Unterrichtsreihe Leben in Beziehungen. Ein Peer Learning Projekt


Projektarbeit, 2019

97 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theologischer Hintergrund
2.1 Beziehungen im Alten Testament
2.2 Beziehungen im Neuem Testament

3. Entwicklungspsychologische Aspekte
3.1 Allgemeines
3.2 Das Stufenmodell von Jean Piaget
3.3 Die moralische Entwicklung nach Lawrence Kohlberg
3.4 Die Entwicklung des religiösen Urteils bei Paul Gmünder und Fritz Oser
3.5 Die Stufen des Glaubens von James Fowler
3.6 Der Umgang mit den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie

4. Didaktik und Religionsdidaktik
4.1 Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht
4.1.1 Unterrichtsplanung
4.1.1.1 Analyse der Rahmenbedingungen
4.1.1.2 Die 9 Grundfragen
4.1.1.3 Unterrrichtsgestaltung
4.1.2 Unterrichtsdurchführung
4.1.3 Unterrichtsevaluation
4.2 Die Würzburger Synode
4.3 Bibeldidaktische Entwicklung
4.4 Korrelation und Elementarisierung

5. Das Selbstverständnis der Lehrkraft im Religionsunterricht

6. Planung der Unterrichtsstunden
6.1 Schriftliche Planung der 1. Unterrichtsstunde
6.2 Tabellarischer Plan für die erste Unterrichtsstunde
6.3 Schriftliche Planung der 2. Unterrichtsstunde
6.4 Tabellarischer Plan für die zweiten Unterrichtsstunde
6.5 Schriftliche Planung der 3. Unterrichtsstunde
6.6 Tabellarischer Plan für die dritten Unterrichtsstunde
6.7 Schriftliche Planung der 4. Unterrichtsstunde
6.8 Tabellarischer Plan für die vierten Unterrichtsstunde
6.9 Schriftliche Planung der 5. Unterrichtsstunde
6.10 Tabellarischer Plan für die fünften Unterrichtsstunde
6.11 Schriftliche Planung der 6. Unterrichtsstunde
6.12 Tabellarischer Plan für die sechsten Unterrichtsstunde
6.13 Schriftliche Planung der 7. Unterrichtsstunde
6.14 Tabellarischer Plan für die siebten Unterrichtsstunde

7. Kritik und Reflexion
7.1 Reflexion der Unterrichtseinheit und des Erarbeitungsprozesses
7.2 Reflexion der Gruppenzusammenarbeit

8. Literatur und Quellverzeichnis

9 Anhang

1. Einleitung

„Leben in Beziehungen“ -der Titel dieses Peer-Learning-Projekts lässt auf den ersten Blick viele Fragen und Möglichkeiten offen. Jeder Mensch lebt nicht nur in einer Beziehung zu sich selbst, sondern auch immer in Verbindung zu anderen Menschen. Genau diese beiden Aspekte von Be­ziehungen (zu mir selbst und zu anderen Menschen) haben wir in diesem Projekt in den Mittel­punkt unserer Betrachtungen gestellt. Herausgekommen ist letztendlich eine Unterrichtsreihe zu genau diesem Thema für die zehnte Klasse einer Realschule. Da die praktische Arbeit an Unter­richtsentwürfe in unserem Studium bisher kaum vorkam und noch niemand aus der Peer-Learn- ing-Gruppe im Praxissemester war, bot dies Projekt eine Möglichkeit sich mit dieser Kompetenz des Lehrerhandelns auseinander zu setzen. Darüber hinaus wurden durch dieses Projekt die Re­flexionsfähigkeit (durch das häufige überdenken der Unterrichtsentwürfe) und die Teamfähigkeit (durch die notwendigen Absprachen) weiter trainiert. Das Projekt diente jedoch nicht nur dem ersten Versuch eine Unterrichtsreihe zu entwickeln, sondern zusätzlich unserer persönlichen Ent­wicklung als Lehrkräfte. Es wurde uns die Möglichkeit gegeben daran zu arbeiten wie man Unter­richt, bzw. eine Idee für eine Unterrichtsreihe, erstmalig entwickelt und als zweiten Punkt wurden wir alle mit der Frage konfrontiert, was es überhaupt heißt, bzw. welche Konsequenzen es für einen selbst hat, wenn man Religion unterrichtet.

Die Arbeit wurde so strukturiert, dass zunächst mit einem fachwissenschaftlichen Teil begonnen wird, denn kein Haus steht ohne ein Fundament, welches es trägt. Der theologische Hintergrund bezieht sich auf die verschiedenen Beziehungen im Alten und Neuen Testament um aufzuzeigen, dass die Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen den Menschen und Gott heute noch ihre Aktualität nicht verloren haben und es deswegen sinnvoll ist sich weiterhin mit verschiedenen Beziehungen zu beschäftigen. Weiterhin werden Entwicklungs-und Religionspsychologische Pro­zesse betrachtet um für das Oberthema eine weitere Begründung zu liefern. Der Teil der Religi­onsdidaktik gibt sodann einen Überblick über die verschiedenen Entwicklungen und Vorgehens­weisen im Religionsunterricht. Daran wird sich dann die ausgearbeitete Unterrichtsreihe anschlie­ßen. Diese Reihe haben wir versucht möglichst Schülerfokussiert zu gestalten. Innerhalb der Reihe sollte jedem Schüler und jeder Schülerin die Möglichkeit gegeben werden sich mit sich selbst und mit der Beziehung zu anderen Menschen zu befassen und sich seinem eigenen Stand im Leben besser bewusst zu werden. Hierbei wurden die Methoden so gewählt, dass die Schüle­rinnen und Schüler sich oft in einer kreativen Art und Weise dem Thema und somit ihrem eigenen Leben nähern. Die Schülerinnen und Schüler werden dazu aufgefordert sich auf diese Art des Unterrichts und auf das Thema der Reihe einzulassen, welches im normalen Schulalltag eher ungewöhnlich ist. Dabei ist allen Gruppenmitgliedern bewusst, dass die Unterrichtsreihe nicht den Anspruch der Vollständigkeit erhebt. Es ist vielmehr ein Vorschlag, wie man das Thema angehen könnte. Es ist klar, dass das Thema und die Methoden an jede Lerngruppe individuell angepasst werden muss und das erst die Praxis verrät, ob die Reihe - so wie von uns geplant - erfolgreich wäre. Das Projekt schließt dann mit einer Reflexion der Reihe und der Gruppenzusammenarbeit.

