Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biografie Janusz Korczak
3. Schriften und Werke
4. Korczaks Bild vom Kind
5. Pädagogik der Achtung
5.1 Janusz Korczaks praktische pädagogische Ansätze
5.2 Warum ist Korczaks pädagogisches Konzept schwer umzusetzen?
6. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Oh, ich liebkose diese Kinder mit meinem Blick, dem Gedanken, der Frage: Wer seid ihr, wunderbares Geheimnis, was tragt ihr in euch? Ich küsse euch in dem Bemühen: Womit kann ich euch helfen? Ich küsse euch, wie der Astronom den Stern kü.t, der war, der da ist, und der da sein wird. Und dieser Fuß sollte den Platz zwischen der Ekstase des Gelehrten und einem demütigen Gebet einnehmen; seinen Zauber wird aber derjenige nie erfahren, der auf der Suche nach Freiheit im Gedränge seinen Gott verloren hat.“ (Korczak (2002), S. 49) Dieses Zitat von Korczak beschreibt seine Persönlichkeit, seine Emotionen, Gedanken , sein Bild vom Kind ebenso für wen er gelebt hat. Sein Lebenswerk, seine bedingungslose Liebe, seine Hingabe, all sein wirken für göttliche Geschöpfe. Korczak war Kinderarzt, Schriftsteller, Poet und ein Pädagoge der mit seinem Herzen gesehen hat, welches im folgenden noch eingegangen wird. Theodor W. Adorno schrieb: „Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. Ich kann nicht verstehen, daß man mit ihr bis heute so wenig sich abgegeben hat.“(Theodor W. Adorno (1967), S. 111)
Mit dieser Aussage von Adorno, läßt sich vermuten, er hätte Korczaks ganzes Leben miterlebt. Er appelliert an die Gesellschaft, Pädagogen ebenso an die Erzieher, wie notwendig es sei, sich mit Korczaks Leben auseinanderzusetzen, damit „Auschwitz - und Treblinka Korczaks und seine Kinder“ (Beiner 1982), S. 11) sich nicht wiederholt. Ebenso seine Aufopferungsvolle Hingabe zum Kind, welches unter unmenschlichen Bedingungen er treu geblieben war. Korczak war ein Mensch, der sich ganz seiner Hingabe widmete, der Friedlosigkeit auf der ganzen Welt, welches auf der Basis durch die liebe ebenso die achtungsvolle Erziehung des Kindes sein sollte. Ein Pädagoge der nicht in Vergessenheit geraten darf. Sein Name ist untrennbar mit dem Schrecken des Dritten Reichs verbunden, welcher mit dem letzten Gang nach Treblinka und seinen zweihundert Waisenkindern in den Tod ging. Oelkers schrieb dazu: „Der letzte Gang mit den Kindern nach Treblinka (…) symbolisiert die Pädagogik Korczaks brennpunktartig. Aber dieser ‚letzte Gang‘ist die Konsequenz, nicht etwa der Gehalt dieser Pädagogik.“ (Beiner (1982) zit. n. Oelkers, S. 55) Aber auch dieser ‚letzte Gang‘würde ihm als Symbol nicht gerecht werden, denn er bewies Stärke, Anerkennung und menschliche Größe während dieser schweren Zeit. Seine Bedeutung für die nachfolgenden Generationen sollte in seiner konsequenten Haltung gesucht werden, welche auch die Frage nach dem Sinn ebenso der Erfolg von Erziehung durch sein alltägliches sein begegnet werden. Er erlebte mit den Kindern Freude, Wut, Zorn aber auch Kummer, welche er bereit war dies mit ihnen zu teilen und zu leben. Damit gelang es ihm mitzuteilen, welche hohen Anforderungen er an die Pädagogik hatte, die seiner Ansicht nach, jeder bewerkstelligen könne, wenn er ihnen mit Liebe und Respekt begegnet.
