Euthanasie - Schöner Tod?


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

14 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Sterbehilfe in anderen Länder (Niederlande/Australien) erlaubt

3. Definition von Euthanasie/Sterbehilfe
3.1 Euthanasie im Dritten Reich

4. Problematik der Sterbehilfe
4.1 Was ist der Mensch?
4.2 Kinsauer Manifest
4.3 Das Tabuthema brechen?
4.4 Mensch oder Person?
4.5 Eine Lösung ist nur mit Hilfe eines Diskurses möglich

5. Eigene Meinung

1. Einleitung

In den letzten Jahren hat die Diskussion über Sterbehilfe immer mehr an Bedeutung gewonnen: einerseits durch ein erheblich gestiegenes Durchschnittsalter, andererseits durch die immensen Fortschritt in der Medizin. Die lebensverlängernden Maßnahmen werden immer effektiver und es stellt sich die Frage, ob es nicht eine Möglichkeit geben sollte, Menschen, die unheilbar krank sind und bis zu ihrem Tod nur noch an großen Schmerzen leiden müssten, einen früheren Tod und damit ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Das Thema wird derzeit weltweit diskutiert. Soll es gesetzlich erlaubt sein, einen Menschen auf seinen eigenen Wunsch hin zu töten? In Deutschland gibt es zur Zeit kein Gesetz, das die Sterbehilfe direkt regelt Hier fällt Sterbehilfe unter §211 (Mord), §212 (Totschlag) oder §216 (Tötung auf Verlangen) des StGB und ist somit strafbar.

2.Sterbehilfe in anderen Länder (Niederlande/Australien) erlaubt

gesetzlich In den Niederlanden wird schon seit den 80er Jahren aktive Sterbehilfe praktiziert. Sie war zwar auch hier nicht gesetzlich erlaubt, wird jedoch toleriert, wenn die Ärzte sich nach einem Kriterienkatalog richten.

Der Patient muss seinen Wunsch zu sterben unbeeinflusst und bei klarem Verstand äußern. Seine Leiden müssen schwer und nicht mit medizinischen Mitteln zu lindern sein. Der Arzt muss einen Kollegen zu Rate ziehen und der Justizbehörde einen Fallbericht zusenden. Doch auch dieses System gerät immer wieder in die Kritik: So sollen die Ärzte vielfach gegen diese Richtlinien verstoßen haben, indem angeblich auf die Einwilligung des Patienten und den Fallbericht an die Justizbehörde verzichtet wurde.

In einer Untersuchung wurde festgestellt, dass bei 3 von 100 Todesfällen durch Euthanasie auf eine Einwilligung des Patienten verzichtet wurde, 1996 wurden 60% der Fälle nicht den Justizbehörden gemeldet. Auch gibt es Kritik, dass durch die Senkung der Haushaltsmittel in staatlichen Krankenhäusern und Pflegeheimen der finanzielle Aspekt eine große Rolle spielt - lebensverlängernde Maßnahmen werden nicht vergütet und es wird befürchtet, dass Ärzte sich nicht mehr nach dem Wohl des Patienten richten, sondern versuchen, Behandlungskosten zu sparen, indem sie auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichten. Im letzten Jahr wurde ein Gesetz eingeführt, das nun die aktive Sterbehilfe in den Niederlanden legalisiert, jedoch nur unter einem strengen Kriterienkatalog. Nach einer Schätzung gab es 1998 etwa 20.000

Anfragen auf Sterbehilfe und 1999 verhalfen niederländische Ärzte 2216 Schwerstkranken zu einem sanften Tod. Alle diese Zahlen lassen den Eindruck entstehen, dies könnte dazu führen dass die Hemmung, das Leben eines Patienten „zu seinem eigenen Wohl“ zu beenden, nachlässt. (www.spiegel.de/...) So wird z.B. der Vorwurf laut: „Ärzte sind keine Götter, doch sie spielen immer öfter Gott, indem sie ihren Patienten und deren Angehörigen lebensverlängernde Behandlungsmethoden trotz Nachfrage und Zahlungsbereitschaft vorenthalten.“ (-Die Welt, Der Sozialstaat hilft (nach) beim Sterben, 30.11.00) Eine ganz andere Überlegung ist, dass Sterbehilfe zur Normalität wird, und dass vor allem für ältere und kranke Menschen, der Zwang entsteht, ihr Leben beenden zu müssen, da sie der restlichen Bevölkerung nur Nachteile bringen. Sterbehilfe könnte zu einer gesellschaftlichen Pflicht werden.

