Leseprobe
1. Einleitung
2. Wie ist es eine Fledermaus zu sein im Kontext der Tierphilosophie und Dennetts Einwänden
2.1 Wie ist es eine Fledermaus zu sein – Grundzüge der Argumentation
2.2.1 Was ist Tierphilosophie?
2.2.2 Wie ist es eine Fledermaus zu sein und die Einwände Dennetts
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wie ist es eine Fledermaus zu sein? Diese Frage ist unter anderem der Inhalt des gleichnamigen und berühmt gewordenen Essays von Thomas Nagel. In diesem setzt er sich mit der Thematik des Fremdpsychischen und der Subjektivität fremder Individuen auseinander. Er unterbreitet die These, dass es – aufgrund von irreduziblen Bedingungen – unmöglich für Menschen sei, nachzuvollziehen, wie es für einen anderen Organismus ist, dieser zu sein. Es stellt sich die Frage, ob wir uns überhaupt in die subjektive Position eines Tieres hineinversetzen, beziehungsweise ob wir sie nachvollziehen können?
Ausgehend von Nagels Essay wird sich diese Hausarbeit in einer Nachzeichnung der Argumente mit diesem befassen und auf einen Einwand Daniel Dennetts eingehen, der die Grundargumentation Nagels angreifen möchte. Wie berechtigt ist dieser Einwand und wie ließe sich eine Klärung erreichen? Dazu werden ein paar kurze Schlaglichter auf generelle Problematiken der Tierphilosophie geworfen. Ihre Relevanz im Bezug auf die Philosophie des Geistes und der Sprachphilosophie darf dabei nicht vergessen werden, denn die Auseinandersetzung mit den Fragen nach dem Bewusstsein von Tieren, ihrer Sprachbegabung und die Frage nach ihrem Geist sind über ihre eigenen Geltungsbereiche hinaus ertragreich, da sie gleichzeitig auch die Bedingungen und Problematiken ihres allgemeinen – und somit auch dem Menschen zukommenden – möglichen Vorhandenseins beinhalten. Fragen wir also nach der Sprache (bzw. der Sprachbegabung) von Tieren, so fragen wir auch, was Sprache überhaupt ist und welchen Kriterien sie unterliegt.
Fragen wir nach dem Geist von Tieren, fragen wir nach dem Geist als Geist. Sprechen wir von tierlichem Bewusstsein, so sprechen wir von Bewusstsein im Allgemeinen und seinen Konstituenten. Umgekehrt wird erkenntlich werden, dass eben diese Diskussion auch Einfluss auf die eingangs gestellten Fragen hat: Ob Tieren also ein Geist, Bewusstsein, Sprachvermögen, etc. zugestanden wird, ist auch von normativen Kontexten abhängig: die Ausgangslage der Forschenden hinsichtlich ihrer Auffassung von Geist, Bewusstsein und Sprachvermögen u.v.m. Die philosophiehistorische Lage bestätigt dies; sie könnte konträrer kaum sein.1
Wenden wir uns nun im folgenden der Argumentation von Nagels Essay zu.
2. Wie ist es eine Fledermaus zu sein im Kontext der Tierphilosophie und Dennetts Einwänden
2.1 Wie ist es eine Fledermaus zu sein – Grundzüge der Argumentation
Für Thomas Nagel besteht das wesentliche Problem des Leib-Seele-Dualismus in der Klärung dessen, was Bewusstsein ist. Sollte es eines Tages gelingen zufriedenstellend festzustellen, was Bewusstsein sei, und wie dieses physisch repräsentiert wird (was mitnichten der Fall sein muss), so werden etwaige weitere Fragen geklärt. Jedoch gäbe es eine gängige kategoriale Verwechslung, denn die Theoretiker*innen, die einen reduktionistischen2 Ansatz vertreten – sei es in Bereichen der Physik o.ä. – beziehungsweise eine materialistische Position starkmachen wollen, begehen laut Nagel den Fehler grundlegend verschiedene Beziehungen auf den Bereich des Mentalen zu übertragen und eine psychophysische Identifikation durchzuführen. Unter einer psychophysischen Identifikation versteht Nagel die Gleichsetzung des Geistigen, Psychischen mit körperlichen, physisch wahrnehmbaren Phänomenen (bspw. Angst als gesteigerte Aktivität der Amygdala).
