The Austrian success story


Hausarbeit, 2001

32 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Länderanalyse Österreich
2.1 Geographische Gegebenheiten
2.2 Bevölkerung und Religion
2.3 Politisches System
2.4 Wirtschaft
2.5 Österreichs Außenhandel
2.6 Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB)

3 “The Austrian success Story?“
3.1 Die Etablierung des „Austro-Keynesianismus“
3.2 Das „Hartwährungsziel“
3.3 Die Krisenjahre
3.4 An der Schwelle zur WWU
3.5 Aktuelle Probleme Österreichs

4 Konklusion

5 Quellenangaben

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 - Geographie Österreichs

Abbildung 2 - Aktuelle Zusammensetzung des österreichischen Nationalrates .

Abbildung 3 - Kennzahlen im Vergleich

Abbildung 4 - Exporte und Importe nach Regionen (1998)

Abbildung 5 - Die wichtigsten Handelspartner nach Ländern (1998)

Abbildung 6 - Ex- und Import nach Warengruppen 1998 (Quelle: WWFF)

Abbildung 7 - Wirtschaftsleistung; BIP je Einwohner (Quelle: OECD)

Abbildung 8 - Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze (Quelle: OeNB)

Abbildung 9 - Wechselkursentwicklung der LIT (Quelle: OeNB 2000)

Abbildung 10 - Wirtschaftsindikatoren Österreichs 1990 - 1995

Abbildung 11 - Wachstum des BIP (Quelle: WIFO, OECD 2000)

Abbildung 12 - Leistungsbilanzsaldo Österreich (Quelle: OeNB, 2000)

Abbildung 13 - Entwicklung der österreichischen Leistungsbilanz

1 EINFÜHRUNG

Im Rahmen der Vorlesung „Europäische Integration und Außenwirtschaftstheorie“ im Sommersemester 2001 wollen wir - Deike Haase, Steffen Henning, Alexandra Reglin und Jorika Richnow - diese Hausarbeit unter folgendes Diskussionsthema stellen:

„ The Austrian success story? “

Diese Fragestellung impliziert die Darstellung des österreichischen Sonderweges in der Wirtschafts-, Geld- und Fiskalpolitik in den vergangen fünf Jahrzehnten. In der einschlägigen Literatur wird diese Form der Politik oftmals als „Austro-Keynesianismus“ bezeichnet und begründete Österreichs rasanten Aufstieg zu einer der reichsten Industrienationen der Welt.

Dazu werden wir zunächst das Land und den Wirtschaftsstandort Österreich anhand einer kurzen Länderanalyse vorstellen. Aufbauend auf dieser Grundlage möchten wir dann analysieren, ob wir die oben genannte Fragestellung mit einem Ausrufezeichen versehen können.

Mit einem kurzen geschichtlichen Abriss greifen wir die markantesten Eckpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs auf. Was führte zu der Wiedererstarkung nach dem 2. Weltkrieg, wie reagierte die österreichische Wirtschaftspolitik auf die Anforderungen der 70er und 80er Jahre, was für Auswirkungen hatte die EWS-Krise zu Beginn der 90er Jahre und welche Folgen hatte der Beitritt zur Europäischen Union 1995. Zum Abschluss fokussieren wir uns auf die Darstellung der aktuellen Problem der österreichischen Wirtschaft und versuchen erste Lösungsansätze darzustellen.

2 LÄNDERANALYSE ÖSTERREICH

2.1 GEOGRAPHISCHE GEGEBENHEITEN

Österreich liegt mit einer Fläche von 83.858 km² im südlichen Mitteleuropa und hat sowohl Anteil an den Ostalpen, die beinahe zwei Drittel des Staatsgebietes einnehmen, als auch am Donauraum. Bedingt durch seine Lage ist das Land seit jeher Kreuzungspunkt der Verkehrsrouten zwischen den großen europäischen Wirtschafts- und Kulturräumen. Österreich hat mit acht Staaten gemeinsame Grenzen: mit Deutschland, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Italien, der Schweiz und Liechtenstein. In diesem Land Europas überschneiden sich vielfältige Landschafts-, Klima- und Vegetationsformen. Die österreichische Landschaft umfasst Hoch- und Mittelgebirgsregionen ebenso wie Hügelland und Ebene. Das Alpen- und Karpatenvorland, das Wiener Becken und der österreichische Anteil am Pannonischen Tiefland im Osten sind die wichtigsten Siedlungs- und Wirtschaftsräume. Der höchste Berg ist der Großglockner (3.797m), der bedeutendste Fluss die Donau, die das Land auf einer Länge von rund 350 km durchfließt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Geographie Österreichs

2.2 BEVÖLKERUNG UND RELIGION

Die Zahl der Einwohner betrug 1999 rund 8,08 Millionen. Dies entspricht bei der o. g. Fläche einer Bevölkerungsdichte von 96 Einwohner/km². Der Anteil von ausländischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in Österreich beträgt nach Schätzungen rund 10% . Von den österreichischen Staatsbürgern (ausgenommen Neubürger) haben rund 98% Deutsch als Muttersprache. Im Süden und Osten des Bundesgebiets leben Angehörige der sechs in Österreich anerkannten autochthonen (d.h. seit mindestens drei Generationen in Österreich lebend und österreichische Staatsbürger) Volksgruppen (Burgenländische Kroaten, Roma, Slowaken, Slowenen, Tschechen und Ungarn).

Wie die meisten anderen Industrienationen weist Österreich einen sehr hohen und stetig steigenden Anteil an älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger auf. Derzeit ist ein Fünftel der in Österreich lebenden Bevölkerung über 60 Jahre alt, darunter etwas mehr als 7 Prozent über 75-jährige.

Zum Thema Religionszugehörigkeit ist kurz zu erwähnen, dass 78 % der Österreicher römisch-katholisch sind, 5 % der Bevölkerung sind Protestanten, 4,5 % haben ein anderes Religionsbekenntnis, 9 % sind konfessionslos und 3,5 % haben keine näheren Angaben gemacht (Basis Volkszählung 1991).

2.3 POLITISCHES SYSTEM

Österreich ist ein Bundesstaat mit den neun Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien. Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete der Bundesländer und bildet ein einheitliches Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebiet. Bundeshauptstadt und Sitz der obersten Organe des Bundes ist Wien. Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

Österreich ist eine parlamentarische Demokratie. Die österreichische Bundesverfassung beruht auf dem republikanischen, dem demokratischen, dem bundesstaatlichen und dem rechtsstaatlichen Prinzip, außerdem ist die Trennung der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt sowie die Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in ihr verankert. Die in der Bundesverfassung enthaltene Garantie der Grund- und Freiheitsrechte geht auf das Staatsgrundgesetz zurück. Die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ergänzen das Verfassungsgesetz. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist in Österreich seit 1958 rechtswirksam. 1964 wurde sie zur Gänze in den Verfassungsrang gehoben.

An der Spitze der Bundesregierung, dem obersten Organ der Bundes- Verwaltung, steht der Bundeskanzler. Er führt mit dem Vizekanzler und den Ministern die Regierungsgeschäfte. Der Bundespräsident ist der oberste Repräsentant des Staates, er wird alle sechs Jahre durch allgemeine Wahlen gewählt. Die Gesetzgebung des Bundes obliegt Nationalrat und Bundesrat, den beiden Kammern des Parlaments. Der Nationalrat wird alle vier Jahre vom Volk gewählt, zuletzt im Oktober 1999, der Bundesrat wird von den Bundesländern beschickt.

Derzeit setzt sich der österreichische Nationalrat wie folgt zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Seit Jahrzehnten gilt ein informelles System der Zusammenarbeit verschiedener Interessensgruppen als Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg Österreichs: Die Sozialpartnerschaft. Dieser Einrichtung, so wird immer wieder beschrieben, verdankt Österreich soziale Sicherheit und Stabilität. Die vier Trägerorganisationen der Sozialpartnerschaft sind Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer. Ziel der Zusammenarbeit ist es, eine hohe Beschäftigungsrate bei steigendem Wirtschaftswachstum zu garantieren - und damit allen Österreichern Wohlstand. Wie später dargelegt wird, ist diese freiwillige Zusammenarbeit einer der wesentlichen Eckpunkte des sogenannten „Austro-Keynesianismus“ und bezieht ihre Rechtfertigung stets aus den wirtschaftlichen Erfolgsdaten der letzten Jahrzehnte und im internationalen Vergleich der geringen Zahl von Arbeitskämpfen. Nebenbei bedeutet dieses Klima der sozialen Sicherheit und des Interessenausgleiches zwischen Arbeitgebern- und nehmern ein ganz wesentliches Argument für ausländische Investoren, sich am Wirtschaftsstandort Österreich niederzulassen.

Zur politischen „Stellung in der Welt“ ist anzuführen, dass Österreich seit 01. Januar 1995 Mitglied der Europäischen Union (EU) ist und im Februar 1995 die Einladung zu einer Teilnahme an der NATO - Partnerschaft für den Frieden - annahm. Diese Schritte schließen an die langjährige aktive Mitgliedschaft Österreichs in den Vereinten Nationen, im Europarat und in der OSZE - der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (früher: KSZE) - an.

2.4 WIRTSCHAFT

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner zählt Österreich zu einem der reichsten Staaten sowohl der EU als auch der Welt. Die Arbeitslosenquote in Österreich betrug 2000 3,4 % (vgl. Abbildung 3). Der durchschnittliche Brutto-Monatsverdienst eines unselbständig Erwerbstätigen belief sich zuletzt auf 28.360 ATS (1996: 28.200 ATS).

Österreich ist ein hoch entwickeltes Industrieland mit einem bedeutenden Dienstleistungsanteil. 1999 waren 7,3% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, 31,3% in der Industrie und 61,4% im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Die wichtigsten Industriezweige sind Maschinen- und Stahlbau, Chemie und Fahrzeuge (vor allem die Motoren- und Getriebeproduktion). Bei elektronischer Technologie hat sich Österreich insbesondere bei maßgeschneiderten Elektronikprodukten wie Chips und integrierten Schaltkreisen (Entwicklung von Chips für: Airbag, ABS-Bremssysteme; Bauteile für Airbus oder Super-Schnellzüge usw.) international einen Namen gemacht.

In den vergangenen Jahren war das Budget für Forschung und Entwicklung kontinuierlich angehoben worden, 1998 entsprach es etwa 1,63% des BIP.

Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie waren jene Bereiche, die in den vergangenen Jahren die größten Umstellungen durch den EU-Beitritt Österreichs zu bewältigen hatten. Auf dem Sektor der Rohstoff- und Energiegewinnung verfügt die Alpenrepublik über reiche Ressourcen, doch macht eine stetig expandierende Industrie in zunehmendem Maße ergänzende Importe erforderlich.

Der Tourismus ist eine der wesentlichen Säulen der österreichischen Wirtschaft. 1999 wuchs der Umsatz im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft auf 456,4 Mrd. ATS an (1998: 446,8 Mrd. ATS).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5 ÖSTERREICHS AUßENHANDEL

Als kleine, offene Volkswirtschaft hat Österreich einen kleinen Inlandsmarkt, der geringe Absatzmöglichkeiten bietet. Daher konzentriert sich die österreichische Wirtschaft besonders auf den Außenhandel. Österreich treibt mit rund 150 Ländern Handel. Um die Außenhandelsinteressen besser abzusichern, ist das EU-Land Österreich sowohl Mitglied im GATT als auch in der OECD. Mit Ländern in Osteuropa bestehen langfristige Verträge auf dem Gebiet der industriellen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

In der Außenhandelsstatistik ist Österreichs günstige Lage als Brücke zwischen Ost- und Westeuropa deutlich abzulesen. Die Nachbarn auf beiden Seiten sind äußerst wichtige Handelspartner.

Im folgenden sollen die wichtigsten Handelspartner und -waren dargestellt werden:

Im Jahr 1998 stiegen in Österreich die Exporte um mehr als acht Prozent und die Importe um deutlich mehr als sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr an. Dieses Wachstum ist vor allem auf die Expansion im Warenverkehr mit den Partnerländern der EU zurückzuführen, die EU-Region ist die mit Abstand größte Handelspartnerin Österreichs1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 - Exporte und Importe nach Regionen (1998)

Die Staaten, die für Österreichs Außenhandel die größte Bedeutung haben, sind sowohl für den Export als auch für den Import die beiden Nachbarländer Deutschland und Italien, die östlichen Nachbarn Ungarn und Tschechien liegen bei den Ausfuhren auf Platz vier bzw. acht. Seit 1989 haben sich die österreichischen Warenexporte in die mittel- und osteuropäischen Länder auf 131,8 Mrd. ATS fast verdreifacht. Der Anteil des Osthandels am österreichischen Gesamtexport betrug 1998 16,1 %2. In den ersten Jahren nach dem Umbruch in Osteuropa kamen rund 40% der ausländischen Direktinvestitionen in der Region aus Österreich.

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Abbildung 5 - Die wichtigsten Handelspartner nach Ländern (1998)

In Abbildung 5 werden die wesentlichen österreichischen Warenexporte und - importe dargestellt. Die wertmäßig größte Bedeutung nehmen sowohl beim Import als auch beim Export die Warengruppen Maschinen- und Fahrzeuge, Bearbeite Waren und sonstige Fertigwaren ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 - Ex- und Import nach Warengruppen 1998 (Quelle: WWFF)

Letztendlich stellt der Transithandel einen wichtige Zweig des österreichischen Außenhandels, verbunden mit der Vermittlung von Ost-West-Geschäften, dar. In dem Maße, in dem sich Österreich auf weltpolitischem Gebiet zu einem Treffpunkt der Nationen entwickelt - wovon zahlreiche Gipfelgespräche, Kongresse und Konferenzen Zeugnis ablegen - wird das Land auch auf dem Transportsektor zu einem wichtigen Bindeglied zwischen den Wirtschaftsräumen Europas.

2.6 DIE OESTERREICHISCHE NATIONALBANK(OENB)

Seit 1924, mit Ausnahme der Zeit des II. Weltkriegs, ist der Schilling die österreichische Währungseinheit. Am 1. Januar 1999 wurde der Euro, zunächst nur als Buchgeld, auch in Österreich eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Schilling, entsprechend der österreichischen Hartwährungspolitik, in erster Linie am Kurs der Deutschen Mark orientiert. Seit Jahresbeginn 1999 gehört Österreich auf Grund des erreichten Konvergenzstatus zu jenen 11 EU- Ländern, die in die Stufe 3 der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) eingetreten sind. Seit diesem Zeitpunkt gelten Euro und Cent bereits neben Schilling und Groschen als gesetzliche Zahlungsmittel. Noch kann der Euro jedoch nur als Buchgeld, also im bargeldlosen Zahlungsverkehr verwendet werden. Ein Euro entspricht 13,7603 österreichische Schilling. Ab dem 1. Januar 2002 wird der Euro als Zahlungsmittel verwendet werden und ab dem 1. März 2002 alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel sein und den Schilling ganz ersetzen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), die nationale Zentralbank Österreichs. Formal ist sie von Staat und Regierung unabhängig, dennoch erfüllt sie die Funktionen einer Hausbank des Staates. Als Instrumente stehen ihr die Festlegung der von den Kreditinstituten zu haltenden Mindestreserven, die Variation des Lombard- und Diskontsatzes, die Offenmarktpolitik und die Swap-Politik (Bildung von Liquiditätsüberschüssen zur Verfügung).

Bereits seit 1. Januar 1999, mit Beginn der Währungsunion, ist die OeNB Teil eines Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), an dessen Spitze die Europäische Zentralbank (EZB) steht. Das ESZB ist für die gemeinsame Geldpolitik zuständig, die EZB stellt gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken sicher, dass die Entscheidungen durchgeführt werden.

3 “THE AUSTRIAN SUCCESS STORY?“

Österreich gehört heute zu den wirtschaftlich wohlhabendsten Nationen der Erde. Aus dem stark zerstörten Nachkriegsösterreich entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten eine politisch und wirtschaftlich stabile Nation.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 - Wirtschaftsleistung; BIP je Einwohner (Quelle: OECD)

Die Abbildung 6 verdeutlicht, gemessen an dem BIP je Einwohner zu Kaufkraftparitäten (OECD=100), die wirtschaftliche Erstarkung Österreichs in der Nachkriegszeit. Dabei ist eine gewisse Parallelität zu der deutschen Entwicklung zu erkennen. Die österreichische Wohlstandsentwicklung zeichnet sich jedoch durch eine kontinuierliche und stetige Aufwärtsbewegung aus. Deutschland dagegen musste in den 70er (Erdölkrise) und 90er (Wiedervereinigung) Jahren herbe Rückschläge hinnehmen, die sogar in Rezessionen ihren Niederschlag fanden. Unter diesen Gesichtspunkten scheint der Sonderweg Österreichs von Erfolg gekrönt zu sein. Als kleine, offene Volkswirtschaft prägte Österreich mit dem sogenannten „Austro- Keynesianismus“ eine neue Form eines gemischtwirtschaftlichen Systems.

3.1 DIE ETABLIERUNG DES„AUSTRO-KEYNESIANISMUS“

Der wirtschaftliche Aufstieg Österreichs innerhalb der letzten 5 Jahrzehnte hat eine Vielzahl von Gründen. Abgesehen von der Wiederaufbau-Hilfe im Rahmen des Marshall-Plans in den Jahren 1948 bis 1951 als Initialzündung, liegt der entscheidende Punkt in einem gemischtwirtschaftlichen System, dass schrittweise dem marktwirtschaftlichen Prinzip Raum gab. Mit dem sogenannten „Austro-Keynesianismus“ ging Österreich im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn einen anderen Weg. Die Besonderheit dieser Art von Wirtschaftspolitik lag in der Kombination von expansiver Fiskalpolitik, restriktiver Einkommenspolitik und vorsichtiger Kreditpolitik (inklusive Elementen angebotsorientierter Wirtschaftspolitik) mit einer glaubhaften Hartwährungspolitik.

Der entscheidende wirtschaftspolitische Faktor war die harte Währung. Diese Form der Geldpolitik konnte verfolgt werden, da die Rahmenbedingungen dafür verwirklicht waren: eine vorsichtige Einkommenspolitik, eine solide Budgetpolitik, eine Strukturpolitik, sowie eine Politik der freien Märkte.

Die Basis der österreichische Währungspolitik war die Stabilisierung des Schilling/DM-Wechselkurses. Dazu waren auf der einen Seite eine unabhängige Position der Notenbank und auf der anderen Seite eine konsensorientierte Problemlösungskultur erforderlich. Auf dieser Grundlage können währungspolitische Vorgaben zusammen mit anderen wichtigen ökonomischen Entscheidungen3 zu einem auf Verstetigung ausgerichteten System geformt werden. Die Vorteile für Österreich, als kleine offene Volkswirtschaft mit einer hohen Außenhandelsverknüpfung, zeigen sich insbesondere in den exportabhängigen Sektoren. Die stabilen Wechselkurse ersparen dem exponierten Sektor der Wirtschaft Kurssicherungskosten und bieten eine verlässliche Kalkulationsgrundlage.

Im Hinblick auf die gesamte Volkswirtschaft ergibt sich durch den stabilen Außenwert der Währung ein dämpfender Effekt auf die Importpreise, ein Klima geringer Inflationserwartungen und damit die Voraussetzungen für eine wettbewerbsorientierte Einkommenspolitik.

Diese (informelle) Form der Wirtschaftspolitik, insbesondere der an die stabile D-Mark orientierte Schilling, wurde in Österreich bereits seit Beginn der 70er Jahre diskutiert und bedurfte eines langjährigen Lern- und Etablierungsprozesses.

Der alte ökonomische Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem großen deutschen Nachbarland blockierte alle rationalen Überlegungen. Der Lernprozess reichte bis zur zweiten D-Mark-Aufwertung 1969 (um 9,3%). Die Idee einer zumindest teilweise Aufwertung des österreichischen Schillings scheiterte an der geschlossenen Phalanx der Interessenvertretungen und der von ihnen beeinflussten Politiker. Der Preis für die Nichtaufwertung war ein kräftiger Inflationsimport aus Deutschland. Die „Terms-of-Trade“ im Außenhandel verschlechterten sich dramatisch: von 1969 bis 1971 um 7%, da die Importpreise um 15%, die Exportpreise aber nur um 7,5% stiegen. Angesichts dieser Problematik revidierten die Regierung und die Notenbank im Jahr 1971 den Währungskurs und werteten ihn um 5,05% auf, womit der währungspolitische Schaden zumindest teilweise gebremst wurde.

Eine zweite Bewährungsprobe der Währungspolitik erfolgte gegen Ende der 70er Jahre. Trotz guter Wirtschaftsdaten4 drohte die Leistungsbilanz ins Defizit zu kippen. Schnell wurde der Ruf, auch von ausländischen Experten (IWF), laut, den Schilling von der D-Mark abzukoppeln. Jedoch wurde ein Jahr später die Richtigkeit der konsequent harten Währungspolitik der Nationalbank bestätigt: Das Leistungsbilanzproblem verflüchtigte sich, da es keine strukturellen, sondern konjunkturelle Ursachen hatte (Wachstumsvorsprung zum Ausland).

Damit wurde die Währungspolitik Österreichs im In- und Ausland glaubhaft und gefestigt, sowie die Haltbarkeit der DM-Schilling-Relation in den letzten zwei Jahrzehnten nie ernsthaft bezweifelt. Kapitalabflüsse konnten durch die Einhaltung eines „Respektabstandes“ von mindestens 50 Basispunkten beim Zinsniveau verhindert werden.

3.2 DAS „HARTWÄHRUNGSZIEL“

Mit der Etablierung der Glaubhaftigkeit dieser Politik, entschied sich die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in den Jahren 1979/80 das Ziel eines fixen nominellen Wechselkurses in den Mittelpunkt ihrer geldpolitischen Maßnahmen zu stellen. Hinsichtlich der Geldmengenentwicklung verhält sich die OeNB seit diesem Zeitpunkt passiv: Das Geldangebot passt sich der Geldnachfrage an. Sogar die Zinssätze wurden so gestaltet, dass sie den deutschen Sätzen folgten und damit den DM-Schilling-Kurs stabilisierten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 - Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze (Quelle: OeNB)

Mit der Kopplung der kurzfristigen Zinssätze an das deutsche Pendant gab die Oesterreichische Nationalbank ein entscheidendes Element der Wirtschaftspolitik aus der Hand. Bei der Zinspolitik stand somit nicht mehr die Entwicklung der inländischen Indikatoren im Vordergrund, sondern die Entscheidungen über die Zinspolitik der Deutschen Bundesbank.

Als Folge musste die österreichische Hartwährungspolitik mit den Anforderungen des Hartwährungszieles auf die Fiskalpolitik ausgeweitet werden. Die Märkte, die Sozialpartner und die öffentliche Hand sahen, in welchem Maße die OeNB den stabilitätsorientierten Kurs der Deutschen Bundesbank zu folgen bereit war. Traten ökonomische Schocks wie in den 80er Jahren in der verstaatlichten Industrie auf, mussten diese durch Strukturänderungen oder durch Preis- und Lohnflexibilität, also durch (strategische) Reaktionen der Unternehmen, Arbeitnehmern oder der öffentlichen Hand kompensiert werden5.

So wurde die Hartwährungspolitik durch Strukturanpassungen, Reallohnflexibilität und fiskalpolitischer Disziplin verschiedener Politikinstanzen in Österreich begleitet und abgesichert. So ging beispielsweise die Lohndisziplin soweit, dass die Reallöhne (netto) fast ein ganzes Jahrzehnt - von 1975 bis 1985 - praktisch unverändert blieben6. Damit war der wettbewerbspolitische status quo von 1975 nicht nur wiederhergestellt, sondern es wurde darüber hinaus ein Lohnkostenvorteil errungen.

Der Vorteil einer kleinen offenen Volkswirtschaft mit entsprechend verringertem wirtschaftpolitischen Handlungsspielraum zeigte sich insbesondere zu Ende der 80er Jahre. Die Arbeitslosigkeit konnte im Vergleich zum Durchschnitt der OECD-Länder niedrig gehalten werden, jedoch bildeten sich Problemgruppen des Arbeitsmarktes mit hohen Arbeitslosenzahlen (Jugendliche, ältere Arbeitnehmer usw.) heraus.

Beim Wirtschaftswachstum blieb Österreich in den 80er Jahren hinter dem OECD-Raum zurück. Dank der Neustrukturierung der Verstaatlichten Industrie, der auf Konsolidierung ausgerichteten Budgetpolitik und der partiellen Reform des Steuersystems 1988 konnte der Anschluss an die günstige internationale Entwicklung gefunden werden. Die neuerlich einsetzende Rezession zu Beginn der 90er Jahre konnte Österreich aufgrund der deutschen nachfrageinduzierten Sonderkonjunktur mit einem BIP -Realwachstum von 4,6% 1990 und immer noch 3,4% 1991 (vgl. Abbildung 9) überstehen. Schließlich musste sich aber Österreich mit der Realität der restriktiven Geldpolitik (vgl. Abbildung 3) Deutschlands und der damit verbundenen Konjunkturdämpfung abfinden.

3.3 DIE KRISENJAHRE

Im Rahmen der EWS-Krise 1992/93 zeigten sich die Schwachstellen einer Anbindung der österreichischen an die deutsche Geldpolitik. Doch um die Auswirkungen dieser Abhängigkeit zu verstehen, sollen zunächst die Gründe für die Krise dargelegt werden.

Durch den Wirtschaftsaufschwung der 80er Jahre und der Boomphase zu Beginn der 90er Jahre wuchs das Vertrauen in das Europäische Währungssystem (EWS). Insbesondere im Kern-EWS, bestehend aus den Beneluxländern, Dänemark, Frankreich, Irland und Deutschland, traten in folge dieser positiven Lage die Probleme in den Hintergrund. So herrschte in diesen Ländern keine gleichwertige Konvergenzentwicklung, welches sich zum Beispiel in unterschiedlichen Verbraucherpreissteigerungen (Im Jahr 1987 zwischen 0,2% in den Niederlanden und 5,7% in Irland) widerspiegelte. Trotzdem wurde das Vertauen in dieses System permanent größer.

In den sogenannten Weichwährungsländern (wie z.B. Italien und Spanien) wurden die Wechselkursanpassungen, die durch den Wirtschaftsboom nötig gewesen wären, vermieden. Die hohen Nominalzinsen verhinderten nicht nur Wechselkursanpassungen sondern sorgten auch für verstärkten Kapitalimport. Die Märkte vertrauten in die Kursbindung und waren der Meinung, jederzeit aus diesen Engagements wieder herauszukommen.

Am 16. Juli 1992 bewirkte die Entscheidung der deutschen Bundesbank, den Diskontsatz von 8,00% auf 8,75% zu erhöhen, große Unsicherheit auf den Märkten. Binnenwirtschaftlich betrachtet war die deutsche Leitzinserhöhung nachvollziehbar. Dieser Schritt löste große politische Spannungen aus, da einige Mitgliedstaaten der EU mit niedrigen Inflationsraten und einem rückläufigen Wirtschaftswachstum konfrontiert waren. Damit waren sie nicht in der Lage, den restriktiven Weg der deutschen Bundesbank weiter zu verfolgen.

Der in Maastricht vereinbarte gemeinsame Kurs der Zentralbanken geriet ins wanken: „ Eine allein binnenwirtschaftliche orientierte Geldpolitik bei fixen Wechselkursen und freiem Kapitalverkehr war unvorstellbar “ 7 und schürte dadurch Unsicherheiten und Spekulationen über den weiteren Verlauf der Wechselkurse.

Spekulanten witterten ihre Chancen, mit der Einbahnstraßenspekulation („one way bets“) zu sicheren Gewinnen zu kommen. Sie erkannten, dass bei einer starken Abwertung der attackierten Währung eine neue Bandbreite entsteht. Der obere Punkt der „Range“ liegt dann immer noch unter dem (vorherigen) Interventionspunkt der „alten“ Bandbreite. Die engen Bandbreiten machten es unwahrscheinlich, dass nach einer Abwertung der Wert der Währung wieder auf sein altes Niveau steigen kann. Getragen von dieser Logik nahmen die Spekulanten Kredite in Schwachwährungsländern auf, verkauften diese auf dem Kassamarkt der Starkwährung und hofften auf eine Abwertung. Bei Rücktausch in die Schwachwährung hätte die Abwertung zu einem Kursgewinn geführt, der auch die Kreditkosten übersteigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 - Wechselkursentwicklung der LIT (Quelle: OeNB 2000)

In den folgenden Wochen wurde der Druck auf einige Währungen so stark, dass trotz massiver Interventionen am 17. September 1992 die italienische Lira (vgl. Abbildung 8) und das britische Pfund durch die starke Abwertung der Währungen aus dem EWS austreten mussten. Dadurch wurden die Spekulanten noch weiter angespornt und versuchten weitere Währungen durch Termingeschäfte aus ihren Bandbreiten zu drücken. Insbesondere der französische Franc geriet immer weiter unter Druck, und konnte nur durch gezielte und gebündelte Stützungskäufe in seiner „Range“ gehalten werden.

Im Frühling kamen die Devisenmärkte wieder etwas zur Ruhe. Aufgrund der schwachen Konjunkturlage nutzten einige Länder diese einsetzende Beruhigung zu wachstumsstimulierenden Zinssenkungen. Durch einen Streit um die Ankerrolle im EWS zwischen Frankreich und Deutschland flackerte die Krise wieder auf. So beschloss die deutsche Bundesbank am 1. Juli 1993 eine Zinssenkung durchzuführen, der wieder nicht alle Teilnehmerstaaten in vollem Umfang folgen mochten.

„ The Bundesbank has kept interest rate too high, too long. It could have lowered short-term rates gradually without endangering its reputation, but it missed the boat [ … ]. But now it is too Late: the markets have begun to discount the inevitable and eventually the Bundesbank will capitulate ” 8 .

Das verstärkte wieder den Zweifel an einer einheitlichen Notenbankpolitik sowie der Zinshoheit der deutschen Bundesbank. Die folgenden Wochen zeigten wie Spekulanten stärker als je zuvor nun beinahe alle Währungen des EWS massiv attackierten. Trotz starker Interventionen ließen sich die Wechselkurse kaum noch stabilisieren. Die Abwertungen von einigen Währungen konnten allerdings nicht mehr verhindert werden und sie fielen aus ihren jeweiligen Bandbreiten.

Auf Initiative des damaligen Finanzministers Theo Waigel wurde der EG- Währungsausschuss einberufen, der beschloss, die Bandbreiten von +/-2,5% auf +/-15% heraufzusetzen. Dadurch wurde den Notenbanken mehr Spielraum gegeben, um binnenwirtschaftliche Politik zu betreiben. Allerdings kam es mit der Ausweitung der Bandbreiten zur Auflösung des EWS. Nach dem Beschluss folgte ein starker Abwertungswettlauf und die Devisenmärkte kamen wieder zur Ruhe.

„ The System failed because it had no alternative to monetary policy to deal with shocks and disturbances, and that is simply incompatible with the assignment of monetary policy to longer-term anti inflation aims as well. The exchange-rate regime implied that relative monetary-policy stances could not change; domestic problems meant that they had to. ” 9

Die deutsche Bundesbank spielte die Vorreiterrolle. Die Ankerfunktion im DM- Block ergab sich u.a. daraus, das Deutschland unter den EWS Währungen die wichtigste Anlage- und Reservewährung darstellte, und der deutsche Wirtschaftsstandort unter den internationalen Investoren eine starke Reputation besaß.

Die Zinserhöhung der deutschen Bundesbank war binnenwirtschaftlich gerechtfertigt. Durch die Wiedervereinigung kam es zu einem nachfrageinduzierten Konjunkturaufschwung, während sich in den anderen Nationen eine Konjunkturflaute andeutete. Die Ankerfunktion zwang die anderen Teilnehmerstaaten, den Entscheidungen der Bundesbank zu folgen:

„ Die Verbindung von einem einheitlichen Binnenmarkt, national bestimmten Budgetpolitiken und einer von Deutschland dominierten Geldpolitik f ü hrt zu einem rezessiven und deflation ä ren Ungleichgewicht, aus welchem sich die andauernde Arbeitslosigkeit in einigen Mitgliedsl ä ndern [...] erkl ä ren lassen. “ 10 .

Die restriktive Geldpolitik der deutschen Bundesbank war mit den realwirtschaftlichen Lagen der anderen Staaten unvereinbar. Sie folgten zunächst den Zinserhöhungen (vgl. Abbildung 7) und verschlechterten damit die Investitionsbedingungen für Unternehmen am jeweiligen Wirtschaftsstandort. Über die sogenannten „Multiplikatoreffekte“ schlug sich diese verringerte Investitionsbereitschaft der Unternehmen unmittelbar auf den Arbeitsmarkt nieder. Für den Staatshaushalt entstanden als Folge höhere Defizite und Schuldenquoten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10 - Wirtschaftsindikatoren Österreichs 1990 - 1995

Das österreichische Wirtschaftswachstum fiel in den Jahren 1992 (1,3%) und 1993 (0,5%) bedeutend geringer als in den vorherigen Jahren aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11 - Wachstum des BIP (Quelle: WIFO, OECD 2000)

Der Wachstumseinbruch und der wirtschaftliche Schock manifestierte sich in strukturellen und konjunkturellen Problemen. Die Gesamtverschuldung des österreichischen Staates stieg in den folgenden Jahren durchschnittlich um 4% und das Haushaltsdefizit überstieg die 5% (des BIP) Hürde. Mit diesen Problemen kämpfte Österreich noch bei der Erfüllung der Konvergenzkriterien und erst gegen Ende der 90er Jahre konnten diese allmählich unter großen Kraftanstrengung11 gemindert werden.

3.4 AN DER SCHWELLE ZUR WWU

Die österreichische Währungspolitik wählte den Weg einer Wechselkursanbindung zu einem Zeitpunkt, als die ökonomischen Voraussetzungen zu einem Währungsverbund mit dem DM-Gebiet im Sinne der Theorie der optimalen Währungszone noch nicht gegeben waren.

Erst im Zuge der Verfolgung des Hartwährungszieles in den 80er und 90er Jahren, und durch die damit eingeleiteten Anpassungsprozessen wurden die einzelnen Kriterien dieser Theorie zunehmend erfüllt. Österreich kann damit als Muster für den Eintritt eines Landes in die Europäische Währungsunion angesehen werden.

Am Beispiel Österreichs ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, dass die Konvergenzkriterien - im Sinne des Vertrages von Maastricht - nicht erfüllt wurden, bevor der Währungsverbund mit der DM eingegangen wurde. Vielmehr verliefen die Prozesse umgekehrt: Erst die DM-Anbindung des Schillings bewirkte - aufgrund verschiedener strategischer Reaktionen österreichischer Instanzen - die Erfüllung der Konvergenzkriterien. Dementsprechend konnte Österreich in den Beitrittsverhandlungen12 unterstreichen, dass es als neues EU-Mitglied wirtschaftlich und monetär in der Lage sein wird, die mit der WWU verbundenen Rechte und Pflichten zu übernehmen.

Durch die seit Jahren erfolgreiche Bindung des Schilling an die DM, sah Österreich keine Probleme bei der Übernahme der Bestimmungen des Maastricht-Vertrages. Da der EU-Beitritt Grundprinzipien der Bundesverfassung berührte, war das Beitrittsgesetz einer Volksabstimmung zu unterziehen. Am 12. Juni 1994 entschied sich die österreichische Bevölkerung mit einer Mehrheit von 66,58% für einen Beitritt Österreichs zur EU und gab eine positive Bestätigung über die österreichischen Europapolitik der letzten Jahre ab.

Durch den Weg nach Brüssel gelang es, die österreichischen Exporte in die EU auf 62,9% (Importe: 65,9%) im Jahr 1994 zu steigern. Durch die EU- Mitgliedschaft kann Österreich seit 1995 von den Europaabkommen der EU mit den zentral- und osteuropäischen Staaten profitieren und hat freien Zugang zu den Märkten West- aber auch Osteuropas. Etwas, was Österreich nie vorher in seiner Geschichte hatte.

Die wesentlichen Gründe für den Beitritt Österreich zur EU und damit auch zur WWU lassen sich vor allem durch die festen Wechselkurse und die gemeinsame Währung begründen. Dadurch werden Wechselkursrisikos beseitigt, zusätzlicher Außenhandel und vermehrte Auslandsinvestitionen generiert, sowie die Konzentration der einzelnen EU-Mitgliedstaaten auf ihre eigenen wirtschaftlichen Stärken hervorgerufen.

Darüber hinaus verhindert die gemeinsame Währung einerseits „kompetitive Abwertungen“ und schützt andererseits vor „spekulativen Attacken“ der Währungsspekulanten.

Mit dem Eintritt in eine Währungsunion verzichtet Österreich bewusst auf seine „faktische“ Souveränität in der Geld- und Wechselpolitik. Denn Österreich hatte - anders als etwa die Schweiz - durch seine Strategie der autonomen Einschränkung der Wechselkursflexibilität zwischen Schilling und D-Mark auch seine Selbständigkeit bei der Ausübung seiner geldpolitischen Handlungsfreiheit in Kauf genommen. Österreich entspricht dem Modell einer kleinen, offenen Volkswirtschaft, die sich in einer typischen, hohen Außenhandelsverflechtung im Waren- und Dienstleistungsbereich von ca. 75% des BIP zeigt. Da Deutschland für Österreich der wichtigste Handelspartner ist - auf Deutschland entfallen 40% dieser Quote - lag es nahe, die Geldpolitik auf einen fixen Wechselkurs zur D-Mark auszurichten. Durch den Beitritt zur WWU und einem stabilen Euro sind die Voraussetzungen für die Kontinuität in der österreichischen Währungspolitik gegeben.

Durch die seit den 70er Jahren praktizierte Anbindung des Schilling- Außenwertes an die D-Mark, die sich zur Ankerwährung des Europäischen Währungssystems entwickelt hat, hatte Österreich Erfahrungen mit Funktion und Konsequenzen einer - informellen - Währungsunion gesammelt. Sie reduzierte die Anpassungserfordernisse an die Wirtschafts- und Währungsunion, da die ökonomischen Strukturen bereits heute mit den stabilitätspolitischen Anforderungen der Zukunft übereinstimmen. Österreich hat bereits seit Jahrzehnten jene Stabilitätskultur gelebt, die sich in anderen Ländern erst mühsam - und nach entsprechend negativen Erfahrungen mit Abwertungen und Inflationsprozessen - durchsetzen muss.

3.5 AKTUELLE PROBLEME ÖSTERREICHS

Die Entwicklung der Leistungsbilanz in den 90er Jahren brachte strukturelle Probleme Österreichs zum Vorschein, die in der chronisch defizitären Warenbilanz Niederschlag finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12 - Leistungsbilanzsaldo Österreich (Quelle: OeNB, 2000)

Diese Entwicklung basiert nicht auf einem Misserfolg der Exportwirtschaft. Die Wachstumsraten der Exporte liegen - trotz der die Exportwirtschaft beeinträchtigenden Hartwährungspolitik - langfristig deutlich über jenen des BIP. Ähnlich wie in anderen entwickelten Industrieländern, zeigen auch in Österreich die Zuwachsraten von Exporten und Importen parallele Tendenzen. So verzeichnet Österreich aufgrund seiner historischen Ausgangssituation Warenbilanzdefizite gegenüber Europa, der EU, der OECD, Asien, Afrika, Amerika und insbesondere dem Handelspartner Deutschland. In Folge des Beitritts in die EU kam es zwar zu einer merklichen Zunahme der Warendirektimporte aus den Nachbarstaaten der EU, dennoch deutet der Umstand, dass das Warenbilanzdefizit gegenüber der EU 1995 nicht weiter zunahm, auf den sich eröffnenden Nettovorteil des Außenhandels im Gemeinsamen Markt hin (längerfristige Verbesserung der österreichischen Leistungsbilanz zur EU).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13 - Entwicklung der österreichischen Leistungsbilanz

Der Reiseverkehr bildet den Hauptfaktor für die starke Verschlechterung der österreichischen Leistungsbilanz, die 1993 begann. Die drastische Verschlechterung der - positiven - Fremdenverkehrsbilanz weist konjunkturelle und strukturelle sowie externe und interne Ursachen auf. Die europäische und japanische Rezession in den 90er Jahren sowie die Budgetkonsolidierung in der EU (Maastrichter Konvergenzkriterien) verminderten die verfügbaren Einkommen und die Zahlungsbereitschaft der Österreichbesucher. Bedingt durch eine Abwertung der italienischen Lira bevorzugten darüber hinaus die Österreicher Italien als Urlaubsland. Längerfristig beeinträchtigen die zunehmenden, relativ billigen und von den Österreichern immer stärker genutzten Angebote an Fernreisen die Leistungsbilanz. Nicht nur aufgrund der österreichischen Hartwährungspolitik, sondern auch als Folge der Hochpreispolitik der heimischen Tourismuswirtschaft wird Österreich als Urlaubsland weniger attraktiv.

Weiterhin verdeutlicht das Leistungsbilanzdefizit die starke Konzentration Österreichs auf die benachbarten Länder (Deutschland und Italien) und deshalb partizipiert die österreichische Außenwirtschaft nur geringfügig am schnellen Wachstum der südeuropäischen Länder. Auch die Innovationskraft der österreichischen Wirtschaft ist im Vergleich zu den Handelspartnern geringer und verschlechtern langfristig durch „Terms-of-Trade-Verluste“ die Leistungsbilanz.

4 KONKLUSION

Abschließend wäre zu sagen, dass der „Sonderweg“ Österreichs einen schnellen und stabilen Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglicht hat. Der neuartige Ansatz des „Austro-Keynesianismus“ mit dem wesentlichen Element der Hartwährungspolitik erwies sich als richtungsweisend.

Die bedrohlichen Schwächeperioden, die in zeitgenössischen Kommentaren als schwere Strukturkrisen gedeutet wurden, erwiesen sich rückblickend als kurzlebige Anpassungsvorgänge.

Die „Strukturkrise“ der 80er Jahre war eine der Verstaatlichten Industrie und ihr folgte ein großer Wachstumsschub in den Jahren 1987 bis 1991. Die Wachstumsschwäche Mitte der 90er Jahre ist als „Anpassungskrise“ an die Ostöffnung und die österreichische EU-Integration (EU-Beitritt erfolgte 1995) gesehen worden. Tatsächlich war ein verstärkter Strukturbereinigungsprozess zu verzeichnen, der sich in einer ungewöhnlich hohen Zahl an Insolvenzen manifestierte.

Gerade diese Erfahrungen haben gezeigt, dass für Österreich, als kleine und offene Volkswirtschaft, die Einbindung in eine Währungsunion, gemeinsam mit den wichtigsten europäischen Handelspartnern, ein zentrales Anliegen sein muss. Ein kleines Land ist auf offene Märkte und kalkulierbare Austauschrelationen mit seinen wichtigsten Handelspartnern angewiesen.

Nach Darlegung dieser Situation können wir die Fragestellung „The Austrian success story?“ in eine Tatsache für die letzten fünf Jahrzehnte umformulieren.

Jedoch darf diese Tatsache nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Österreich verstärkt Strukturreformen vorangetrieben werden müssen. Dazu muss jedoch eine verstärkte Technologie- und Budgetpolitik in Richtung know- how-intensiver, innovativer Produkte verschoben werden. In diesem Zusammenhang wird im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit das industriepolitische Augenmerk auf die zukunftsträchtigen, innovativen Cluster13 der österreichischen Wirtschaft zu legen sein. Aufgrund der klein- und mittelbetrieblichen Wirtschaftsstruktur erscheint es zukunftsweisend, zusammenhängende Exportangebote14 durch Projektgemeinschaften mehrerer Firmen auf den Weltmarkt zu bringen. Damit setzt man auf Synergie- und Skaleneffekte und erfordert eine enge Kooperation15 der heimischen Firmen.

5 QUELLENANGABEN

Allsopp, C. (1993): The Assessment - Strategic Policy Dilemmas for the 1990s. in: Oxford Review of Economic Policy, Vol. 9, No. 3

Andreae, C.-A. (1994): Wirtschaft und Gesellschaft, 1. Auflage, Berlin 1994

Bartel, R.; Poitner, J.; Schneider, F. (1996): Österreich im internationalen Wirtschaftssystem, Institut für Volkswirtschaftslehre, Arbeitspapier 9610, Wien 1996

Breuss, F. (1996): Erste Spuren des EU-Beitritts in Österreichs Wirtschaft - Ein Überblick, in: Wirtschaftspolitische Blätter 43, Wien 1996, S. 207 - 224

Collignon, S. (1994): Das europäische Währungssystem im Übergang. Erfahrungen mit dem EWS und politische Optionen, 1. Auflage, Gütersloh 1994

Collignon, S. (1996): Geldwertstabilität für Europa. Die Währungsunion auf dem Prüfstand., 1. Auflage, Gütersloh 1996

Hahn, F., Walterskirchen, E. (1993): ‚Stylized Facts’ der Konjunkturschwankungen in Österreich, Deutschland und den USA“, WIFO Working Paper 58, Wien 1993

Hummer, W. (1990): Österreichs Integration in Europa 1948 - 1989, 1. Aufl., Wien 1990

Hutschenreiter, G. (1994): Cluster innovativer Aktivitäten in der österreichischen Industrie, WIFO Studie, Wien 1994,

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Nowotny, E.; Schuberth, H. (1993): Österreichs Wirtschaft im Wandel, 1. Auflage, Wien 1993

Oesterreichische Nationalbank (1999): Die OeNB im Europäischen System der Zentralbanken, in: OeNB Berichte und Studien I/1999, Wien 1999, S. 15-22

Oesterreichische Nationalbank (2000): Jahresbericht 1999, Wien 2000

Schneider, F. (1996): Die Auswirkungen des EU-Beitritts. Eine vorläufige, kritische Bilanz eines EU-Befürworters, in: Wirtschaftspolitische Blätter 43, 1996, S. 264-270

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http://oenb.at

http://www.oesterreich.com

http://www.statistik.at/fachbereich_02/volks-gr_tab.htm

http://www.ams.or.at

http://www.bmwa.gv.at

[...]


1 Zwei Drittel des Außenhandels werden mit den Ländern der Europäischen Union abgewickelt

2 Quelle: BMWA/Wirtschaftsbericht 2000

3 Vor allem im Bereich der Einkommens- und Fiskalpolitik

4 im Rahmen des „Magischen Vierecks“

5 Als wesentliche Elemente der sogenannten informellen „Sozialpartnerschaft“

6 Die Reallöhne wurden nur um die Inflationsrate verändert

7 Collignon, 1994, S. 14

8 o. V., 1993, S. 34

9 Allsopp, 1993, S. 21

10 Collignon, 1996, S. 96

11 Konsolidierung des Staatshaushaltes und Verminderung der Staatsausgaben Seite 23 von 23

12 vom 1. Februar 1993 bis 1. März 1994

13 Zusammengehörige Leistungspakete

14 Güterbündel, Cluster

15 Beispielsweise auf den Feldern Strategieplanung, F & E, Repräsentanz, Distribution

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
The Austrian success story
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Veranstaltung
Europäische Integration und Außenwirtschaftstheorie
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
32
Katalognummer
V103680
ISBN (eBook)
9783640020584
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Darlegung der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs nach dem 2. Weltkrieg anhand Basisdaten und dem Sonderweg der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), dem "Austro-Keynesianismus + Hartwährungspolitik (DM)"
Schlagworte
Austrian, Europäische, Integration, Außenwirtschaftstheorie
Arbeit zitieren
Steffen Henning (Autor:in), 2001, The Austrian success story, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103680

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