Warum überhaupt sollte man „Joie de la court“, diese letzte Episode in Hartmanns erstem Artus-Roman, einer gesonderten Untersuchung unterziehen? Welche formalen und inhaltlichen Besonderheiten sprechen dafür?
Êrecs reflektierte Aussage „wan bî den liuten ist sô guot“1, als er sein besiegtes Gegenüber Mâbonagrîn auf dessen bisheriges zurückgezogenes Dasein anspricht, weist auf eine Entwicklung der Titelfigur Êrec hin, die am Ende einer Erkenntniskette als Ergebnis verschiedener Aventiuren steht. Welche Rolle spielt also diese Aventiure insgesamt und der Kampf gegen den roten Ritter im Speziellen in der Folge des Romans?
Da unter anderem auch der Prolog zu Hartmanns „Êrec“ nicht überliefert wurde2, haben wir keinen direkten Zugang zu Hartmanns Intentionen zu seinem Roman und dieser Episode im Besonderen, außer durch seine laufenden Kommentare, die er in die Erzählung einfließen lässt. An einem anderen Werk Hartmanns, dem „Armen Heinrich“, erkennt man jedoch, wie aufschlussreich gerade der Prolog für das Verständnis von einem Text sein kann3. Im Verlauf des Romans tritt Hartmann auch immer wieder mit dem Leser in eine Art Zwiegespräch und gibt erläuternde Hinweise.4 Wenn sein wahrscheinlich im Prolog formuliertes Anliegen im Nachhinein so also nicht mehr ermittelt werden kann, könnte es dann möglich sein, anhand Hartmanns Akzentuierungen gegenüber der Vorlage Chrétiens durch Zufügung, Weglassung oder Veränderung etwas über seinen erzählerischen Hintergrund herauszufinden, sich vielleicht einer Erzählabsicht anzunähern? Daher werde ich auch vergleichend die Vorlage der Episode aus Chrétiens „Êrec et Enide“ untersuchen, in Anlehnung an Hrubýs Meinung, dass jede Abweichung Hartmanns „als bewusste Umformung verstanden werden“5 darf.
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1 H 9438
2 Mertens 1998: S. 51
3 In Hartmanns Einführung zum „Armen Heinrich“ heißt es: „an im wart erzeiget, als ouch an Absalône, daz diu üppige krône werltlîcher süeze vellet under die füeze ab ir besten werdekeit, als uns diu schrift hât geseit.“ (V. 84-90) Hier greift Hartmann der Handlung vor und liefert durch den deutlichen Verweis auf die Bibel Anlass zur heilsgeschichtlichen Deutung seiner legendenhaften Erzählung.
4 Ein Beispiel in „Joie de la court“ ist die Kommentierung der Schönheit der Witwen durch ihn als Erzähler: H 8221 ff.
5 Hrubý 1964: S. 343
Inhaltsverzeichnis
- Eine thematische Einführung
- Interpretationen von „Joie de la court“ - Mögliche Problemstellungen und Annäherungen an den Text
- Bedeutung der Namen
- „Joie de la court“ in Hartmanns „Erec“ – mehr als die letzte Aventiure?
- Die Akzente Hartmanns
- Ein Vergleich von Hartmanns Ausführung von „Joie de la court“ mit der Vorlage Chrétiens
- Die formale Stellung der Episode in Hartmanns Gesamtkonzeption
- Interpretatorische Ansätze
- ,,Joie de la court\" - eine Allegorie?
- ,,Joie de la court\" - Hinweis auf eine heilsgeschichtlich angelegte Romanstruktur?
- Eine abschließende Betrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Bedeutung der „Joie de la court“-Episode in Hartmanns „Erec“ im Hinblick auf ihre formale Stellung und ihren inhaltlichen Gehalt. Der Fokus liegt auf der Erforschung der erzählerischen Absichten Hartmanns, die er durch Veränderungen gegenüber seiner Vorlage Chrétiens zum Ausdruck bringt.
- Die Bedeutung der „Joie de la court“-Episode für die Gesamtkonzeption des Romans.
- Die Analyse der Abweichungen Hartmanns von der Vorlage Chrétiens und deren mögliche Interpretationen.
- Die Untersuchung der allegorischen und heilsgeschichtlichen Dimensionen der Episode.
- Die Rolle von Symbolen und Namen in der „Joie de la court“-Episode.
- Die Darstellung der Entwicklung der Titelfigur Êrec und ihrer Beziehung zu Enite im Kontext der Episode.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel bietet eine thematische Einführung in die Bedeutung der „Joie de la court“-Episode in Hartmanns „Erec“. Es werden verschiedene Interpretationsansätze und Problemstellungen beleuchtet, die mit der Episode verbunden sind. Darüber hinaus werden die Namen der Figuren und des Ortes sowie deren Bedeutung untersucht.
Der zweite Teil der Arbeit analysiert die Episode im Kontext von Hartmanns Gesamtkonzeption des Romans. Es werden die formalen Unterschiede zwischen Hartmanns Version und der Vorlage Chrétiens sowie deren Bedeutung für die Interpretation der Episode diskutiert. Die Kapitel beleuchten auch verschiedene Interpretatorische Ansätze, wie die Allegorie und die heilsgeschichtliche Deutung, und stellen ihre Relevanz für das Verständnis der Episode dar.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der mittelalterlichen Literatur, der höfischen Gesellschaft, der Interpretation von Texten, der Analyse von Symbolen und Namen, der Entwicklung des Helden, der heilsgeschichtlichen Deutung von Literatur und dem Vergleich zwischen den Werken Chrétiens und Hartmanns.
- Arbeit zitieren
- Magistra Artium Katharina Kirsch (Autor:in), 2002, Joie de la court in Hartmanns Erec, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10352