaulicht werden.

Es wird auf seine Lebensgeschichte eingegangen und gezeigt, wie sich bestimmte Einflüsse und Gegebenheiten in seiner Jugend auf sein Denken und Wissen auswirkten. Dabei ist es wichtig gewesen, die politische und gesellschaftliche Situation Deutschlands um 1870 mit zu zeigen, denn diese prägte eine ganze Generation.

2. Biographie

Heinrich von Treitschke kam am 15. September 1834 in Dresden als zweites Kind des sächsischen Generalleutnants Eduard Heinrich von Treitschke und seiner Frau Marie zur Welt. Mit 8 Jahren erkrankte der Junge an Pocken und Masern, in deren Verlauf er sich durch eine Komplikation ein Gehörleiden zuzog, welches Schwerhörigkeit hervorrief und sich schon zur Jugendzeit zur fast völligen Taubheit verschlimmerte.1 Er besuchte die Dresdner Kreuzschule, die er mit 17 Jahren mit dem Abitur und der Auszeichnung „primus omnium“ verläßt. Danach studierte er unter anderem in Leipzig, Bonn (bei Dahlmann), Tübingen und Freiburg im Breisgau Geschichte und Nationalökonomie. Nach seiner Promotion zum Dr. iur. und Habilitation (1858: „Die Gesellschaftswissenschaft“) wurde er 1863 zum Professor für Staatswissenschaften in Freiburg ernannt. Es folgten Anstellungen als Professor für Geschichte in Kiel (1866), in Heidelberg (1867) und schließlich als Nachfolger Rankes in Berlin (1874). Diesem folgte er auch als Historiograph des preußischen Staates nach 1886. Seine Popularität als akademischer Lehrer verdankte Heinrich von Treitschke, der unter Kollegen oft sehr umstritten war, seinen brillanten, rhetorischen Fähigkeiten und seiner Gabe, historische Ereignisse zu aktualisieren und darüber zu Streitfragen seiner Zeit dezidiert Stellung zu nehmen. Sein historisches Hauptwerk, eine allerdings nur bis 1847/48 reichende „Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert“, liest sich wie eine Schrift zur Legitimation der Politik Preußens und dessen Aufstieg zur deutschen Vormacht. Während der erste Band mit seinem Rückblick auf die borussisch-brandenburgische Geschichte von 1648 bis 1815 gewissermaßen den roten Faden der Preußenlegende gab, behandelten die weiteren Bände die Periode des Vormärz bis 1847. Ganz im Bannkreis preußisch- deutscher Geschichtsideologen standen seine aufsehenerregenden politisch-historischen Essays in den „Preußischen Jahrbüchern“. Sie galten vorwiegend der Schaffung eines deutschen Nationalstaates unter Preußens Führung in einem liberal-konstitutionellen Gewande. Sie waren gegen Österreich, den Hauptgegner Preußens in Deutschland, aber nicht weniger gegen eine demokratische Lösung der nationalen Frage durch eine von unten kommende Revolution.

Seine anfänglich liberale Einstellung wich immer mehr einer Verherrlichung der preußischen Staatsidee und auch des Reichskanzlers Otto von Bismarck, dessen Widersacher er vorher war. Als nationalliberaler, später parteiloser Abgeordneter des deutschen Reichstages förderte er mit allen Mitteln die Verpreußung und Militarisierung Deutschlands. Wegen dieser borussischen Loblieder wurde er 1884 vom Kaiser mit dem Verdun-Preis ausgezeichnet.

Heinrich von Treitschke starb am 28. April 1896 in Berlin.

3. Deutschland zwischen 1850 und 1880

Um Treitschkes Welt- und Geschichtsbild besser verstehen zu können, sollten wir uns zuvor einen Überblick über die damalige gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Situation in Deutschland verschaffen.

Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert geriet die traditionelle, in Stände gegliederte Gesellschaft zunehmend in Bewegung. Staatliche Reformen, man erinnere an die Stein- Hardenbergschen Reformen, die Bauernbefreiung, die Einführung der Gewerbefreiheit in einigen Gebieten, sowie die Anfänge der Industrialisierung verändern die wirtschaftliche und gesellschaftliche Grundordnung. (Treitschke erwies sich als außerordentlicher Verehrer des Freiherrn von Stein. In seinem Buch „Bilder aus der Deutschen Geschichte“, Erster Band, Politisch-Soziale Bilder, erschienen im Hirzel Verlag, Leipzig 1920, schreibt er: „Einer aber stand in diesem Kreise nicht als Herrscher, doch als der Erste unter Gleichen, der Freiherr von Stein, der Bahnbrecher des Zeitalters der Reformen;...Der Gedanke der deutschen Einheit, zu dem die geborenen Untertanen erst auf den weiten Umwegen der historischen Bildung gelangen, war diesem stolzen reichsfreien Herrn in die Wiege gelegt“). Diese Kräfte der Veränderung tragen dafür Sorge, daß zusammen mit infrastrukturellen Verbesserungen, wie zum Beispiel der Eisenbahn und dem Straßen- und Kanalbau, ein einheitlicher Wirtschaftsraum sich zu entwickeln beginnt. Dieser umfassende Wandel ist jedoch begleitet von tiefgreifenden sozialen Problemen. Hungersnöte, Massenarmut, Epidemien aufgrund unzureichender hygienischer Verhältnisse und Auswanderungen prägen somit die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.2

Vor allem aber in den Städten beginnt sich eine neue gesellschaftliche Struktur auszuformen. Mehr und mehr regt sich ein selbstbewußtes Bürgertum, welches seine Geschicke selber in die Hand nehmen will und mit diesem Konzept eine ungeheure Dynamik entfaltet, die sich in den Jahren des Vormärz auch politisch in den Einzelstaaten und auf nationaler Ebene durchzusetzen versucht. Um die Jahreswende 1847/48 verschärfen sich die politischen und sozialen Spannungen. Volksversammlungen, Bauernrevolten und Petitionen an die Regierenden häufen sich. Schließlich führt das Vorbild der Pariser Februarrevolution zu den Märzaufständen in Wien und in Berlin. Die deutschen Fürsten sehen sich gezwungen auf Forderungen einzugehen. Sie gewähren liberale Verfassungen, berufen liberale Ministerien ein, versprechen die Presse- und Versammlungsfreiheit, sowie ein gesamtdeutsches Parlament. Frankfurt am Main wird dabei zum wichtigsten Schauplatz der Revolution, denn hier tagt das unmittelbar aus der Bewegung hervorgegangene Vorparlament. Am 18. Mai 1848 wird schließlich die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche eröffnet. Parteien im modernen Sinne gibt es noch nicht, doch in den Debatten entwickeln sich parteiähnliche Gruppierungen, wobei die liberale Mitte in der Mehrheit ist.3 Doch die Revolution von 1848/49 mit ihrem Versuch, einen den politischen und sozialen Forderungen der Zeit entsprechenden nationalen Verfassungsstaat zu schaffen, ihn auf freiheitlichem und demokratischem Wege von unten her durchzusetzen, scheiterte. Bei der Suche nach den Ursachen muß man viele Faktoren berücksichtigen, die aufeinander einwirkten und sich gegenseitig verstärkten. Letztendlich aber lag das Scheitern am Problem der deutschen Einheit. Die nationale Frage wurde zu einer reinen Machtfrage zwischen dem wiedererstarkten Preußen und Österreich. Während mit dem Ende der Paulskirchenversammlung der Weg für soziale Reformen vorerst abgeschnitten war, blieb der Wunsch eines einheitlichen deutschen Nationalstaates weiterhin im Mittelpunkt des preußisch-österreichischen Dualismus, der die Politik der folgenden Jahrzehnte bestimmte. Dieses politische Ziel nach einer nationalen Einigung Deutschlands unter der Führung Preußens lag zu dieser Zeit vielen historisch- staatswissenschaftlichen Arbeiten Heinrich von Treitschkes zugrunde. Seine politischen Essays in den „Preußischen Jahrbüchern“ richteten sich überwiegend gegen Österreich als Hauptgegner eines preußisch-dominierten Deutschlands, als auch gegen eine demokratische Lösung der nationalen Frage durch eine sich wiederholende Revolution von unten.4