2. Theologischer Hintergrund

Der Religionsunterricht kann durch die unterschiedlichsten Methoden und didaktischen Modell vermittelt werden. Die Verschiedenheit der jeweiligen Methoden kann dabei weite Ausmaße an­nehmen, doch in einem Punkt sind sich alle Methoden sehr ähnlich nämlich, dass sie von einem theologischen Hintergrund geleitet werden. Dieser theologische Hintergrund soll in diesem Kapitel auf Basis der biblischen Texte des Alten und Neuen Testamentes für das Thema der geplanten Unterrichtsreihe „Leben in Beziehungen“ erkundet werden.

2.1 Beziehungen im Alten Testament

Das Alte Testament ist ein Buch welches eine Vielzahl von Beziehungen erwähnt und erläutert. Daher ist es ein äußerst guter Nährboden um das Thema „Leben in Beziehungen“ theologisch anzugehen. Des Weiteren ist dieses eine Begründung dafür, dass das Thema Beziehungen ein wichtiger Baustein des Religionsunterrichtes ist.

Das Alte Testament beginnt mit dem ersten Buch Mose oder auch Genesis genannt, das erste Buch Mose fängt wiederrum mit der Urgeschichte an und hier am Anfang des Alten Testament ist direkt schon die erste von noch vielen kommenden Beziehungen zu finden. Es behandelt die Be­ziehung zwischen dem gerade erschaffenden Menschen und den einen Tag früher von Gott er­schaffenden Tieren. „Er soll Macht haben über die Fische im Meer, über die Vögel in der Luft und über alle Tiere auf der Erde.“1 Etwas weiter im ersten Buch Mose finden sich erste Beschreibun­gen der Beziehungsverhältnisse zwischen den Menschen untereinander, nämlich zwischen Mann und Frau. Zu der Frau sagt Gott: „[...] Es wird dich zu deinem Mann hinziehen, aber er wird dein Herr sein.“2

Diese Beziehungsverhältnisse müssen in den damaligen zeitlichen und geschichtlichen Kontext eingebunden werden und sind selbstverständlich nicht in die heutige Zeit eins zu eins übertragbar. Doch sollen diese beiden Beispiele zu Beginn des Alten Testamentes zeigen, dass die Bibel sich von Anfang an mit Beziehungen und Beziehungsverhältnissen auseinandersetzt.

Der größte Teil an Beziehungen der im Alten Testament stattfindet, sind die Beziehung zwischen dem Volk Israels und Gott. Dabei wird nicht das Wort „Beziehung“ verwendet, um das Verhältnis zwischen Gott und dem Volk Israel zu beschreiben, sondern das Wort „Bund“. Diese Beschrei­bung ist in der Bundesformel festgelegt, in der steht: „JHWH ist der Gott Israels, Israel ist das Volk JHWHs.“3 Durch den Bundeschluss entsteht zwischen den Partnern des Bundes eine Beziehung, die von gegenseitiger Treue und Zugehörigkeit geprägt ist.4 Dabei sind die Partner eines Bundes aber nicht gleichberechtigt, sondern der Höhergestellte gewährt oder stiftet den Bund einen nied­riggestellten Partner. Dieses impliziert, dass der niedergestellte Partner keine weiteren Bündnisse mit anderen Partnern abschließen darf.5 Im Falle des Volkes Israel bedeutete der Bund zwischen ihnen und Gott, dass sie keine weiteren Götter neben JHWH haben dürfen. Dieses war zur Zeit des Alten Testamentes in welcher die Monolatrie verbreitet war, kein unwichtiges Kriterium.

Doch auch wenn sich der eher größte Teil im Alten Testament um die Beziehung zwischen Gott und dem Volk Israel dreht, so lassen sich auch soziale Beziehungsgefüge feststellen. Besonders deutlich wird dieses in den Schriften des 627 v. Chr. auftretenden Propheten Jeremia, der immer wieder die Missstände der sozialen Ungerechtigkeit, zum Unmut der Mächtigen Judas, beklagte und sich für gerechtere soziale Strukturen und Beziehungen zwischen dem Thron und dem Volk Israels einsetzte.6

Diese einzelnen und aus unterschiedlichen Geschichten genommenen Beispiele zeigen, dass im Alten Testament eine Vielzahl an Beziehungen unterschiedlichster Weise vorkommen. Die aus­gewählten Geschichten sollten dabei nicht zwangsläufig einen direkten Bezug zur späteren Un­terrichtsreihe haben, sondern exemplarisch zeigen, dass das Thema Beziehungen in seiner Viel­seitigkeit dem Alten Testament bekannt ist.

2.2 Beziehungen im Neuem Testament

So wie das Thema Beziehungen im Alten Testament häufig zu finden ist, in der Regel mit der Beziehung zwischen dem Volk Israels und Gott, so ist es auch im Neuem Testament vertreten. Dort liegt der Schwerpunkt jedoch mehr bei den Beziehungen der Menschen untereinander. Dies bedeutet nicht, dass die Beziehung zwischen Gott und seinem auserwählten Volk nicht behandelt wird, allerdings nicht mehr in der Intensität wie es noch im Alten Testament der Fall war. Die Beziehungen Jesu zu den Menschen und die Beziehungen unter den Menschen selbst, auch ohne Beteiligung Jesu, gewinnen erheblich an Bedeutung.

Der Apostel Paulus führt die Thematik der Beziehungen der Menschen untereinander in mehreren seiner Briefe an. Dabei beginnt er immer mit der Beziehung zwischen Mann und Frau, erwähnt danach die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern und endet in der Regel mit der Beziehung zwischen Herr und Knecht. Besonders deutlich wird dieses in dem Brief an die Gemeinde in Ko- lossä: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es vor dem Herrn recht ist! Ihr Männer, liebt eure Frauen und laßt nicht euren Ärger an Ihnen aus! Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem! So ist es recht vor dem Herrn! Ihr Eltern, behandelt eure Kinder nicht so, daß sie mutlos und scheu werden! Ihr Sklaven, gehorcht in allem euren menschlichen Herren! [...] Ihr Herren, behandelt eure Sklaven, wie es recht und billig ist! Denkt dran, daß auch ihr einen Herrn im Him­mel habt!“7

Die erste Botschaft, die der Apostel Paulus uns vermitteln will, ist die, dass wir alles was wir tun, sei es im Wort oder im Werk, im Namen Jesu tun. Diese Botschaft ist jedoch nur bedingt für das Thema „Leben in Beziehungen“ wichtig. Wichtiger ist die zweite Botschaft die Paulus in seinen Briefen formuliert. Paulus schreibt nicht, dass die irdischen Beziehungen durch Christus Auferste­hung weniger oder gar unbedeutend geworden ist und ausschließlich die Beziehung zwischen den Menschen und Jesus Christus in den Mittelpunkt rückt. Diese Annahme wäre ja durchaus möglich gewesen, da es im Himmel weder Ehen, Familien oder Herren und Knechte gibt. Paulus betont jedoch die Wichtigkeit der irdischen Beziehungen, da gerade in diesen Beziehungen das himmlische Licht scheint. Anzunehmen, dass die alte Schöpfung durch die neue Schöpfung Chris­tus außer Kraft gesetzt wird, wäre falsch.