Nach seinen Schriften zu urteilen hinterließ Korczak kein geschlossenes Konzept, welches er auch nie beabsichtigte dies für die Nachwelt konstruieren zu wollen. Dafür war das Risiko zu groß, dass der Erzieher verleitet werden könnte, sich auf seiner Stellung auszuruhen nur um den unbequemen Weg zu vermeiden. Korczak hüllte seine pädagogischen Prinzipien in seiner von ihm gewählten Sprache, welche er in Geschichten, Kinderromanen, zahlreichen Artikeln und in öffentlichen Sendern mitteilte. Er sprach selbst von „erzählender Pädagogik“, welches das eben erwähnte beschreibt. Korczaks zentrale Botschaft: „Das Recht des Kindes auf Achtung“, womit er den Kindern auf gleichwertiger Ebene begegnet, scheint auf den ersten Blick einfach, ist aber zugleich die größte Schwierigkeit für Erzieher und Pädagogen. Denn dieses Recht setzt voraus, dass alle Kinder ernst genommen werden müssen ebenso ihre Bedürfnisse, welche dem Erwachsenen gleichzeitig ihre Machtposition gegenüber den Kindern entzogen wird. „…Ihr sagt: der Umgang mit Kindern ermüdet uns. Ihr habt recht. Ihr sagt: denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, herabbeugen, beugen, kleiner machen. Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern daß wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu Verletzen.“ (zit. In Kluge, K.-J., Plum, H., Schnell, I. (1981), Vorwort)
Seine Forderung ist nichts anderes was die Erwachsenen allgemein von den Kindern verlangen, welches beinhaltet, dass auch die Erwachsenen, Pädagogen ebenso die Erzieher stets an ihren Aufgaben, Erfolgen sowie Misserfolgen wachsen und daraus lernen.
Im folgenden beschäftigt sich die vorliegende Arbeit zunächst mit dem Leben Janusz Korczaks ebenso seinen pädagogischen Ansätzen. Es soll die Frage diskutiert werden, welche Chancen und Grenzen seine Pädagogik noch heute leistet? Warum seine Pädagogik gegenüber anderen Reformpädagogen seiner Zeit weniger Beachtung findet.
2. Biografie Janusz Korczak
Henryk Goldszmit wurde „am 22 Juli 1878, vielleicht auch erst 1879 in Wahrschau“ (Pelzer (1987), S. 11) als Kind in „einer gutbürgerlichen, jüdisch-assimilierten Familie“ (zit. n. Kunz in Korczak (1994), S. 13) hineingeboren. Der Vater vernachlässigte den Eintrag in das Geburtenregister, sodass das genaue Geburtsjahr von ihm nicht rekonstruiert werden kann. Joséf Goldszmit war ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt, wodurch er in der Lage war, seiner Familie ein wohlhabendes Leben zu ermöglichen. (vgl., ebd., S. 11-16) „Sie lebten nicht auf großem Fuß, aber immerhin besaßen sie genug, um gut auskommen zu können und darüber hinaus ein wenig zu repräsentieren: ein geräumiges Haus, einen Namen in der Stadt, Dienstleute, hin und wieder Abendgesellschaft.“ (Pelzer (1987), S. 11)
Dies war zu der Zeit der Aufklärungsbewegung „Haskala“ (Pelzer (1987), S. 14), welches die jüdische Familie sehr geprägt hat. Obwohl ihre Abstammung jüdisch war, bevorzugte die Familie eine Lebensweise nach polnischer Herkunft, welche ihre jüdische Herkunft ebenso deren Kultur und Religion verleugnete. (vgl., ebd.) Allerdings ist Henryk Goldszmit unter seinem Pseudonym Janusz Korczak populär geworden. Er nahm als junger Student an einem literarischen Wettbewerb teil und gewann einen Preis. Den Beitrag für diesen Wettbewerb reichte er unter dem Pseudonym „Janasz Korczak“ (ebd., S. 11) ein, welches versehentlich auf der Gewinnerliste als Janusz Korczak gedruckt wurde. Sein Vater und seine Mutter, Cecylia Goldszmit (geborene Gebicka) bekamen später noch eine Tochter mit dem Namen Anna. (vgl., ebd., S. 16) Über seine Eltern ebenso über seine Schwester gibt es nur sehr wenig Informationen aus ihrer Kindheit, es existieren weder Fotos noch sonstige Dokumente, welches genauere Aufschlüsse über ihre Herkunft geben könnte. (vgl., ebd., S. 11) Korczak machte sich bereits mit fünf Jahren Gedanken über humanere Lebensverhältnisse, wovon er später in einem seiner Tagebücher berichtet: „Ich war damals fünf und das Problem beschämend schwer: Was tun, damit es keine schmutzigen, zerlumpten und hungrigen Kinder mehr gibt, mit denen ich nicht spielen darf, (…).“ (ebd., S.14) Seine Großmutter bezeichnete ihn schon damals als kleinen Philosoph und glaubte an ihren Enkel wohingegen sein Vater ihn als „Träumer“ ( zit. n. Newerly in Korczak ( 1995), S. VII) abtat. Bis zu seiner Gymnasialzeit wuchs Korczak und seine Schwester in einem wohlhabenden Elternhaus auf, welches sich durch den Tod des Vaters schlagartig wandelte.