In Australien trat 1996 ein Gesetz in Kraft, das es Ärzten erlaubt unheilbar kranken Patienten eine tödliche Injektion zu verabreichen. Euthanasie-Gegner befürchten durch diese Regelung einen „One-Way-Tourismus“ (Touristen aus aller Welt pilgern nach Australien, um dort die tödliche Injektion zu bekommen).

Doch was ist Euthanasie/Sterbehilfe denn nun eigentlich genau?

3.Definition von Euthanasie/Sterbehilfe

Der Begriff „Euthanasie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“.Er stammt ursprünglich aus der Philosophie. Demnach hatte der Mensch, wenn sein Leben durch Krankheit oder Alter „lebensunwert“ geworden war, das Recht auf den „Freitod“. Da durch die christliche Auffassung der Selbstmord und das Töten auf Verlangen verboten wurde, wandelte sich der Begriff Euthanasie und meinte die Pflicht des Arztes, dem Kranken das Sterben durch schmerzbeseitigende Mittel zu erleichtern.

Heute versteht man unter Euthanasie jede Form von Sterbehilfe für unheilbar kranke und sterbende Menschen. Sterbehilfe beinhaltet sowohl die Begleitung beim Sterbeprozess, um den Menschen das Sterben zu erleichtern, als auch die Maßnahme zur Lebensverkürzung bei schwerkranken Menschen auf deren ausdrücklichen Wunsch hin.

Man unterscheidet verschiedene Formen der Sterbehilfe:

1. Aktive Sterbehilfe, ist die direkte Tötung eines Menschen, z.B. durch Verabreichung giftiger Stoffe oder überdosierter Medikamente. Sie ist nach jetzigem Recht strafbar, selbst dann, wenn der Patient den Tod verlangt hat (§216). Es wurde im Bundestag schon des öfteren über eine Abschaffung von §216 diskutiert - warum soll es nicht möglich sein, dem bei vollem Bewußtsein geäußerten Todeswunsch zu entsprechen, da ja auch Selbstmord straffrei ist.

2. Als Passive Sterbehilfe wird der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bezeichnet. Passive Sterbehilfe ist Sterbehilfe durch Sterben lassen und nur dann zulässig, wenn die ärztliche Behandlung das Recht des Menschen auf menschenwürdiges Sterben verletzen würde. Sie ist nur strafbar, wenn sie ohne Einwilligung des Patienten vollzogen wird.

3. Indirekte Sterbehilfe bezeichnet das in Kauf nehmen eines früheren Todes aufgrund einer notwendigen, schmerzlindernden Behandlung im Einverständnis mit dem Betroffenen. Sie ist nicht strafbar, da sie unter die Behandlung fällt, bei der die Lebensverkürzung als unbeabsichtigte Nebenfolge auftritt.

4. Beihilfe zum Selbstmord bedeutet, einem Menschen die Möglichkeiten für einen Selbstmord zu geben, jedoch muss dieser selbst den letzten Schritt tun. Beihilfe zum Selbstmord ist nur bei den nächsten Familienangehörigen strafbar, jedoch muss bei Verlust des Bewußtseins des Betroffenen Hilfe geleistet werden, sonst droht eine Freiheitsstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung

3.1 Euthanasie im Dritten Reich

Viele Menschen verbinden mit dem Begriff Euthanasie immer noch den Völkermord im Dritten Reich.