Was bei den Anweisungen des Apostels Paulus zwischen den jeweiligen Beziehungen sehr her­aussticht ist, dass er die Stellung des jeweiligen untergeordneten Teils also Knecht, Kind oder Frau mit dem Herrn in einen Zusammenhang stellt und damit die untergeordnete Stellung stark Aufwertet.8 Dieses brachte Herr John Nelson Darby sehr treffend in einen Satz zusammen: „Es ist bemerkenswert, wie der Apostel immer wieder Christus in diese Verhältnisse einführt, beson­ders im Hinblick auf solche, die einen Platz der Unterwürfigkeit darin einzunehmen haben, auf Frauen und Kinder, um durch einen so erhabenen Beweggrund den ihrer Stellung geziemenden Gehorsam zu heiligen“9

Ein weiterer Punkt, der in der Betrachtung der zwei Briefe Kolosser und Epheser des Apostels Paulus auffällt, ist das Paulus immer wieder auf Punkte, die das Beziehungsverhältnis zwischen den Menschen verschlechtern könnte, hinweist. Durch dieses gezielte Ansprechen der Schwach­punkte versucht Paulus die Menschen zu sensibilisieren und somit die Wahrscheinlichkeit gelun­gener Beziehungen zu steigern. Durch den großen zeitlichen Abstand von 2000 Jahren der zwi­schen den Briefen des Paulus und der heutigen Zeit herrscht, kann man Gedanken erkennen, die nicht mehr aktuell sind. Hierzu zählt z.B. die Unterordnung der Frau. Doch mit dem Punkt, dass Paulus Schwierigkeiten in einer Beziehung anspricht ist er noch heute sehr aktuell. Denn auch in den Beziehungen heute hat die Wichtigkeit, dass jede Person an seinen Schwächen oder anders formuliert an den Sachen, die ihm schwerfallen, arbeitet, nichts an Relevanz verloren. Dabei ist es auch nicht relevant ob es um Beziehungen innerhalb der Familie, einer Partnerschaft oder einer Freundschaft geht, der Kern von Paulus bleibt, jeder muss an dem arbeiten was ihm schwer­fällt, um ein möglichst gutes Miteinander zu ermöglichen.10

Nachdem anhand einzelner Paulus Briefe die verschiedenen Beziehungen zwischen den Men­schen aufgezählt und erläutert wurden, soll es jetzt um die Beziehungen des Menschen zu Jesus von Nazareth gehen.

Das Jesus von Nazareth ein Mensch war, der eine Reihe von menschlichen Beziehungen führte, ist unumstritten. Das viele von diesen Beziehungen z.B. zu seinen Gefolgsleuten oder besonders zu seinen 12 Aposteln von Vorbildlicher Art und Weise waren, ist auch unumstritten. Dennoch führte Jesus von Nazareth nicht ausschließlich positive Beziehungen in seinem Leben. Damit nicht nur die vorbildhaften Beziehungen aus der Bibel erläutert werden, sondern die Bibel mit ihrer Viel­falt verstanden und erkannt wird, sollen an dieser Stelle auch schwierige Beziehungen Erwähnung finden. Schließlich zeigen besonders diese Beziehungen, dass Beziehungen keine triviale Ange­legenheit sind.11

Eine nicht nur positive Beziehung führte Jesus von Nazareth zu seinen leiblichen Eltern und Ge­schwistern. Im Markus Evangelium ist zu lesen, dass seine Mutter und die Brüder von Jesus, ihn als verrückt bezeichneten.12 Aus den Worten von Jesus wiederrum lässt sich ebenfalls ein nicht zu gutes Verhältnis zu seiner Blutsverwandten schlussfolgern, indem er sagte: „Ich versichere euch: Jeder, der für mich und die gute Nachricht sein Haus, seine Geschwister, seine Eltern oder Kinder oder seinen Besitz zurückgelassen hat, der wird all das in diesem Leben hundertfach wie­derbekommen: Häuser, Geschwister, Mütter, Kinder und Besitz, wenn auch unter Verfolgung. Und in der kommenden Welt wird er das ewige Leben habe. Aber viele, die jetzt vorne sind, werden dann am Schluß stehen, und viele, die jetzt die Letzten sind, werden schließlich die Ersten sein.“13 Das Matthäusevangelium äußert sich gar nicht zu den Blutsverwandten von Jesus. Dies kann daran liegen, dass Matthäus keine genaueren Informationen über die Familie von Jesus vorlagen oder dass Matthäus die Familie von Jesus dadurch, dass dieses Jesus auch selbst tat, als nicht relevant einstufte.

Im Johannesevangelium finden sich einmalige Erwähnungen der Brüder Jesu, Josef und der Mut­ter wieder, jedoch tauchen sie danach nicht mehr im Evangelium auf.

Die größte Informationsmenge über den jungen Jesus von Nazareth bietet uns das Lukasevan­gelium. In diesem wird die Geschichte von der Geburtsankündigung Jesu bis zum Besuch des zwölfjährigen Jesus in dem Tempel zum Passafest erzählt. Die später schwierigeren Verhältnisse von Jesus zu seiner leiblichen Familie werden im Markusevangelium geschildert.14

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Jesus ein schwieriges Verhältnis zu seinen blutsverwandten Eltern und Geschwistern hatte. Jesus definiert Familie nicht von der Blutsverbundenheit, sondern von Gott her. Was für die Menschen heute festzuhalten ist, ist dass es auch in der Heiligen Familie nicht nur Einigkeit und positive Momente gab und dass schwere Phasen in Beziehungen dazu gehören. Da Jesus von Nazareth bis zum Ende der Erzählungen seiner leiblichen Familie sehr kritisch gegenüberstand, soll nicht überbewertet oder als Demotivation verstanden werden. Viel­mehr werden seine Liebe und Hingabe zu seiner von Gott definierten Liebe betont.15

3. Entwicklungspsychologische Aspekte

3.1 Allgemeines

Ein ergebnisorientierter Unterricht beginnt mit der Frage, welche Fertigkeiten SuS am Ende des Unterrichts vertieft haben sollten. Mit diesen Fertigkeiten sind kognitive sowie auch methodische Fertigkeiten gemeint. Wie genau ein Jugendlicher Fragen religiöser oder moralischer Art beant­worten kann, hängt ganz von seinem geistigen Horizont ab. Dabei muss sich die Lehrperson die Frage stellen, wie realistisch die Zielsetzung im Hinblick auf die Verstehens- und Entwicklungsvo­raussetzungen der SuS ist. Auf der Ebene der kognitiven Entwicklung wurde die Entwicklungs­psychologie stark beeinflusst durch die Forschungen des Psychologen Jean Piaget und des For­schers Lawrence Kohlberg. Diese schafften es durch ihre Forschung auf diesem Gebiet, Verhal­tensweisen im Entwicklungszusammenhang empirisch zu erfassen und zu beschreiben. Dabei stellte Piaget fest, dass sich ein Kind, abhängig von seinem Alter, in einem bestimmten Entwick­lungsniveau oder auch Stufenmodell befindet. Dieses Entwicklungsniveau oder auch Stufenmo­dell wurde in den Forschungen von Fritz Oser und Paul Gmünder und James W. Fowler insbe­sondere im Hinblick auf die religiöse Entwicklung überprüft, erweitert und gegebenenfalls korri­giert. Für die Gestaltung und Planung des Unterrichts ist die Relevanz all dieser Theorien äußerst wichtig. Die Stufentheorien ermöglichen einen genauen Blick auf einen entwicklungspsycholo­gisch differenzierten Umgang mit Religion und verweisen auf grundlegende Erkenntnisse des Ver­haltes des Menschen. Für den Religionsunterricht kann die Berücksichtigung mit diesen entwick­lungspsychologischen Aspekten zu diesen Ergebnissen führen:

1. Es ist eine Erleichterung in Hinblick auf die verantwortliche Planung von Stunden, da es nicht möglich ist, alle Entwicklungsstufen bei der Unterrichtsplanung mit ein zu beziehen. Sie zeigen jedoch zugleich, dass eine Differenzierung im Unterricht, besonders im Hinblick auf Interessen oder Zugänglichkeit, wieder zentraler in die Unterrichtsplanung rücken sollten.
2. Nach Fritz Oser und Paul Gmünder ist die Entwicklung der Religiosität im Unterricht unterstütz­bar, indem im Unterricht die Lebensweltlichen Themen der SuS konkret behandelt werden.
3. Der Unterricht sollte so ausgelegt sein, dass er immer wieder an wesentliche Themen die An­bahnung eines persönlichen und individuellen Denkens begünstigt. Dies kann zum Beispiel durch das Einüben von Perspektivwechseln, aber auch durch die Verwendung von geeigneten Auffas­sungen geschehen, die ein Nachdenken über den Stand von Alternativen ermöglichen.

3.2 Das Stufenmodell von Jean Piaget

Jean Piaget war ein Schweizer Psychologe, der sich hauptsächlich mit der Entwicklung des na­turwissenschaftlichen Denkens beschäftigte. Durch Intelligenztest stellte er fest, dass Kinder häu­fig alterstypische und sich ähnelnde Fehler machten. Kinder mit ähnlichem Deutungsmustern fasste Piaget zusammen. Hierbei spricht man von den Stufen der kognitiven Entwicklung, da das jeweilige Entwicklungsstadium eine eigenständige Form des Denkens markiert. Des Weiteren geht Piaget davon aus, dass die einzelnen Stufen sich gegenseitig beeinflussen und in Wechsel­wirkung zu einander stehen. Eine neue Stufe aber kann erst dann erreicht werden, wenn die vor­herige vollständig verstanden wurde.16

Mehrere Psychologen haben in der heutigen ihre Meinung über die menschliche Entwicklung ge­ändert. Piaget entdeckte, dass Kinder im Alter von ca. acht Jahren die konkret operatorische Phase erreichen. Diese Phase enthält das sogenannte Erhaltungsprinzip. In diesem wurde her­ausgefunden, dass eine bestimmte Wassermenge erhalten bleibt, wenn es in ein schmaleres Ge­fäß geschüttet wird. Manche Kinder sind jedoch schon viel früher in der Lage dieses zu erkennen. Somit ist zu sagen, dass das Stufenmodell von Piaget überholt ist. Das Stufenmodell von Piaget wird auf der nächsten Seite in Tabellenform aufgeführt.17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Die moralische Entwicklung nach Lawrence Kohlberg

Der Psychologe Lawrence Kohlberg untersuchte aufbauend auf dem Stufenmodell von Jean Pia­get Lösungsbegründungen in Hinblick auf moralische Konflikte. Hierbei unterschied Kohlberg drei Grundweisen. An einem Beispiel, in dem es darum ging, ob man lügen darf, lauten diese Grund­weisen wie folgt.

Präkonventionell: Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Lüge entdeckt wird oder ob diese Lüge in irgendeiner Weise Schaden oder Nutzen verursacht.

Konventionell: Hier bezieht sich die Lüge auf die gesellschaftliche Konvention und der Gesetzge­bung.

Postkonventionell: Hierbei wird sich an höheren Prinzipien orientiert und es werden nicht mehr nur gesellschaftliche Konventionen und Gesetze in den Blick genommen. Ein Beispiel hierfür wäre: Man rettet einen Menschen, indem man lügt.18

Das Stufenmodell von Kohlberg hatte zur Folge, dass im Schulunterricht recht häufig Dilemma­geschichten diskutiert wurden, welche die moralische Entwicklung der SuS vorantreiben sollte. Dennoch sollten auch hier Kritikpunkte nicht außer Acht gelassen werden. Uhl stellt beispielsweise fest, dass das Ziel der Moralentwicklung auch moralisches Handeln ist und eine einseitige Förde­rung der kognitiven Entwicklung nicht ausreicht. Die Moralerziehung der SuS muss dichter an ihrem Leben erfolgen, als die von Kohlberg verwendeten universellen und rein hypothetischen Dilemmageschichten zulassen.19 Das Stufenmodell von Lawrence Kohlberg ist auf der folgenden Seite dargestellt.

Präkonventionelle Moral: Hetero-Nomie

Stufe 1: Gehorsam-Strafe-Orientierung: Auf dieser Stufe wird sich nach dem Prinzip Gehor­sam und Strafe gerichtet. Es ist also eine externe Autorität vorhanden. Die Beurteilung von gut und böse oder richtig und falsch richtet sich nach den eingetretenen Folgen. Hiermit ist zum Beispiel die Härte der Bestrafung gemeint.

Stufe 2: Naiv-hedonistische Orientierung: Diese stufe nennt man auch die do-ut-des Stufe. In dieser Stufe wird das Handeln, dass den eigenen Bedürfnissen entgegenkommt als gut bezeichnet. Es sind Grundzüge von Gerechtigkeit vorhanden. Diese befinden sich auf der Ebene des wechselseitigen Austausches.

Konventionelle Moral: Sozio-Nomie

Stufe 3: Prima-Kerl-Orientierung: In diese Stufe werden die Erwartungen des Umfeldes übernommen. Gut sein bedeutet, ehrenwerte Absichten zu verfolgen und sich um andere zu kümmern.

Stufe 4: Ordnungs- und Pflicht-Orientierung: In dieser Stufe werden vorgegebene Regeln, Ordnungen und Gesetze beachtet, die ein friedliches Zusammenleben mit der Gemeinschaft ermöglichen.

Postkonventionelle Moral: Auto-Nomie

Stufe 5: Sozialverträgliche Orientierung: Alles was der Gemeinschaft nützt wird als „gut“ angesehen. Hierbei müssen Werte wie „Würde, Leben und Freiheit“ unabhängig von der Meinung der Mehrheit geachtet werden.

Stufe 6: Gewissens- und Prinzipienorientierung: In diese Stufe orientiert man sich an uni­versellen ethischen Prinzipien. Gesetze und soziale Übereinkünfte besitzen zwar Gültigkeit, aber reichen oft nicht aus.20

3.4 Die Entwicklung des religiösen Urteils bei Paul Gmünder und Fritz Oser

Fritz Oder und Paul Gmünder erstellten mit Hilfe von Piaget Stufenmodell und der Theorie der moralischen Entwicklung von Lawrence Kohlberg ein Stufenmodell des religiösen Urteils. Sie ori­entierten sich genau wie Kohlberg an verschiedenen Dilemma Situationen. Diese Dilemma Situ­ationen besaßen aber eine religiöse Ausrichtung. Sie bezogen Antworten von Gottgläubigen aber auch von denen, die nicht an einen persönlichen Gott glauben mit ein. Die Erkenntnis, die hieraus gewonnen wurde, war die Entwicklung des religiösen Urteils im Laufe des Menschenlebens.21

Wie bei den vorherigen Modellen, wird jedoch auch zu diesem Modell einige Kritik geäußert. Frag­würdig ist beispielsweise die Art der Dilemmageschichte. Hierbei ist besonders problematisch, dass das Dilemma selbst die do-ut-des Stufe repräsentiert und damit bestimmte Antworten der zweiten Stufe nahelegt. Fritz Oser und Paul Gmünder schafften es nicht, ein religiöses Urteil ohne präsentieren einer religiösen Dilemmageschichte zu erheben.22 23

Das Kind ist vollkommen abhängig von einem allmächtigen Ultimaten. Dieser regiert die Welt und kann sowohl gut als auch böse sein. Er kann somit Bestrafer und Beschützer sein.

Stufe 2: Orientierung an „do ut des“

Die Abhängigkeit vom Ultimaten bleibt. Es entsteht aber die Sichtweise, mit diesem Ultima­ten in Form von guten und schlechten Taten handeln zu können. Ganz nach dem Motto: Wenn ich Gutes tue, dann wird mir auch Gutes wiederfahren.

Stufe 3: Orientierung an absoluter Autonomie - Deismus

Es wird das Bild vom Gott des Kinderglaubens verabschiedet. Immanenz und T ranszendenz werden voneinander getrennt und der Mensch ist selbst für sein Handeln verantwortlich. Gott mischt sich nicht in dieses Handeln mit ein.

Stufe 4: Orientierung an vermittelter Autonomie und Heilsplan

Der Mensch behält seine Verantwortung für sich selbst. Gleichzeitig findet aber die Versöh­nung mit Gott statt. Gott wird als Grund allen Seins verstanden. Der Mensch stellt sich Gott anheim. Dadurch muss der Mensch nicht mehr alles alleine schaffen.

Stufe 5: Orientierung an religiöser Intersubjektivität

Um diese Stufe gibt es immer wieder Diskussionen, da sich nur vage nachgewiesen werden konnte. Diese Stufe wird auch „Mutter Theresa Stufe“ genannt, da nur wenige Mystiker wie Mahatma Gandhi oder Mutter Theresa in die Nähe dieser Stufe kommen. In dieser Stufe verschmelzen die Hingabe für andere, Transzendenz, Glaube und Immanenz mit einander.24

3.5 Die Stufen des Glaubens von James Fowler

James Fowler meint mit „Glaube“ eine ganz bestimmte Einstellung zur Welt. Genauer gesagt meint er, dass der Mensch sein Leben wertet und es mit Sinn füllt. Laut Fowler hat der Glaube auch eine gesellschaftliche Funktion. Hiermit meint er, die Einstellung in Hinblick auf andere und sich selbst. Mit seinem Modell beschreibt Fowler im Gegensatz zu Fritz Oser und Paul Gmünder eine den kompletten Menschen befassender Veränderung seiner Einstellung zum Leben.25 Da der Begriff „Glaube“ bei Fowler inhaltlich sehr offen gehalten ist, unterstreicht zwar der Punkt, dass es nicht nur um Wissen von Inhalten, sondern um Haltung geht. Dennoch ist bei Fowler nicht klar, ob sich die Entwicklung des Glaubens überhaupt von der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung unterscheidet.26 Das Modell von Fowler ist auf der nächsten Seite dargestellt.

In den ersten Lebensmonaten bedeutet Glaube das größte „Vertrauen“. Dieser ist stark emotional und sinnlich bestimmt.

Stufe 1: Intuitiv-projektiver Glaube

Diese Stufe ist stark durch die Phantasie geprägt. Dabei spielen unter anderem Symbole und Geschichten eine große Rolle. Kinder in dieser Phase brauchen eine stabile Ordnung der sie umgebenden Welt. Dieses ist für ein Sicherheitsgefühl unerlässlich.

Stufe 2: Mythisch-wortgetreuer Glaube

Symbole und Mythen werden für wörtlich gehalten. Es fehlt aber die Wahrnehmung für die Vielschichtigkeit. Gott bestimmt die Erklärungsmuster und wird anthropomorph aufgefasst. Die Welt wird narrativ erschlossen.

Stufe 3: Synthetisch-konventioneller Glaube

Die Glaubensvorstellungen der SuS sind stark von ihren Beziehungspersonen abhängig. Dadurch werden die Inhalte nicht kritisch untersucht. Die Eigenschaften Gottes werden mit überhöhten persönlichen Eigenschaften verbunden. Gott kennt uns besser als wir uns selbst.

Stufe 4: Individuierend-reflektierender Glaube

Der Glaube gewinnt im Erwachsenenalter an reflektiver Eigenständigkeit. Ferner wird ein individuell gestalteter Lebensweg eingeschlagen. Hierbei spielt die Verantwortung für das eigene Leben eine Rolle.

Stufe 5 Verbindender Glaube / Stufe 6: Universalisierender Glaube

Wie schon bei Oser/Gmünder fällt es auch Fowler schwer die letzten Stufen des Glaubens zu beschreiben. Die Schranken des subjektiven werden überwunden und man ist bereit für die Integration mit etwas Größerem. Beispiele hierfür sind möglicherweise die Personen Dietrich Bonhoeffer oder auch Martin Luther King.27

3.6 Der Umgang mit den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie

Wenn man die durch die Entwicklungspsychologie gewonnenen Erkenntnisse beherzigt, dann können Sie zu einer besseren Entwicklung von geeigneten Lernsituationen führen, da sie dem Lehrenden eine bessere Wahrnehmung der vorliegenden Eigenarten der Jugendlichen ermögli­chen. Somit sind die individuellen Entwicklungen der Jugendlichen der Ausgangspunkt von Erfah­rungsbezogenem Religionsunterricht. Für die hier entwickelte Unterrichtsreihe muss nach der Ent­wicklungspsychologie Hilfe zur Identitätsbildung und zur Selbstentwicklung der Jugendlichen stattfinden. Hierzu müssen die SuS und auch die Lehrpersonen ihr eigene Entwicklung wieder­spiegeln damit sich Gewohnheiten ausbilden. Am stärksten verändert sich der Glaube an Gott zum Ende des Jugendalters hin. Die wohl größte Herausforderung für die Lehrenden, die mit Ju­gendlichen in diesem Alter zu tun haben, ist es den Jugendlichen zu erlauben, sich zeitweise auch von der Religion zu entfernen. Alles in allem ist es wichtig, lebensgeschichtliche Aspekte des Glaubens zu Entwickeln und zu fördern. Hierfür bietet sich, wie auch schon in der empirischen Forschung, der Einsatz von Dilemmageschichten an.28 Zu berücksichtigen sind allerdings die in­dividuellen Biografien der SuS. Jeder Mensch unterliegt verschiedenen Einflüssen und denkt, fühlt und handelt verschieden. Jeder Mensch erlebt anders und nimmt das Erlebte anders wahr. So bleibt auch die religiöse und moralische Entwicklung des Einzelnen stets individuell. Eine allge­mein geltende Entwicklungsvorhersage kann trotz der hier vorliegenden Entwicklungstheorien und Stufenmodellen nicht getroffen werden. Ebenso verläuft die psychische Entwicklung eines Menschen nicht unbedingt parallel gleich zur Moral- und Glaubensentwicklung. Ein erwachsener Mensch, der seinen Lebensalltag bewältigt, kann durchaus in einem kindlichen Glauben verhaftet sein. Außerdem handeln Menschen in bestimmten Lebenssituationen unvorhersehbar. Die Lehr­personen sollten sich bewusst sein, dass sie selbst keine fertig gereiften Erwachsenen sind. Re­ligiöse und moralische Entwicklungsstufen sind nicht notwendiger Weise an ein bestimmtes Le­bensalter geknüpft. Die verschiedenen Theorien dienen daher zur Orientierung. Sie können den Denkhorizont von Kindern und Jugendlichen verständlicher machen, aber auch dabei helfen, un­sere eigenen Entwicklungen unseres eigenen religiösen Lebensweges zu reflektieren.29

4. Didaktik und Religionsdidaktik

Unterricht ist nach Herrn Karl-Heinz Arnold ein Interaktionsspiel zwischen der Lehrperson und den SuS, dabei ist der thematische und zeitliche Rahmen des Lehrens und Lernens abgegrenzt. Um einen möglichst großen Lernerfolg bei den SuS zu erzielen, muss der Unterricht didaktisch geplant und strukturiert werden. Hierzu wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Konzepte entwi­ckelt, die wichtige Strukturen und existenzielle Prinzipien des Unterrichts herausarbeiten.30 Da es nicht möglich ist jedes entwickelte Konzept vorzustellen, soll sich in dieser Arbeit mit einem Kon­zept von Volker Huwendiek auseinandergesetzt werden, welches mit Ergänzungen weiterer Pä­dagogen in der Einteilung: Unterrichtsplanung, Unterrichtsdurchführung und Unterrichtsevaluation durchdrungen werden soll.

4.1 Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht

4.1.1 Unterrichtsplanung

Die Unterrichtsplanung einer Unterrichtsstunde besteht laut Volker Huwendiek aus drei großen Elementen, die im nachfolgenden kurz aufgezählt werden, um anschließend nacheinander aus­führlicher behandelt zu werden. Der erste Punkt ist die Analyse der Rahmenbedingung, diese soll gewährleisten, dass eine angedachte Planung und Durchführung einer oder mehrerer Unterrichts­stunden möglich ist. Sind die Rahmenbedingungen gegeben, sollten die 9-Grundfragen, auch als W-Fragen bekannt, in der Unterrichtsplanung beachtet und eingesetzt werden. Ziel der 9-Grund- fragen ist es, dass die Unterrichtsstunde ein didaktisch sinnvolles Bild ergibt. Zum Schluss muss die Frage der Unterrichtsgestaltung beantwortet werden, die Aufteilung in die drei Phasen: Ein­stieg-, Erarbeitungs-, und Abschlussphase hat sich hierbei durchgesetzt.31

4.1.1.1 Analyse der Rahmenbedingungen

Die Analyse der Rahmenbedingungen fängt nach Hilbert Meyer mit der Bedingungsanalyse der SuS an, denn durch die Lernvoraussetzungen der SuS wird der Handlungsspielraum der Lehr­person für die Unterrichtsstunde eingegrenzt. Um die Lernvoraussetzungen der SuS einschätzen zu können, müssen mehrere Voraussetzungen erfasst werden.32

Dargestellt durch Becker sind hier die

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Voraussetzungen zu nennen.33 Erst durch Berücksichtigung dieser Kenntnisse kann gewährleistet werden, dass alle SuS dort abgeholt werden wo sie stehen und adäquat gefördert werden.34 Der zweite Schritt der „Analyse der Rahmenbedingungen“ wurde von Kiper und Mischke näher bearbeitet und beinhaltet die Sachanalyse. Hier geht es darum, dass der fachliche Inhalt des The­mas von der Lehrkraft im Ganzen durchdrungen wird und somit zu einem soliden Fachwissen führt. Bei der Durchführung werden der Lehrperson Zusammenhänge und auch Kontroversen des Inhaltes oft deutlich. Dieses hilft dabei eine übergeordnete Struktur der Inhalte zu erstellen und damit den einzelnen Stundenablauf oder auch eine mehrstündige Stundenreihe zu strukturieren.35 Aufbauend auf der Sachanalyse folgt die didaktische Analyse nach Huwendiek die von Klafki schon vor vielen Jahren aufgegriffen und konkretisiert wurde. Hier muss die Lehrperson aus dem zur Verfügung stehenden Wissen eine begründete Auswahl des zu vermittelnden Lerninhaltes vornehmen. Die richtige Auswahl des Unterrichtsstoffes kann z.B. durch die Fragen der bildungs­theoretischen Didaktik entstehen. In den fünf Fragen geht es um die Bedeutung des Unterrichts­gegenstandes der SuS für die Gegenwart und Zukunft. Außerdem sollen Inhalte ausgesucht wer­den, welche die Interessen der SuS wecken und begreiflich machen. Sind diese Elemente in der Unterrichtsstunde enthalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Auswahl der Unterrichts­inhalte schülergerecht und damit erfolgsversprechend sind.36

Ist die didaktische Analyse abgeschlossen, lässt sich darauf die didaktische Reduktion anwenden. Bei der didaktischen Reduktion geht es darum komplexe Themenfelder so aufzuarbeiten, dass sie am Ende nur noch die wesentlichen Elemente beinhalten. Diese überschaubarere Menge er­leichtert es den SuS komplexe Themen zu verstehen, da sie inhaltlich reduziert wurden, so Jank und Meyer. Dass nicht jedes Thema in seinem vollen Umfang und mit allen Details behandelt und verstanden werden kann, sollte klar sein.37

Zum Schluss kommt bei der „Analyse der Rahmenbedingungen“ die Zielfindung. Hier werden laut Bader und Müller die Grundlagen der Berufsbildung festgelegt, welche Kompetenzen bei den SuS durch den Unterricht gefördert werden sollen. Zum einen sind dies übergeordnete Ziele wie be­rufliche, gesellschaftliche und personale Handlungskompetenzen. Anders formuliert soll die Be­reitschaft zur fachgerechten, sachgerechten und gesellschaftlich verantwortlichen Handlungsfä­higkeit der SuS gefördert werden.38 Zum anderen sind es die drei Dimensionen der Handlungs­kompetenz, die im Unterricht gefördert werden sollen, wie es aus dem Rahmenlehrplan der KMK zu entnehmen ist. Als erstes ist hier die Fachkompetenz aufzuführen, sie soll die Fähigkeit stär­ken, durch das Fachwissen und Können Probleme sachgerecht und zielorientiert selbstständig zu lösen und am Ende zu beurteilen. Das zweite ist die Selbstkompetenz, die die Entwicklungschan­cen und die individuelle Persönlichkeit fördern soll. Des Weiteren soll die Selbstkompetenz eigene Begabungen der SuS entfalten und Lebenspläne verfassen. Weitere wichtige Eigenschaften, die daraus hervor gehen sollen, sind Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässig­keit, Pflichtbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein. Im letzten und dritten Punkt geht es um die Sozialkompetenz. Sie soll dazu befähigen, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen, sich verantwortungsbewusst und rational mit anderen auseinander zu setzen, Beziehungen zu leben und zu gestalten und die eigene Entwicklung von Verantwortung und Solidarität auszubauen.39

4.1.1.2 Die 9-Grundfragen

Die 9-Grundfragen bieten der Lehrkraft einen roten Faden, anhand dessen eine Unterrichtsstunde didaktisch aufgebaut und kontrolliert werden kann. Dieses ist gerade für Berufseinsteiger sehr praktisch, da keines der didaktischen Elemente vergessen werden kann. Doch auch für berufser­fahrenes Lehrpersonal kann sich der Blick lohnen, um den Unterricht mit neuen didaktischen Im­pulsen zu verändern und eventuell zu verbessern.40

Das Zitat: „Die Didaktik kümmert sich um die Frage, wer was von wem wann mit wem wo wie womit und wozu lernen soll“41, beschreibt das Verhältnis zwischen der Didaktik und den 9-Grund- fragen zielführend.

Das Einbringen der 9-Grundfragen in die Didaktik wurde durch Hilbert Meyer und Werner Jank entwickelt. Andere Pädagogen beziehen sich lediglich auf Meyer und Jank, so dass sich im Fol­genden ausschließlich auf Meyer und Jank bezogen wird.

Ausgehend von den 9-Grundfragen müssen sich die Lehrkräfte Gedanken machen über das „wozu“. Die Frage, die sich daraus stellt ist, welche Kompetenzen möchte die Lehrkraft mit dieser Unterrichtsstunde fördern. Ist es die Fachkompetenz in dem Themengebiet oder die Lernkompe­tenz, dass die SuS lernen wie sie sich selbst Wissen aneignen können. Es könnten aber auch die Human-, Sozial-, oder Methodenkompetenz sein. Eine Kombination aus mehreren Kompetenzen ist dabei auch möglich.

Um die Kompetenzen bestmöglich zu fördern, ist die Frage nach dem passenden Medium sehr entscheidend, also das „womit“. Nicht zu jedem Themengebiet ist die Tafelarbeit passend und auch die Benutzung von Arbeitsblättern muss wohlüberlegt sein. Insgesamt ist der Wechsel zwi­schen den Medien und die Nutzung möglichst vieler verschiedener Medien sinnvoll, um den Un­terricht nicht berechnend zu gestalten, sondern dynamisch und anschaulich.

Auch den gewohnten Klassenraum zu verlassen und einen Fachraum aufzusuchen kann didak­tisch sehr viel Sinn machen. Das „wo“ gelernt werden soll ist hier zentraler Bestandteil der Über­legung. Außerschulische Lernorte können kein zu häufiges Ereignis werden, aber passend ein­gesetzt komplexe Themenbereiche besser zugänglich machen.

In der Forschung hat sich gezeigt, dass manche SuS gewisse Inhalte besser verstehen, wenn sie von einer Mitschülerin oder einem Mitschüler erklärt werden. Von „wem“ was erklärt wird hat daher auch Einfluss auf das Verstehen von Inhalten. Ein anderes Beispiel wäre das Einladen eines Ex­perten für ein spezifisches Fach.

Eine Unterrichtsstunde dauert 45 Minuten und kann in mehrere Phasen eingeteilt werden. Wann „welcher“ Inhalt kommt oder wie lange er behandelt werden soll, ist didaktisch zu überlegen, da die Konzentrationsphasen der SuS begrenzt sind.

Bei der Frage mit „wem“ gelernt werden soll, geht es um das Thema Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit oder Plenumsarbeit.

Bei der Frage „was“ gelernt werden soll, ist der Verweis auf die „Analyse der Rahmenbedingun­gen“ zu geben, wo die Frage ausführlich behandelt wurde.42

Als letztes ist die didaktische Überlegung „wer“ soll lernen aufzugreifen. Die Zusammensetzung der Lerngruppen durch die individuellen Voraussetzungen der SuS kann den Effekt erzielen, dass Leistungsstärkere SuS Leistungsschwächere fördern und somit das Leistungsniveau der Schul­klasse insgesamt zu steigern und anzugleichen.43

4.1.1.3 Unterrichtsgestaltung

Wie schon Volker Huwendiek herausstellte, wird die gängige Unterrichtsgestaltung in drei Phasen unterteilt.44 Die drei Phasen werden mit Hinzuziehung weiterer Pädagogen in diesem Kapitel ge­nauer erläutert.

Am Anfang einer jeden Unterrichtsstunde gibt es die so genannte Einstiegsphase. Die Einstiegs­phase hat den Sinn, die SuS auf das Thema der Stunde einzustimmen und die Motivation zum Behandeln des Inhaltes zu steigern, so Greving und Paradies.45 Ausdifferenzierter bedeutet das, dass die Einstiegsphase Neugier und Interesse wecken soll. Nach Möglichkeit entwickeln die SuS während der Einstiegsphase eine Fragestellung zum neuen Thema. Außerdem soll die Einstiegs­phase zentrale Aspekte des neuen Inhaltes ansprechen und somit zum Kern der Sache führen. Dies soll mit dazu beitragen, die Verantwortungsbereitschaft zu steigern und damit für eine gute Zusammenarbeit zu sorgen. Die Einstiegsphase darf zeitlich nicht zu lange dauern, so dass eine Länge von drei bis maximal zehn Minuten gewählt werden sollte.46

In der Regel wird bei der Wahl der Sozialform die Plenumsarbeit gewählt und damit oft ein fra- gend-entwickelnder Unterricht, es sind aber auch andere Varianten möglich.47

Laut den Pädagogen Kroner und Schauer wird der zeitlich gesehen größte Anteil einer Unter­richtsstunde von der Erarbeitungsphase eingenommen. Hier wird die in der Einstiegsphase prä­sentierte oder erarbeitete Frage zu einem Ergebnis gebracht. Um auf die Lösung zu kommen stehen der Lehrperson mehrere Sozialformen, Methoden und Medien zu Verfügung. Abhängig von der Auswahl der vielen verschiedenen didaktischen Möglichkeiten kann auch eine weitere Unterteilung der Erarbeitungsphase sinnvoll sein.

[...]


1 Gen 1,26

2 Gen 3,16.

3 Dtn 26,17 - 18.

4 vgl. Das Bibelwerk, https://www.bibelwerk.de/Materialpool.12795.html/Material+zu+biblischen +The- men.36638.html.

5 vgl. Bibelwissenschaften, https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-at/bund/.

6 vgl. Jer 52.

7 Kol 3,18 - 4,6.

8 vgl. Das Bibelwerk, https://www.bibelkommentare.de/kommentare/648/als-christ-in-irdischen- beziehun­gen-leben.

9 Synopsis, Kolosser, S. 34.

10 vgl. Das Bibelwerk, https://www.bibelkommentare.de/kommentare/648/als-christ-in-irdischen- beziehun­gen-leben.

11 vgl. Hecht, Anneliese: Familienbande. Frauen Bibel Arbeit Band 23. Verlag Kath. Bibelwerk 2009 S. 45ff.

12 vgl. Mk 3,21.

13 Mk 10,29 - 31.

14 vgl. Lk 2,1 - 52.

15 vgl. Hecht 2009. S. 52ff.

16 vgl. Büttner; Gerhard, Dieterich, Veit-Jakobus: Entwicklungspsychologie, Piaget, J.: Das Weltbild des Kindes. München 2005. S. 14

17 vgl. Büttner, Gerhard: Entwicklungspsychologie in der Religionspädagogik. UTB 2016. S. 13ff.

18 vgl. Büttner 2005. S. 17f.

19 vgl. Büttner 2016. S. 17ff.

20vgl. Büttner 2016. S. 17ff.

21 Mendl, Hans: Religionsdidaktik Kompakt. Für Studium, Prüfung,und Beruf. München 2018 S. 35f.

22 vgl. Büttner 2005. S. 55ff.

23 vgl. F. Schweitzer, Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, 3. Auflage. 2007. S.133.

24 Mendel 2018. S. 36ff.

25 vgl. Mendel 2018. S. 38f.

26 Oser, Fritz; Gmünder, Paul: Der Mensch - Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein strukturgenetischer Ansatz. 2. Auflage. 1988. S. 117.

27 Mendel 2018. S. 39f.

28 vgl. Mendel 2018. S. 41f.

29 Bosold, Iris; Kliemann, Peter; Hrsg.: Ach, Sie unterrichten Religion?. München 2003. S. 189 ff.

30 vgl. Arnold, Karl-Heinz. Unterricht als zentrales Konzept der didaktischen Theoriebildung und der Lehr- Lern-Forschung. In: Arnold, Karl Heinz, Sandfuchs, Uwe & Wiechmann, Jürgen Hrsg: Handbuch Unter­richt. Bad Heilbrunn 2017., S. 17.

31 vgl. Jank, Werner & Meyer, Hilbert: Didaktische Modelle. Berlin 2011. S. 33ff.

32 vgl. Huwendiek, Volker: Didaktische Modelle. In: Bovet, G & Huwendiek, V. Hrsg: Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik Psychologie für den Lehrberuf. Berlin 2014. S. 248.

33 vgl. Kroner, Bernd & Schauer, Herbert: Unterricht erfolgreich planen und durchführen. Der Ratgeber aus der Praxis für die Praxis. Köln 1997. S. 20f.

34 vgl. ebd. S. 25.

35 vgl. Kiper, Hanna & Mischke, Wolfgang: Bachelor, Master. Unterrichtsplanung. Weinheim 2009. S. 70.

36 vgl. Klafki, Wolfgang: Didaktische Analyse als der Kern der Unterrichtsvorbereitung. In: Die deutsche Schule. Hannover 1958. S. 450ff.

37 vgl. Jank 2011. S. 80.

38 vgl. Bader, R; Müller, M: Leitziel der Berufsbildung: Handlungskompetenz. Anregung zur Ausdifferenzie­rung des Begriffs. In: Die berufsbildende Schule. Berlin 2002. S. 176f.

39 vgl. KMK 2001

40 vgl. Meyer 2011. S. 16.

41 ebd.

42 vgl. Kapitel 4.1.1.1

43 Meyer 2011. S. 15ff.

44 vgl. Kapitel 4.1.1.

45 vgl. Huwendiek 2014. S. 17f.

46 vgl. Kroner 1997. S. 178.

47 vgl. Meyer, Hilbert: Unterrichts Methoden. Bielefeld 1987. S. 34.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Unterrichtsreihe Leben in Beziehungen. Ein Peer Learning Projekt
Hochschule
Universität Münster
Note
2,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
97
Katalognummer
V1038953
ISBN (eBook)
9783346477842
ISBN (Buch)
9783346477859
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unterrichtsreihe, leben, beziehungen, peer, learning, projekt
Arbeit zitieren
Jan-Niklas Brüggemann (Autor:in), 2019, Unterrichtsreihe Leben in Beziehungen. Ein Peer Learning Projekt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1038953

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