Sein Vater war süchtig nach Glücksspielen und litt unter einer Geisteserkrankung, sodass er öfters in psychiatrischen Kliniken eingeliefert werden musste. (vgl., Kluge, K.-J., Plum, H., Schnell, I. (1981), S. 2) Durch die Erkrankung des Vaters, ebenso seiner Spiellsucht, verspielte er das gesamte Vermögen der Familie, welches nach seinem Tod schlimme Folgen für die Familie hatte. Um seine Mutter finanziell zu unterstützen, nahm Korczak neben der Schule Gelegenheitsjobs an und erteilte Nachhilfeunterricht. Es war für Korczak ein erheblich schwerer Wendepunkt, welcher „den Bruch zwischen bürgerlichem Wohlstand und sozialer Deklassierung selbst erfahren (durfte)“ (zit. n. Kunz in Korczak (1994), S. 13).
Er lernte die Armut kennen, die Schattenseite eines wohl behüteten Elternhauses, von der ihn seine Eltern isoliert hatten. Korczak empfand seine Kindheit zu Hause als „Salonkind“ ( Pelzer (1987), S. 22) , da es ihm untersagt war mit den Kindern des Proletariats zu spielen und deren „unanständigen Ausdrücke“ (ebd., S. 15) zu übernehmen.
Auch die Schulzeit blieb ihm in schrecklicher Erinnerung, welche er mit dem Gefängnis gleichsetzt. „Unsere Schule ist eine Kaserne. (…) wir gleichen ihre Charaktere an, ordnen ihre Initiative aus. Wir haben die Kinder nummeriert, haben eine mit Tausenden von Gesetzen, Verordnungen und Anordnungen dem Gefängnis ähnliche Disziplin eingeführt. (…) Die Kinder bekommen fast keine Luft in diesem brutalen, kalten, künstlichen Leben, das ohne jegliche Illusion und Poesie ist.“ (Pelzer (1987), S. 18)
Sein Medizinstudium begann er 1898 , welches er 1904 mit einer Promotion abgschlossen hatte. Er engagierte sich währenddessen in einem Warschauer Wohltätigkeitsverein und arbeitete dort als Publizist, womit er gleichzeitig sein Studium finanzierte. (vgl., ebd., S. 20f) Noch als Medizinstudent arbeitete Korczak bereits als Kinderarzt in einer Klinik, welches im Jahr 1904/1905 durch seine Einberufung als Sanitätsarzt in den russisch-japanischen Krieg unterbrochen wurde und kehrte danach wieder dorthin zurück. 1907 unterbrach er ein weiteres mal, allerdings auf freiwilliger Basis. Er reiste für ein Jahr nach Berlin um an den angesehenen medizinischen Einrichtungen sowie psychiatrischen und pädagogischen Anstalten zu studieren. Im Anschluss daran unternahm er noch Studienreisen nach Paris und London. (vgl., ebd., S. 27-30) Bis 1911 arbeitete er weiter im Krankenhaus, besuchte tagsüber die „Reichen in den reichen Straßen“ ( ebd., S. 32) und ließ sich seine Dienste gut bezahlen und nahm dafür „Professorenhonorare“ (ebd.) wohingegen er Kranke aus dem Armenviertel unentgeltlich beziehungsweise für sehr wenig Geld behandelte. (vgl., Kluge, K.- J., Plum, H., Schnell I. (1981), S. 5f) Noch im gleichen Jahr wechselte er seine angesehene gesellschaftliche Stellung als Arzt mit gutem Einkommen gegen eine Leitung, eines nach seinen Vorstellungen entworfenen Waisenhauses ‚Dom Sierot´ in Warschau ein. „Eine biographische Schlüsselstelle: Von hier ab ist nicht mehr oder nur in zweiter Linie vom Arzt Janusz Korczak die Rede, sondern vom Erzieher und Lehrer.“ (zit. n. Pelzer in Korczak (1987), S. 33)
Anscheinend führte bei ihm sein zunehmendes Engagement beim ‚Warschauer Wohltätigkeitsverein‘eine wichtige Rolle, bei seiner Zuwendung zur Pädagogik, welche sich
um Notleidende Kinder, wie ebenso um die materielle Versorgung zur Aufgabe gemacht hatte. Möglicherweise haben gemeinsame Urlaube mit Arbeiterkindern in den sogenannten Sommerkolonien Korczak maßgeblich beeinflusst, wo er während seiner Studienzeit erste pädagogische Erfahrungen machte. Korczak schreibt dazu selbst: „Den Sommerkolonien habe ich viel zu verdanken. Hier begegnete ich zum ersten Male eine Kinderschar und lernte in selbstständiger Arbeit das ABC der pädagogischen
Praxis.“ (Korczak ( 1995), S. 234) Das jüdische Waisenhaus ‚Dom Sierot‘leitete Korczak über 30 Jahre, bis zu seinem Tod. Zusätzlich neben dem eben genannten Waisenhaus, unterstütze er 1919 noch ein weiteres Waisenhaus ‚Nasz Dom‘, welches für polnische Kinder errichtet wurde. (vgl., Pelzer (1987), S. 65) Zu dieser Zeit widmete er seine ganze Kraft in die Arbeit mit seinen Kindern, welches rund um die Uhr war. (vgl., ebd., S. 67) Korczak schreibt zu seinem Leben als Erzieher: „Was sind deine Pflichten? Achtgeben. Wenn du nur Aufpasser sein willst, brauchst du nichts zu tun. Willst du aber Erzieher sein, hast du einen Arbeitstag von sechzehn Stunden, und keine Pause, keinen Feiertage. Da ist ein Tag, aus Arbeiten zusammengesetzt, die sich weder beschreiben noch festhalten lassen, die man weder auf den ersten Blick wahrnehmen noch kontrollieren kann.“ ( zit. n. Mortkowiecz-Olczakowa (1961) S. 112)
Diesen harten Arbeitsalltag, den er von sich forderte, erwartete er auch von seinen Mitarbeitern, die mit den Kindern lebten. (vgl., Pelzer (1987), S. 67) Anscheinend verlangte er von sich einen so harten Alltag, da er befürchtete er würde genau wie sein Vater an einer Geisteskrankheit erkranken. (vgl., Pelzer (1987), S. 18) 1934 und 1935 unterbrach er zwei mal seine Tätigkeit im Waisenhaus um nach Palästina zu reisen. Der Grund dieser Reisen war, dass Korczak aufgrund der sich immer verschlechterten politischen Situation für die Juden wohingegen er mit dem Gedanken spielte dorthin zu emigrieren. (vgl., Pelzer (1987), S. 110f) Nach seiner zweiten Rückkehr von der Palästinareise wurden die „Radioplaudereien des alten Doktors“ ( Pelzer (1987), S.116) aus rassistischen Gründen abgesetzt, welche bei der Bevölkerung sehr beliebt war. (vgl., Mortkowicz-Olczakowa (1973), S.190-192). Eine letzte Auszeichnung erhält Korczak 1937 mit dem Preis der polnischen Akademie für Literatur, welche ihn und seine jüdischen Freunde fälschlicherweise Hoffnung schöpfen ließen. „Es sah so aus, als sei die Lage der polnischen Juden nicht so schlimm, wenn selbst Literaturpreise noch an Juden vergeben werden konnten“ (Pelzer (1987), S. 117) Ein Jahr nach dem deutschen Überfall auf Polen, im Oktober 1940, wurde Korczak mit seinen Kindern gezwungen sein Waisenhaus zu verlassen und ins Ghetto zu ziehen. (vgl., (Pelzer (1987), S. 119f) Zwei Jahre versuchte er