Nach der Machtergreifung der NSDAP 1933 wurden sogenannten „Asoziale“(Ausländer, Vorbestrafte, Rauschgiftsüchtige, Prostituierte, Landstreicher, Arbeitsscheue, Sonderlinge), psychisch Kranke, Behinderte und „Gemeinschaftsunfähige“, also all diejenigen, die nicht dem „arischen Ideal“ entsprachen, in bestimmten Anstalten zusammengezogen. Ab 1938 geschah die Verlegung in Konzentrationslager mit dem klaren Gedanken an Vernichtung. Dieser Gedanke baut auf die von Charles Darwin im 19. Jahrhundert veröffentlichten Werke auf. Es wurde angenommen, dass das „Keimplasma“ verantwortlich für alle Krankheiten und psychischen „Anomalien“ sei. Hitler selbst sagte, der Gedanke sei ihm unerträglich, dass ein Kriegsverletzter ohne Bett sei, weil dieses ein Geisteskranker belege (Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 245). Für Akzeptanz in der Bevölkerung wurde durch Propagandamittel gesorgt. Man bezeichnete die Vernichtung lebensunwerten Lebens als „Gnadentod“. Die Angehörigen wurden mit Briefen informiert, in denen ihnen frei erfundene Todesursachen mitgeteilt wurden. Doch durch Pannen wurde die Bevölkerung unruhig und nach Protesten von Geistlichen beider Konfessionen führte dies dazu, dass Hitler die Aktion 1941 offiziell stoppen ließ, was keineswegs das Ende der „Euthanasie“ war. Man konzentrierte sich vermehrt auf Kinder und Jugendliche, mit dem Ziel alle „Gemeinschaftsunfähigen“ aus dem „Volkskörper“ zu „entfernen“. Insgesamt fielen den Euthanasie-Aktionen der Nazis etwa 120.000 Menschen zum Opfer. (www.h-ref.de/dk/...)

4. Problematik der Sterbehilfe

Wenn man sich mit dem Thema Euthanasie beschäftigt, stellt man schnell die Problematik fest, die damit verbunden ist. Es stellen sich Fragen, wie: „Wer darf entscheiden?“, „Was geschieht mit einem bewußtlosen Patienten?“, „Soll der Arzt im Sinne der Nächstenliebe handeln (Leid ersparen) oder seine Ehrfurcht vor dem Leben bewahren?“, “Verlieren die Menschen durch die Legalisierung aktiver Sterbehilfe die Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben?“

Um das Thema ethisch-philosophisch diskutieren zu können, muss man wissen, welche verschiedenen Ansichten es über den Menschen gibt. Was ist ein Mensch? Ab wann ist er nicht mehr Mensch?

4.1 Was ist der Mensch?

Kaum jemand bezweifelt, dass man einen Menschen nicht töten darf, doch es bestehen erhebliche Unterschiede, was denn nun ein Mensch ist. Ist eine befruchtete Eizelle bereits menschliches Leben? Ist ein Hirntoter, der nur noch durch die Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten wird, noch ein lebender Mensch?

Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Für jemanden, für den das Leben rein biologisch abläuft, gibt es keinen Unterschied zwischen Tier und Mensch. Wenn das Leben schmerzhaft wird, beendet man es! Eine andere Auffassung begründet sich auf dem traditionellen Menschenbild - als Mensch gilt, was von Menschen geboren ist. Jedes menschliche Leben ist heilig. Dies bedeutet für die Medizin, dass das Leben um jeden Preis verlängert werden muss.

Das naturwissenschaftliche Menschenbild ist der Meinung, dass dem Gehirn des Menschen ein besonderer Stellenwert zukommt, da der Mensch durch das Gehirn Rationalität, Autonomie, Selbstbewusstsein, Empfindungsfähigkeit und Gewissen bekommt - alles Eigenschaften und Fähigkeiten, die den Menschen ausmachen.

Das darwinistische Menschenbild baut auf dem Grundsatz auf: “Nur die Stärksten werden überleben.“ Dieses Menschenbild wird heute nicht mehr vertreten, da der Nationalsozialismus seine Rassenlehre daraus ableitete.