Weiter: gegenwärtig gäbe es kein Konzept, dass in hinreichender Art und Weise erklären würde, wie diese materialistische/physikalische Repräsentation auszusehen hätte.3 So werden aktuelle technische Errungenschaften mit dem Mentalen und dem Bewusstsein verglichen, um eine erklärende Analogie herzustellen. Dabei bleibe außen vor, dass solche Analogien je nach aktueller technischer Modeerscheinung und Epoche unterschiedlich ausfielen.4 Sie übersehen einen, wenn nicht gar den wichtigsten Aspekt von Bewusstsein: Nagel nennt dies den subjektiven Charakter der Erfahrung. Es sei immer auf eine Art und Weise idiosynkratisch, wie es sich anfühlt genau dieser Organismus zu sein. Es gäbe ein Wie, ein wie es sich anfühlt für dieses x genau x zu sein und nur wenn dieses x diesen spezifischen Erfahrungshorizont habe, hat es bewusste mentale Zustände. Es sind phänomenologische Qualia, die das Subjektive irreduzierbar machen.
Nagel führt weiter aus, dass Reduktionist*innen genau diesen subjektiven Charakter der Erfahrung ausließen, wenn sie ihre Reduktion durchführen: das, was reduziert werde, müsse auch weiterhin enthalten sein. Werden Farben bspw. auf ihre Wellenlänge reduziert (die Wellenlänge gibt physikalisch gesehen die Farbe eines bestimmten Lichtes an) – ferner noch: auf ihre quantenphysikalischen Eigenschaften (Lichtquanten mit bestimmten Frequenzen und Wellenlängen, die sich wie eine Welle ausbreiten), so gehen ihre phänomenologischen Qualia verloren. Die Farben selbst existieren somit nicht mehr in dieser physikalischen Beschreibung. Im Bezug auf die Reduktion des Bewusstseins ist dieser Verlust von größerer Dimension.5
Nagel geht noch weiter, indem er behauptet, dass gängige reduktionistische Analysen in sich völlig konsistent seien, da sie auch mit der Abwesenheit dieses subjektiven Charakters der Erfahrung funktionierten. Ja, durch die Charakteristika intentionaler Zustände können auch Roboter und Automaten ebensolche zugeschrieben bekommen, da sie von außen betrachtet sich ähnlich verhielten wie Wesen mit einem subjektiven Charakter der Erfahrung. Alle Analysen des Mentalen in dieser Manier seien somit hinfällig, so Nagel.6 Ein weiteres angeführtes, doch recht ähnliches Argument möchte die einzige und einzigartige Perspektive der jeweiligen subjektiven Phänomenologie berücksichtigt wissen, welche in der Reduktion völlig hinter sich gelassen und vernachlässigt wird.
Um seine Argumentation genauer zu durchleuchten und mit Beispielen zu beleben, führt er das Bild der Fledermaus an. Warum gerade die Fledermaus (Unterordnung: microchiroptera)? Obwohl sie doch recht nahe mit dem Menschen verwandt sei – sie ist schließlich ein Säugetier und laut Nagel mit ähnlichen Sinnen ausgestattet wie wir – sei sie anders als wir. Denn ihr Hauptorierentierungssinn ist die Echolotortung. Diese funktioniert durch die Aussendung hochfrequenter Schallwellen, ihre Reflektion durch getroffene Objekte und dem daraus folgenden Einordnen und Berechnen einer Repräsentation durch die Fledermaus. Weiterhin bestünde laut Nagel ein Konsens, dass sie Erlebnisse haben.7 Dieser Glaube erhalte seine Validität im Wesentlichen dadurch, dass es irgendwie ist, eine Fledermaus zu sein. Durch das Auswählen dieses Beispiels möchte Nagel nun den subjektiven Charakter der Erfahrung auf eindrückliche Art und Weise deutlich machen. Wenn wir (als Menschen) uns vorstellen, wir seien eine Fledermaus, so können nur wir, mit unserer kümmerlichen Fantasie, uns vorstellen, wie es sei, eine Fledermaus zu sein. Eine solche Vorstellung bliebe schematisch. Entscheidend aber wäre es, herauszufinden, wie es für die Fledermaus sei, genau sie zu sein.8 Demgemäß brächte es nichts, das Verhalten anderer Arten nachzuahmen, da dies nichts zum gewünschten Ergebnis beitrüge – ergo sind physiologische Daten und Forschungen nicht hinlänglich. Sie reichen nur für die Zuschreibung gewisser Arten von Erfahrung aus.9
Nagel schreitet in seiner Argumentation weiter fort: dieses Problem bestünde auch zwischen zwei Personen – es lässt sich gar nicht mit Sicherheit sagen, wie es sich anfühlt Person x zu sein. Dies hänge neben genannten Gründen auch an seiner realistischen Auffassung: es gibt Tatsachen, deren Natur Menschen kaum oder gar nicht begrifflich erfassen können. Tatsachen des Fremdpsychischen beziehungsweise Tatsachen des subjektiven Charakters der Erfahrung seien solche; sie seien an eine spezielle Perspektive gebunden, die nicht ohne Verluste reduzierbar sind.10 Diese werden Erlebnistatsachen genannt. Daraus wird nun geschlussfolgert: da Erlebnistatsachen nur einer einzigen distinguierten Perspektive zugänglich sind, können Erlebnisse und Erfahrungen nicht über die Funktionsweise (Physiologie) eines Organismus erklärt werden. Tatsachen der Physiologie seien genuin der Sphäre der Objektivität zuzuordnen und sind somit einem großem Kreis von intelligenten Wesen zugänglich. Reduktionen und die dadurch erzielte Objektivität von Tatsachen und ihren Beziehungen seien auch per se nicht schlecht – im Gegenteil führe Objektivität zu mehr Unabhängigkeit von einer bestimmten Perspektive. Es müsse sich aber auch um eine objektivierbare Tatsache handeln; bei Erlebnistatsachen sei dies aber nicht der Fall. Ohnehin stelle sich die Frage, wie denn der objektive Charakter eines Erlebnisses beschaffen sei?11 Ferner: Welchen Sinn hätte die Fragestellung nach der Wirklichkeit der eigenen Erlebnisse – im Gegensatz zu ihrer Phänomenologie?
Laut Nagel gingen intelligente Wesen (wie beispielsweise intelligente Marsmenschen oder Fledermäuse) genauso fehl, wenn sie annähmen, dass Menschen keinen subjektiven Charakter der Erfahrung hätten, wie wir darin fehlgehen, wenn wir schlussfolgern, dass Fledermäuse keinen subjektiven Charakter der Erfahrung haben. Nagel hält es nicht für unwahrscheinlich, dass es Tatsachen gibt, die wir niemals begrifflich fassen könnten.12 Damit einher geht die Frage nach nicht-sprachlichen Gedanken, die in der Tierphilosophie eine prominente Diskussionsstelle einnimmt, denn wenn diese Tatsachen nicht begrifflich für den Menschen fassbar sind (und somit Erlebnisstatsachen) so müssten sie dennoch beim jeweiligen Wesen repräsentiert werden (vermutlich in Form von Gedanken).
Um sich gegen einen möglichen Vorwurf des Solipsismus zu immunisieren, betont er, dass der subjektive Charakter der Erfahrung keine Privatsache sei, sondern die Frage nach einem Typus stelle, einen Typus einer Perspektive. Diese verlange dennoch ein Ähnlichkeitsverhältnis mit anderen Perspektiven, um die Zuschreibung subjektiver phänomenaler Eigenschaften zu gewährleisten.13
Nagel sieht im Physikalismus eine kontemporäre Position, deren Wahrheitskriterien einfach noch nicht bekannt seien. So zeige sich besonders bei Identitätsaussagen diese Beziehung: das Wort ist stellt eine Identifikation her, welche bei starker Verschiedenheit der Identifikationspartner die Schwierigkeit offenbare, die Bedingungen der Wahrheit nachzuvollziehen. Er nennt die Relativitätstheorie als Beispiel: Viele kennen die Beziehung, nach der Materie gleich Energie ist (E=mc2), doch nur die wenigsten wüssten um oder verstehen den theoretischen im Hintergrund liegenden Begriffsrahmen, der diese Beziehung erst erleuchte. Wenn dieses Wissen nicht vorhanden sei, verlöre sich die Identitätsaussage in blanken Mystizismus, in eine magische Aura, wie sie sich oft in populärwissenschaftlicher Kommunikation offenbare.14
[...]
1 So behauptet Hume beispielsweise, dass nichts offensichtlicher wäre, als die Tatsache, dass Tiere denken können. Hegel hingegen geht vom genauen Gegenteil aus. (Vgl. Hume: 1989, 237 und Hegel: 1969ff,. Bd. 5, 20)
2 Ein reduktionistischer Ansatz soll hier als der Versuch verstanden werden, der geistige Phänomene letztendlich als physikalische, naturgesetzliche herausstellen möchte
3 Vgl. Nagel (2016: 9)
4 So verglichen die frühen Materialisten wie La Mettrie oder auch Descartes den Körper mit einem Uhrwerk; heutzutage wird das Gehirn beispielsweise mit einem hochkomplexen Computer verglichen.
5 Gefühle bspw. wären somit bloße neuronale Aktivitäten und es werden somit ihre ganze existentiell ergreifende Dimension genommen
6 Vgl. Nagel (2016: 11)
7 Allerdings nimmt er diesen Konsens einfach an und belegt diesen nicht
8 Vgl. Nagel (2016: 15ff.)
9 Vgl. Ebd. (2016: 17ff.)
10 Vgl. Nagel (2016: 23)
11 Vgl. Ebd. (2016: 29)
12 Vgl. Ebd.(2016: 21f.)
13 Vgl. Nagel (2016: 25)
14 Vgl. Ebd. (2016: 35ff.)