Ironie im Dokumentarfilm. Wirkungen und Funktionen am Beispiel der Penny-Markt-Doku von Spiegel TV


Hausarbeit, 2021

20 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung:

II. Ironie und Dokumentarfilm im Bezug auf das Beispiel:

III. Fazit:

IV. Literaturverzeichnis:

V. Quellenverzeichnis:

I. Einleitung:

Kann sich ein rhetorisches Mittel wie Ironie im sachlich-faktischen Dokumentarfilm verwenden lassen? Zunächst würde man diese Frage intuitiv mit ‚Nein‘ beantworten, da der humoristische Charakter der Ironie und der objektive Charakter des nonfiktionalen Films nicht konvergieren. Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Thema, welche Wirkung und Funktion Ironie im Dokumentarfilm hat und ob sie konvergieren können. Im Folgenden wird die Ausgangsthese tiefgründiger hinterfragt und die Verwendung von Ironie im nichtfiktionalen Film wird analysiert und auf das Beispiel der Penny-Markt-Doku von Spiegel TV aus dem Jahr 2007 bezogen, wo sich deutlich Funktion, Wirkung und Intention der Ironie analysieren und darstellen lassen.. Dabei stehen die Leitfragen „Welche Intention hat die Ironie im Dokumentarfilm?“, „Passen Ironie und Dokumentarfilm zusammen?“ und „Lässt sich die Intention der Ironie anhand des Penny-Markt-Doku Beispiels verdeutlichen?“ im Fokus der Betrachtung und werden im Laufe der Arbeit versucht zu beantworten.

Zunächst wird die Arbeit in Kapitel 1 eingeleitet mit einer Definition des Dokumentarfilms und der Reportage, um den eigentlichen Sinn und die Charakteristiken zu erfassen. Anschließend widmet sich Kapitel 2 der Ironie, der Fokus liegt hierbei auf der allgemeinen Definition und der Rezeption. Darauf aufbauend wird in Kapitel 3 die Konvergenz von Ironie und Dokumentarfilm/Reportage analytisch dargestellt und die Wirkung beziehungsweise die Vor- und Nachzüge der Ironie wird durch zwei verschiedene Positionen erörtert. Das Analysierte wird abschließend in Kapitel 4 anhand des Beispiels der Penny-Markt-Doku verdeutlicht. Dafür werden konkrete Szenen aus der vierteiligen Reportage dargelegt und der Gebrauch von Ironie wird analysiert und erläutert. Hier wird sich auf die Ironie im Voice-Over-Kommentar und im Schnitt konzentriert. Zum Ende des 4. Kapitels wird kurz auf den Erfolgscharakter der Penny-Markt-Doku, somit die Wirkung der Anwendung von Ironie bei den Rezipienten der Reportage, eingegangen.

Letztlich werden die Leitfragen in einem Fazit beantwortet und die Ergebnisse der Analyse zusammengetragen.

II. Ironie und Dokumentarfilm im Bezug auf das Beispiel:

1. Definitionen:

1.1 Dokumentarfilm:

Um das Verhältnis von Ironie und Dokumentarfilm darzulegen und es auf das Beispiel der Penny-Markt-Doku zu beziehen, werden in diesem Unterkapitel zunächst die Charakteristiken und Begriffsbestimmung des Dokumentarfilms erläutert.

Der Dokumentarfilm lässt sich vorläufig als nonfiktionaler Film bezeichnen. Einen nonfiktionalen Film kennzeichnet, dass Bezug zur historischen Realität genommen wird und darauf basierend auch keine Schauspieler, für das Darstellen einer Rolle, verwendet werden. Darauf basierend können sich auch Fernsehdokumentarismus, Features, Lehr- Industrie- und Wirtschaftsfilme sowie einige Arten des Fernsehjournalismus als nonfiktionale Filme bezeichnen lassen (Thorolf Lipp 29). Im Gegensatz dazu steht die Fiktion, die Knut Hickethier folgendermaßen definiert:

Als Fiktion wird eine Darstellung bezeichnet, die durch bestimmte Regeln des darstellenden Spiels vermittelt ist und deren Gesamtheit als Geschichte in keiner direkten Referenz zur Realität besteht. […] Fiktionen sind […] Darstellungen ‚möglicher Welten‘. (184)

Zum Dokumentarfilm liegen zwei Hauptpositionen vor, die seine Methodik in den Anfängen der Dokumentarfilmtheorie dominiert haben. Eine Ansicht ist, dass der Dokumentarfilmproduzent möglichst nicht in die Realität eingreifen soll, dass keine Situationen nachgestellt oder künstlich erzeugt werden und das die Kamera nur als Beobachter der Realität fungiert (Hickethier 184 f.). Somit soll Authentizität geschaffen und dem Rezipienten die historische Realität gewährleistet werden. Dies ist der Grundsatz des direct cinema (David Resha 35). Jedoch ist auch im direct cinema eine gewisse Subjektivität vorhanden, da es nicht möglich ist, das Gesamte zu präsentieren. „Auswahl, Perspektiven, Schnitt etc. bestimmen […] immer eine Perspektive auf das Geschehen […]“ (Hickethier 185). Im Kontrast dazu steht das cinéma vérité, bei welchem der Dokumentarist Teilhabe hat und als Provokateur bestimmte Zustände erzeugt. Auch durch die Methode des Filmens und des privilegierten Status der Kamera charakterisiert sich das cinéma vérité (William Rothman 305). Knut Hickethier sagt aus, dass sich auch im Dokumentarfilm Inszenierungen erkennen lassen (185). „[D]as zu Zeigende [wird] für die Aufnahme arrangiert und auf die Kamera ausgerichtet“ (ebd.). Die frühen Dokumentarfilme von beispielsweise Robert Flaherty oder John Grierson seien alle „bis ins letzte Detail“ inszeniert worden (Hickethier 186). Der Unterschied zum Fiktionalen liegt laut Hickethier darin, dass im Dokumentarfilm lediglich das Vor-Filmische in eine ästhetische Form gebracht wird und die Essenz der ‚Inszenierung‘ darin besteht, „etwas in der Realität als wesentlich erkanntes durch ästhetische Konstruktionsprinzipien wieder sinnlich erfahrbar“ zu machen (ebd.). Thomas Schadt bezieht sich auf den Verzicht bestimmter Sequenzen innerhalb des Films beziehungsweise der Realität. Er sagt aus, dass dieses Ausbleiben gewisser Situationen „authentischer und damit aussagekräftiger“ sei, als das Nachstellen dieser Situationen (25). Er nennt dies als das Unterscheidungsmerkmal zwischen Dokumentarfilm und Fernsehjournalismus (bspw. Die Reportage) (ebd.), welche im anschließenden Unterkapitel definiert wird.

1.2. Fernsehreportage:

Die Reportage lässt sich in gewisser Weise vom klassischen Dokumentarfilm abgrenzen. Auch sie fällt unter die Kategorie des nonfiktionalen Films und bezieht sich auf die historische Realität und die „faktische Welt“ (Witzke/Rothaus 15). Jedoch fungiert hier der Reporter als „Augenzeuge“ und berichtet selbst von einem Ort oder einem Geschehen der Realität (ebd.). Die Reportage bleibt laut Henri Nannen „subjektiv in der Auswahl und in der Darstellung ihres Gegenstandes“ (16) . Die Darstellungsweise der Fernsehreportage kann somit als subjektiv und individualisiert (durch den Reporter) beschrieben werden. Jedoch gibt es laut Witze und Rothaus eine Konvergenz zwischen Objektivität und Subjektivität, da sich die Reportage zudem auf „objektive Fakten“ (15) bezieht und die Ereignisse somit sowohl objektiv als auch subjektiv, als Augenzeugenbericht, schildert. Hickethier definiert die Charakteristik der Reportage mit dem Ausdruck des „Anspruch des Dabeigewesenseins“ (188), wodurch nochmal deutlich wird, dass, der Produzent/Reporter in der Reportage seinen subjektiven Bericht verfilmt. Auch hier ließe sich die Authentizität der Wirklichkeit anzweifeln und so wird durch beispielsweise die Auswahl des Kamerastandpunktes, Kommentar, Montage etc. deutlich gemacht, dass es sich um einen strukurierten Bericht handle und nicht um die authentische Realität (ebd.). Die Reportage offeriert zudem einen „komplexeren, sinnlicheren Ausschnitt der Wirklichkeit“, durch die man als Rezipient dieses authentisch dargestellte Erlebte miterleben kann (Witzke/Rothaus 20). Die Reportage fokussiert sich somit detailreicher auf eine Thematik, durch welche der Zuschauer die das Erlebte durch die Wahrnehmung internalisiert.

2. Ironie:

2.1 kurze Definition von Ironie im Allgemeinen:

Ironie liegt laut Wolfgang Berg dann vor, wenn „ ‚das Gegenteil von dem gemeint ist , was mit den Worten gesagt wird‘ (Kayseh 111-12)“ (248). Wenn jemand etwas ausdrückt, von dem er das Gegensätzliche meint, kann dies als Ironie beschrieben werden. Edgar Lapp beschreibt, dass die Ironie sich einer Art der Verstellung bediene, da sich die Äußerung als das Gegenteil modifiziert (12). Jedoch kann sie von einer Lüge differenziert werden, da sie den Zweck der Erkennung trägt und nicht als Täuschung gebraucht wird (ebd.). Somit wird die Ironie verwendet mit der Intention rezipiert und als Ausdruck des Gegenteiligen erkannt zu werden. Wolfgang Berg beschreibt diese Charakteristik der Ironie folgendermaßen:

Entscheidend ist für Ironie im Gegensatz zur Lüge, daß der genannte Widerspruch offenbar und merklich ist. Der ironische Sprecher lügt nicht, täuscht letztlich auch nicht, läßt ja merken, daß er täuscht, daß er es nicht so meint. Ironie glückt dann, wenn Sprecher und Hörer gleichermaßen realisieren, daß allgemeine und aktuelle, eigentliche und uneigentliche Bedeutung auseinanderfallen. (247)

Martin Hartung ordnet den Terminus der Ironie der Rhetorik zu und benennt es als Stilmittel „um in öffentlichen Auseinandersetzungen den gegnerischen Standpunkt anzugreifen“ (1996, 110). Ironie wird sowohl im Alltag als auch in der Literatur verwendet (Bettina Kümmerling-Meibauer 113) und kann als Stilmittel vielseitig definiert und bestimmt werden. Es gibt verschiedene Arten der Ironie, beispielsweise nennt Bettina Kümmerling-Meibauer die „verbal irony, situational irony, and dramatic irony“ (ebd.). Die verbal irony bezieht sich auf den Ausdruckt, bei welchem das Gegenteil impliziert wird. Die situational irony beschreibt den Gebrauch von Ironie in einer Situation, welche oppositär von dem Erwarteten verläuft. Schlussendlich kann die dramatic irony verstanden werden als die Ironie, die entsteht, wenn ein Charakter (bspw. Im Theater) einer Situation ausgesetzt ist, welche dem Zuschauer offenbart wurde, dem Charakter an sich jedoch noch nicht (ebd.). Dies führt zur Korrelation zwischen dem, für den Zuschauer eindeutigem Ereignis und dem unwissendem Charakter.

Neben den verschiedenen Grundformen der Ironie ist auch die Rezeption dieser und ihre damit verbundene Intention essentiell.

2.2 Rezeption von Ironie:

Die Ironie setzt laut Bettina Kümmerling-Meibauer voraus, dass der Empfänger das Gesagte reflektiert und erkennt, was eigentlich gemeint ist (114). Sie beschreibt Ironie aus sprachwissenschaftlicher Perspektive dadurch als „metalinguistic device“ (ebd.), da sie weiterführendes Verständnis des Empfängers fordert. Norbert Groeben beschreibt weiterführend die „Bedeutungsexplikationen der Rhetorik“ (186), welche ebenfalls besagt, dass die „passive[…] Rezeption von Bedeutung der sprachlichen Äußerung“ (ebd.) nicht ausreicht, sondern über die Bedeutungsebene hinaus noch eine Verstehens-Decodierung existieren muss um die „Bedeutung zu konstruieren“ (ebd.). Uwe Wirth beschreibt anknüpfend Ironie als „diskursive Dynamik, die sich im Zwischenraum zwischen Sender und Empfänger, aber auch zwischen Gesagtem und Nicht-Gesagtem ereignet“ (19). Dadurch wird erneut deutlich, dass Ironie auf einer Korrelation und Wechselseitigkeit zwischen Sender und Rezipienten basiert und das Bedeutungsverständnis des Ausgedrückten essentiell für die Ironie ist, da sie (wie in Unterkapitel 2.1 bereits erläutert wurde) die Absicht beinhaltet, erkannt zu werden.

Des Weiteren beschreibt Bettina Kümmerling-Meibauer die Essentialität der „Theory of Mind“ (114) und bezieht sich dabei auf Maraffa (2011). Die beschreibt, dass man, um Ironie korrekt zu rezipieren und die Bedeutung zu begreifen, eine gewisse kognitive Reife besitzen muss. Diese soll es möglich machen, die Gefühle, Intentionen, Glaubensgrundsätze etc. des Gegenübers zu erkennen und zu realisieren, dass sie von dem eigenen Wesen abweichen können. Dies wird als Grundlage der Ironie beschrieben und ist laut Bettina Kümmerling-Meibauer auch die Ursache dafür, dass Kinder erst ab einem bestimmten Alter, beziehungsweise einer bestimmten kognitiven Intelligenz in der Lage sind, Ironie zu erkennen (ebd.). Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass, bei der Rezeption von Ironie, eine gewisse kognitive Intelligenz vorhanden sein muss um das Verständnis des Empfängers gewährleisten zu können, damit dieser die Bedeutung der ironischen Aussage konstruieren und werten kann. Dies kann als Grundlage bezeichnet werden, durch die der Zuschauer in einer Reportage mit Ironie als Stilmittel eine bestimmte Intention erfassen könnte.

3. Konvergenz zwischen Dokumentarfilm und Ironie:

3.1 Wie passt Ironie zum Dokumentarfilm:

Basierend auf den Grundsätzen und Charakteristiken des Dokumentarfilms, die auch in Unterkapitel 1.1 kurz aufgeführt worden sind, könnte man die Theorie aufstellen, dass Ironie unter keinen Umständen mit dem Wahrheitscharakter des Dokumentarfilms konvergiert und somit nicht eingesetzt werden sollte, da sie ansonsten den Realitätsanspruch beeinträchtigt. Auch Daniel Alles beschreibt die Nutzung von Ironie im nonfiktionalen Film theoretisch als „problematisch“ (75). Er sagt zudem „Komische oder ironische Elemente erwecken den Anschein, ernsthafte Anliegen eines Films zu unterlaufen und die Faktizität seiner Argumentationen abzuschwächen.“ (ebd.). Der Dokumentarfilm und die Reportage beziehen sich meist auf gesellschaftliche, konkrete Themen, bei denen der Gebrauch von Ironie nicht angebracht wäre beziehungsweise den Sinn verfehlen würde. Aufgrund dessen wird in dieser Art der nonfiktionalen Filme eher selten dieses Stilmittel angewendet. Jedoch versteht Daniel Alles die Art von Dokumentarfilmen, die Ironie gebraucht als „Filme, die ihre Anliegen mehr aus persönlichen Bedürfnissen des Autors als aus gesellschaftlichen Problemen ableiten, [sie] setzen Ironie als Mittel der Zuspitzung oder Übertreibung ein“ (ebd.). Er drückt außerdem seine klare Meinung gegenüber der Verwendung aus, indem er beschreibt, dass Ironie durchaus auch ein Stilmittel eines „kritischen und subversiven Diskurses“ (ebd.) sein kann. Es lassen sich genauso Einsichten und Authentizität vermitteln, wie durch bekannte Vorgehensweisen des Dokumentarfilms, beispielsweise den „Interagierenden Modus“, „performativen Modus“ oder den „Authentizitätssignalen“ (Petra Anders et. al. 130 f.). Daniel Alles spricht den Interpretationscharakter der Ironie an und beschreibt, dass der ironische, humoristische Voice-Over-Kommentar zum filmischen Bild als Kontrast wirke und somit den Wirklichkeitsanspruch unterlaufe (76). Durch diesen Kontrast wird die Bildebene dominanter in den Vordergrund gesetzt und der Rezipient wird laut Alles durch die „individuelle Qualität“ deutlicher an das Bild und an das Geschehen herangeführt als wenn nur eine triviale Erklärung das Bild ergänzen würde (ebd.). Daniel Alles legt ebenfalls dar, dass Ironie meist in Dokumentarfilmen zu finden sind, welche offen mit dem Präsentierten und dem Subjekt innerhalb umgehen. Er sagt:

Ironie entsteht schwerlich im Kontext eines Filmes, der seine eigene Entstehung und die beteiligten Menschen zu verbergen sucht. Witz entsteht nur durch einen deutlich sicht-, hör- und spürbaren Erzähler, der einen Standpunkt einnimmt, eigene Meinungen vertritt und sich in einer Auseinandersetzung mit der von ihm abgebildeten Realität befinde (76)

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Ironie im Dokumentarfilm. Wirkungen und Funktionen am Beispiel der Penny-Markt-Doku von Spiegel TV
Autor
Jahr
2021
Seiten
20
Katalognummer
V1039636
ISBN (eBook)
9783346456076
ISBN (Buch)
9783346456083
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ironie, dokumentarfilm, wirkungen, funktionen, beispiel, penny-markt-doku, spiegel
Arbeit zitieren
Svenja Cremers (Autor:in), 2021, Ironie im Dokumentarfilm. Wirkungen und Funktionen am Beispiel der Penny-Markt-Doku von Spiegel TV, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1039636

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