Das utilitaristische Menschenbild geht davon aus, dass der Mensch anhand seines Nutzwertes beurteilt wird. Im Falle der Euthanasie bedeutet dies konkret, der Wert des menschlichen Lebens hängt von der zu erwartenden Qualität des menschlichen Lebens ab. Wird in der Glücksbilanz das Glück das Unglück überwiegen? In der milden Form des Utilitarismus, wird nur die Glücksbilanz des Betroffenen betrachtet, in der radikalen die seiner ganzen Umwelt. Der bedeutendste Vertreter dieser Lehre ist Peter Singer. Er schrieb in seinem Buch „Praktische Ethik“, dass das Leben eines neugeborenen Kindes weniger wert sei, als das eines erwachsenen Schweins. Peter Singer will konsequent das Lebensrecht aller Kinder in den ersten Monaten aufheben, da sie zwar Menschen seien, jedoch keine Personen. Personen verfügen über Selbstbewusstsein und Rationalität, die bloße Möglichkeit dazu reiche nicht aus. Damit durchbrach er das seit 1945 herrschende Euthanasietabu. (http://www.uni-karlsruhe.de/...)

4.2 Kinsauer Manifest

Aus einer Tagung der Sophienstiftung ging das Kinsauer Manifest hervor, dass vor einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe warnte. Grund für dieses Manifest war der Vorschlag von Rita Süssmuth, den Schutz von ungeborenen, behinderten und sterbenden Menschen ausdrücklich in das Grundgesetz aufzunehmen. Erschreckt hatte die Unterzeichner des Manifestes die Tatsache, dass es nicht mehr selbstverständlich sei, Ungeborene, Behinderte und Sterbende als Menschen zu sehen. Behinderte und Sterbende wurden mit Ungeborenen gleichgestellt. Es wurde befürchtet, dass dies darauf hinauslaufen könnte, Gremien zu bilden, die über lebenswertes und lebensunwertes Leben entscheiden müssten oder in kirchlichen Konfliktberatungsstellen Bescheinigungen für straffreies Töten auszustellen, wie es heutzutage bei einem Schwangerschaftsabbruch der Fall ist. Wenn die Tötung auf Verlangen erst einmal erlaubt sei und von der Gesellschaft akzeptiert wird, würde das für diejenigen bedeuten, die nicht freiwillig aus dem Leben gehen, dass sie die Last, die ihr Leben für andere bedeutet, selbst tragen müssten. Diese Menschen würden um eine Tötung bitten, um ihre Umwelt von der Last ihrer Pflege zu befreien. Dies könnte sehr bald eine gesellschaftliche Pflicht werden.

Besonders betroffen mit der Frage der Euthanasie sind die Ärzte. Oberstes Gebot ihres Handelns ist der Erhalt und die Wiederherstellung menschlichen Lebens. Gleichzeitig sind sie dazu angehalten, nicht im Widerspruch zur Menschlichkeit oder zur ärztlichen Sitte zu handeln. Trotzdem wird auch im Kinsauer Manifest darauf hingewiesen, dass es nicht human sei, jeden Menschen, dessen Organismus definitiv versagt und mit dem es zu Ende geht, mit allen Mittel am Leben zu erhalten. Man müsse es Menschen erlauben, in Würde zu sterben. Die aktive Sterbehilfe, die absichtliche Tötung, sei jedoch nicht der richtige Schritt dafür.

4.3 Das Tabuthema brechen?

Bevor man überhaupt richtig über Euthanasie/Sterbehilfe - was soll erlaubt sein, was nicht? - diskutiert, stolpert man über die Frage, ob man das Tabuthema Euthanasie überhaupt brechen sollte. Ist eine öffentliche Diskussion überhaupt nötig?

Groß ist die Befürchtung, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.

Alles beginnt mit der Auffassung, dass es Lebenszustände gibt, die als nicht mehr lebenswert zu betrachten seien. Anfangs betraf diese Haltung nur die schwer und chronisch Kranken, aber nach und nach wurden auch Unproduktive, Unerwünschte und schließlich alle Nichtdeutschen dazugerechnet. Dieser Gesinnungswandel wurde dadurch verursacht, dass wir versucht haben, das menschliche Leben zu bewerten (Dr. Anita Knötgen-Eintreten gegen Euthanasie). Diese Bewertung ist auch Gegenstand der aktuellen Euthanasiedebatte. So gilt auch im Kinsauer Manifest die Tötung auf Verlangen als die „Einstiegsdroge“ in die Euthanasiegesellschaft.

