Durch die Lektüre von Alexis de Tocquvilles "Über die Demokratie in Amerika" kam ich zu diesem Thema. Hauptmotiv für Tocquville, als er dieses Buch verfaßte, war die Freiheit. An Hand der in Amerika vorgefundenen Demokratie untersuchte er die Funktionsweisen dieser, für diese Zeit neuen, Regierungsform und ihre Auswirkungen auf die Freiheit des Individuums.
Grundsätzlich geht Tocqueville von einer natürlichen und unabwendbaren Entwicklung ("Vorsehung") zur Gleichheit aus. Das ist für ihn in der Welt der Politik mit einer Demokratisierugsentwicklung verbunden. Demokratie an sich ist für ihn nicht von vornherein etwas positives. Tocqueville hat die Vorstellung, dass sich auch eine Gesellschaft grundsätzlich zwischen Gut und Böse entscheiden muß, wenn sie dem Menschen Glück, d.h. die freie Entwicklung des menschlichen Willens, ermöglichen will. In dieser Dichotomie zwichen Gut und Böse ist die böse Variante die Entwicklung zur Gleichheit ohne Berücksichtigung der Freiheit. Tocquville spricht dann von "demokratischem Despotismus" und meint damit eine weitgehende Zentralisierung des Gemeinwesens unter Abgabe der Verantwortung der Einzelnen an eine Zentralmacht, den Staat. Die gute Variante jedoch, also die Möglichkeit, der Freiheit einen Platz neben der Gleichheit zu sichern, sieht Tocquville in vertikaler Gewaltenteilung. Hier spielt die Gemeinde eine zentrale Rolle. Diese "Schule der Demokratie" lehrt den Bürgern durch Selbstverwaltung und Selbstregierung politische Klugheit und hilft ihnen damit, innerhalb der Demokratie freiere und "bessere" Willensentscheidungen zu treffen. Es gibt also klare Grenzen zwischen Staat und Gemeinde, die Gemeinde handelt weitgehend autonom.
Diese Demokratievertändnis hat mich begeistert. Jedoch sind seit der "Demokratie in Amerika" fast 200 Jahre vergangen und politische Probleme scheinen heute komplexer denn je. Immernoch gibt es aber Anhänger einer auf Autonomie und Selbstverwaltung basierenden Gemeinde, die den fundamentalen Grundstock eines auf verstärkt vertikal gewaltengeteilten Staates darstellt. Woher kommt die Forderung nach einer selbstverwalteten, staatsunabhängigen Gemeinde?1
Inhaltsverzeichnis
1. Selbstverwaltung und Selbstregierung bei Alexis de Tocqueville
2.1 Problemstellung, Thesen
2.2 "Recht der Selbstverwaltung"
2.3 Geschichte der Selbstverwaltung
2.4 Der Liberalismus und der Mythos der Selbstverwaltung
2.5 Liberalistische Prägung
3. Synthese
Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Alexis de Tocqueville
Durch die Lektüre von Alexis de Tocquvilles "Über die Demokratie in Amerika" kam ich zu diesem Thema. Hauptmotiv für Tocquville, als er dieses Buch verfaßte, war die Freiheit. An Hand der in Amerika vorgefundenen Demokratie untersuchte er die Funktionsweisen dieser, für diese Zeit neuen, Regierungsform und ihre Auswirkungen auf die Freiheit des Individuums.
Grundsätzlich geht Tocqueville von einer natürlichen und unabwendbaren Entwicklung ("Vorsehung") zur Gleichheit aus. Das ist für ihn in der Welt der Politik mit einer Demokratisierugsentwicklung verbunden. Demokratie an sich ist für ihn nicht von vornherein etwas positives. Tocqueville hat die Vorstellung, dass sich auch eine Gesellschaft grundsätzlich zwischen Gut und Böse entscheiden muß, wenn sie dem Menschen Glück, d.h. die freie Entwicklung des menschlichen Willens, ermöglichen will. In dieser Dichotomie zwichen Gut und Böse ist die böse Variante die Entwicklung zur Gleichheit ohne Berücksichtigung der Freiheit. Tocquville spricht dann von "demokratischem Despotismus" und meint damit eine weitgehende Zentralisierung des Gemeinwesens unter Abgabe der Verantwortung der Einzelnen an eine Zentralmacht, den Staat. Die gute Variante jedoch, also die Möglichkeit, der Freiheit einen Platz neben der Gleichheit zu sichern, sieht Tocquville in vertikaler Gewaltenteilung. Hier spielt die Gemeinde eine zentrale Rolle. Diese "Schule der Demokratie" lehrt den Bürgern durch Selbstverwaltung und Selbstregierung politische Klugheit und hilft ihnen damit, innerhalb der Demokratie freiere und "bessere" Willensentscheidungen zu treffen. Es gibt also klare Grenzen zwischen Staat und Gemeinde, die Gemeinde handelt weitgehend autonom.
Diese Demokratievertändnis hat mich begeistert. Jedoch sind seit der "Demokratie in Amerika" fast 200 Jahre vergangen und politische Probleme scheinen heute komplexer denn je. Immernoch gibt es aber Anhänger einer auf Autonomie und Selbstverwaltung basierenden Gemeinde, die den fundamentalen Grundstock eines auf verstärkt vertikal gewaltengeteilten Staates darstellt. Woher kommt die Forderung nach einer selbstverwalteten, staatsunabhängigen Gemeinde?[1]
2.1 Problemstellung
Gibt es einen Gegensatz zwischen staatlicher Verwaltung und kommunaler Selbstverwaltung oder sind die kommunalen Körperschaften Teil der Staatsverwaltung? Ist die "dualistische Vorstellung des Verhältnisses von Staats- und Selbstverwaltung inzwischen obsolet geworden" und sind die "Gemeinden und Gemeindeverbände mit allen ihren Funktionen und Betätigungsformen begrifflich unlösbare Teilglieder des Staates"?[2]
Arnold Köttgen z.B. sieht die Selbstverwaltung als einen Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Danach ist die Gemeinde der verlängerte Arm des Staates. Oder aber erledigen die Gemeinden Aufgaben, auf die der Staat verzichtete, und die von diesen nach eigenen Leitbildern erfüllt werden können? "Danach stellt sich Selbstverwaltung als ein Institut kollektiver demokratischer Teilnahme an den Daseinsvorsorgeleistungen des politischen Gemeinwesens dar, der gegenüber staatliche Aufsichtsmaßnahmen kaum zu rechtfertigen sind".[3]
Diese Fragen, die immer noch strittig sind, möchte ich erhellen. Dabei ist es mir jedoch nur möglich, den Hintergrund und die Entwicklung der Ideenwelt, die zum autonomen Selbstverwaltungsgedanken führte, zu beschreiben.
Folgende Thesen werden vertreten:
1. Der Selbstverwaltungsgedanke einer vom Staat unabhängigen Kommune diente zur Zeit der zentralistischen und absolutistischen Staaten dem Bürgertum als Freiheitsideal. Es gab jedoch eine Kluft zwischen dem letztendlichen Ideal der Selbstbestimmung aller und dessen praktischer Umsetzung.
2. Das Freiheitsideal der staatsunabhängigen Selbstverwaltung wurde speziell durch Nachfahren bürgerlich geprägter Familien, die in dieser Art der Freiheitstradition standen, weitervermittelt und bis heute am Leben erhalten.
Dabei wurden die inzwischen stattgefundenen geschichtlichen Brüche weitgehend unter den Tisch gekehrt.
2.2 Recht der Selbstverwaltung
Grundlage des Kommunalrechts ist Art.28I GG, wonach in "Kreisen und Gemeinden das Volk eine Vertretung haben" muß, "die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist". Kreise und Gemeinden bilden die unteren Verwaltungsbehörden, Kreistage und Gemeinderäte sind somit unmittelbar oder mittelbar an der öffentlichen Verwaltung beteiligt, ihnen obliegen eigene und von der vollziehenden Gewalt übertragene Aufgaben. Das "Recht auf Selbstverwaltung" bedeutet: "Soweit es sich um 'Angelgenheiten der örtlichen Gemeinschaft' handelt, gewährleistet Art.28II 1 GG 'den Gemeinden das Recht', diese im Rahmen der Gesetze 'in eigener Verantwortung zu regeln.'"[4] Den Rahmen der Gesetze stellen die Landes- und Bundesgesetze dar. Der Rest ist Interprätationssache, hierauf basieren die in der Problemstellung aufgeführten Meinungsverschiedenheiten über die Berurteilung des "Rechts auf Selbstverwaltung".
Das Bundesverfassungsgericht konstatiert: "...daß es 'im einzelnen streitig geblieben' ist, wie sich die Selbstverwaltung in das Gefüge des Staates einordnet", interprätiert aber bei seinen Entscheidungen das Wesen der der kommunalen Selbstverwaltung so, dass dieses "ihrem Wesen und ihrer Intention nach Aktivierung der Beteiligten für ihre eigenen Angelegenheiten" bedeutet und dass "die in der örtlichen Gemeinschaft lebendigen Kräfte des Volkes zur eigenverantwortlichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben der engeren Heimat" durch sie zusammengeschlossen würden. "Die örtliche Gemeinschaft solle ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen."[5]
2.3 Geschichte
Um den teilweise ideologisierten Begriff der Selbstverwaltung zu verstehen, erscheint es mir wichtig, die Idee der Selbstverwaltung und ihre Geschichte zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen.
2.3.1 Die Ursprünge
Der Ursprung der Selbstverwaltung geht auf die französischen Physiokraten zurück, die im Zuge der Aufklärung Mitte des 18.Jahrhunderts gegen staatlichen Zentralismus protestierten. Als Reaktion auf den Merkantilismus dieser Zeit forderten sie eine Stärkung des Individualismus, eine Befreiung des Witschaftslebens von obrigkeitsstaatlichen Dirigismus. Die Freiheit des Einzelnen sollte durch die Gewährleistung seines Eigentums (Grund und Boden) gesichert werden. Es wurden spezielle politische Rechte ausschließlich für Grundeigentümer gefordert, die diese in dem dezentralisierten Staat ausüben sollten. Argumentativ wurde auf die zu weckenden Kräfte freier Menschen zu gemeinnützigem Handeln für Staatszwecke in kommunalen Organen verwiesen. Diese Forderungen hatten jedoch keinen Erfolg.
[...]
[1] Kurze Seminarkritik ("Macht und Politik in ostdeutschen ländlichen Gemeinden"): In dem Seminar, das hauptsächlich aus Studierenden des ersten und zweiten Semesters bestand, wurde kein grundsätzlicher Überblick über die Geschichte der Gemeinde und ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen in der Vergangenheit gegeben. Eine Einordnung der Entwicklung der Gemeinde in einen größeren Gesamtzusammenhang war nicht möglich. Ich denke, dass nur derjenige, der sich mit längerfristigen Entwicklungstendenzen beschäftigt, sich um aktuelle politische Detailfragen der Gegenwart kümmern kann. Eine Einordnung und Bewertung der Relevanz eines Selbstverwaltungsanspruches heute setzt z.B. eine zumindest schemenhafte Kenntnis der Bedeutung der Selbstverwaltung im 18.und19.Jh. voraus. Darum werde ich mich auch in der Hausarbeit bemühen. Wissenschaftlichkeit läßt sich an Spezialfragen besser demonstrieren als an der Abhandlung allgemeiner Zusammenhänge. Jedoch bedingt das eine das andere.
[2] G.C. von Unruh, Gebiets- und Verwaltungsreform in Niedersachsen 1965-78, S.15, Hannover 1978
[3] ebenda, S.14f
[4] ebenda, S.12
[5] ebenda, S.13f
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