Doch das bürgerliche Selbstbewußtsein, welches mit großer Überzeugung davon ausging, letztendlich doch auf der Siegerseite der Geschichte zu stehen, war durch die politische Niederlage im Kern nicht erschüttert. Es gab keine Flucht aus der Politik und der wirtschaftliche Aufschwung der fünfziger Jahre war nicht ursächlich mit dem Scheitern der Revolution verknüpft. Jedoch war das radikale Bürgertum sehr stark durch Emigration und Unterdrückung geschwächt. Der gemäßigte Liberalismus kehrte allerdings schon nach kürzester Zeit mit neuem Gewicht auf die politische Bühne zurück. Er versuchte gegen die Willkür der konservativ-reaktionären Kräfte und Regierungen, den Gedanken des Rechtsstaates durchzusetzen. Jedoch wurde ein großer Teil der Liberalen durch Veränderungen und Erfahrungen geprägt, wie zum Beispiel der Einsicht, daß der wirtschaftliche Aufschwung nicht, wie man früher glaubte, an die volle Ausbildung liberaler politischer Institutionen gebunden war. Eine eindeutige Klärung der Machtfrage gehörte scheinbar nicht zu den nötigen Voraussetzungen für die Durchsetzung bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaftsstrukturen. Es hatte sogar den Anschein, als könnte der materielle Fortschritt Änderungen in der sogenannten „Prinzipienpolitik“ früherer Jahre erzwingen. „Realpolitik“ wurde zu einer zentralen Forderung des Liberalismus der fünfziger Jahre.5

Zu dieser Zeit gab es kein anderes Problem, welches die Gemüter, das Denken und Handeln der Leute so beschäftigte wie die nationale Frage. Trotz der Enttäuschungen war die Hoffnung auf einen nationalen deutschen Staat unverändert geblieben. Der preußische König Friedrich Wilhelm hatte zwar eine Zusammenarbeit mit der Frankfurter Nationalversammlung abgelehnt, doch seine Regierung unternahm Schritte, um ein Bündnis mit den deutschen Fürsten einzugehen, welches doch noch die Schaffung eines preußisch dominierten Nationalstaats legitimierte. Aber trotz der Unterstützung liberaler Nationalbewegungen und der Gründung eines „Unionsparlaments“ 1850 in Erfurt erzielte die preußische Regierung keinen greifbaren Erfolg, denn die Habsburger Monarchie war aus den revolutionären Erschütterungen sowohl politisch als auch militärisch gestärkt hervorgegangen. Ein deutscher Nationalstaat war daher auf absehbare Zeit nur im direkten Konflikt mit Österreich möglich, so daß eine kriegerische Auseinandersetzung nicht zu vermeiden war. So kam es am 3. Juli 1866 zur entscheidenden Schlacht bei Königgrätz, aus der Preußen als Sieger hervorging. Der deutsche Liberalismus geriet durch diese Ereignisse in eine tiefe Krise. Bewegungslos hatte man mit ansehen müssen, wie sich die preußische Regierung nicht nur im Verfassungskonflikt behauptete, sondern darüber hinaus auch politische und militärische Erfolge erzielte, durch die wesentliche Ziele der nationalen und liberalen Bewegung erreicht wurden. Nach dem Sieg über Österreich klagten viele, mit Blindheit geschlagen gewesen zu sein und beugten sich „vor dem Genie eines Bismarck“.6 Heinrich von Treitschke prägte passend zu diesem Augenblick die Formulierung: „Unsere Revolution wird von oben vollendet, wie begonnen, und wir mit unserem beschränkten Untertanenverstande tappen im Dunkeln“.7

4. Treitschkes Welt- und Geschichtsbild

Heinrich von Treitschke litt seit seiner Kindheit, aufgrund einer Pocken- und Masern Erkrankung an einem unheilbaren Hörleiden, welches zunächst nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wurde, eine Schwerhörigkeit hervorrief, die sich schon während seiner Jugend zur fast völligen Taubheit verschlimmerte. Doch anstatt daran zugrunde zu gehen, richtet er sich im Vertrauen und in der gläubigen Hinwendung zum „ewigen“ Vater wieder auf und weiß, dass er dem „milden Trost“ des Vaters seinen „Seelenfrieden und sein Glück dankt“.8 Die Wiederholung ähnlicher Motive in späteren Jahren seines Lebens ist erstaunlich, doch erfolgt in einigen Zusammenhängen eine bemerkenswerte Wandlung. Die Wendung vom „milden Trost“ wird bei Treitschke noch häufiger auftauchen und in seinen Überlegungen, vor allem im Hinblick auf den Verlauf der deutschen Geschichte, den es nämlich nach dessen Ansicht zu keinem weiteren Zweck als dem eines politischen „Trostes“ für die Gegenwart zu erforschen gelte, eine Rolle spielen. Eine Veränderung von der echten und duldsamen Frömmigkeit seines lutherischen Elternhauses und das rasche Hineinwachsen in eine neue Daseinsform, welche auf anderen Stützen als denen des christlichen Glaubens beruht, läßt sich in den ersten Bonner Semestern verfolgen, als der junge Student besonders unter der zunehmenden Schwerhörigkeit litt. Schon nach den ersten Vorlesungsbesuchen musste er feststellen, dass er keinen Dozenten richtig verstand. „(...)und wenn ich , besonders in der ersten Woche, manchmal während des ganzen Kollegs kein einziges Wort verstanden hatte, machte mich dies oft ganz trostlos“.9 So war er ganz auf das Nachschreiben angewiesen. Die Kontrolle des eigenen Gedankenganges, welche die Verständigung mit einem Gesprächspartner zu bieten vermag, blieb ihm somit verschlossen. Er war nicht dazu in der Lage, seine Ansichten an ausgesprochenen Gegenargumenten zu überprüfen und zu korrigieren, sprich die Möglichkeit von „Rede und Gegenrede“ war für ihn nicht gegeben. Diese Tatsache wird auch zu der Schärfe seiner Urteile über fremde Länder, vornehmlich England und später auch Österreich, mit beigetragen haben.10 Der Loslösungsprozeß vom politisch- konservativen und christlichen Elternhaus wird in einem Brief an den Vater vom 3. Juli 1852 deutlich. In diesem vermischt Treitschke zwei Zitate, und zwar das paulinische Wort11, welches er allerdings ein wenig umwandelte12 und den zu dieser Zeit jedem Gebildeten geläufige Satz aus Hegels Rechtsphilosophie: „Was vernünftig ist, ist und was ist, ist vernünftig.“ Der junge Student stellt fest, daß dieser Satz eine große Rolle in den philosophischen Kollegs spielt und führt ihn zugleich auf einen angeblich ursprünglich alten Sinn zurück, der im Christentum schon längst ausgesprochen sei. Durch die Zuhilfenahme eines neutestamentlichen Wortes erschließt sich dem jungen Treitschke somit die Bedeutung des hegelschen Satzes „von der Wirklichkeit der Vernunft und der Vernünftigkeit der Wirklichkeit“.13 Dieser Brief an den Vater läßt den Zusammenschluß von christlichem Verhalten und philosophischem bzw. vernünftigem Weltverständnis erkennen. Beide Zitate ermöglichen es ihm, auch sein Leiden als „sinnvoll“ hinzunehmen, da es nämlich im Zusammenhang der göttlichen oder der vernünftigen Weltordnung ( was von nun an das selbe bedeutet ) nichts Unvernünftiges geben darf und kann. Diese Krankheit und die daraus folgende Taubheit haben das Leben und Wirken