Gliederung
I Einleitung
II „Don Juan“ (1950) von José Luis Sáenz de Heredia
III „Don Juan en los Infiernos“ (1991) von Gonzalo Suarez
IV. „Don Juan, mi querido fantasma“ (1990) von Antonio Mercero
V. „Don Juan DeMarco“ (1995) von Jeremy Leven
VI. Abschließende Bemerkungen
I. Einleitung
Don Juan, ein Name - eine Legende. Unzählige Male hat er Eingang in die Literatur gefunden und unzählige Autoren haben ihn immer wieder zum Leben erweckt. Es gibt wohl Hunderte verschiedener Varianten, jede stellt ihn anders dar. Einige beziehen sich auf vorher veröffentlichte Werke, manche erfinden ihn neu und manche vermischen beides zu einer neuen Geschichte. Genauso ist es im Film. Man kann gar nicht genau sagen wie oft Don Juan genau verfilmt worden ist, aber geht man nach der Anzahl der Filme, ist er wohl ein echter Superstar. Natürlich kann ich nicht alle Verfilmungen vorstellen und betrachten, aber eine kleine Auswahl möchte ich im folgenden vorstellen. Ich werde mit einem frühen Werk beginnen, „Don Juan“ (1950), verfilmt von José Luis Saenz de Heredia, in schwarzweiß gefilmt. Danach „Don Juan en los infiernos“ (1990) von Gonzalo Suarez, eine eher surrealistische Betrachtung des Mythos Don Juan. Neben dem klassischen und dem künstlerischem muss man natürlich auch die kommerziellen Filme betrachten. Der spanische Film „Don Juan, mi querido fantasma“ (1990) von Antonio Mercero und die Hollywoodversion „Don Juan de Marco“ (1995) von Jeremy Leven runden damit die Betrachtung ab. Vor allem bei letzterem fällt es schwer, ihn in die Reihe der Don Juan Verfilmungen einzureihen, da er eigentlich ziemlich wenig mit dem eigentlichen Mythos ‚Don Juan’ zu tun hat. Aber Hollywood war schließlich noch nie dafür bekannt, Wert auf Orginalversionen zu legen. Man kann es so sehen, das der Mythos des Don Juans letztendlich sogar in Hollywood angekommen ist, auch wenn er dabei stark verändert wurde. Leider konnte ich keine chinesische Version auftreiben, aber wenn es eine gibt, hätte er damit den Globus umquert bzw. ‚erobert’.
II. „Don Juan“ (1950) von José Luis Sáenz de Heredia
Regie: José Luis Sáenz de Heredia
Mit: Antonio Vilar, Annabella, Maria Rosa Salgado, Enrique Guitart, u.a.
Don Juan lebt im Exil in Venedig, wo er sich die Zeit mit amourösen Abenteuern vertreibt. Auf Bitten seines im Sterben liegenden Vaters hin wird er von König Karl V begnadigt und kann 1553 nach Sevilla zurückkehren. Nachdem er noch Isabela, die Gattin von Octavio verführt hat, begibt er sich an Bord eines Schiffes, welches ihn in seine Heimat zurückbringen soll. An Bord trifft er auf Lady Ontiveros, eine Engländerin, und die Überfahrt vergeht wie im Fluge. In Sevilla angekommen, will er das Erbe seines Vaters antreten, doch eine Klausel im Testament bestimmt, dass er nur verheiratet an das Geld kommt. Don Juan ist nicht verlegen und gibt an, mit Lady Ontiveros verheiratet zu sein. Don Gonzales, der den Nachlass verwaltet, bittet um ein Treffen mit der Angetrauten, aber als Don Juan in sein Quartier eilt, um Lady Ontiveros einzuweihen, ist diese bereits mit einem Zigeuner durchgebrannt, und er steht vor dem Problem Ersatz zu finden. Ein Maskenball im Hause Gonzales scheint ein guter Anlass zu sein, um entsprechenden Ersatz zu finden. Auf besagtem Ball trifft er auf Doña Ines, die Tochter von Don Gonzalo. Er raubt ihr einen Kuss, muss die Party dann aber fluchtartig verlassen. Mit sich nimmt er die Halskette der Doña Ines, welche diese verloren hatte. Ein hervorragender Vorwand um diese wiederzusehen. Vorher ist aber noch ein Würfelspiel mit einem gewissen Don Luis Mejia angesagt, in dessen Verlauf er diesen hemmungslos ausnimmt. Dabei wird er von Don Gonzalo beobachtet und gestellt. Nichtsdestoweniger trifft er des nachts Doña Ines und versucht, Sie zu betören. Da das nicht so einfach gelingt, verlässt er den Schauplatz des nächtlichen Treffens und verführt noch schnell die Condesa de Gaudix, die Frau des vorher ausgenommenen Don Luis Mejila. Am folgenden Tag findet eine Zigeunerfeier zu ehren des Adels statt, an der auch Don Gonzales mit Tochter teilnimmt. Diese wird von Soldaten aufs strengste bewacht, und alle warten darauf, dass Don Juan sich zeigt. Denn, da er sich nicht gebessert hat, soll er wieder, natürlich ohne Erbe, ins Exil. Aber unser listiger Don Juan schickt erst mal eine freigelassene Herde von Stieren voraus, welche die Fiesta ins Chaos stürzt und eine Bewachung von Doña Ines unmöglich macht. Don Juan kommt angeritten, rettet Doña Ines vor einem wilden Stier und macht sich mit ihr aus dem Staub. Er entführt Sie in eine alte Mühle, doch Sie widersteht seinen unsittlichen Angeboten und muss statt dessen als Geisel herhalten, mit der Don Juan sein Erbe freizupressen versucht. Doch er wird sowohl von Don Luis Mejila, der vor Eifersucht tobt, als auch vom Vater seiner Geisel, Don Gonzales, gestellt. Im Laufe der folgenden Auseinandersetzungen müssen seine beiden Angreifer sterben, und Don Juan trägt eine schwere Verletzung davon. Tragischerweise wollte er sich weigern Don Gonzales zu bekämpfen, aber dessen Rage verhinderte einen friedlichen Ausgang. Dank seines treuen Dieners Ciutti kann Don Juan fliehen und sich bei Lady Ontiveros verstecken. Nach einigen Tagen der Genesung beschließt er aber Doña Ines wiederzusehen und ihr seine wahre Liebe zu gestehen. Leider wird er von Lady Ontiveros, welche ihn, trotz gegenteiliger Beteuerungen, liebt, an die spanische Polizei verraten und nach einem heftigen Gefecht tödlich verletzt. Doña Ines hat inzwischen die wahre Liebe von Don Juan erkannt und eilt zu ihm, doch es ist zu spät und stirbt kurz darauf. Natürlich nicht ohne Ciutti vorher noch einen Lobgesang auf Spanien vorzutragen.
Der Regisseur, José Luis Sáenz de Heredia, im folgenden kurz Heredia genannt, hält sich bei dieser Verfilmung an keines der literarischen Vorbilder, obwohl in den Credits sowohl Tirso de Molina als auch Zorilla als die einzig wahren Autoren von Don Juan lobend erwähnt werden. Er übernimmt zwar gewisse Passagen, Namen und Motive von beiden, aber er kreiert etwas ganz neues. Allein das relativ unspektakuläre Ende, ohne übersinnliche Phänomene, ist etwas ganz neues, das auch in früheren Verfilmungen, zum Beispiel von Baños noch nie da war. Die Namen der Personen sind teilweise übernommen, aber ihre Handlungen und Intentionen unterscheiden sich deutlich vom Original. Die Verführung von Isabela zum Beispiel stammt von Tirso de Molina, das Treffen mit Don Luis und die darauffolgende Auseinandersetzung mit Don Gonzales, von Zorrilla. Die Personen Ciutti, Doña Ines, Don Luis Mejila, Don Gonzalo de Ulloa, Hauptmann Centallas und Buttarelli haben ihren Ursprung ebenfalls bei diesem. Isabela und Octavio stammen dagegen von Tirso. Auch mischt Heredia zum Teil Charaktereigenschaften aus dem einen Werk mit Figuren aus einem anderen. So benimmt sich Ciutti mehr wie Catalinón von Tirso, da er mehr in die Handlung eingreift und auch mal einen Vorwurf äußert. Im Abspann des Filmes widmet Herido sein Werk zwar Tirso de Molina und Don José Zorrilla, betont aber das er ein neues Werk schaffen wollte und höchstens von der Gesamtheit der Werke über Don Juan beeinflusst wurde. Von vielen Kritikern wurde der Film als erster wirklich spanischer Don Juan gelobt, und meiner Meinung nach ist auch genau das die Absicht des Regisseurs gewesen. Entstanden in den 50er Jahren ist der Film ein Beitrag zur damaligen Selbstfindungsdebatte in Spanien. Die Frage, wie sich Spanien auszeichnet und was sein Stand in der Welt wäre, ging damals durch alle Medien und Kunstwerke. Betrachtet man die Figuren des Films, wird Heredias Nationalismus deutlich sichtbar. So sind die ausländischen Damen, Lady Olvidera und die Gattin von Octavio, deutlich frivoler und freizügiger als die spanischen. Lady Olvidera, die Engländerin, ist eine weibliche Version von Don Juan, aber ohne Ehre und letztendlich übt Sie gar feigen Verrat, der zum Tode des Verführers führt. So erscheinen auch Don Juans Untaten wesentlich weniger schlimm, schließlich sind die Frauen, welche er verführt, sowieso nicht so ganz anständig. Doña Ines dagegen, als wahre Spanierin, widersteht den sinnlichen Versuchungen und präsentiert so die hohe, geistige Liebe. Obwohl Don Juan im ersten Drittel des Films noch die Ansicht vertritt, dass die sogenannte ‚Zigeunerliebe’, also ex und hopp, die bessere wäre, ändert er seine Meinung aber und geht letztendlich für die wahre Liebe der Doña Ines und sein spanisches Vaterland in den Tod.
Für Heredias nationalistische Hintergedanken spricht auch, dass der Film, den seine Produktionsfirma Chapalo Films produzierte, teilweise durch Cifesa finanziert wurde. Cifesa war eine Produktionsfirma, die vor allem dadurch auffiel, dass sie zahlreiche Filme produzierte, die alle einen Spanischen Mythos für das neue Spanischsein ummodelten. So zum Beispiel ‚Locura de amor’ (1948), ‚La leona de Castilla’ (1951) und ‚Alba de América’ (1951). Diese spielen alle in einer gut wiederzuerkennenden Gegend Spaniens und zeigen das neue Spanischsein und den Widerstand gegen ausländische Einflüsse oder Personen. Don Juan selber vergleicht sich in einer Szene des Films mit Karl dem Fünften und vergleicht seine Kämpfe und Eroberungen mit den seinen, und als Zeichen seiner Läuterung legt er Doña Ines am Ende des Films einen Sack mit spanischer Erde auf den Altar. Bezeichnend auch, dass er erst durch die spanische Justiz, also die Soldaten des Hauptmanns, gerichtet wird, bevor er durch Gott Erlösung findet. Niemand kann also der Justiz entkommen, auch wenn es länger dauert. Die Erlösung wird allerdings nur angedeutet als in der letzten Szene der Wagen, nach einer Ansicht des Himmels, dieser auf einmal aus der falschen Richtung wieder ins Bild kommt. Vielleicht handelt es sich ja nur um einen Continuity-Fehler, aber es könnte natürlich auch sein, dass Gott den Weg Don Juans in die Hölle geändert hat, nachdem dieser geläutert wurde.
Interessanterweise bedient sich Heredia klassischer Strukturen des damaligen Hollywood Abenteuerkinos, Degenduelle, Verfolgungen und den plötzlichen Tod von Personen durch Angriffe von hinten. Auch die klassische menage-á-trois mit Lady Olvida als Vertreterin der körperlichen und Doña Ines der geistigen Liebe ist im Hollywoodkino schon oft benutzt worden.
Alles in allem ist Heredia ein guter Film gelungen, der sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern blendend ankam. Unterhaltsam und spannend, teilweise überraschend präsentiert sich uns ein neuer, spanischer, Don Juan, der auch heute noch sehenswert ist.
III. „Don Juan en los Infiernos“ (1991) von Gonzalo Suarez
Regie: Gonzalo Suarez
Mit: Ignacio Aierra als Rey, Héctor Alterio als Don Juans Father, Ayanta Barilli als Dama, Beatriz, Bergamín als Muchacha Rio, Celestino Diaz als Sirviante Doña Elvira, Oleg Fedorov als Marido, Fernando Guillén Cuervo als Don Juan, Charo López als Doña Elvira, Ana Álvarez als Chiquilla India, Mario Pardo, Joan Potau Fraile, Rafael Pozo, Rogelio Puertas, Fernando Ransanz, Carlos Riva u.a.
Eine Frau liegt in einer zerstörten Riesenmuschel in den Wehen. Ist es Don Juans Kind? So genau weiß man es nicht. Danach springt der Film direkt zu seiner ersten Untat, er vergnügt sich mit der Ehefrau eines spanischen Edelmannes. Leider kommt dieser zu früh nach Hause und Don Juan muss fliehen. Er entkommt auch, aber der Ehemann schöpft Verdacht und tötet seine Frau. Deren Diener verrät darauf den Namen des Ehebrechers, Don Juan. Für den Mord verantwortlich gemacht, wird er nun gejagt und muss flüchten. Der gehörnte Ehemann sucht ihn hasserfüllt, aber obwohl er ihm teilweise erstaunlich nahe kommt, kann er ihn nicht fassen. Nach dem Diebstahl ihrer Kleider müssen Don Juan und sein Diener eine Zeitlang in Frauenkleidern agieren, aber auch dieses Problem wird gelöst. Als nächstes im Programm, natürlich, Doña Elvira, doch ihre Liebe hat keine Zukunft, denn sie zieht den Aufenthalt im Kloster und damit die geistige Liebe vor. Auch das Gespräch Don Juans mit seinem Vater, der die selbe strikte Moralvorstellung wie der König hat, hilft ihm nicht weiter. Schließlich wird Don Juan bei dem erfolgreichen Versuch, ein von betrunkenen Edelleuten bedrängtes Mädchen zu retten, tödlich verwundet. Der Anführer eben dieser Edelleute ist der gehörnte Edelmann vom Anfang des Films und auch er fällt Don Juans Degen zum Opfer. Der sterbende Held wird von seinem Freund und Helfer Sganarello an die Ufer eben des Sees gebracht, der uns vom Anfang vertraut scheint, und ein Bootsmann fährt ihn hinaus.
Der Film steht in einer Reihe von Suarez Filmen, die dieser den Mythen gewidmet hat. So zum Beispiel ‚El extraño caso de doctor Fausto’ (1969) oder ‚Mi nombre es Sombra’ (1996). Frei nach Moliere, der im Abspann erwähnt wird, zeichnet der Film eine ziemlich surreale Geschichte des Don Juan. Die Namen der Personen sind zum Teil übernommen, Doña Elvira oder Sganarello, und auch einige der Dialoge werden fast Wort für Wort wiedergegeben, so beispielsweise der Dialog von Sganarello mit dem Diener der Doña Elvira über die Vorzüge des Tabaks oder Teile der Dialoge zwischen Don Juan und seinem Diener. Moliere ist auch in der Großherzigkeit der Person des Don Juans sichtbar, etwa als dieser sein Leben opfert um ein hilfloses Mädchen vor einigen betrunkenen Edelleuten zu retten, und dessen Freigeistigkeit und Mangel an Glauben. Jemand der sich Gedanken macht, um das Verstreichen der Zeit und die Notwendigkeit für den Augenblick zu leben. Andere Elemente des Films, zum Beispiel die Liebe zu Doña Elvira, findet man bei Moliere zwar nicht, aber wie in anderen Filmen auch macht sie uns den Helden sympathischer und fassbarer.
Liest man diese Zusammenfassung des Inhalts, mag man denken, der Film wäre ziemlich einfach strukturiert, aber dieser Eindruck täuscht. Seine Doppelkarriere als Autor und Filmemacher hat aus Gonzalo Suarez einen sehr einfallsreichen Regisseur gemacht, der in beeindruckenden Bildern voller surrealen Erscheinungen eine Erzählung auf zweiter Ebene in den Film packt, welche man erst auf den zweiten Blick zu erkennen vermag. Vielleicht keine direkte Erzählung, aber eine Ansammlung von Allegorien und Symbolen, welche für sich zu sprechen scheinen. Schon die Geburt in einer zerbrochenen Muschel, welche während des Films im heilen Zustand von einem Sprecher und seinem Schatten (dargestellt von einem echten Schauspieler) den Weg Don Juans begleitet. Die Geburt in der Muschel erinnert doch stark an das Gemälde ‚Die Geburt der Venus’ (1485) von Botticelli, auf dem die Liebesgöttin einer Muschel entspringt. Ein dezenter Hinweis auf Juans Mutter? Oder ist er gar die männliche Reinkarnation derselben? Dem widerspricht aber seine rebellische Seite, welche wir eigentlich nicht mit der Venus in Verbindung bringen. Auch die Begleiter der Muschel, der mysteriöse Mann mit seinem lebendigen Schatten, erscheinen wie antike Seher, Symbole einer mehrwissenden Macht. Außerdem sind Sie wohl auch Hüter der Unschuld, da sie die ‚chica india’ begleiten und beschützen, auf welche ich später noch eingehen werde. Der Schatten an sich könnte auch ein Symbol der Revolution, der geheimen Gedanken jedes Menschen sein, denn nach Aussagen des Films ist er immer existent, da im ‚Königreich der Sonne’, einer ironischen Anspielung auf die strenge und düstere Regentschafft von Filipe II, niemals Nacht herrscht und ein Leben ohne ihn nicht lebenswert sei, sagt sein ‚Besitzer’, als der Schatten getötet wird.
Die Muschel wird schließlich von den Schergen des Königs Filipe II zerstört. Hat das erst die Voraussetzung für den Rebellen Don Juan geschaffen? Der König, welcher im Film sozusagen den Impuls des Todes einer finsteren und traurigen Moral darstellt („No se le castiga por el crimen, sino por el pecado“) und vor seinem Tod noch schnell das Lachen in seinem Königreich verbietet. Seine rechte Hand ist ein Zwerg, der wohl als Hofnarr am Hofe dient und außerdem einer der Berater des Königs ist. Auch diese Gestalt verdeutlicht uns die Absurdität der ‚offiziellen’ Moralvorstellungen. Don Juans Vater, fast vom selben Schlage wie der König, sorgt dafür, dass unser Held sozusagen allein gegen alle steht. Das im Film dargestellte Leben des Juans bildet einen Kreislauf, aus dem Wasser in das Wasser, der Bootsmann als Symbol des Todes, der den Kreis schließt. Diese Art von Kreisläufen um den Anfang und das Ende eines Filmes zu verbinden, hat Suarez schon in vorhergegangenen Filmen verwendet, in „Epilogo“ (1983) die leuchtenden Computermonitore oder in „Remando al viento“ (1987) das Polarleuchten des Nordpols. Vielleicht gibt ihm das die Möglichkeit, die beschränkte Zeitdarstellung im Medium Film zu erweitern. Auch die Nebengeschichte der ‚chica india’, welche der Muschel entsteigt, und die Don Juans Lebensweg begleitet und als einziges Wort am Ende des Films seinen Namen spricht, lässt sich auf verschiedene Weise deuten. Ist sie sein Kind? Entsprungen seiner freien Geisteshaltung? Oder ein Symbol für eine unschuldige, reine Frau, die sich Don Juan entzieht? Bei einer Begegnung im Film flüchtet Sie jedenfalls und entzieht sich dem ewigen Verführer, welcher von ihr fasziniert zu sein scheint und am Ende sogar sein Leben für Sie gibt. Vielleicht nicht vergebens, denn wie bereits erwähnt, spricht sie seinen Namen, und das bleibt das einzige was sie je sagt. Das lässt den Schluss zu, dass Sie ihn vielleicht doch liebt.
Die betrunkenen Edelleute, die sie gegen Ende des Films bedrängen, tragen schreckliche Masken, stellen sie vielleicht die dunkle, hässliche Seite dar, die jeder Mensch, vor allem die oberflächlich so moralischen Vertreten des Regimes, in sich trägt? Don Juan jedenfalls scheint diesen Charakterzug nicht nötig zu haben, da er nichts verdrängen muss und sein Leben so lebt, wie es ihm in den Sinn kommt.
Natürlich muss man mit Interpretationen aufpassen, den nur der Autor des Films kann wirklich wissen was er gemeint hat. Nichtsdestoweniger bietet dieser Film eine Menge von Inspirationen und Anregungen, sich sowohl mit dem Thema Don Juan als auch mit dem Leben an sich auseinander zusetzen, und dass der Autor das gewollt hat, zeigt schon der Einsatz eines Sprechers am Anfang und Ende des Films, ein für das Medium Film nicht sehr gebräuchliches Mittel, das eher an Prolog und Epilog in einem Roman erinnert. Der Film stellt die für mich gelungenste und modernste Aufarbeitung des Mythos Don Juan dar, weit abseits von den üblichen von Hollywood beeinflussten Versionen unzähliger anderer Filmemacher.
IV. „Don Juan, mi querido fantasma“ (1990) von Antonio Mercero
Regie: Antonio Mercero
Mit: Juan Luis Galiardo als Don Juan Tenorio und Don Juan Marquina, Maria Barranco als Doña Inés, José Sazatomil als Comisario Ulloa, Verónica Forqué, Vicente Diez als Ciutti u.a.
Jedes Jahr am Tag der Toten entsteigt der Geist des legendären Don Juan Tenorio für 24 Stunden seinem Grab, in der Hoffnung, das eine gute Tat ihn erretten werde. 450 Mal hat er es schon versucht, bis jetzt vergeblich. Doch dieses Mal wird alles anders werden. Zufällig gerät er in die Produktion des Theaterstückes Don Juan Tenorio, dessen arroganter und selbstsüchtiger Hauptdarsteller ihm bis aufs Haar gleicht. Da dieser durch diverse Zufälle außer Gefecht gesetzt wird, übernimmt der Geist seine Rolle und sein Privatleben. In dem folgenden Verwechslungsreigen gelingt es dem Geist nicht nur, alle beteiligten Damen glücklich zu machen, sondern auch einen riesigen Kokaindeal zu verhindern und die Frau des Schauspielers, welche sich scheiden lassen wollte, zurückzuerobern. Es kommt zum Showdown auf der Theaterbühne, und alle Beteiligten ergreifen Partei für den geläuterten Geist, der wegen eines gewissen körperlichen Unterschiedes im Genitalbereich schon längst von allen erkannt wurde, des einstmals zu unsympathischen Don Juan. Am Ende darf der Geist weiter auf der Erde bleiben und sein unsympathischer Gegenpart, Don Juan de Martinez, muss seinen Platz in der Verdammnis einnehmen.
Der Film hat offensichtlich nicht mehr viel mit der ursprünglichen Don Juan Geschichte zu tun, nimmt diese aber als (dem Zuschauer bekannte) Vorgeschichte und spinnt sozusagen den Faden weiter, 450 Jahre nachdem sie mit Don Juans Fahrt in die Hölle endete. Selbstverständlich in für kommerzielles Kino geeigneter, komödienhafter Form, welche hauptsächlich den Unterhaltungstrieb befriedigt, aber ohne große Ambitionen auf die Feinheiten des Mythos Don Juan. Wenn wir überhaupt etwas lernen, dann vielleicht, dass selbst ein Verdammter eine zweite Gelegenheit bekommt und nur die wahre Liebe zählt. Tatsächlich wird Don Juan Tenorio, von Zorilla ja traditionsgemäß in Spanien an Tag der Toten, dem 31. Oktober, aufgeführt, und dass die Aufführung seiner Geschichte ihn eines Tages erlösen würde, das hätte Don Juan wohl nicht gedacht. Der Film stellt die Fassung von Zorilla als die wahre Geschichte dar, die nur durch Kleinigkeiten von der Wahrheit abweicht. Diese werden im Film vom Orginal-Juan verbessert, indem er dem Regisseur Tipps gibt, wie es wirklich gewesen sei. „Es war Vollmond“, ‚“Doña Ines stand weiter rechts“’ usw.
Dass der Regisseur des Films damit etwas aussagen will, wäre doch etwas weit hergeholt, insbesondere da es keine weiteren Andeutungen in diese Richtung gibt. Jedoch verfilmte er schon 1974 den Film ‚Don Juan’, zu dem ich leider keine weiteren Angaben finden konnte. Eventuell hat er sich damals ernsthafter mit dem Thema befasst und seine alten Ideen und Vorstellungen mit eingebaut. Eine weitere Analyse wäre wünschenswert, bleibt mir aber Aufgrund Materialmangels leider verwehrt.
Es ist ein netter, unterhaltsamer Film, aber Hollywood hätte ihn bestimmt auch ohne Don Juan gedreht und er wäre kaum anders gewesen.
V. „Don Juan DeMarco“ (1995) von Jeremy Leven
Regie: Jeremy Leven
Mit: Marlon Brando als Dr. Mickler, Jonny Depp als Don Juan de Marco, Faye Dunaway als Ms. Mickler
Die Geschichte eines 21jährigen Selbstmordkandidaten und seines Psychiaters, welcher in 10 Tagen die Psyche des jungen Mannes zu ergründen versucht. Dieser behauptet, er wäre Don Juan DeMarco, der Welt größter Liebhaber. Dr. Mickler ist fasziniert von der tragisch- romantischen Geschichte des jungen Mannes und beschließt, ihn persönlich zu behandeln bis dessen Hearing, also die Entscheidung über die Entlassung, stattfindet. Jeden Tag bekommt er nun ein Stück der Lebensgeschichte des größten Liebhabers der Welt, und je mehr er erfährt, desto mehr glaubt er dem Jungen und wird selber immer mehr zum Don Juan. Dieser hat ein bewegtes Leben hinter sich, unter anderem ein Jahr im Harem der 1500 Frauen, diverse Degenduelle und natürlich ein Treffen mit der großen Liebe, welche ihn aber verließ, nachdem Sie die genaue Anzahl seiner Eroberungen, 1503, erfuhr. Da liegt natürlich der Grund für den Selbstmordversuch des jungen Mannes, der ohne seine große Liebe keinen Sinn mehr im Leben sieht. Angeregt durch die Erzählungen des jungen Don Juan erwacht in Dr. Mickler der schon verloren geglaubte romantische Liebhaber wieder zum Leben, und seine schon etwas eingeschlafene Ehe erwacht zu neuem Glanz. Am Ende kommt Don Juan wieder frei und alle, die ihm begegneten, sind ein bisschen glücklicher geworden, von der neu entflammten Liebe zwischen Dr. Mickler und seiner Frau ganz zu schweigen.
Mit dem ursprünglichen Don Juan, sowohl von Zorilla als auch von Tirso de Molina hat der Film außer dem Namen wohl gar nichts mehr zu tun. Man könnte zwar sagen, das die Wahl von Marlon Brando, der in seiner Jugend ja schon eine Art Don Juan repräsentierte, als alter, dicker und gelangweilter Dr. Mickler einen Versuch darstellt, die Zukunft eines geläuterten Don Juans darzustellen, aber ich wage zu bezweifeln, dass das die Intention des Autoren und Regisseurs Jeremy Leven, der außerhalb des Filmgeschäfts übrigens wirklich Psychiater ist, war.
Dieser Film handelt zwar irgendwie von einem Mythos, aber bestimmt nicht von dem klassischen Mythos Don Juan. Eher die Wege des ewig wirkenden Eros, exemplifiziert an dem ‚Mythos’ Marlon Brando. Dessen Mythos ist durchaus gegenwärtig, wenn er sich mit der Gelassenheit eines Wals der Kamera präsentiert, so ist das tatsächlich ein Mythos, eine Faszination neben der Geschichte in den Bildern, aufgeladen durch das Gefühl, die Geschichte des alten Psychiaters Mickler sei auch ein wenig die des alten Schauspielers Brando. Aber dann erzählt Don Juan de Marco rückblendend seine Geschichte, und da stürzt der Film von den mythischen Gipfeln der Kino-Ikonen in die Täler der mittelmäßigen Fernsehästhetik.
VI. Abschließende Bemerkungen
Don Juan wurde in vielen Filmen behandelt, mal auf kreative, mal auf eher kommerzielle oder auf abkupfernde Art. Der Großteil der Produktionen kommt aus Spanien, aber auch in vielen anderen Ländern wurden Filme über ihn gedreht. Ähnlich wie schon die Literatur hat das neue Medium Film den Mythos des ewigen Verführers aufgegriffen, bearbeitet und weitergetragen. Die Faszination des ewigen Rebellen, der das Leben lebt, dass uns die Gesellschaft verbietet, wir uns aber alle insgeheim wünschen oder es zumindest bewundern, ist anscheinend auch im 20ten Jahrhundert noch lebendig.
Die Zuschauerzahlen sprechen dafür. Keiner der besprochenen Filme war ein Flop, und auch wenn Sie natürlich nicht mit den Zuschauerzahlen einer modernen Hollywoodproduktion mithalten können, haben Sie doch viele Menschen erreicht, und jeder hat wohl auf die eine oder andere Weise etwas mitgenommen und sich ein persönliches Bild des Verführers geformt. Selbstverständlich hat jeder Regisseur dem Helden eine andere Note verliehen, ihn für andere Zwecke benutzt und seine Charaktereigenschaften verändert. Aber vielleicht macht gerade das ihn so faszinierend, schließlich sieht jeder Mensch die Welt anders und jeder hat seine eigene Vorstellung von einem Rebellen und Verführer. Diese lässt schließlich auch auf sein Inneres schließen. Zum Abschluss erinnern wir uns noch an die Aussage von Don Juan de Marco:
„Jeder hat einen Don Juan in sich, man muss ihn nur zum Leben erwecken.“
Quellen
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt des Textes über Don Juan Filme?
Der Text ist eine Analyse verschiedener Verfilmungen des Don Juan Mythos. Er beinhaltet eine Einleitung, die die Popularität und Vielfalt der Don Juan Interpretationen im Film betont, gefolgt von detaillierten Betrachtungen von vier spezifischen Filmen: "Don Juan" (1950) von José Luis Sáenz de Heredia, "Don Juan en los Infiernos" (1991) von Gonzalo Suarez, "Don Juan, mi querido fantasma" (1990) von Antonio Mercero, und "Don Juan DeMarco" (1995) von Jeremy Leven. Der Text schließt mit abschließenden Bemerkungen über die anhaltende Faszination des Don Juan Mythos und seine Adaptionen im Film.
Welche Filme über Don Juan werden in der Analyse behandelt?
Die Analyse konzentriert sich auf vier Filme:
- "Don Juan" (1950) von José Luis Sáenz de Heredia: Ein spanischer Schwarzweißfilm, der als eine nationalistische Interpretation des Mythos betrachtet wird.
- "Don Juan en los Infiernos" (1991) von Gonzalo Suarez: Eine surreale und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Mythos.
- "Don Juan, mi querido fantasma" (1990) von Antonio Mercero: Eine spanische Komödie, die den Geist von Don Juan in einer modernen Theaterproduktion zeigt.
- "Don Juan DeMarco" (1995) von Jeremy Leven: Eine Hollywood-Version, die sich stark von der ursprünglichen Don Juan Geschichte entfernt und sich auf die Psyche eines jungen Mannes und seines Psychiaters konzentriert.
Was sind die Hauptthemen in José Luis Sáenz de Heredias "Don Juan" (1950)?
In "Don Juan" (1950) werden nationalistische Tendenzen deutlich, indem ausländische Frauen als freizügiger und weniger tugendhaft dargestellt werden als spanische Frauen. Don Juans Handlungen werden relativiert und Doña Ines repräsentiert die hohe, geistige Liebe und spanische Tugend. Der Film endet mit Don Juans Tod für sein Vaterland und die wahre Liebe.
Wie interpretiert Gonzalo Suarez den Don Juan Mythos in "Don Juan en los Infiernos" (1991)?
Suarez' "Don Juan en los Infiernos" ist eine surreale und allegorische Interpretation. Der Film verwendet wiederkehrende Symbole wie eine zerbrochene Muschel und einen mysteriösen Mann mit seinem Schatten, um Themen wie Moral, Rebellion und die Absurdität gesellschaftlicher Normen zu erforschen. Don Juan wird als ein freigeistiger Rebell dargestellt, der sich gegen die strenge Moral des Königs Filipe II auflehnt.
Welche Rolle spielt die Komödie in Antonio Merceros "Don Juan, mi querido fantasma" (1990)?
"Don Juan, mi querido fantasma" nutzt die Komödie, um die Don Juan Geschichte weiterzuentwickeln. Der Geist von Don Juan kehrt zurück und versucht, durch gute Taten Erlösung zu finden. Der Film spielt mit der bekannten Geschichte und präsentiert sie in einer leichten, unterhaltsamen Form, die den Unterhaltungswert in den Vordergrund stellt.
Inwiefern weicht "Don Juan DeMarco" (1995) von Jeremy Leven von der ursprünglichen Don Juan Geschichte ab?
"Don Juan DeMarco" entfernt sich stark vom klassischen Mythos. Der Film handelt von einem jungen Mann, der glaubt, Don Juan zu sein, und seinem Psychiater. Die Geschichte konzentriert sich auf Themen wie Liebe, Illusion und die Kraft der Vorstellungskraft, anstatt auf die traditionellen Elemente der Verführung und des moralischen Verfalls.
Was ist das Fazit der Analyse bezüglich der verschiedenen Don Juan Filme?
Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass der Don Juan Mythos im Film auf vielfältige Weise interpretiert wurde, von kreativen und künstlerischen Ansätzen bis hin zu kommerziellen Adaptionen. Die Faszination für den Rebellen und Verführer bleibt bestehen, und jeder Regisseur hat dem Helden eine andere Note verliehen, was die anhaltende Relevanz des Mythos unterstreicht.
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- Anonym (Autor:in), 2000, Don Juan Verfilmungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104045