Robert Spaemann ist der Meinung, es gibt Dinge, die nicht öffentlich diskutiert werden müssen. Wer trotzdem Sterbehilfe praktiziert, könnte seine Menschlichkeit am besten dadurch beweisen, dass er das Risiko einer Strafe eingehe, als ein Tabu zu brechen, das die Grundlage der Menschlichkeit erschüttern könnte.

Ernst Tugendhat ist hier ganz anderer Meinung. Er findet, dass dieses Problem unbedingt in der Öffentlichkeit diskutiert werden muss. Von der Befürchtung, jede Tötung jeglichen menschlichen Leben müsse außer Betracht bleiben, weil dies auf eine schiefe Ebene bis hin zum Programm der Nazis führe, hält Tugendhat nichts. Dies zeuge von einem tiefen Misstrauen in moralisches Denken, Unterscheiden und Handeln. Es ist wichtig, der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen einem für den Betroffenen nicht mehr lebenswerten Leben und einem die Gesellschaft Belastenden klar zu machen. Durch diese Klarstellung kann man nicht auf eine „schiefe Ebene“ geraten, denn es geht um das Leben, das für den Betroffenen als nicht mehr lebenswert erscheint. Ob er die Gesellschaft belastet und deswegen kein Recht mehr haben soll, weiter zu leben, steht nicht zur Diskussion.

4.4 Mensch oder Person?

Der Philosoph Norbert Hoerster forderte, alle Menschenrechte, durch Personenrechte zu ersetzen. Die Autoren des Kinsauer Manifest verweisen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht:“ Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Würde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewußt ist und die selber zu wahren weiß“ (BVG 93,2ff/ 41). Hoerster und auch Singer sind der Meinung, dabei dürfte es nicht bleiben. John Locke sagt, dass eine Person nicht „jemand“ sei, der einer Spezies angehört, die normalerweise durch Eigenschaften wie Selbstbewusstsein und ein Verhältnis zur eigenen Zukunft charakterisiert sei, sondern „jemand“, der diese Eigenschaften auch zeigt (Spaemann, „Wir dürfen das Tabu..“, Z.198). Robert Spaemann wirft hier ein, dass nach dieser Definition auch schlafende Menschen keine Personen seien. Auch kritisiert er, dass eine Unterscheidung zwischen Menschen und Personen nötig wäre, er bezeichnet dies als das Ende aller Menschenrechte. (R. Spaemann - „Wir dürfen das Tabu nicht aufgeben.“ Z.229) Denn schließlich hätten dann Menschen, die per Definition keine Personen sind auch keine Rechte.

Einige Philosophen sind der Meinung, es gäbe keinen Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe. Ethisch sei es irrelevant, ob eine Mutter ihr Kind ersticke oder ob sie es verhungern ließe. Doch Robert Spaemann sagt, dieses Beispiel sei falsch gewählt: Durst und Hunger sind natürliche Triebe, die jeder hat. Wird jemandem verweigert, diese Triebe zu befriedigen, so ist auch dies Mord. Hingegen gibt es keinen natürlichen Trieb, der nach Antibiotika oder der Herz-Lungen-Maschine verlangt.

Robert Spaemann verlangt nach besseren Methoden zur Schmerzensbekämpfung. Wenn schmerzlindernde Mittel als Nebeneffekt das Leben verkürzen, so ist dies noch lange keine Tötung, außer man sieht alles als Tötung an, was nicht der maximalen Lebensverlängerung dient.