Treitschkes stark beeinflusst und ihn zu dem gemacht was er war. Selbst als er schon als habilitierter Privatdozent ungewöhnliche Vorlesungserfolge feiert, kommt der Gedanke an die ihm verschlossenen Möglichkeiten wieder auf. Das Wissen, eigentlich in einem anderen Beruf glücklicher zu sein, wenn nicht „der Dämon in seinem Ohre wäre“, wie die Krankheit von ihm genannt wird, begleitet ihn noch in der Zeit seiner ersten akademischen Erfolge.14 Von der Laufbahn des Soldaten als auch des Staatsmannes ausgenommen, kam es ihm umso mehr darauf an, wenigstens mittelbar als Historiker und als Publizist am „Fortschritt seines Volkes“ mitzuwirken. Er hofft in einem Parlament, vornehmlich des preußischen, dessen Mitglied er 1871 dann auch wurde, an der Verwirklichung seiner Ideale mitarbeiten zu können. „ Ich möchte gern, tätiger als es mir vergönnt ist, schaffend auf den Markt des Lebens treten, mitwirken für die unvergänglichen Güter der Freiheit, der Schönheit und Wahrheit“.15 Diese Ideale bestimmen die politischen Vorstellungen , die den Inhalt einer idealistischen Politik bilden. Sein Lebenswerk, die „Deutsche Geschichte“, schien ihm nur ein Ersatz dafür gewesen zu sein, an der Aufrichtung des deutschen Einheitsstaates als Staatsmann oder Soldat mitzuwirken. So ergab es sich, daß Treitschke zum einflußreichsten Historiker der preußisch-kleindeutschen Schule wurde, der gleichzeitig auch einer der einflußreichsten Publizisten seiner Zeit war. Er überzeugte durch seine fundierten historischen Kenntnisse, die er oft in den Dienst seiner politischen Ziele stellte, die anfangs noch liberal, später jedoch äußerst konservativ waren, sowie durch seine Fähigkeit, Zusammenhänge klar und lebendig darzustellen. Dadurch konnte er großen Einfluß auf die deutschen Historiker und die Führungsschicht der Wilhelminischen Ära gewinnen. Die Studenten drängten sich in seine Vorlesungen, doch Frauen duldete er dort nicht. Er galt bei Briten und Franzosen im Weltkrieg als prototypisches Beispiel für einen planmäßig inszenierten deutschen Chauvinismus mit kriegerischen Weltmachtgelüsten, als arroganter Aristokrat und Antisemitist. Und für wahr, in einer kurz vor seinem Tode verfassten Schrift „Zum Gedächtnis des großen Krieges“ wird deutlich, wie verbissen Treitschke geworden ist und wie er sich vom liberalen Staatswissenschaftler zum chauvinistischen Historiker verwandelt hat. „Diese Vergröberung der Politik hat ihren tiefsten Grund in einer bedenklichen Wandlung unseres gesamten Volkslebens.(...)Eine demokratisierte Gesellschaft trachtet nicht nach der Herrschaft des Talents, das immer aristokratisch bleibt, sondern nach der Herrschaft des Geldes oder des Pöbels oder auch nach beiden zugleich.(...)Auf je weitere Kreise die Bildung sich ausdehnt, um so mehr verflacht sie(...)wir alle können ohne das Reich nicht mehr leben, und wie stark der Reichsgedanke die Herzen durchglüht, das zeigt uns die dankbare Liebe, welche den ersten Reichskanzler über die Bitternis seiner alten Tage trösten sucht. In meiner Jugend sagte man oft: wenn die Deutschen Deutsche werden, gründen sie das Reich auf Erden, das der Welt den Frieden bringt. So harmlos empfinden wir nicht mehr. Wir wissen längst: Das Schwert muß behaupten, was das Schwert gewann, und bis ans Ende aller Geschichte wird das Männerwort gelten: durch Gewalt wird Gewalt überwältigt“.16 In dieser Veränderung spiegelt sich die charakteristische konservative Wende der maßgeblichen deutschen Bildungsschichten im Bismarckreich wieder.

