Strategie oder Konfusion? Zur Strategiefähigkeit der Bundesregierung unter Angela Merkel während der ersten sechs Monate der Coronapandemie in Deutschland


Hausarbeit, 2021

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

HAUPTTEIL

Teil I: Der politische Strategiebegriff & zugehörige Begrifflichkeiten
Strategie(n)
Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen
Strategische Akteure
Strategisches Handeln bzw. strategische Handlungen

Teil II: Strategiefähigkeit der Bundesregierung in der Anfangsphase der Coronapandemie
Das Orientierungsschema strategischen Denkens & Handelns
Problempolitik am empirischen Beispiel der Coronapolitik des Bundes
Begrenzungen des Handlungsspielraumes
Akteurinteraktionen im Entscheidungsfindungsprozess
Abwägung zwischen verschiedenen Problemlösungslogiken
Politische Erfolgsfaktoren in der Coronapandemie
Führung & Leadership
Strategiefähigkeit
Problemlösungs-Performanz
Leistungen öffentlicher Kommunikation

LITERATURVERZEICHNIS

EINLEITUNG

„Strategiefähigkeit ist ein entscheidendes Element der Politik. Ohne die geht nichts. Es ist nicht das Einzige. In kurzer Hand können auch strategisch schlechte Leute sehr wichtig und erfolgreich sein. Aber langfristig ist alles, was eine erfolgreiche Partei macht, in irgendeiner Weise mit Strategiefähigkeit verwoben.“

Fritz Kuhn (zit. n. Raschke und Tils 2013: 274 [Herv. durch Wolff]) bezieht sich in diesem Zitat zwar auf Parteien, seine Aussage kann jedoch auf andere strategische Kollektivakteure wie etwa die Bundesregierung übertragen werden. (Auch) ihr Erfolg ist eng mit Strategiefähigkeit verknüpft und wird insbesondere in Krisenzeiten auf die Probe gestellt. Seit über einem Jahr befinden wir uns in solch einer Krise, denn die Coronapandemie hält die Welt in Atem und stellt nicht nur jeden einzelnen Menschen, sondern auch politische Systeme vor Herausforderungen gigantischen Ausmaßes. Es gilt gesundheitliche Risiken und wirtschaftliche Verluste gegenüber einander abzuwägen, soziale Verwerfungen zu vermeiden und kommunikative Brücken zu errichten, während die dynamische pandemische Situation durch ständig hinzugewonnene Informationen und neue Entwicklungen nach wie vor schwer einschätzbar ist.

Allerdings sind eine konkrete, fachlich fundierte Bewertung der Lage und ein darauf basierendes, strategisch-planvolles Vorgehen der Regierung(en) von Beginn der Krise an vehement gefordert worden, Branchen, Bevölkerung und jeder einzelne Bürger1 sehnten sich nach Planbarkeit und Erwartungssicherheit. Dass die Bundesregierung diese nur im eingeschränkten Ausmaß liefern konnte, ist verständlich und doch ist und bleibt es ihre Verantwortung, tragfähige Strategien zur Bewältigung der Krise zu entwickeln. Inwiefern ihr dies (in Zusammenarbeit mit den 16 Landesregierungen) gelungen ist, soll Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sein.

Dazu werde ich im ersten Teil den (politischen) Strategiebegriff und seine einzelnen Elemente kurz umreißen, um zu klären, auf welche Definitionen ich mich in meinen weiteren Ausführungen beziehe. Dabei gehe ich aufgrund meiner späteren Fokussierung auf die Bundesregierung insbesondere auf kollektive strategische Akteure ein. Das Erkenntnisinteresse dieses Abschnitts ist die Überlegung, wodurch sich eine strategische Führerschaft durch Kollektive maßgeblicher politischer Entscheidungsträger auszeichnet.

Nach dieser Klarstellung der grundsätzlichen Konzepte möchte ich mich in meiner empirischen Untersuchung dem Krisenmanagement des strategischen Kollektivakteurs „deutsche Bundesregierung“ während der ersten Monate der Coronapandemie widmen. Diese zeitliche Eingrenzung wurde aus Gründen der Untersuchbarkeit gewählt, denn die noch immer anhaltende Krise wies und weist mehrere Phasen auf, welche jeweils von unterschiedlichen Charakteristika gekennzeichnet waren und verschiedene politische Reaktionen hervorriefen, sodass eine vollumfängliche Darstellung den Rahmen dieser Arbeit deutlich sprengen würde. Dieser Abschnitt folgt der Leitfrage, inwiefern ist es der deutschen Bundesregierung innerhalb der Anfangsphase der Coronapandemie (Februar-Juni 2020) gelungen ist, ein strategisches Zentrum zu bilden und davon ausgehend eine Strategie zur Pandemiebekämpfung zu formulieren und zu etablieren.

Im Fazit werde ich meine Ergebnisse zusammenfassen und mit einer abschließenden Einordnung der Anfangsphase in den Gesamtkontext des Pandemiegeschehens in Deutschland enden.

HAUPTTEIL

Teil I: Der politische Strategiebegriff & zugehörige Begrifflichkeiten

In meinen definitorischen Ausführungen zum Strategiebegriff beziehe ich mich v.a. auf die Forschungen von zwei renommierten zeitgenössischen Politikwissenschaftlern, Prof. Dr. Joachim Raschke und Prof. Dr. Ralf Tils, welche neben bzw. nach ihren universitären Lehraufträgen in der Agentur für politische Strategie (APOS) tätig sind. Grund dieser Bezugnahme ist ihre Expertise in den Bereichen Strategieanalyse, Regierungs-, Parteien- und Verwaltungsforschung sowie ihre langjährige Tätigkeit in der Politikberatung und die Veröffentlichung zahlreicher Publikationen zu den Schwerpunktthemen dieser Hausarbeit. Insbesondere mit der Analyse strategischer Politiksteuerung greifen sie ein Thema von großer Relevanz auf, das in der Fachliteratur bis dato erstaunlich unbeachtet geblieben ist (vgl. Hänsch 2002: 179).

Strategie(n)

Nach Raschke und Tils sind „ Strategien erfolgsorientierte Konstrukte, die auf situationsübergreifenden Mittel-Umwelt-Kalkulationen beruhen“ (Raschke und Tils 2013: 127 [Herv. durch Wolff]). Folgerichtig lässt sich sagen, dass sich „strategisches Denken auf zeitlich, sozial und sachlich übergreifende Ziele [richtet], die nicht unmittelbar in einer Situation erreichbar sind“ (ebd. 156). Um diese abstrakte Definition aufzuschlüsseln, sollen im Folgenden ihre einzelnen Elemente betrachtet werden.

Strategien werden als Konstrukte begriffen, weil ihre spezifische Erscheinungsform vorerst offen bleibt, d.h. sowohl relativ unstrukturierten Entwürfen als auch präzise ausformulierten Konzepten können Strategiemerkmale zugeschrieben werden. Sie sind als praxissteuernde Handlungsanleitungen zu verstehen, welche sich auf bestimmte Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen gründen und dadurch erfolgsversprechende Handlungsoptionen von weniger sinnvollen Alternativen abgrenzen (vgl. ebd. 127).

Strategien sind erfolgsorientiert, „beziehen sich [also] auf wirksame Zielverfolgung“ (Raschke und Tils 2011: 56) und umfassen dabei eine instrumentelle und eine inhaltliche Dimension, welche in Wechselwirkung zueinander stehen. Damit sind Strategien zwischen den Polen einer ausschließlichen Macht- oder Werteorientierung anzusiedeln und verknüpfen beide Dimensionen miteinander, wobei häufig Spannungsverhältnisse auftreten. Die Autoren betonen als Besonderheit des erfolgsorientierten strategischen Denkens den Ausgang vom Ende her, die Strategie wird demnach mit Blick auf das zu erreichende Ziel entwickelt (vgl. Raschke und Tils 2013: 128).

Strategisches Handeln wird deshalb als situationsübergreifend bezeichnet, weil es über einzelne Situationen hinausgehende, sachliche und soziale Aspekte berücksichtigt. Damit sind Strategien abzugrenzen von Taktiken, welche sich stets auf den Erfolg in einer spezifischen Einzelsituation richten (vgl. Raschke und Tils 2011: 56).

In diesem Zusammenhang bedeutsam ist der Begriff der strategischen Einheit, also des Rahmens, innerhalb dessen alle strategischen Handlungen und Überlegungen vonstatten gehen. Die Ausdehnung dieses Rahmens wird von den jeweiligen strategischen Akteuren (s.u.) oder (forschenden) Beobachtern festgelegt, was bedeutet, dass Strategien nicht immer zwingend lang-, sondern auch mittel- oder kurzfristig sein können – notwendiges Definitionsmerkmal ist hier nur ihr Hinausgehen über Einzelsituationen (vgl. ebd. 57f.).

Eine zentrale Grundfigur strategischen Denkens sind die sogenannten Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen, welche den Autoren zufolge „auf gewünschte Zustände (Ziele) gerichtete, systematisierende und berechnende Überlegungen (Kalkulationen) für zielführende Handlungsmöglichkeiten (Mittel) mit Blick auf den situationsübergreifend relevanten Kontext (Umwelt)“ (Raschke und Tils 2013: 129 [Herv. i. O.]) bezeichnen. Aufgrund der Zentralität dieser Definition sollen ihre einzelnen Elemente kurz erläutert werden.

Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen

Strategische Ziele sind „gewünschte Zustände, die strategisch erreicht werden sollen“ (vgl. ebd. 144) und steuern als solche den Strategieformulierungsprozess, sein Fokus variiert demnach entsprechend der Art des jeweiligen Zieles.

Hinsichtlich dieser Fokussierung wird zwischen Machtzielen, beispielsweise in Form von Wahlerfolgen und gewonnenen Entscheidungskompetenzen, und Gestaltungszielen im Sinne veränderter Policies und Problembewältigungskonzepten unterschieden. Grundsätzlich müssen politische Akteure sich immer an einem Doppelziel von Macht und Gestaltung ausrichten, denn ohne Inhalte lassen sich keine strategischen Machtziele, und ohne Macht keine strategischen Gestaltungsziele erreichen, so die Autoren (vgl. ebd. 148). Empirisch bzw. in der politischen Praxis finden sich allerdings bestimmte Muster in Form einer häufigen Dominanz von Machtzielen, da selbst in erster Linie an Gestaltungszielen orientierte Strategien Machtfragen unterworfen bleiben. Wichtig ist, dass die Ziele die im Folgenden gewählten Strategien zur Zielerreichung noch nicht eindeutig determinieren.

Als Voraussetzungen für eine tragfähige strategische Zielformulierung nennen die Autoren vier notwendige Bedingungen (vgl. ebd. 145f.): Zum Ersten muss Klarheit über den gewünschten Zustand herrschen, die Rede ist hier von Zielgewissheit. Des Weiteren müssen die Ziele operationalisierbar, ihre Erreichung also messbar, sein. Zum Dritten braucht es präzise Ziele, wobei Überspezifikation einerseits und mangelnder Konkretheit andererseits zu vermeiden sind. Nicht zuletzt müssen die Ziele prinzipiell erreichbar, d.h. ihre Umsetzung zeitlich und inhaltlich realistisch, sein.

Dabei kann der Zeitrahmen strategischer Ziele variieren (kurz-, mittel-, langfristig), zudem ist es möglich, zusammenhängende Ober- und Unterziele zu formulieren oder auch parallel mehrere unverbundenen Ziele zu verfolgen, welche dann häufig hierarchisch geordnet sind (vgl. ebd. 146). In diesem Zusammenhang kann es zu Zielüberschneidungen, aber auch zu den deutlich problematischeren Zielkonflikten kommen, sodass jene Ziele, die mit Höherwertigen konfligieren, nicht selten aussortiert werden (vgl. ebd. 147). Diese oftmals schwierige Abwägung zwischen verschiedenen strategischen Zielen wird bei meinen Ausführungen zur Pandemiebekämpfungsstrategie im zweiten Teil dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielen.

Mit strategischen Kalkulationen sind systematisierende, berechnende Denkoperationen gemeint, welche die einzelnen erfolgsrelevanten Elemente miteinander verknüpfen. Damit sind sie gewissermaßen Vorteilsberechnungen und als solche die grundlegenden Denkoperationen, welche den gesamten Strategie(-formulierungs-)prozess durchziehen (vgl. Raschke und Tils 2011: 57).

Strategische Mittel sind miteinander kombinierbare und untereinander hierarchisierbare „Handlungsmöglichkeiten, die auf Wegen und Ressourcen beruhen“ (Raschke und Tils 2013: 148), was bedeutet, dass ihre Auswahl häufig von den verfügbaren Ressourcen abhängig ist. Dennoch kommt es nicht zwangsläufig zur Auswahl des günstigsten, sondern des wirkmächtigsten Mittels, welches im Zuge einer Kosten-Nutzen-Abwägung identifiziert wird. Die Wirkungserwartungen wiederum werden entsprechend dem Mittel, seinem Anwendungsbereich, dem größeren Kontext usw. formuliert (vgl. ebd. 150).

Die strategischen Ziele und viele der strategischen Mittel liegen in der Umwelt der Strategieakteure, welche aus Arenen und Akteuren besteht, deren Handeln Einfluss auf den Erfolg des strategischen Akteurs nimmt. Dabei ist seine Aufgabe, die Relevanz einzelner Umweltausschnitte zu bestimmen, denn nur die strategisch relevante Umwelt ist seine strategische Umwelt. Obwohl die Umwelt- und Interaktionsorientierung für strategisches Handeln konstitutiv ist, kann sie keineswegs als selbstverständlich gelten: Die strategischen Entscheidungen ohnehin innewohnende hohe Unsicherheit wird durch ihre Platzierung innerhalb von strategischen Interaktionssituationen weiter verstärkt. So existieren zwar Grade der Berechenbarkeit (anders wäre Strategiebildung unmöglich), jedoch keine vollkommene Klar- oder gar Sicherheit (vgl. ebd. 152).

Strategische Akteure

Unter strategischen Akteuren verstehen Raschke und Tils „strategisch denkende und agierende Handlungsträger“ (2013: 140), wobei diese ihre Strategiefähigkeit zur Verfolgung einer entsprechenden strategischen Politik erst entwickeln und dann fortlaufend erneuern müssen.

Unterschieden wird zwischen zwei Varianten von Akteuren: Individuelle Akteure sind einzelne Individualentscheider, während kollektive Akteure aus mehreren Personen bestehen, politisch relevante Beispiele dafür sind Regierungen, Parteien, Beratungsgremien u.ä. Die Autoren konzentrieren sich in ihren Ausführungen auf kollektive Akteure und da ich in erster Linie die Strategiefähigkeit der Bundesregierung untersuchen werde, wähle ich ebenfalls diesen Fokus.

Wirken können besagte strategische Akteure auf der Mikro-, Meso- oder Makroebene, wobei sich entweder am Individuum, am Kollektiv oder am System orientiert wird. Die politische Strategieanalyse fokussiert sich in der Regel auf die Meso- und Makroebene, während Mikroanalysen vergleichsweise selten zum Einsatz kommen (vgl. ebd. 141).

In der Analyse strategischer Prozesse erscheint es aufgrund der vielen unterschiedlichen Strategieaufgaben von Kollektivakteuren sinnvoll, weitere Ausdifferenzierungen vorzunehmen, denn die Entscheidungen selbst werden in der Regel nicht vom Kollektiv, sondern von internen strategischen Teil-akteuren getroffen (vgl. ebd. 142). Raschke und Tils unterscheiden aus diesem Grunde zwischen dem strategischen Zentrum, der operativen Leitung und dem strategischen Apparat, wobei sich diese eindeutige Differenzierung in der Analyse als hilfreich erweist, empirisch jedoch nicht immer in der oben dargestellten Trennschärfe gegeben ist.

Das strategische Zentrum bezeichnet ein Netzwerk von zentralen Entscheidungsträgern, Beratern und anderen Individual-akteuren, welche die übergreifenden strategischen Leitlinien des Handelns von Kollektivakteuren maßgeblich prägen und bestimmen. Für eine effektive Koordination zwischen den einzelnen Akteuren, die im Strategieformulierungs-prozess eine Rolle spielen, ist es absolut essentiell.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Eigene Darstellung der Ausdifferenzierung des Strategieakteurs nach Raschke und Tils 2013: 143.

Dem strategischen Zentrum stehen diverse Steuerungsmittel (z.B. Autorität durch Führerschaft, positive und negative Sanktionen, Kommunikation) zur Verfügung, gleichwohl sind seine Einflussmöglichkeiten je nach Konstellation der Akteure, welche grundsätzlich als unabhängig und als von Eigeninteressen geleitet angenommen werden, beschränkt (vgl. ebd. 171).

Die Akteure der operativen Leitung führen zur Unterstützung des strategischen Zentrums sowohl strategiegebundene operative, als auch allgemeine, nicht-strategische Führungsaufgaben aus, wozu sie bestimmte Kenntnisse, Fähigkeiten und Entscheidungskompetenzen benötigen.

Der strategische Apparat dient einer professionellen und methodischen Strategieentwicklung sowie der Vorbereitung von strategischen Entscheidungen. Die relevanten internen Einzelakteure sind Strategieexperten, aber auch Akteure der operativen Leitung, welche demnach häufig multiple Rollen einnehmen (vgl. ebd. 142).

Strategisches Handeln bzw. strategische Handlungen

Strategisches Handeln kann nicht als objektive Größe begriffen werden, sondern ist nur in dem Maße strategisch, in dem Akteure ihm eine strategische Qualität zuschreiben.

Analytisch differenziert werden muss zwischen strategisch gemeinten und strategisch relevanten Handlungen. Während erstere Handlungen sind, die auf bestimmte Strategien bzw. strategische Ziele abzielen, sind letztere Handlungen, aus denen – teilweise unintendiert – strategische Konsequenzen oder strategierelevante Handlungsmuster resultieren. Demnach können strategierelevante Handlungen durch Akteure so eingesetzt werden, dass sie zu strategisch gemeinten Handlungen werden; umgekehrt können strategisch gemeinte Handlungen zugleich strategierelevant sein oder aber keine tieferen strategischen Konsequenzen nach sich ziehen (vgl. ebd. 156).

Bedacht werden muss, dass strategisches politisches Handeln (teils unkontrollierbaren) äußeren Einflüssen und Begrenzungsfaktoren unterliegt, so ist es stets von einer unterschiedlich stark ausgeprägten Ambiguität und Ungewissheit geprägt. Zudem müssen Entscheidungen aufgrund der häufig herrschenden Zeitknappheit sehr rasch getroffen werden (vgl. ebd. 162).

Unter Einbezug aller aufgeführten Definitionen kann zusammenfassend gesagt werden, dass strategisches Handeln politischer Entscheidungsträger erfolgsorientiert ist und über mehrere sequenzielle Einzelsituationen hinweg stattfindet, wobei der Handlungskontext als strategische Einheit durch die strategischen Akteure definiert wird. Geprägt wird das gesamte strategische Denken und Handeln durch die o.g. Ziel-Mittel-Umwelt-Kalkulationen.

Teil II: Strategiefähigkeit der Bundesregierung in der Anfangsphase der Coronapandemie

Im stärker empirisch orientierten Teil meiner Arbeit möchte ich einen analytischen Blick auf die politisch-strategische Bearbeitung der Coronakrise werfen. Dabei fokussiere ich mich ausgehend vom Februar 2020 auf die ersten sechs Monate des Pandemiegeschehens in Deutschland und untersuche, inwiefern es dem strategischen Kollektivakteur der bundesdeutschen Koalitionsregierung unter Kanzlerin Merkel gelungen ist, mithilfe des Bundeskanzleramts als strategischem Zentrum tragfähige Konzepte zur Eindämmung der Pandemie zu formulieren und zu etablieren.

Das Orientierungsschema strategischen Denkens & Handelns

Um zu veranschaulichen wie sich Akteure idealtypisch im strategischen Feld orientieren und anordnen, skizzieren Raschke und Tils ein auf empirischen Untersuchungen beruhendes, systematisierendes Orientierungsschema (s. Abb. 2). Es soll eine grundsätzliche Verortung der Akteure im Prozess der Strategieformulierung ermöglichen, hilft also bei der Erklärung von beobachteten Phänomenen hinsichtlich des Aufbaus von Strategiefähigkeit, der Strategiebildung an sich und der strategischen Steuerungsleistung der Akteure (vgl. Raschke und Tils 2013: 161). All seine Elemente detailliert zu betrachten würde an dieser Stelle zu weit führen, weshalb ich mich auf jene konzentriere, die für mein empirisches Beispiel besonders relevant sind und sie sogleich auf selbiges beziehe. Dabei habe ich besagtes Schema ausgewählt, weil es sich zur Analyse des strategischen Akteurhandelns eignet und angewandt werden kann, um (Miss-)Erfolge politischer Strategien zu analysieren und zu erklären – und eben dies möchte ich im Folgenden mit Blick auf die (strategische) Pandemiebekämpfung tun.

[...]


1 Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass ich hier und im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit das generische Maskulinum verwende, damit aber grundsätzlich alle Geschlechter einschließe.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Strategie oder Konfusion? Zur Strategiefähigkeit der Bundesregierung unter Angela Merkel während der ersten sechs Monate der Coronapandemie in Deutschland
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Eine Bilanz der Ära Merkel
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
25
Katalognummer
V1040226
ISBN (eBook)
9783346457240
ISBN (Buch)
9783346457257
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regierungszeit Merkel, Ära Merkel, Coronapandemie, COVID-19 Management, Politische Strategie, Führungsstärke, Politischer Führungsstil, Strategisches Zentrum, Strategiefähigkeit, Strategische Steuerung, Leadership, Problemlösungs-Performanz, Coronapolitik, Deutschland, Decision-making Process, Politische Entscheidungsfindung
Arbeit zitieren
Ariatani Wolff (Autor:in), 2021, Strategie oder Konfusion? Zur Strategiefähigkeit der Bundesregierung unter Angela Merkel während der ersten sechs Monate der Coronapandemie in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1040226

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