Von der Medienpolitik zur Multimediapolitik- Deutschland und die Informationsgesellschaft


Hausarbeit, 2001

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Faktoren der Transformation
2.1. Technologische Innovationen
2.2 Ökonomische Veränderungen
2.3 Die Bedeutung des Staates

3. Politikformulierung

4. Politikimplementation

5. Evaluation

6. Bibliographie

1. Einleitung

In meiner Hausarbeit beschäftige ich mich mit dem Wandel der Medienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland in den 90er Jahren. Das gesamte Mediensystem befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Aufgrund der Aktualität und der Komplexität des Themas ist es sicherlich schwer, hier den Überblick zu behalten, und es ist nicht möglich den Wandel abschließend zu analysieren.

Zum einen verändern sich die Medien und ihre Bedeutung an sich, durch technische Innovation. Zum anderen ist der Umbruch auch Teil der gesamten wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Änderungen. Diese Änderungen die ich an dieser Stelle etwas verkürzt unter dem Stichwort Globalisierung subsumieren möchte, werden wiederum durch die Medien erst transportiert. Es geht um die Frage wie man die Veränderungen in einen rechtlichen Rahmen fügen kann, und welche Ziele mit einem solchen Rahmen verfolgt werden sollen.

Zunächst werde ich versuchen, die einzelnen Faktoren der Transformation zu betrachten und die Problematik näher zu bestimmen. Dann geht es für mich um die Frage, welche Ziele der Staat im Bereich der Medienpolitik verfolgt, welche Maßnahmen er hier getroffen hat und wie erfolgsversprechend diese Maßnahmen letztendlich sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage von Bedeutung, welche Handlungsspielräume auf nationalstaatlicher Ebene überhaupt noch gegeben sind.

Zusammenfassend hier noch mal meine zentralen Thesen:

1. Das Feld der Medienpolitik befindet sich im Wandel. Dieser Wandel beruht auf verschiedenen Faktoren. Auf der einen Seite haben wir technische Innovationen, auf der anderen Seite fortschreitende Liberalisierung, Privatisierung, Internationalisierung und einen kontinuierlichen Rückzug und Souveränitätsverlust des Staates.
2. Entwicklungslinien des Wandels sind erkennbar aber in vieler Hinsicht in ihren tatsächlichen Auswirkungen noch nicht absehbar.
3. Die Zielvorstellungen des Staates hinsichtlich der Medien-, beziehungsweise der Multimediapolitik sind unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. Es geht hier auch um die Stellung von Medien. Inwiefern sind sie ein besonders schützenswertes Kulturgut, mit einem einzigartigen demokratischen Auftrag und inwiefern sind sie Dienstleistungen, also reine Wirtschaftgüter. Soll die Medienindustrie also den gleichen Spielregeln des Marktes unterworfen werden, wie auch andere Industrien oder besteht hier die Notwendigkeit besonderer Reglementierung?

2. Faktoren der Transformation

2.1 Technologische Innovationen

Der Kern der Veränderung bildet die Digitalisierung. Durch sie werden elektronische Signale nicht mehr mittels Schall- oder Lichtwellen übertragen, sondern in Form binärer Zeichen. Diese technische Innovation hat weitreichende Folgen. Zunächst einmal erhöht sich die Qualität der Übertragung und ihr Empfang. Die Digitalisierung ermöglicht aber auch eine effizientere Datenübertragung, dass heißt es stehen mehr Kanäle zur Verfügung und somit ist auch mehr Platz für neue Programm- und Dienstleistungsanbieter vorhanden.1 Bei analoger Übertragung bot ein Kanal jeweils Platz für ein Programm, mit digitaler Codierung ist dieses traditionelle Verhältnis aufgehoben.2 Alle Übertragungswege, also terrestrische Frequenzen, direkt empfangbare Satelliten und die draht- oder leitungsgebundene Übermittlung, können besser ausgenutzt werden. Aber trotzdem muss der Zugang zu den Kanälen geregelt werden, beziehungsweise die Bitratenkapazitäten zugeteilt werden. Bisher entschieden über die Verteilung die Landesmedienanstalten in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren bei der Kabelübertragung. Durch ein ebensolches Verfahren werden auch die terrestrischen Frequenzen zugeteilt. Bei der Satellitenübertragung kann dies jedoch nicht geschehen, da sich die Trabanten außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes befinden. Hier werden die Verfügungsrechte durch die International Telecommunication Union verwaltet.3 Der Anstieg der zu vergebenden Plätze erschwert die Beherrschbarkeit und Regelbarkeit des bisherigen Zuteilungssystems, oder macht sie gar unmöglich. 4

Ein Problemfeld ist auch der Empfang der digitalen Signale. Hierzu müssen die Haushalte mit einem zusätzlichen Gerät ausgerüstet werden, um die digitalen Programme konsumieren zu können. Die dazu erforderlichen Geräte (Set-Top-Boxen) werden von den Unternehmen entwickelt. Neben der Standardisierungsproblematik ist hier ein Problem, dass der Anbieter der Set-Top-Box darüber entscheiden kann, welche Programme und Anbieter in den Haushalt gelangen. Damit erhält er Macht über die Programmanbieter als auch über den Rezipienten. Zudem ist es möglich, dass der Anbieter der Box auch gleichzeitig Netzbetreiber und Programmanbieter ist.5 Hier besteht also Handlungsbedarf um eine solch enorme Machtkonzentration zu verhindern.

Die Digitalisierung ermöglicht auch die Konvergenz verschiedener Informations- und Kommunikationstechniken. Dieses Zusammenwachsen von Sprache, Text, Video, Audio, Telekommunikation, Informatik und Unterhaltungselektronik wird unter dem Begriff "Multimedia" zusammengefasst. Hierdurch entstehen neue Anwendungs- und Nutzungsformen und Mischformen. Auf der anderen Seite verändern sich aber auch die alten Medien.6

Hier ist die Frage einmal, wie die neuen Formen reglementiert werden sollen. Zentrale Punkte sind hier beispielweise die Schaffung von Rechtsicherheit, Verbraucher-, Jugend-, Daten- und Urheberschutz.

Aber es ist auch die Diskussion aufs neue entfacht, wie beispielweise der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestaltet werden soll. Bereits die Definition von Rundfunk bereitet erheblich Schwierigkeiten, weil die alten Unterscheidungskriterien durch die Konvergenz weitgehend hinfällig geworden sind.7

Die Definition des Rundfunks war auch wichtig für die Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und der EU. Durch die Konvergenz ist also auch diese Kompetenzaufteilung hinfällig geworden.8

2.2 Ökonomische Veränderungen

Im Vordergrund dieses Abschnittes geht es weniger um einen raschen Umbruch, als vielmehr um einen langfristigen Prozess, der sicherlich in den letzten Jahren an Geschwindigkeit zugenommen hat. Um den Anfang der Globalisierung zu finden kann man sicherlich zurückgehen bis ins 15. Jahrhundert, (und darüber hinaus) wo mit dem Knüpfen von Handelsbeziehungen und dem dadurch bedingten Entstehen von ausgeklügelten Kommunikationsnetzwerken die internationale Verflechtung begann.9

Spätestens seit den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts haben sich die Tendenzen zu Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung und Internationalisierung weiter verstärkt. Ausgehend von den USA kam es zu einer Wiederbelebung liberaler, neoklassischer Wirtschaftstheorien. Das hat Auswirkungen auf die Medienindustrie. Zum einen finden auch hier Globalisierungsprozesse statt. Dadurch verändert sich zum einen das Verhältnis von Medienpolitik und Medienökonomie und zum anderen aber auch die Medienindustrie selber.

Der Rundfunkbereich ist vergleichsweise noch stark reguliert aber auch hier besteht eine Tendenz zum Deregulieren. 10 Auch im Medienbereich spielen ökonomische Parameter eine zunehmende Rolle, man kann hier von einer zunehmenden Kommerzialisierung sprechen. Diese hat auch zur Folge, dass eine Regulierung durch Rechtsmittel immer weniger möglich wird.11 Trotzdem sind auch die Unternehmen auf den Staat angewiesen. Aus ihrer Sicht besteht im Bereich Medienpolitik oder Multimediapolitik staatlicher Handlungsbedarf um Rechtssicherheit zu erhalten und ihre Interessen im Bereich der neuen Medien beispielweise durch Regelungen zum Urheberschutz zu schützen. Der Staat wird auch gebraucht zur Protektion vor ausländischen Mitbewerbern und um den Zugang zu anderen Märkten zu erhalten. Im Prozess der zunehmenden horizontalen, vertikalen und sektorübergreifenden Konzentration müssen auch neue Wege gefunden werden um Marktversagen, also Monopolstellungen zu verhindern.

Die Kommerzialisierung hat natürlich auch Einfluss auf die Inhalte der Medien. Dies geschieht durchaus differenziert. Die Unternehmen werden internationaler, nicht unbedingt jedoch ihre Produkte, was man gut bei MTV und CNN beobachten kann. Beide Sender versuchen zunehmend ihr Programm auf einzelne Kultur- und Sprachräume zuzuschneiden.12 Hier ist eine Entwicklung zu verstärkter Regionalisierung bis hin zur Provinzialisierung zu erkennen. Die Kommerzialisierung führt zu einem Verlust an Medienprodukten für Minderheiten, gerade wenn diese keine besonders kaufkräftige Gruppe darstellen. Diese Entwicklung erfordert auch regulatorische Maßnahmen, wenn der besondere Kulturwert der Medien ernstgenommen werden soll.

2.3. Die Rolle des Staates

In der Medienpolitik sind dem Staat letztendlich enge Grenzen gesetzt. Einige Folgen der Globalisierung habe ich im vorangegangen Kapitel bereits skizziert. Grundlegend sind die Grenzen durch das allgemeine Wirtschafts- und Gesellschaftssystem festgelegt. Die Medieninhalte sind vor Staatlichen Eingriffe durch die im Grundgesetz verankerten Regelungen, wie Privateigentum an Produktionsmitteln, Pressefreiheit, Zensurverbot und grundsätzliche staatsferne des Rundfunks, geschützt. Das heißt, dass staatliche Maßnahmen, die gegen die Interessen der Unternehmen abzielen nicht möglich sind.13

In den letzten Jahrzehnten haben sich auch die Auffassungen geändert, was der Staat soll. Das Heil der Volkswirtschaft wurde zunehmend eben in radikaler Deregulierung und Privatisierung und einer "Angebotspolitik" gesehen. Durch diese Politik hat der Staat einen immer geringeren Einfluss. Ein wichtiger Aspekt ist, das der Staat auch immer abhängiger vom "Wissen" der Unternehmen wird. Einen rechtlichen Rahmen für den Bereich Multimedia kann man nur errichten, wenn man dieses Gebiet auch gut kennt, so dass auch hier eine Steuerung nur durch eine Allianz von Staat und Unternehmen möglich ist. Aber gerade weil Ökonomie und Politik so stark verbunden sind, bestehen von beiden Seiten auch Einflussmöglichkeiten. Zentrale Aufgaben sind hier auf der einen Seite, der Aufbau großer, international konkurrenzfähiger Unternehmen, und auf der anderen Seite die Bewahrung von Pluralismus und Vielfältigkeit und der Schutz vor dem stetig anschwellenden Kommerzialisierungsdruck.14

Die Souveränität des Nationalstaates wird auch zunehmend durch internationale Verträge, Vereinbarungen und Institutionen, und der globalen wirtschaftlichen Verflechtung eingeschränkt. Medienpolitische Entscheidungen auf EU-Ebene spielen eine immer wichtigere Rolle.

Im Bereich Multimedia ist die Kompetenzaufteilung noch zu regeln. Hier muss eine neue Definition von Rundfunk entwickelt werden um so klar zu stellen, wo der Bund und wo die Länder zuständig sind. Es muss auch geregelt werden, wo die EU zuständig ist. Die Europäische Union ist vor allem eine wirtschaftliche Vereinigung. Konsequenterweise stellt sie auch in der Medienpolitik den wirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund. Nach dem Maastrichter Vertrag hat sie im Bereich der Medienpolitik nur eine subsidiäre Förderkompetenz. (Kulturartikel 128 des Maastrichtervertrages) Sie versucht aber verstärkt durch ihre Kompetenzen der Harmonisierung den Bereich der Informationstechnologien zu regulieren und dadurch auch Einfluss auf die nationalen Rundfunkordnungen zu gewinnen.15

Hier besteht das Problem der zukünftigen Gestaltung der EU. Viele Dinge lassen sich am besten auf EU-Ebene regeln. Doch es bedarf noch der Ausgestaltung einer stärkeren politischen und kulturellen Union. Also einer Union, die eben mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft, die nach neoliberalen Prämissen agiert.

3. Politikformulierung

Gerade für den Bereich der Telekommunikation waren Entscheidungen und Vereinbarungen auf EU und internationaler Ebene von Bedeutung, wie zum Beispiel der Beschluss der zuständigen EU-Minister vom Juni 1993 das Staatsmonopol im Kommunikationsbereich zum 1. Januar 1998 aufzuheben. Die Mitgliedsstaaten der WTO verpflichteten sich 1997 zur Öffnung ihrer Märkte für ausländische Unternehmen. Auf nationaler Ebene gab es vor der Implementierung des Telekommunikationsgesetzes und der Multimediagesetze Vorarbeiten durch verschiedene Arbeits- und Diskussionskreise. Zum einen gab es den "Gesprächskreis für wirtschaftlich-technologische Zusammenarbeit", zusammengesetzt aus Vertretern der Ministerien und der Wirtschaft, zum anderen den 1995 von der Bundesregierung gestarteten "Rat für Forschung, Technologie und Innovation". Diese beiden Gremien legten im Dezember 1995 Berichte zum Thema "Informationsgesellschaft" vor.16

Die Berichte dieser Gremien bereiteten im wesentlichen den Regierungsbericht "Info 2000. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" vor. Ziel dieses Berichts war es, die Ausgangssituation der Bundesrepublik aufzuzeigen und den Handlungsbedarf, sowie die Handlungsmöglichkeiten zu umreißen. Wichtig für die Politikformulierung auf nationaler Ebene waren natürlich auch die Agenda und Initiativen anderer Länder. Auswirkungen hatte beispielsweise die 1993 von der Clinton Regierung formulierte „National Information Infostructure: Agenda for Action“ und die Übereinkunft die die G-7 Staaten gemeinsam mit der Kommission der EG auf einer Ministerkonferenz ("G-7 Information Society Conference") im Februar 1995 erzielten17 In dieser Konferenz einigte man sich auf das Errichten eines einheitlichen Regulationsrahmens und einer Politik zur Ermöglichung eines dynamischen Wettbewerbs. Generell wird das Prinzip der allgemeinen Marktöffnung verfolgt.

Es wird deutlich, dass man spätestens seit Beginn der 90er Jahre der zunehmenden Konvergenz von Informations- und Kommunikationstechnologien durch die Thematisierung der "Informationsgesellschaft" Rechnung zu tragen versucht. 1995 wurde zu diesem Thema im Deutschen Bundestag eine Enquete Kommission eingesetzt. (Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft, Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft) Diese Kommission veröffentlichte einige Zwischenberichte mit Empfehlungen für die Bereiche des Urheber-, Verbraucher- und Jugendschutzes, zur weiteren Ausgestaltung des Rundfunks, sowie zur Handhabung der Neuen Medien (Oktober 1996 „Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt, Wettbewerb - Rundfunkbegriff und Regulierungsbedarf bei den Neuen Medien“ Juni 1997 „Neue Medien und Urheberecht“; 1998 „Jugendschutz im Multimediazeitalter“, „Sicherheit und Schutz im Netz“ und „Verbraucherschutz im Informationszeitalter“). 1998 verabschiedete die Kommission dann ihren Schlussbericht „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“.

4. Politikimplementierung

Bundesrat und Bundestag verabschiedeten im Juni/Juli 1996 ein neues Telekommunikationsgesetz (TKG). Durch dieses Gesetz wurde eine neue Regulierungsbehörde eingerichtet, die das Bundespostministerium ab dem

1. Januar 1998 ablöste. Das Postministerium wurde mit der Ablösung gänzlich aufgelöst, zum gleichen Zeitpunkt fiel auch das Monopol der Deutschen Telekom.

Das Gesetz regelt die Lizenzierung von Telekommunikationsdienstleistungen, die Pflichten marktbeherrschender Unternehmen, die Sicherstellung von Universaldiensten, die Entgeldzahlung und die Nutzung öffentlicher Verkehrswege.18 Bei den sogenannten Multimediagesetzen gab es Streit um die Definition von Rundfunk und in diesem Zusammenhang um die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Für alle Rundfunkangelegenheiten sind die Länder zuständig. Wenn man die neuen Medien also als zum Rundfunk dazugehörig definiert, wären die Länder für die Regulierung zuständig. Bereits die Telekommunikationsgesetzgebung des Bundes wirkt immer stärker in den Bereich des Rundfunks und damit in die Zuständigkeit der Länder hinein.19 Die bisherige Aufteilung der Kompetenzen läuft entlang der Trennungslinien zwischen den einzelnen Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese Trennungslinien werden durch die oben genannten Entwicklungen immer mehr obsolet.

Der Bundestag verabschiedete am 22. Juli 1997 das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG). Das Gesetz versucht Rahmenbedingungen für alle IuK-Dienste mit individueller Nutzung zu schaffen. Unter diese Begriffsbestimmung fallen hier Internet, Online- Dienste und Telespiele. Für diese Dienste ist keine Lizenzierungspflicht vorgesehen, aber das Gesetz enthält Vorschriften zum Daten-, Jugend-, Kinder-, Urheberrechtschutz, sowie Regelungen zur Sicherung von digitalen Unterschriften. 20

Auf Länderebene wurde ein Staatsvertrag über Mediendienste im Januar/Februar 1997 abgeschlossen (MDStV). Dieser Vertrag gilt für „das Angebot und die Nutzung von an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdiensten (Mediendienste) in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden“ (§2 Abs.1 MDStV) Die Mediendienste sind also dem Begriff des Rundfunks angenähert. Zu diesen Diensten gehören beispielsweise Teleshopping, Verteildienste wie Fernseh- oder Radiotext, und Abrufdienste.

Die Hauptabgrenzung zum IuKDG liegt also in der Unterteilung zwischen an Einzelne und an die Allgemeinheit gerichteter Kommunikation.

5. Evaluierung

In diesem Teil meiner Arbeit möchte ich auf zwei grundsätzliche Problembereiche der Multimediapolitik eingehen. Zunächst behandele ich die durch die Gesetzgebung geregelten Aspekte. Danach gehe ich kurz auf die noch nicht geregelten Bereiche ein.

Wie bereits erwähnt basiert die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Länder auf der Unterscheidung zwischen Kommunikation die an die Allgemeinheit gerichtet ist und solcher die an Individuen gerichtet ist. Hier scheint mir bereits ein Hauptproblem der Gesetzgebung zu liegen. Denn dieser Unterteilung ist durch die Konvergenz nur schwer Aufrechtzuhalten, die Trennungslinie lässt sich hier nicht scharf ziehen. Für die Unternehmen, also die Dienste, ist es also auch nicht klar bestimmbar, unter welches Gesetz und unter welche Regulierung sie fallen. Es gibt nach wie vor ein Regulierungsgefälle, mit unterschiedlichen Regelungen und Unterscheidungskriterien, die aber immer mehr den Bezug zur Realität verlieren.

Die Kompetenzaufteilung ist durch die Gesetzgebung nur temporär gelungen. Die Frage welche Ebene oder welche Arena für welchen Bereich zuständig ist, muss noch geklärt werden. Noch besteht weder Klarheit über die Kompetenzen der Ebenen noch darüber wie der Bereich aufteilbar ist. In den verschiedenen Gesetzen finden sich Regelungen zum Jugendschutz. Dieser wird auch in seiner Wichtigkeit immer wieder hervorgehoben. (siehe z.B. Schlussbericht der Enquete Kommission) Sicherlich sind Kinder und Jugendliche eine besonders schützenswerte Gruppe, und richtig ist auch, dass über das Internet pornographisches oder gewaltverherrlichendes Material verbreitet werden, aber ein Grund warum dieser Aspekt so betont wird, ist dass hier der größte Konsens herrscht. Hier herrscht Einigkeit zwischen dem politisch-administrativen System, der Wirtschaft und der Gesellschaft, es geht um allgemein anerkannte Werte, politische Regelungen scheinen hier eine dankbare Angelegenheit zu sein, da mit Zustimmung von allen Seiten gerechnet werden kann. In diesem Bereich werden aber auch die Grenzen der Regulierung am deutlichsten. Gerade das Internet, in seiner globalen und dezentralen Struktur unterläuft hier die staatliche Souveränität.

Ähnliches lässt sich auch für die anderen getroffenen Schutzvorschriften sagen.

Der Gesetzgeber hat sich bemüht einige rechtliche Rahmen aufzustellen. Es ist aber auffällig, dass er vor allem in den Bereich gesetzgeberisch aktiv wurde, wo er den Interessen der Wirtschaft diente. Wirtschaft und Politik sind eng aneinander gekoppelt. Wichtige Entscheidungen der Politik sind ohne Absprache mit den Unternehmen aus diversen Gründen nicht möglich. Zum einen wurde hier bereits der Rückgang der Staatsmacht im Zuge der Globalisierung unter neoliberalen Vorzeichen erwähnt. Zum anderen haben gerade im Bereich Multimedia die Unternehmen einen Wissensvorsprung, beziehungsweise ein Wissensmonopol. Der Staat hat auch Interesse im Sinne der Unternehmen zu entscheiden, weil diese Arbeitsplätze in Aussicht stellen, das Volksvermögen beispielweise durch Steuerzahlungen mehren und das ökonomische System stärken, indem die Unternehmen international Wettbewerbsfähig werden.21 Die Schaffung von großen Medienkonzernen und Senderfamilien durch vertikale und horizontale Integration ist also durchaus im Sinne des politisch- administrativen Systems, weil durch diese Konzentration „global player“ entstehen, mit erhofften positiven Auswirkungen auf die nationale Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund wird deutlich warum eben noch keine wirklich effektiven Gesetze zur Konzentrationsverhinderung bestehen. Die Allianz aus Politik und Ökonomie ist Hauptentscheidungsträger, die beiden Seiten legitimieren sich auch gegenseitig.

Die eben beschriebene Zielvorgabe des Staates läuft jedoch einer anderen Zielvorstellung zuwider, nämlich der von Wahrung des kulturellen Aspekts, von Wahrung von Pluralismus und Vielfalt. Hier kommen wir auch zu dem langen Katalog mit noch nicht geregelten Aspekten.

Heftig umstritten ist beispielsweise die zukünftige Gestaltung des Rundfunks. In diesem Zusammenhang geht es um die Zukunft des dualen Rundfunkssystems in Deutschland. Es ist eine Diskussion entstanden, bei der von einigen Seiten das ganze System in Frage gestellt wird. Der Streit geht einmal um die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Soll sich der öffentlich-rechtliche Auftrag auch auf die neuen Medien beziehen, wird dies durch die verfassungsgerichtlich bestätigte Bestands- und Entwicklungsgarantie abgedeckt? Oder sollte das öffentlich- rechtliche Programm zurückgestutzt werden? Strittig ist auch die künftige Finanzierung, gerade wenn die Öffentlich-Rechtlichen zusätzliche Mittel für Online-Aktivitäten benötigen. Inwiefern soll der private Bereich dereguliert werden ?

Es fehlen auch Regelungen um die Chancengleichheit beim Zugang zum Beispiel bei den Set-Top-Boxen zu garantieren und die Chancengleichheit bei der Nutzung der neuen Medien. Diese stellen höhere Ansprüche an die Nutzer, einmal finanzieller Art und einmal vom Know-how her. Auch hier gibt es Handlungsbedarf.

Mann kann festhalten, dass viele der angesprochenen Probleme nur auf EU Ebene, wenn nicht gar auf UNO Ebene zu lösen sind. Meiner Ansicht nach ist es aber gerade deshalb wichtig diese Ebenen überhaupt weiter zu gestalten. Die EU braucht eine stärkere gemeinsame Politik, gerade im Bereich der Medien. Hier ist aber entscheidend, dass auf dieser Ebene der Bereich Medien nicht allein unter dem Primat einer neoklassischen Wirtschaftspolitik behandelt wird, sondern das Werte wie Vielfalt und Pluralismus auch auf europäischer Ebene eine wichtige Stellung erhalten. Es darf nicht vergessen werden, dass es auch eine Globalisierung jenseits der Internationalisierung von riesigen Konzernen geben kann. Gerade das Internet wurde ja nicht von Unternehmensseite entwickelt. Es gilt also diese Möglichkeiten zu nutzen und zu verteidigen. Es muss ein Gegengewicht geschaffen werden zu der Allianz aus Ökonomie und Politik. Es ist also wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter gestärkt wird, dass er in publizistischer Hinsicht frei von staatlicher und wirtschaftlicher Kontrolle bleibt, und auch finanziell die Möglichkeit erhält sich an den neuen Medien zu beteiligen. Interessant ist auch der Vorschlag eines trialen Rundfunkssystems, dass das Duale um private-nichtkommerzielle Anbieter ergänzt.22 Auch im Bereich der neuen Medien sollte die nichtkommerzielle Nutzung gefördert werden. In dieser Hinsicht fehlt es jedoch an wirklichen Initiativen von gesetzgeberischer Seite. Die bisherigen staatlichen Regelungen zielen vor allem auf die Ermöglichung einer wirtschaftlichen Nutzbarmachung ab, ohne das gesellschaftspolitische oder kulturelle Potential anzugehen, geschweige denn auszuschöpfen.

6. Bibliographie

CHILL, Hanni und Herman Meyn: Die Informationsgesellschaft von Morgen in Informationen zur politischen Bildung Heft 260, München 1998

DONGES, Patrick , Otfired Jarren und Heribert Schatz (Hrsg.): Globalisierung der Medien ? Opladen/Wiesbaden 1999

ENGEL, Christoph: Medienordnungsrecht, Baden-Baden 1996

ENQUETE KOMMISSION ZUKUNFT DER MEDIEN IN WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT - DEUTSCHLANDS WEG IN DIE

INFORMATIONSGESELLSCHAFT DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES (HRSG.):

Deutschlandsweg in die Informationsgesellschaft, Bonn 1998

LATZER, Michael: Mediamatik- Die Konvergenz von Telekommunikation, Computer und Rundfunk Opladen 1997

INSTITUT FÜR EUROPÄISCHES MEDIENRECHT, Saarbrücken (Hrsg.):EMR-

Expertengespräch: Multimedia und rechtlicher Handlungsbedarf, München 1996

KLEINSTEUBER, Hans J.: Europa als Kommunikationsraum, Opladen 1994

THOREIN, Thorsten: Telekommunikationspolitik in Deutschland, Wiesbaden

WILKE, Jürgen (Hrsg.): Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland Bonn 1999

Zeitschriften:

epd-medien: Nr. 30,35/36, 62, 72, 83, 88, 89, 93, 94, 96 (2000) Fernsehinformationen Nr. 12 (1995) Nr.11 (2000)

Internet:

www.artikel5.de

[...]


1 vgl. Wilke, Jürgen „Zukunft Multimedia“ in „Mediengeschichte“, Bonn 1999 S. 751 f.

2 vgl. Kleist, Thomas „Multimediale Dienste im Blickwinkel der Europäischen Entwicklung“ in „EMR Expertengespräch: Multimedia und rechtlicher Handlungsbedarf“, München 1996 S.6

3 vgl. Engel, Christoph „Medienordnungsrecht“ Baden-Baden 1996 S.81ff.

4 ebenda S. 94

5 vgl. Kleist, Thomas „Multimediale Dienste im Blickwinkel der Europäischen Entwicklung“ in „EMR Expertengespräch: Multimedia und rechtlicher Handlungsbedarf“, München 1996 S.6-7

6 vgl. Wilke, Jürgen „Zukunft Multimedia“ in „Mediengeschichte“, Bonn 1999 S. 751 ff.

7 vgl. Kleist, Thomas „Multimediale Dienste im Blickwinkel der Europäischen Entwicklung“ in „EMR Expertengespräch: Multimedia und rechtlicher Handlungsbedarf“, München 1996 S.7

8 vgl. Fernsehinformationen Nr. 12 Juni 1995 S.370f.

9 vgl. Jarren, Otfried und Werner A. Meier „Globalisierung der Medienlandschaft und ihre medienpolitische Bewältigung: Ende der Medienpolitik oder neue Gestaltungsformen auf regionaler und nationaler Ebene?“ in „Globalisierung der Medien?“ Wiesbaden 1999 S.233

10 ebenda S. 237

11 ebenda S. 237

12 ebenda S. 243

13 Knoche Manfred „Zum Verhältnis von Medienpolitik und Medienökonomie in der globalen Informationsgesellschaft“ in „Globalisierung der Medien?“ Wiesbaden 1999 S. 92

14 Keidel, Hannemor „Die Regulierung und Förderung der audivisuellen Industrie in Europa im Zeichen der Globalisierung“ in „Globalisierung der Medien?“ Wiesbaden 1999 S. 183

15 Fernsehinformationen Nr. 12 Juni 1995 S. 368

16 Thorein, Thorsten „Telekommunikationspolitik in Deutschland“ Wiesbaden 1997 S. 59

17 ebenda S.65ff.

18 vgl. Wilke, Jürgen „Zukunft Multimedia“ in „Mediengeschichte“, Bonn 1999 S. 764 ff.

19 vgl. Kleist, Thomas „Multimediale Dienste im Blickwinkel der Europäischen Entwicklung“ in „EMR Expertengespräch: Multimedia und rechtlicher Handlungsbedarf“, München 1996 S.12

20 vgl. Wilke, Jürgen „Zukunft Multimedia“ in „Mediengeschichte“, Bonn 1999 S. 765f

21 Knoche Manfred „Zum Verhältnis von Medienpolitik und Medienökonomie in der globalen Informationsgesellschaft“ in „Globalisierung der Medien?“ Wiesbaden 1999 S. 101f.

22 Schlussbericht der Enquete Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ des Deutschen Bundestages: „Deutschlandsweg in die Informationsgesellschaft“ Bonn 1998 S. 283

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Von der Medienpolitik zur Multimediapolitik- Deutschland und die Informationsgesellschaft
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Proseminar "Einführung i.d. Kommunikationspolitik"
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
16
Katalognummer
V103739
ISBN (eBook)
9783640021178
Dateigröße
370 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medienpolitik, Multimediapolitik-, Deutschland, Informationsgesellschaft, Proseminar, Einführung, Kommunikationspolitik
Arbeit zitieren
David Wnendt (Autor:in), 2001, Von der Medienpolitik zur Multimediapolitik- Deutschland und die Informationsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103739

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