Ich finde, daß Heinrich von Treitschke ein typisches Beispiel für die gesellschaftspolitische Entwicklung seiner Zeit ist, und daß er trotz der ihn stark beeinflussenden Krankheit und der daraus resultierenden Taubheit nur ein „Opfer“ politisch-verändernder Kräfte in Deutschland war.

Um es mit den Worten von Friedrich Meinecke zu sagen, so blieb Treitschke im Grunde doch ein „tiefsittlicher Mensch“ von hohem Verantwortungsbewußtsein, der „die Macht nicht um der Macht, sondern um der sittlichen Zwecke willen, denen sie dienen sollte, schätzte“.17

5. Quellennachweis

Literaturverzeichnis

Bußmann, Walter: Treitschke. Sein Welt- und Geschichtsbild, aus der Reihe: Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, Hrsg. Prof. Heimpel u.a., Heft ¾, „Musterschmidt“ Wissenschaftlicher Verlag, Göttingen 1952

Schleier, Hans: Sybel und Treitschke. Antidemokratismus und Militarismus im historisch-politischen Denken großbourgeoiser Geschichtsideologen, Akademie-Verlag, Berlin 1965

Töpfer, Prof.Dr. Bernhard: Biographisches Lexikon zur Deutschen Geschichte, 2. Auflage, Hrsg. Prof. Dr. B. Töpfer u.a., Deutsche Verlag der Wissenschaften, Berlin 1970

Treitschke, Heinrich von: Bilder aus der Deutschen Geschichte. Band 1: Politischsoziale Bilder, 8. Auflage, Verlag von S. Hirzel, Leipzig 1920

Internet-Adressen

www.ety.com

www.weltchronik.de

www.uni-duisburg.de

www.bautz.de

www.ifg.hu-berlin.de

www.helmut-schmitz.net

www.zlb.de

www.psm-data.de

6. Anhang

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach dem Gemälde von E. Teschendorff, 1862

[...]


1 Walter Bußmann, Treitschke. Sein Welt- und Geschichtsbild, S. 3 ; im folgenden zitiert als Bußmann 1952

2 Fragen an die deutsche Geschichte. Ideen, Kräfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart. Herausgeber Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Bonn 1994, S. 59-60; im folgenden zitiert als Bonn 1994

3 Bonn 1994, S.91-93

4 Biographisches Lexikon zur Deutschen Geschichte, Prof. Dr. B. Töpfer u.a. (Hrsg.), Deutsche Verlag der Wissenschaften, Berlin 1970

5 Deutsche Geschichte, Herausgegeben von Joachim Leuschner, Band 8; 1992, Reinhard Rürup, Deutschland im 19. Jahrhundert 1815-1871, S. 213, im folgenden zitiert als Deutsche Geschichte 1992

6 Zitat des Juristen Rudolf Ihering 1866

7 beide Zitate entnommen aus Deutsche Geschichte 1992, S. 224

8 Bußmann 1952, S.4

9 Zitat entnommen aus Bußmann 1952, S. 5

10 Bußmann 1952, S. 5

11 „daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“

12 in, „denen die an Gott glauben“; es ist aber fraglich ob diese Umwandlung bewußt erfolgte

13 Bußmann 1952, S. 6-7

14 Bußmann 1952, S. 21

15 Zitat entnommen aus Bußmann 1952, S. 22

16 Zum Gedächtnis des großen Krieges (1895), gefunden unter www.ety.com

17 Zitat entnommen aus: Hans Schleier, Sybel und Treitschke. Antidemokratismus und Militarismus im historisch-politischen Denken großbourgeoiser Geschichtsideologen, Akademie-Verlag, Berlin 1965, S. 277

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Heinrich von Treitschke
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Seminar: Demokratietheorie
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V103464
ISBN (eBook)
9783640018420
Dateigröße
380 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
ich selber schätze diese Arbeit weniger gut ein, aber wenn sie hilft einen Überblick zu verschaffen!
Schlagworte
Heinrich, Treitschke, Seminar, Demokratietheorie
Arbeit zitieren
Matthias Alber (Autor:in), 2001, Heinrich von Treitschke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103464

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Heinrich von Treitschke



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden