Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarem und Verantwortbarem


Hausarbeit, 2001

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
2.1 Extrakorporale Befruchtung und Empryo-Transfer
2.2 Experimente mit Embryonen
2.3 Präimplantationsdiagnostik

3. PRO-ARGUMENTATION
3.1 Behebung der psychosomatischen Probleme der Eltern
3.2 Wissenschaftliche Neugierde
3.3 Verminderung des Risikos durch vorgeburtliche Diagnostik
3.4 Wirtschaftlicher Aspekt

4. CONTRA-ARGUMENTATION
4.1 Eine Art neue Eugenik
4.2 Eingriff in die Natur
4.3 Theologisch-ethische Bedenken
4.4 Alternativen zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen

5. SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Der Fortschritt in allen Bereichen der Technik und den Naturwissenschaften ermöglicht dem Menschen, auf das bisher unverfügbare „Zufallsgeschehen“ immer mehr Einfluss zu nehmen und durch menschliche Verfügung und Handlung zunehmend zu ersetzen.

Auch die Entwicklung in der Fortpflanzungsmedizin und die damit verbundenen Möglichkeiten hinsichtlich der Einflussnahme auf werdendes Leben wirft auch, oder gerade vor allem im Bereich der Ethik Fragen auf (vgl. U.EIBACH, 1986, S.46).

Gerade der Wunsch nach einem eigenen, leiblichen und gesunden Kind machen die Fortpflanzungsmedizin zu einem wichtigen Instrument, dem Wunsch vieler kinderlosen Paaren gerecht zu werden.

In hochindustrialisierten Gesellschaften wächst die Zahl von Frauen und Män- nern, die unfruchtbar sind oder ohne medizinische Hilfe unfruchtbar wären. Auf der einen Seite bietet die Fortpflanzungsmedizin betroffenen Paaren Mög- lichkeiten bezüglich ihrem Kinderwunsch. Auf der anderen Seite bildet die Fort- pflanzungsmedizin „eine Herausforderung an unser Bild vom Menschen“ (W.HUBER, 1989, S.7).

2. Begriffsbestimmungen

2.1 Extrakorporale Befruchtung und Embryo-Transfer

Die herkömmliche Indikation für das Verfahren der Extrakorporalen Befruchtung (in vitro-Fertilisation) besteht in irreperabel gestörten Eileitern der Frau bei völliger Fertilität (Fruchtbarkeit) des Mannes.

Damit kann also die Sterilität (Unfruchtbarkeit) von Frauen behandelt werden, die funktionstüchtige Eierstöcke und einen regelmäßigen Spontanzyklus haben, bei denen aber wegen Defekten der Eileiter die Wanderung der Eier in die Gebärmutter verhindert wird.

Diese Umstände bilden etwa zu 30% die Ursache der Sterilität bei Frauen (vgl.U.EIBACH, 1986, S.35).

Man spricht in diesen Fällen, bei denen die austragende Frau die genetische , als auch die biologische Mutter ist, von einer homologen in vitro-Fertilisation (IVF). Im Gegensatz dazu spricht man in den Fällen, in denen Eier von einer fremden Frau genommen, befruchtet und übertragen werden, von einer heterologen IVF. Bei diesen Methoden wird ein normales und natürliches, ohne gezieltes Handeln vom Menschen ablaufendes “Naturgeschehen“, durch medizintechnisches Han- deln ersetzt, da Abweichungen von der biologischen oder auch seelischen Norm eine Befruchtung verhindern.

Eier und Samen werden in einem künstlichen Medium (Nährlösung) zusammen- geführt, um zu beobachten, ob sich eine Befruchtung vollzieht. Findet diese statt, erfolgt der Embryo-Transfer (ET), bei dem meist mehrere Embryonen übertragen werden, um die Chance einer Einnistung eines Empryos zu erhöhen. Nach jahrelangen Forschungen an Tieren ist es dem englischen Embryologen R.G. Edwards und dem Gynäkologen P.C. Steptoc 1978 erstmals gelungen, ein Ei außerhalb des Mutterleibs künstlich zu befruchten und der Mutter wieder ein- zupflanzen, aus dem sich ein Kind normal entwickelte und geboren wurde. Einer Untersuchung zufolge, bei der 500 Kinderwunschpaare, innerhalb einer Ar- beitsgruppe einer Berliner Universitäts-Frauenklinik, befragt wurden, stehen 78,1% einer IVF positiv gegenüber (vgl. M. STAUDER, 1986, S.12).

2.2 Experimente mit Embryonen

Da nicht abzusehen ist, ob die Befruchtung eines entnommenen Eies gelingt, wird in der Regel eine größere Anzahl von Eiern einer möglichen Befruchtung ausge- setzt.

Das kann zur Folge haben, dass mehr Eier befruchtet werden, als in den Mutterleib übertragen werden können. Es ergibt sich zudem die Frage, was mit den überzähligen Embryonen geschehen soll.

Um die Frauen nicht immer wieder aufs neue der operativen Eientnahme auszusetzen, werden überzählig erzeugte Embryonen eingefroren, was im Gegensatz zu entnommenen Eiern möglich ist.

Diese Art der Konservierung wird unter anderem auch dann vorgenommen, um den am besten geeigneten Zeitpunkt zur Einnistung in die Gebärmutter abwarten zu können.

Dies ist jedoch für die Embryonen nicht ohne Risiko, da viele beim Einfrieren bzw. Auftauen, absterben.

Anmerkung:

Dem §2 des am 01.01.99. in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetzes (EschG) zufolge dürfen Embryonen nur mit dem Ziel der späteren Implantation und nicht zu anderen Zwecken (z.B. Forschungszwecken) missbraucht werden. Das Gesetz sagt jedoch nichts darüber aus, was mit den überzähligen Embryos ge- schehen soll, wenn der gesetzlich allein anerkannte “Zweck der Herbeiführung ei- ner Schwangerschaft“ nicht realisiert werden kann (vgl. KELLER u.a., 1992, S.95).

2.3 Präimplantationsdiagnostik

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bei den in vitro erzeugten Embryonen ist ein Verfahren, bei dem krankhafte Veränderungen des Erbmaterials beim frühen Embryo schon vor der Implantation erkannt werden können.

Im Gegensatz zur Pränataldiagnostik (Untersuchung des Ungeborenen, z.B. mit Ultraschall, im Mutterleib) erfolgt die Untersuchung des frühen Embryos im Reagenzglas, außerhalb des weiblichen Körpers.

Die Tatsache, dass durch die in vitro- Fertilisation bei einem Paar mehrere Embryonen erzeugt werden können (vgl. Kap. 2.2), ist die entscheidende Voraussetzung für die Präimplantationsdiagnostik, denn dadurch besteht überhaupt erst die Möglichkeit, unter mehreren verschiedenen Embryonen eine Auswahl zu treffen.

Diese Möglichkeit besteht bei der Pränataldiagnostik nicht, da in diesem Fall nur der Embryo untersucht werden kann, der sich bereits eingenistet und entwickelt hat.

Diese Umstände bilden mitunter die Grundlage für die Diskussion hinsichtlich des Aufkommens einer neuen Eugenik (s. Kap. 4.1) durch die Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin.

3. Pro-Argumentation

3.1 Behebung der psychosomatischen Probleme der Eltern

Die Arbeitsgruppe einer Universitäts-Frauenklinik in Berlin-Charlottenburg befragte 500 Paare nach ihrer Einstellung zur IVF, die zum Zeitpunkt der Befragung noch vor der Aufnahme als neues Verfahren stand.

Man kam damals zu dem folgenden Ergebnis:

- 43,9% zeigten eine absolut positive Einstellung,
- 34,2% zeigten eine bedingt positive Einstellung,
- 11,2% entschieden sich eher dagegen und
- 10,7% lehnten diese Methode völlig ab.

Demnach standen 78,1% der befragten Paare dieser Methode der künstlichen Befruchtung positiv gegenüber (vgl. M.STAUDER, 1986, S.12).

Das Ergebnis zeigt, dass drei von vier Kinderwunschpaaren eine außerkörperli- chen Befruchtung in Anspruch nehmen würden. Es wird deutlich, welcher Stel- lenwert die Erfüllung des Kinderwunsches annimmt und welcher psychischer Belastung die Paare ausgesetzt sind, wenn dieser Wunsch nicht in Erfüllung geht. Aber auch während einer außerkörperlichen Befruchtung sind die IVF-Paare einer psychischen Belastung ausgesetzt, was die Arbeitsgruppe der Universitäts-Frau- enklinik Berlin-Charlottenburg veranlasste, ein Konzept zur psychosomatischen Betreuung der Paare zu strukturieren (M.STAUDER, 1986, S,.12).

Abb.1 : Konzept zur psychosomatischen Betreuung der Paare

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Wissenschaftliche Neugierde

Wie in anderen Bereichen der Wissenschaft entwickelt sich auch die Medizin und somit die Fortpflanzungsmedizin mit ihren Möglichkeiten immer weiter. Durch diese ständige Weiterentwicklung aller Naturwissenschaften war der Wandel in unsere heutige Zivilisation möglich.

In Zusammenhang mit dem Forschungsdrang und der wissenschaftlichen Neu- gierde während dieser Entwicklungszeit sind zwei wissenschaftliche Grundhaltungen festzuhalten.

Vor der Renaissance, als die Wissenschaft noch den dogmatischen Einschränkungen durch Kirche und der Philosophie unterlag, wurde die Natur erforscht, um sie besser zu verstehen und sich dann gemäß den Ordnungen der Natur zu verhalten. Sie galt als Norm menschlichen Handelns.

Die neuzeitliche Wissenschaft bezieht ihre Kenntnis aus Beobachtung und Erfahrung, die durch Experimente gewonnen, bzw. überprüft werden. Die Natur wandelt sich dadurch zu einem “Möglichkeitsfeld für veränderndes menschliches Handeln.“ (U.EIBACH, 1986, S.51)

Auch in der Fortpflanzungsmedizin wird von der immer weiter fortschreitenden Entwicklung profitiert, die dem Einzelnen helfen, seine Lebensqualität zu verbessern, bzw. zu sichern.

3.3 Verminderung des Risikos durch vorgeburtliche Diagnostik

Die vorgeburtliche (pränatale) Diagnostik beinhaltet Untersuchungsmethoden zur Feststellung von Schädigungen des Feten, die nicht nur angewandt werden, um zu helfen, sondern auch um zu töten, wenn die Schädigung nicht mehr therapiert werden kann.

Betrachtet man die Familie, Gesellschaft, die Gattung Mensch und ihre Zukunft als therapeutisches Objekt und nicht nur das kranke Individuum, erscheint die Tötung eines Embryos, aufgrund einer Behinderung als legitim. Eine Ausweitung des “therapeutischen Objekts“ findet man zum Beispiel in der Präventivmedizin, die nicht nur individuelles Leiden verhindern möchte, sondern die Gesellschaft möglichst auch vor der Belastung durch erbkranke und behin- derte Menschen schützen will.

Der Philosoph H.-M. Sass war in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass es so- zial unverantwortlich sei, das Risiko der Zeugung behinderter Kinder wissentlich einzugehen und die Chancen der vorgeburtlicher Diagnostik bewusst nicht zu nut- zen und vor allem ein behindertes Kind wissentlich auszutragen (H.-M. SASS, 1984, S.123).

3.4 Wirtschaftlicher Aspekt

Der wirtschaftliche Faktor einer Bio-bzw. Gentechnologischer Maßnahme, ob in der Landwirtschaft oder in der Fortpflanzungsmedizin, spielt in der heutigen Gesellschaft eine enorme Rolle.

Sie birgt ein hohes Arbeitspotenzial und ist im besonderen Maße wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

Wirtschaftliche Faktoren spielen demnach in der Medizin eine entscheidende Rolle.

Genauso wie andere menschliche Bereiche unterliegen auch Gesundheit und Krankheit den Regeln des Marktes, was sich zum Beispiel an der Entstehung privater Diagnosenfirmen (besonders in den USA) messen lässt.

Gerade in den USA ist die kommerzielle Biotechnologie schon wesentlich weiter fortgeschritten als in Deutschland. Aber auch die wirtschaftliche Situation in Deutschland macht deutlich, wie stark der Markt im Bereich der Biotechnologie ist.

Man schätzt, dass es im Jahr 2000 in Deutschland 23 000 - 40 000 Arbeitsplätze in der kommerziellen Biotechnologie geben wird. Des weiteren wird ein Umsatz von ca. 4,1Mrd. DM in diesem Bereich erwartet (vgl. BECHER, u.a, 1997,S.138). Die Konjunktur in der Fortpflanzungsmedizin seit Mitte der achziger Jahre basiert insbesondere auf der Etablierung und Routinisierung der in vitro-Fertilisation. Grund für diesen Aufschwung ist die ansteigende Zahl der diesbezüglichen Zentren in Deutschland, die seit Anfang der achziger Jahren kontinuierlich an- stieg. Auch die Zahl der Behandlungen steigt parallel zu der der Zentren an, was die folgende Tabelle verdeutlicht.

Abb. 2 : Zahl der Behandlungen mit in vitro-Fertilisation und Anzahl der Zentren, in denen diese durchgeführt wird .(Tabelle nach R.KOLLEK, 2000, S.179).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Contra-Argumentation

4.1 Eine Art neue Eugenik

Der Begriff Eugenik wurde geschaffen als der Ausdruck für eine ideale, wünschenswerte, vollkommene, genetische Veranlagung eines jeden Individuums in einer Population.

Mit den Begriffen “positive“ und “negative“ Eugenik wurden Programme belegt, die zur Verbesserung bzw. zur Verhinderung einer weiteren Verschlechterung des Genpools (Gesamtbestand der Gene einer Bevölkerung) führen sollte (vgl. KEL-LER/GÜNTHER/KAISER, 1992,S.24).

In Deutschland führten diese Überlegungen in der Zeit des Nationalsozialismus zur sogenannten “Rassenhygiene“, ein Euthanasie-Programm, dass die Vernichtung unwerten Lebens zum Ziel hatte.

Die kontroversen Diskussionen im Hinblick auf die heutige, “neue“ Eugenik haben ihre Grundlage in der Möglichkeit der Präimplantationsdiagnostik, auf der einen Seite die Last der genetischen Krankheit innerhalb der Familie des Kinderwunschpaares zu mindern. Also eine Art der individuellen Gesundheitsvorsorge. Auf der anderen Seite könnten die Interessen der Gesellschaft an einer umfassenden Gesundheitsvorsorge und Kostenreduktion im Gesundheitswesen die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik bestimmen.

Die Geschlechtsvorwahl zum Beispiel, die in der heutigen Fortpflanzungsmedizin durchaus möglich ist, würde einen Einstieg in die positive Eugenik bedeuten, da in die natürliche Geschlechterproportion störend eingegriffen würde. Auch in der rechtlichen Beurteilung einer solchen Vorgehensweise wird dahingehend argumentiert (vgl. KELLER/GÜNTHER/KAISER, 1992, s.215).

Graumann hält diesen Zusammenhang zwischen individuellen und gesellschaftli- chen Dimensionen für ein Phänomen einer “Normalisierungsgesellschaft“, in der sich die Disziplin des individuellen Körpers und die Norm der Regulierung der Bevölkerung miteinander verbinden. Die sich hier zeigende Macht der Biomedi- zin wird dadurch zu einem die Gesellschaft durchsetzenden Phänomen. “Damit kann ’Eugenik’ als soziokulturelles Projekt verstanden werden, welches sich über vermeintlich ’autonome’ Einzelentscheidungen vollzieht. (GRAU- MANN 1999, S.119).

4.2 Eingriff in die Natur

Die Natur galt in der Antike als Norm für alles Leben, die der Mensch in seinem Handeln achten und entsprechen sollte. Die Erfahrungen sollten dem Menschen Erkenntnisse bringen über die Gesetze, denen er unterworfen ist. Die Anwendung der Naturerkenntnis lagen dem damaligen Verständnis zufolge in der Absicht der Natur selbst und veränderte die Natur deshalb auch nicht. Forschung wurde im Laufe der Zeit immer mehr als Weg zur Nutzung der Natur- kräfte und als Mittel zur Umgestaltung der Welt durch menschliche Intelligenz angesehen. Die Natur wird demnach “nicht mehr als Schöpfung und der Mensch als Vernunftswesen nicht mehr als Geschöpf, sondern als Herr der Natur betrach- tet, der der Natur den Stempel seines Geistes aufprägen soll“ (vgl. U.EIBACH, 1986, S.55).

Als ethisches Problem stellt sich nunmehr die Anwendung der wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse dar, da sie nicht mehr auf dem Hintergrund einer an sich gültigen Naturordnung geschehen.

Dass der Mensch die Zeugung nicht bewusst herbeiführen kann, ist für Eibach ein Zeichen dafür, “dass sich auch der Mensch vor jeder freiheitlichen Selbstbestimmung seines Lebens bereits in seinem Geschaffensein vorfindet“ Würde er dieses Abhängigsein gegenüber den natürlichen Umständen überspringen wollen, spielte er sich zum Schöpfer seiner selbst auf und würde seine eigene Natur bedrohen (vgl. U.EIBACH, 1986, S.66).

4.3 Theologisch-ethische Bedenken

Theologischem Verständnis zufolge ereignet sich das Entstehen von Leben in ei- ner intimen Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau. Durch die Möglichkeit der in vitro-Fertilisation und dem damit zusammenhängenden Embryotransfer wird durch einen “Dritten“, in Form eines Arztes, eingegriffen. Der Arzt trägt somit nicht nur die Verantwortung gegenüber dem betroffenen Paar, sondern auch für die unerwünschten Nebenfolgen und das durch ihn entste- hende Leben.

Den Ethischen Ansätzen der evangelischen Theologie zufolge gilt das menschli-che Leben als ein Geschenk Gottes, das durch den von ehelicher Liebe getragenen sexuellen Akt der Vereinigung “empfangen“ wird. Die Zeugung selbst ist ein biologischer Akt, der sich dem menschlichem Willen und Wollen entzieht. Es handelt sich dabei um ein “Werden, das man, wenn es eintrifft, zwar beobach- ten, das man aber nicht verfügen, nicht ’machen’ kann“ (U.EIBACH, 1983, S.226).

Dabei gilt zu bedenken, das weder in der katholischen, noch in der evangelischen Kirche konkrete Ge-und Verbote hinsichtlich der in vitro-Fertilisation ausgespro- chen worden sind. Es werden vielmehr ethische Bedenken formuliert. Die Vernichtung von Embryonen, als Folge einer in vitro-Fertilisation, ebenso wie jede Form des Experimentierens wird als ethisch nicht vertretbar abgelehnt.

4.4 Alternativen zu fortpflanzungsmedizinischen Maßnahmen

Krolzik nannte in seinem Beitrag zur ethischen Diskussion der neuen Fortpflan- zungstechniken drei mögliche Alternativen zu deren Anwendung, die verdeutli- chen, dass es durchaus andere Möglichkeiten als ein “Kind um jeden Preis“ gibt, da niemand von uns “ein Recht auf ein Kind“ hat (V.KROLZIK, 1989, S.152 ff.).

- vorausgehende psycho-soziale Beratung

Darin soll unter anderem auch auf die Frage nach der Lebenserfüllung beider Partner unabhängig von einem eigenen Kind eingegangen werden. Der Verzicht auf ein leibliches Kind ist vielleicht leichter möglich, wenn in ande- ren Aufgaben eine Erfüllung gefunden werden kann. Das könnte zum Beispiel die Annahme eines Kindes ohne Besitzanspruch, im Rahmen einer Elternschaft auf Zeit (Pflegeelternschaft) sein.

Sie sei vielmehr “unbedingt zu fordern“, da die Fortpflanzungsmedizin die psychischen, sozialen und ökologischen Bedingtheiten von Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit kaum berücksichtigt, aber deren Bearbeitung eine Hauptvoraussetzung für die positive Annahme eines Kindes ist.

- Pflegeelternschaft

(siehe oben, unter “vorausgehende psycho-soziale Beratung“)

- Elternschaft im Rahmen des Adoptionsvermittlungsgesetzes

Genau wie bei einer Pflegeelternschaft hat man hier die Möglichkeit, die Verantwortung und Sorge für ein Kind zu übernehmen, ohne sich einer psychischen, sowie physischen Belastung einer in vitro-Fertilisation aussetzen zu müssen.

Nach Krolzik wäre es “wünschenswert, dass -ähnlich wie in der Adoptionsver-mittlung- statt des Kinderwunsches das Kindeswohl zur Handlungsmaxime der Fortpflanzungsmedizin“ wird (V.KROLZIK, 1989, S. 150).

5. Schlussbetrachtung

Die Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin stellen hohe Anforderungen an die moralischen Kompetenzen der Gesellschaft. In der Fortpflanzungsmedizin, wie in vielen anderen Bereichen der Naturwissenschaft, wurde in den letzten Jahrzehnten Fortschritte erzielt, die es kinderlosen Paaren ermöglicht, dem Wunsch nach ei- nem Kind gerecht zu werden, obwohl es auf natürlichem Weg offensichtlich nicht möglich erschien.

In diesem Zusammenhang sollten jedoch zwei grundlegende Unterschiede gemacht werden. Anders als bei der in vitro-Fertilisation (siehe Kap. 2.1), die eingesetzt wird, um einem unfruchtbaren Paar zu einem Kind zu verhelfen, zielt die Präimplantationsdiagnostik (siehe Kap. 2.3) darauf ab, bestimmte unerwünschte Eigenschaften eines geplanten Kindes auszuschließen und eine evtl. damit verbundene Embryoselektion vorzunehmen.

Somit überschreitet die Präimplantationsdiagnostik sowohl die Möglichkeiten der in vitro-Fertilisation, als auch die der Pränataldiagnostik bei weitem, was sich auch in der unterschiedlichen ethisch-moralischen Bewertung der beiden Anwendungsbereiche wiederspiegelt.

Es stellt sich zudem die Frage, ob man alles, was der Fortschritt möglich macht, auch zulässt. Sei es als Individuum oder als Gesellschaft.

Stauber war der Ansicht, “dass die technische Entwicklung unserer geistigen Entwicklung davonläuft und der mögliche Missbrauch zur Realität wird“ (M.STAUBER, 1986, S.14).

Um eine Extrakorporale Fertilisation aus psychischer, medizinischer, ethischer und juristischer Sicht in vertretbarer Weise durchzuführen, wurden durch die Ar- beitsgruppe an der Universitäts-Frauenklinik Berlin-Charlottenburg (siehe u. a. auch Kap. 3.1) Rahmenbedingungen geschaffen, die sich als sogenanntes “Berli- ner Modell“ etablierten und den Versuch darstellt, die in vitro-Fertilisation “rich- tig“ anzuwenden.

Abb.3 : “Berliner Modell“ (nach M.STAUBER, 1986, S.14)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieses Modell bietet zumindest eine vertretbare Form der in vitro-Fertilisation, die versucht, alle möglichen Gefahren für die Mutter, sowie für das potentielle Kind so gering wie möglich zu halten.

Besonders bei den bedenklichen Maßnahmen wie das Einfrieren oder Experimentieren mit Embryos. Die Grenzziehung zwischen vertretbaren und weniger vertretbaren im Bereich der Fortpflanzungsmedizin, unterliegt letztendlich den Betroffenen Paaren, die sich für oder gegen das Machbare entscheiden.

Literaturverzeichnis

BECHER, G., SCHÜLER,J. SCHUPPENHAUER,M. (1997): Perspektiven der kommerziellen Bio- und Gentechnologie in Nordrhein-Westfalen. In KAISER, G...(Hrsg.), Bio- und Gentechnologie: Anwendungsfelder und wirtschaftliche Perspektiven. Frankfurt/Main; New York: Campus Verlag

EIBACH, U. (1986): Gentechnik - der Griff nach dem Leben. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag

EIBACH, U. (1983): Experimentierfeld: Werdendes Leben. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

KELLER, R., GÜNTHER, H-L., KAISER, P. (1992): Embryonenschutzgesetz: Kommentar zum Embryonenschutzgesetz. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH

KOLLEK, R. (2000): Präimplantationsdiagnostik: Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht. Tübingen; Basel: A. Francke Verlag

KROLZIK, V. (1989): Kinderwunsch zwischen Machbarkeit und Verantwortung. Nachwort eines Beraters. In Volker Krolzik und Werner Salzmann (Hrsg.), Kind um jeden Preis? Beiträge zur ethischen Diskussion der neuen Reproduktionstechniken. Orientierungshilfen für die Beratungspraxis. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins GmbH

STAUBER, M. (1986): Künstliche Befruchtung - psychosomatische und ethische Aspekte. In Hellmut Becker...(Hrsg.), psychosozial. Schwerpunktthema: Künstliche Befruchtung. München; Weinheim: Psychologie Verlags Union

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 (S.5) aus: Stauber, M., Künstliche Befruchtung-

Abb. 2 (S.8) aus: Kollek, R., Präimplantationsdiagnostik

Abb. 3 (S.14) aus: Stauber, M., Künstliche Befruchtung.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarem und Verantwortbarem
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
17
Katalognummer
V103823
ISBN (eBook)
9783640021994
Dateigröße
369 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeiten, Fortpflanzungsmedizin, Machbarem, Verantwortbarem
Arbeit zitieren
Christian Schramm (Autor:in), 2001, Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin zwischen Machbarem und Verantwortbarem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103823

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