4.5 Eine Lösung ist nur mit Hilfe eines Diskurses möglich

Für Ernst Tugendhat bleibt deshalb nur eine Lösung - wir müssen selbständig denken, müssen reden und unterscheiden. Wir müssen alle Seiten des Problems sehen. So seien die beiden zentralen Anliegen einer moralisch gerechtfertigten Ethik, erstens das Recht Schwerkranker und -leidender auf einen menschenwürdigen Tod und zweitens, die moralische Pflicht, Schwerkranken, die ihre Wünsche nicht selbst äußern können, von ihrem sinnlosen Leid zu erlösen.

Das Kinsauer Manifest irre sich in der Hinsicht, dass es sich nicht begründen lässt, warum ein Mensch, nur weil er der Spezies Mensch angehört, nicht getötet werden darf, ein Tier jedoch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens. Dies lasse sich nur auf den Mythos von der Gottebenbildlichkeit begründen. Unser heutiges Grundrecht könne nicht mehr auf religiösen Überzeugungen aufbauen. Der Schutz des Lebens ist ein Grundrecht, keine natürliche Selbstverständlichkeit, deswegen müsse auch der Schutz auf Leben einklagbar sein. Tugendhat ist der Ansicht, es gebe keinen ethischen Unterschied zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. Zur Verdeutlichung verwendet er folgendes Beispiel: Ein Arzt, der den Stecker des Sauerstoffgerätes zieht, ist genauso zu beurteilen wie der, der sieht, dass der Stecker herausfällt und nichts unternimmt. Der einzige relevante Unterschied ist, dass der Betroffene bei der passiven Sterbehilfe länger leiden muss als bei der aktiven Sterbehilfe. Doch gerade diese Zeit, die der Betroffene länger lebt, ist es, die den Tod zu einem unwürdigen Tod macht. Tugendhat zeigt an zwei Beispielen, wie das Kinsauer Manifest verwirren kann. So bezeichnet das Manifest, die aktive Sterbehilfe als absichtliche Tötung, doch auch hinter der passive Sterbehilfe stehe die absichtliche Tötung. Als These des Manifestes sieht er, dass nur ein gewaltsames Am-Leben-Erhalten nicht geboten gehört. Hier ist der Begriff gewaltsam falsch gewählt, denn mit Gewaltsamkeit verbindet man normalerweise „gegen den Willen des Betroffenen“. Dies ist aber bei Sterbehilfe jeglicher Art nicht der Fall, Sterbehilfe soll Schwerkranken helfen, die ihr Leben beenden wollen. Tugendhat ist der Ansicht, dass das Thema Euthanasie diskutiert werden muss. Dabei müssen Dinge, um die es nun einmal geht, beim Namen genannt werden. Er nimmt zum Problem der Sterbehilfe selbst keine Position ein, sondern fordert, dass darüber ein Diskurs geführt wird, bis jeder mit dem Ergebnis zufrieden ist.

5.Eigene Meinung

Es ist schwierig, beim Thema Sterbehilfe eine klare Lösung zu finden. Einerseits ist es vernünftig, z.B. Schwerkranke, für die es keine Möglichkeit mehr gibt, geheilt zu werden, nicht mit allen Mitteln am Leben zu erhalten, denn es ist menschenunwürdig, einen Menschen unter Schmerzen am Leben zu erhalten. Auf der anderen Seite stehen die vielen Fragen, die mit diesem Beschluss beantwortet werden müssen. Fragen nach der Person, dem Zeitpunkt, der Art und der Vorgehensweise.

Wann und bei wem soll Sterbehilfe geleistet werden? Sterbehilfe sollte nur bei Menschen geleistet werden die selbst entschieden haben, dass sie ihr Leben so nicht weiterleben wollen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass der Patient seine Entscheidung nicht trifft, weil er sich gerade in einer tiefen Depression befindet und zur Zeit keinen Sinn mehr zum Weiterleben sieht. Der Patient muss seine Entscheidung bei vollem Bewusstsein und aus freiem Willen treffen. Dies ist jedoch schwierig zu beurteilen, wann ein Patient sich in einer Depression befindet und wann er sich wirklich sicher ist sein Leben beenden zu wollen. Eine Möglichkeit der Lösung dieses Problem wäre die mehrfach Äusserung seiner Entscheidung, doch auch dies gibt keine absolute Sicherheit. Eine weitere Schwierigkeit, ist der Umgang mit bewusstlosen Patienten, der nicht selbst entscheiden kann. Als Entscheidungsträger könnten hier die Angehörigen oder der Arzt in Betracht kommen.

Doch wer soll entscheiden? Entscheiden die Angehörigen, ist nicht gewährleistet, dass sie nicht aus niederen Beweggründen, wie z.B. in Erwartung einer Erbschaft, handeln. Wäre es nicht besser, wenn der Arzt oder ein Ärztegremium entscheidet darf, ob ein Leben für den Patienten, unabhängig, ob er bei Bewusstsein ist oder nicht, noch lebenswert ist. Damit ist nicht gemeint, dass der Arzt sich über den Patienten hinwegsetzen soll, sondern, dass der Arzt darüber entscheiden soll, ob Sterbehilfe geleistet werden darf, wenn der Patient dies wünscht. Bei bewusstlosen Patienten darf Sterbehilfe nur dann geleistet werden, wenn die Aussichten auf ein Erwachen, sehr gering sind. Kein Arzt darf einfach über das Leben eines anderen bestimmen. Eine mutmaßliche Willensbildung des Arztes, über den Wunsch des Patient, halte ich für nicht möglich.

Außerdem sollten immer weitere Kollegen zu Rate gezogen werden. In Bezug auf Sterbehilfe gerät, jeder Arzt in Konflikt mit dem von ihm geleistete Hippokratischen Eid, der als oberstes Gebot den Erhalt und die Wiederherstellung menschlichen Lebens enthält. Doch der Erhalt jedes menschlichen Lebens, auch unter den unsinnigsten Bedingungen, ist nicht die Pflicht eines Arztes. Viel mehr muss der Arzt entscheiden, ob es sinnvoll ist, sich an den Erhalt des Lebens zu klammern oder ob es nicht menschlicher ist, unheilbar Kranken Leid zu ersparen. Der Arzt ist dazu verpflichtet, sich über den Patientenwillen hinwegzusetzen, wenn eine vernünftige Aussicht auf Besserung besteht.

Bei der Frage, wie Sterbehilfe geleistet werden soll, gibt es nur die Möglichkeit der indirekten Sterbehilfe. Sie erlaubt als einzige Form ein menschenwürdiges Sterben. Denn hierbei muss der Arzt dem Patienten eine so hohe Dosis schmerzlindernder Mittel verabreichen, dass dieser dabei stirbt.

Aktive Sterbehilfe ist direkte Tötung und darf keinem Arzt zugemutet oder erlauben werden. Passiver Sterbehilfe beinhaltet, dass der Patient noch eine gewisse Zeit lebt, bis er stirbt. In dieser Zeit ist es ihm vielleicht nicht möglich, menschenwürdig zu leben. Tugendhat bezeichnet diese zusätzliche Zeit als jene, die den Tod zu einem menschenunwürdigem macht.

Die Kritik, es gebe keinen Unterschied zwischen aktiver und indirekter Sterbehilfe, da bei beiden der Arzt dem Patienten ein tödliche Spritze gibt, ist zurückzuweisen. Es gibt sehr wohl einen Unterschied: Während bei der aktiven Sterbehilfe Menschen die Giftspritze injiziert wird, obwohl diese mit Hilfe von Schmerzmittel, ein schmerzfreies Leben führen könnten, ist dies bei der indirekten Sterbehilfe nicht der Fall. Hier werden Menschen schmerzlindernde Mittel verabreicht, um ihre Schmerzen zu beseitigen. Erst, wenn für die Beseitigung der Schmerzen eine zu hohe Dosis gebraucht wird, zieht der Arzt die indirekte Sterbehilfe, d.h. die Verabreichung einer hohen Dosis mit dem Tod als „Nebenfolge“ in Erwägung, da sonst ein schmerzfreies Leben nicht mehr gewährleistet ist.. Jedoch hat Spaemann recht, wenn er fordert, dass wir bessere Medikament zur Schmerzbekämpfung brauchen. Denn ein schmerzfreies Leben wird wohl von dem Großteil der Bevölkerung als lebenswert empfunden.

Eine öffentliche Diskussion zum Thema Sterbehilfe ist dennoch nötig, denn die ganze Bevölkerung muss wissen, was Euthanasie/Sterbehilfe heißt, um Vorurteile abzubauen und zu einer Lösung zu finden, mit der die meisten Menschen zufrieden sind. So könnte z.B. die Zahl derer vermindert werden, die glauben, dass die öffentliche Euthanasie-Debatte und die eventuelle Legalisierung der Sterbehilfe uns auf eine „schiefe Ebene“ führt, die dann wie im Dritten Reich endet. In einem Gesetz sollte es nur um Sterbehilfe bei Schwerkranken, jedoch nie um Sterbehilfe bei körperlich oder geistig Behinderten oder bei missgebildeten Säuglingen gehen. In diesen Fällen kann niemand entscheiden, ob das Leben für diese Menschen lebenswert oder nicht lebenswert ist. Auch muss sichergestellt werden, dass die Inanspruchnahme der Sterbehilfe, vor allem für kranke und alte Menschen, nur eine Möglichkeit darstellt und nie zu einer gesellschaftlichen Pflicht wird, wie es einige befürchten. Zur Zeit besteht nur die Möglichkeit einer Patientenverfügung (Patiententestament), diese garantiert dem Patienten eine Behandlung nach seinem Willen, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seiner Absicht zur weiteren Behandlung Ausdruck zu verleihen. Der Arzt ist somit an diese Verfügung gebunden und darf ihr nicht zuwider handeln.

Ein Lösung des Problems der Sterbehilfe, mit dem die meisten zufrieden sind, ist jedoch schwierig. Vielleicht ist der Diskurs, den Tugendhat vorschlägt, der richtige Weg dahin.

Verwendete Quellen:

„Ärztliche Pflicht - ein Leben in Würde sichern“; www.zeit-fragen.ch/zf_38/index-htm Benzenhöfer, Udo; „Der gute Tod?“, München 1999

Der Spiegel, „Niederlande: Parlament erlaubt Sterbehilfe“;

www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,105078,00.html

Die Welt, „Der Sozialstaat hilft (nach) beim Sterben“; www.welt.de/daten/2000/11/30/1130/1130fo205930.htx Dr. Anita Knötgen, „Eintreten gegen Euthanasie“; www.zeit-fragen.ch/archiv/zf_35/t11.htm Encarta 99

„Enzyklopädie des Nationalsozialismus“ Benz, Graml, Weiß (Hrsg) München 1997

Euthanasie - „schöner Tod“; www.uni-karlsruhe.de/~unev/Unerrichtsmaterialien/Euthanasie.html „Euthanasie; Der Probelauf für den Völkermord“; www.h-ref.de/dk/vern/euth/euthanasie.shtml „Euthanasie im Nationalsozialismus“; www.fu-berlin.de/soziologie/eigensinn/euthanasie.htm Frensch, Michael: Euthanasie: Sind alle Menschen Personen?“ S134-145

Spaemann, Robert: “Wir dürfen das Tabu nicht aufgeben.“ Die Euthanasiedebatte. Eine ZEIT-Kontroverse Frensch, Michael: Euthanasie: Sind alle Menschen Personen?“ S134-145

Sterbehilfe und Euthanasie; www.uwenowak.de/referate/sonstiges/sterbehilfe.html

Tugendhat, Ernst: “Wir müssen das Tabu diskutieren.“ Die Euthanasiedebatte. Eine ZEIT-Kontroverse

Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst und alle Quellen,

die verwendet wurden im Text kenntlich gemacht habe.

Karben, den 04.04.01

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Euthanasie - Schöner Tod?
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V103583
ISBN (eBook)
9783640019618
Dateigröße
385 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Euthanasie, Schöner
Arbeit zitieren
Oliver Witzel (Autor:in), 2001, Euthanasie - Schöner Tod?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103583

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Euthanasie - Schöner Tod?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden