Heilpädagogische Diagnostik. Aggressives Verhalten eines Jungen im Kindergarten

Eine Fallstudie


Fallstudie, 2020

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


I. Inhaltsverzeichnis

I. Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung

2 Differentialdiagnosen

3 Auswahl der diagnostischen Verfahren

4 Gutachten
4.1 Fragestellung/ Untersuchungsanlass und Ausgangslage
4.2 Diagnostische Verfahren und Darstellung der Ergebnisse
4.3 Interpretation und Diskussion der Befunde
4.4 Empfehlungen für die weitere Vorgehensweise

5 Fazit

III. Literaturverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

ASCT Attachment Story Completion Task

AQS Attachment Q-Sort

BVC Barnavårdcentralen

BVKJ Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.

DGKJP Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psycho-therapie

DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information

ET 6-6-R Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren – Revision

PAA Preschool Assessment of Attachment

SETK 3-5 Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder

VSK Verhaltensskalen für das Kindergartenalter

1 Einführung

Untersuchungsanlass ist seit drei Monaten andauerndes aggressives Verhalten des dreijährigen X. in der Kindergartenganztagesbetreuung (9,5 Stunden/Tag). Die deutsche Familie war vor drei Monaten aus Schweden zugezogen, wo X. seit seinem ersten Geburtstag in der Tagesbetreuung war. Er schien sich ungewöhnlich schnell einzugewöhnen und vermisste seine Mutter nicht, so dass die Eingewöhnungsphase nach zwei Tagen beendet wurde. Einige Tage später zeigte X. wütendes, aggressives und nicht kooperatives Verhalten gegenüber anderen Kindern, seinen Erziehern und Eltern.

Da Xs Verhalten über drei Monate hinweg deutlich aggressive und wütende Züge im Kindergarten zeigte, begannen die Erzieher, sich Sorgen zu machen. Auch in direkter Ansprache der Erzieher wirkte X. oft zurückgezogen, traurig oder wütend, aber konnte keine Gründe nennen. Daher suchten die Erzieher das Gespräch mit den Eltern. Die Eltern berichteten, dass die Konflikte im Kindergarten und Zuhause das Familienleben belasteten und wünschten sich Hilfe. Sie waren bereit, in diesem Zusammenhang auch ihre eigene Beziehung zu X. zu beleuchten. Gemeinsam wurde entschieden, eine Entwicklungsdiagnostik durchzuführen. Sie sollte dabei helfen, eventuelle Entwicklungsprobleme von X. zu erkennen und ihn und seine Familie optimal zu unterstützen und zu fördern (Esser/Petermann 2010, S. 11).

Diese Fallstudie dient dazu, eine Strategie der Entwicklungsdiagnostik zu entwickeln, die X. und seinen Eltern, Xs Alter, der Umbruchsituation, in der er sich befindet, sowie seinen Symptomen gerecht wird. Es geht zum einen darum, eine Überpathologisierung von X. zu vermeiden (Macha/Petermann 2016, S. 107) aber zum anderen darum, ihm, seiner Familie und den Erziehern rechtzeitig angemessene Unterstützung zukommen zu lassen, da sich Beeinträchtigungen des frühkindlichen Verhaltens negativ auf die künftige Entwicklung auswirken können (Petermann/Koglin 2014, 27f.). Jede Diagnostik stellt einen Eingriff in die Privatsphäre dar und kann betroffene Familien belasten (Reichenbach/Thiemann 2013, S. 184). Daher ist es wichtig, mit den Eltern offen und ehrlich die Ausgangslange, mögliche Vorgehensweisen sowie die Ziele der Diagnostik zu besprechen und ethische Richtlinien inkl. Datenschutzerwägungen stets im Auge zu behalten (Reichenbach/Thiemann 2013, S. 186). Optimale Ergebnisse für X., seine Familie und die Erzieher können nur im Rahmen einer gut funktionierenden Erziehungspartnerschaft1 erreicht werden (Textor 2015, S. 7f.).

2 Differentialdiagnosen

Das Feld möglicher Differentialdiagnosen, das sich anhand der Aufgabenstellung ergab, war relativ breit und reichte von normalem Verhalten bis zu einer Autismus-Spektrum-Störung. Um die möglichen Differentialdiagnosen weiter einzugrenzen, wurde erfragt, welche Vorsorgeuntersuchungen bisher bei X. durchgeführt wurden. Die Eltern und die Tagespflege in Schweden wurden außerdem befragt, ob X. im Jahr vor dem Umzug (Alter 21-33 Monate) Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hatte. Als Grundlage für die Befragung wurden Meilensteinabfragungen in den Bereichen „Soziale Entwicklung/ Selbstständigkeit“, „Emotionale Entwicklung/ Ich-Entwicklung“ und „Lern- und Spielverhalten“ für Zweijährige der stiftungNETZ genutzt (stiftungNETZ 2020). Zudem wurden zusätzliche Informationen zu Xs Aufwachsen vor dem Umzug nach Deutschland erfragt.

Dies ergab, dass X. in Schweden geboren wurde. Schwangerschaft und Geburt waren unauffällig, und X. war bei Geburt gesund und zeigte nie syndromatische Gesichtsmerkmale. In der Familien-anamnese gab es keine Verhaltensauffälligkeiten. In seinem ersten Lebensjahr teilten sich seine Mutter und der Vater die Elternzeit2: In seinem ersten Lebensmonat waren beide Eltern zu Hause, vom zweiten bis sechsten Lebensmonat arbeitete sein Vater in Vollzeit und seine Mutter blieb zu Hause und vom siebten bis zwölften Monat arbeiteten beide Eltern in Teilzeit und teilten sich die Betreuung. Ab dem ersten Lebensjahr war X. bei einer Tagesmutter, die drei Kinder im Alter von 12-36 Monaten betreute. Dank familienfreundlicher flexibler schwedischer Arbeitszeiten und kurzer Arbeitswege war X. von 8:30-16:00 Uhr (7,5 Stunden/ Tag) in Betreuung. X. hatte nach der Eingewöhnungs-phase eine sehr gute und enge Beziehung zu seiner Tagesmutter und verstand sich gut mit den anderen Kindern. Gleichzeitig freute er sich, wenn seine Mutter oder sein Vater ihn abholten. Die Eltern sprachen mit X. Deutsch, bei der Tagesmutter wurde Schwedisch gesprochen. Vorsorgeuntersuchungen werden in Schweden durch speziell ausgebildete Kinderkrankenschwestern sowie (je nach Alter) Ärzte der Barnavårdcentralen (BVC) durchgeführt (1177 Vårdguiden 2020). Das Screening mit 2,5 Jahren durch eine Kinderkrankenschwester (Befragung der Eltern u. a. zum Verhalten und Untersuchungen zu Motorik und Sprache) war weitgehend unauffällig. Lediglich Xs sprachliche Fähigkeiten im Schwedischen entsprachen im Hinblick auf den Wortschatz nicht ganz den Fähigkeiten eines Zweieinhalbjährigen. Hören und Sehen konnte X. gut. Da X. zweisprachig aufwuchs, wurden weitere Interventionen nicht für nötig erachtet3. Auch die Gespräche mit Xs Eltern und seiner schwedischen Tagesmutter bestätigten, dass er alle Meilensteine im sozio-emotionalen Bereich für Zweieinhalbjährige erreicht hatte. Weder in Schweden noch aktuell zeigte X. repetitives Verhalten. Die Vorsorgeuntersuchung U7a in Deutschland war noch nicht erfolgt.

Aufgrund dieser Ergebnisse wurden die Differentialdiagnosen Autismus Spektrum Störung und eine Verhaltensstörung z. B. aufgrund einer syndromatischen Erkrankung für unwahrscheinlich erachtet. Damit verblieben aus der Ausgangssituation die folgenden Differentialdiagnosen:

1. Normales Verhalten. Aggressives Verhalten bei Kleinkindern ist Teil des normalen Verhaltens. Es ist bei Jungen ausgeprägter als bei Mädchen, und erreicht typischerweise mit drei Jahren den Höhepunkt (Alink et al. 2006, S. 954, 964f.).
2. A) Adaptives Verhalten in Folge einer kritischen Lebenssituation4. Erst vor Kurzem hat sich die Welt des Dreijährigen radikal gewandelt: X. hat in jüngster Zeit sein gewohntes Zuhause, seine Tagesmutter und Tagespflegefreunde verloren, seine Betreuungszeit hat sich signifikant verlängert, und er befindet sich tagsüber nicht nur in einer neuen Einrichtung mit unbekannten Erziehern und Kindern, sondern auch in einer für ihn ungewohnten sprachlichen Umgebung. Zusätzlich erleben seine Eltern Umzugsstress.

B) Da Xs Sprachentwicklung mit 2,5 Jahren leicht verzögert war, könnte die Anpassung an die neue Situation zusätzlich durch sprachliche Defizite erschwert sein (Rißling et al. 2016, S. 145).

3. Eine unsichere Bindung oder Bindungsdesorganisation (Bowlby 1988, S. 123ff.). Hier lagen sowohl Indikatoren für eine unsicher-vermeidende Bindung (u. a. vermisste Mutter nicht), als auch für eine unsicher-ambivalente Bindung vor (u. a. wütendes, aggressives Verhalten). Wenn beide Grundmuster gemeinsam auftreten kann dies, v. a. bei Vorliegen von Bindungstraumata, auf eine Bindungs-desorganisation hinweisen, die aus Entwicklungsgesichtspunkten problematischer ist als die unsicher-organisierten Bindungsmuster (National Collaborating Centre for Mental Health (NCCMH) 2015, S. 17). Allerdings wurde schon in den 1980er Jahren festgestellt, dass einige Kinder in sehr stressvollen Situationen zunächst ein vermeidendes Verhalten, bei erneuter Evaluierung in einer etwas weniger stressvollen Situation dann aber ambivalentes Bindungsverhalten zeigten (Duschinsky 2015, S. 37), so dass nicht zwingend eine Bindungsdesorganisation vorliegen muss.
4. Anbahnung einer Störung des Sozialverhaltens. Diese Störung konnte noch nicht diagnostiziert werden, da problematisches Verhalten (mit mindestens drei Symptomen) gemäß ICD-10-GM F.91 über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten beobachtet werden muss (ICD-10-GM, vgl. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) 2019). Meist wird diese Störung frühestens ab einem Alter von vier Jahren diagnostiziert. Typische familiäre Risikofaktoren lagen bei X. nicht vor5. Da früh beginnende Störungen des Sozialverhaltens oft einen ungünstigen Verlauf aufweisen und mit einem höheren Risiko für die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen verbunden sind (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) 2018, S. 13), war dennoch eine Verhaltensdiagnostik empfehlenswert, um besser einordnen zu können, ob und inwieweit Xs Verhalten außerhalb der altersgemäßen Norm lag. Gleichzeitig sollte hier evaluiert werden, ob eine verdeckte Angststörung vorliegen könnte, da Angst sich bei Kleinkindern als Aggression manifestieren kann (Bubier/Drabick 2009, S. 658f.).

3 Auswahl der diagnostischen Verfahren

Die Diagnostik sollte zielführend sein (d. h. eventuell bestehende Probleme zuverlässig und präzise erkennen) und eine vertretbare Mittel-Zweck-Relation aufweisen (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) 2014, S. 6f.). Da in Xs Fall das Bindungs- und Sozialverhalten sowie sein Sprachentwicklungsstand überprüft werden sollten, erschien zunächst ein global angelegter Test wie z. B. der Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren - Revision (ET 6-6-R) ein geeignetes Mittel (testzentrale 2020a). Er prüft neben sozio-emotionaler Entwicklung (inkl. Bindung) und Sprache zusätzlich Körper- und Handmotorik sowie kognitive Entwicklung. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass der Bereich der sozio-emotionalen Entwicklung im ET 6-6-R über einen Elternfragebogen erfolgt (Wiedebusch/Petermann 2006, S. 323). Bei Dreijährigen haben sich Elternfrage-bögen zur Beurteilung des Bindungsverhaltens als nicht geeignet erwiesen; stattdessen sind Beobachtungsverfahren notwendig (Zweyer 2007, S. 429). Zudem gibt es im Bereich des Sozial-verhaltens Tests, die stärker differenzieren als der ET 6-6-R und die auf Beurteilungen sowohl der Eltern als auch der Erzieher beruhen. Dies ist relevant, da die Einschätzungen von Erziehern und Eltern oft divergieren (Koglin 2017, Folie 8). Die Informationen, die der ET 6-6-R dagegen in den „zusätzlichen“ Bereichen (z. B. Kognition) quasi als „Bonus“ bieten würden, wären dagegen aufgrund der aktuellen Umbruch-/ Stresssituation nur bedingt aussagekräftig und daher kein starkes Argument zum Einsatz des ET 6-6-R. Zudem war das allgemeine Entwicklungsscreening in Schweden mit 2,5 Jahren bis auf die Sprache unauffällig gewesen. Vor diesem Hintergrund wurde entschieden, X. nicht global zu testen, sondern spezifisch in den Bereichen Sprache, Bindung und Verhalten.

Da niemand in Xs Umfeld mehr Schwedisch sprach, wurde entschieden, lediglich seine deutsche Sprachentwicklung zu testen. Da Xs sprachliche Ergebnisse schon beim schwedischen Screening im Alter von 2,5 Jahren leicht auffällig waren, wurde darauf verzichtet, ein erneutes Screening durchzuführen. Stattdessen sollte eine Sprachdiagnostik erfolgen, die im Falle von Auffälligkeiten anhand der Ergebnisse auch Hinweise auf Fördermöglichkeiten gibt. Gewählt wurde der Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK 3-5). Der SETK 3-5 erfasst bei Dreijährigen Satz-verständnis, Enkodierung semantischer Relationen, morphologische Regelbildung sowie phonologisches Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter (Li 2010, Folie 23). Validität, Objektivität, Reliabilität sowie aktuelle Normierung (2015, u. a. für die Altersgruppe 3;0 bis 3;5) sind gegeben. Der Test ist für mehrsprachige Kinder wie X. geeignet, weniger gut jedoch für Kinder mit Deutsch als Zweit-sprache. Die Durchführung nimmt 15-25 Minuten in Anspruch, die Auswertung ca. 10-20 Minuten und kann durch Kitapersonal erfolgen. Allerdings sind eine intensive Einarbeitung und mehrmaliges Üben erforderlich, um den Test korrekt anzuwenden (Grimm/Aktaş/Frevert 2020; testzentrale 2020b). Kinder, die eine Standardabweichung unter dem Mittelwert liegen, werden als „sprachlich schwach“, und Kinder, die 1,5 Standardabweichungen darunter liegen, als „sprachentwicklungsgestört“ klassifiziert (BVKJ 2014, S. 16). Für weitere Details vgl. Grimm/Aktaş/Frevert 2020.

Mögliche Bindungstests für Dreijährige umfassen das Cassidy-Marvin Verfahren (Attachment Organization in Preschool Children) und das Verfahren von Crittenden (Preschool Assessment of Attachment (PAA)), die eine Weiterentwicklung der Fremden Situation (Strange Situation)6 für diese Altersgruppe darstellen. Alternativ käme auch das Attachment Q-Sort (AQS) in Frage, das in häuslicher Umgebung stattfindet, aber bei Weitem das zeitaufwendigste der Verfahren darstellt, ohne Vorzüge im Hinblick auf Validität, Reliabilität oder Objektivität gegenüber der Fremden Situation zu bieten (Becker-Stoll 2018, S. 86f.; Huber 2010, S. 67f.). Eine weitere Alternative zur Fremden Situation stellt die Attachment Story Completion Task (ASCT), ein Geschichtenerzählverfahren dar, dass laut Bretherton/ Kißgen 2009, S. 109, bereits mit Dreijährigen genutzt werden kann. Da das Verfahren stark von adäquaten sprachlichen Fähigkeiten abhängt, die bei X. in Frage gestellt wurden, wurde die ASCT nicht weiter in Betracht gezogen. Eines der Fremde Situation Verfahren schien somit am besten geeignet. Sie fokussieren auf nonverbaler Kommunikation (Hautamäki et al. 2010, S. 622). Hier fiel die Wahl auf das PAA, da es laut Crittenden/Claussen/Kozlowska 2007, S. 80 und 85, im Vergleich zu dem Cassidy-Marvin Verfahren deutlich valider7 ist, klarere Klassifikationen bietet, Bindungsrisiken akkurater identifiziert und Risikotypen und -gerade innerhalb der unsicher-ambivalenten Klassifikationen besser differenziert. Die Reliabilität wird durch ein intensives Trainingsprogramm der Testleiter sichergestellt (Künster 2007, S. 34f.). Der Test mit dem Kind dauert 20 Minuten. Die Auswertung erfolgt anhand von Videoaufnahmen des Tests. Neben Mutter und Kind bedarfs es drei weiterer Personen, davon einer Person, die das Trainingsprogramm durchlaufen hat und einer weiteren für das Kind fremden Person. Für den genauen Ablauf und eine Beschreibung der neun Bindungsmuster vgl. Künster 2007, S. 32ff. Da Xs Mutter und seine Tagesmutter in Schweden im Jahr vor dem Umzug die engsten Bindungs-personen von X. waren, wurde entschieden, zunächst lediglich das Bindungsverhalten Xs zu seiner Mutter (und nicht auch zu seinem Vater) zu testen.

Hinsichtlich des Verhaltens und der sozioemotionalen Entwicklung wurden die Verhaltensskalen für das Kindergartenalter (VSK) ausgewählt. Die Verhaltensprobleme werden auf vier Skalen erfasst: „Ängstlichkeit“, „Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit“, „Aggressives Verhalten“ und „Emotionsdysregulation“. Die sozio-emotionalen Ressourcen werden auf drei Skalen gemessen: „Soziale Kompetenz“, „Emotionswissen/Empathie“ und „Selbstregulation“. Eine „Gesamt-Problemskala“ und eine „Gesamt-Ressourcenskala“ erlauben eine globale Einschätzung von Auffälligkeiten. Validität, Objektivität, Reliabilität sowie aktuelle Normierung (2016, u. a. für die Altersgruppe 3;0 bis 4;6) sind gegeben. Die Bearbeitungszeit je Version beträgt 10 bis 15 Minuten, für die Auswertung sind jeweils ca. fünf Minuten zu veranschlagen (testzentrale 2020c). Ausschlaggebende Vorteile der VSK sind neben der differenzierten Erfassung von Auffälligkeiten die Tatsachen, dass sowohl eine Eltern- als auch eine Fachkräfte-version vorliegen, der Test spezifisch für die Altersgruppe 3-6 Jahre entwickelt wurde und Normwerte für Deutschland für beide Versionen vorhanden sind (Koglin 2017, Folien 5ff., 34ff. und 57).

Gemeinsam wurde vereinbart, zuerst die Sprachentwicklung zu testen, da sie zusätzlich Hinweise zur Durchführung der weiteren Tests geben kann (z. B. Modifikation der Folgetests, falls gravierende Sprachverständnisprobleme vorliegen sollten). Anschließend sollten die VSK durchgeführt werden, die wie der SETK 3-5 von Kitafachkräften durchgeführt werden kann. Der Bindungstest sollte zum Schluss erfolgen, auch, weil hierfür speziell qualifizierte Testpersonen hinzugezogen werden mussten, was aufwendiger zu organisieren war.

[...]


1 Zu Chancen und Herausforderungen von Erziehungspartnerschaften vgl. Betz 2018, S. 21ff.

2 Zur Elterngeldregelung in Schweden vgl. Europäische Kommission 2020.

3 Zur zunächst langsameren Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit vgl. Hoff 2018.

4 Zu kritischen Lebenssituationen bei Kindern vgl. Kreisel 2012, S. 5ff.

5 Dazu zählen u. a. mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft, ein niedriger sozio-ökonomischer Status und Armut oder psychopathologische Auffälligkeiten auf Seiten der Eltern (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) 2018, S. 14).

6 Ainsworth/Wittig 1969, S. 111ff. konzipierten mit der Strange Situation ein wegweisendes Verfahren zur Bestimmung frühkindlicher Bindungsqualität. Es handelt sich um eine maximal 20-minütige Laborsituation mit anschließender Videoanalyse.

7 Zur sehr guten Validität des PAA vgl. auch Künster 2007, S. 34; Teti/Gelfand 1997, S. 517.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Heilpädagogische Diagnostik. Aggressives Verhalten eines Jungen im Kindergarten
Untertitel
Eine Fallstudie
Hochschule
IU Internationale Hochschule
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
20
Katalognummer
V1038611
ISBN (eBook)
9783346454607
ISBN (Buch)
9783346454614
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heilpädagogische Diagnostik, Diagnostik, Verhaltensauffälligkeiten, sozio-emotional, Bindung, Bilingualität, Fallstudie
Arbeit zitieren
Sonja Jelineck (Autor:in), 2020, Heilpädagogische Diagnostik. Aggressives Verhalten eines Jungen im Kindergarten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1038611

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