unter widrigsten unmenschlichen Umständen für seine Kinder zu sorgen. (vgl., ebd., S.124f) Vermutlich wurde Korczak zusammen mit „zweihundert jüdische Waisenkinder Anfang August 1942“ (Mortkowicz- Olczakowa (1973), S. 266) in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Ein genaues Todesdatum ist leider nicht bekannt. (vgl., Pelzer (1987), S. 135) Korczak ließ seine Kinder auch in dieser Zeit nicht allein und begleitet sie über den Tod hinaus, womit er seine bedingungslose Liebe zu jedem Kind bewies. Er bekam die Möglichkeit sich zwischen Leben und Tod zu entscheiden. Korczaks Antwort darauf war folgende: „Ein krankes Kind läßt man nicht in der Nacht allein“ und „In einer Zeit wie dieser darf man die Kinder nicht allein lassen“ ( zit. n. Kunz in Korczak (1994)
3. Schriften und Werke
Anscheinend wäre Janusz Korczak nur als engagierter Arzt und Leiter von Waisenhäuser, aber kaum als ein hervorragender Pädagoge des zwanzigsten Jahrhunderts bekannt geworden, welches ohne sein umfangreiches publizistisches ebenso schriftstellerisches arbeiten nicht möglich gewesen wäre. Einerseits steht Korczak als „Praktiker“ (Pelzer(1987), S. 74f), welcher den damaligen fachpädagogischen theoretischen Schriften wenig Bedeutung widmete. (vgl.,ebd.) Andererseits war Korczak der sendungsbewusste Poet, welcher keine Gelegenheit ausließ, die Menschen mit seinen Erlebnissen ebenso seinen Erfahrungen zu konfrontieren. Dies geschah indem er Geschichten erzählte, welche über kleine Alltagsgegebenheiten bis hin zu märchenhaften Romanen reichten. (vgl., Kluge, K.- J., Plum, H., Schnell I. (1981), S. 4f und S. 53) Korczak beschreibt selbst seine Pädagogik als „erzählende Pädagogik“ (Pelzer (1987), S. 43), welche die Nähe zu Zusammenhängen sucht und im Erzählen bewahrt wird. Bereits als Schüler und als Student schrieb er regelmäßig zu sozialkritische Themen, welche in Zeitungen veröffentlicht wurde. Sein erstes Theaterstück schrieb er 1889, bei dem sich die Namensgebung Janusz Korczak zu trug. (vgl., Pelzer (1987), S.20, Biewend (1974), S. 51)) Während seiner Studienjahre erschienen ebenfalls zwei Romane . Sein erster Roman „Kinder der Straße (1901)“ (Pelzer (1987), S. 21) ist ein sozialkritischer Roman, welches das Gefälle zwischen Armut und Reichtum beschreibt und zum Nachdenken anregen soll. Der zweite Roman „Kind des Salons“ folgte drei Jahre später, welches sein Leben in Reichtum und Armut widerspiegelt, eine autobiografisch narrative Erzählung seiner eigenen Kindheit. (vgl., (Pelzer (1987), S. 21) Bis zum Ende seines Studiums werden 280 Titel in der Publikationsliste geführt, welche überwiegend über aktuelle Themen handelt die in Form von „kleinen Aufsätzen, Notizen, Satiren, Kurzgeschichten, Glossen und Anekdoten“ (Pelzer (1987), S. 21) publiziert wurden. In den darauffolgenden Jahren blieb ihm weniger Zeit zum schreiben, welches er mit voller Hinwendung dem Aufbau ebenso die Organisation der Waisenhäuser widmete. Dennoch stammen aus dieser Zeit zwei Prosaskizzen „Die Mojsches, Joscheks und Sruleks (1909)“ (Pelzer (1987), S. 39) ebenso „Die Józeks, Jasieks und Franeks (1910)“ (ebd.), welche seine Erlebnisse und Eindrücke in den Sommerkolonien detailliert beschreiben. 1918 erscheint zum ersten Mal in polnischer Sprache sein pädagogisches Hauptwerk „Wie man ein Kind lieben soll“ (ebd., S. 45), welches eine Sammlung über seine Gedanken, Erlebnisse und eigene Erfahrungen über die Entwicklung des Kindes darstellt. Korczak schreibt in einem „assoziativen“ Sprachstil, welcher seine Beschreibungen, Beobachtungen und Hinweise dem/der Leser_in auffordert selbst zu reflektieren und selbst zu erkennen welche Schlussfolgerung sich anbietet. Dies geschieht in einer Art und Weise oft sehr pädagogisch, welches für den/der Leser_in eine große Herausforderung war. (vgl.,ebd.) Er selbst war in der Lage seine eigene Fehlbarkeit zu benennen und stellte des öfteren seine eigenen pädagogischen Ansätze immer wieder in Frage. Er schreibt dazu selbst: „Und wenn ein Streit ausbricht, sie den Becher zerschlagen, den Garten niedertrampeln, den Zaun einreißen - sind nicht die Kinder schuld, sondern die mangelnde Erfahrung des Erziehers“ (ebd., S 39)
Das Buch „Wie man ein Kind lieben soll“ war zunächst als „kurzes Pamphlet für Eltern und Lehrer gedacht“ (Lifton (1990), S. 109), welches in einer überspitzten und polemischen Sprache geschrieben worden ist. Allerdings fehlen aus dem Manuskript mehrere hundert Seiten, welches aufgrund des langjährigen ebenso des dramatischen Krieges zurückzuführen ist. (vgl., ebd.) In diesem Buch fordert er die „Magna Charta Libertatis“ (Pelzer (1987), S.49), welches ein Grundgesetzt für die Kinder sein soll und von dem später noch ausführlicher eingegangen wird. (vgl.,ebd.) Korczak hat neben seinen pädagogischen und sozialkritischen Schriften auch Kinderbücher geschrieben. Berühmt wurde er mit dem Kinderroman „König Hänschen I“ (ebd., S. 94), welches 1923 aus dem alltäglich-praktischen Bedürfnis heraus den Waisenkindern abends Unterhaltung bieten sollte. Dennoch verbirgt sich hinter der märchenhaften Geschichte eine Utopie der zutiefst ernsthaften Darstellung einer kinngerechten Welt, ebenso der Gefahr ihres Scheiterns. (vgl., ebd., S. 95-98) Währenddessen Korczak als Schriftsteller in Polen schon bekannt war, so blieb er in Europa weitgehend unbekannt. Das einzigste Kinderbuch, was zu Lebzeiten ins Deutsche übersetzt wurde, war die Kindergeschichte „Der Bankrott des kleinen Jack“ (ebd, S.100), welches 1924 erschienen ist. Die erste Kinderzeitung von Korczak erschien 1926, welche wöchentlich der polnisch-jüdischen Zeitung Nasz Przeglad (Unsere Rundschau) beilag. Er nannte sie „Maly Przeglad (Kleine Rundschau)“ (ebd., S. 87), welche von Waisenhaus Kindern wie ebenso von Kindern aus ganz Warschau mitgestaltet wurde. Diese Kinderzeitung wurde ein großer Erfolg, vor allem, da es ihm gelang Kinder bei der Mitwirkung dauerhaft zu motivieren. (vgl., ebd., S. 87f) In seinem Uraufgeführten Theaterstück „Eine düstere Humoreske (1931)“ (ebd., S.101) prophezeit er eine besondere politische Veränderung, welche zehn Jahre später grausame Realität wurde. (vgl., ebd., S. 104) Abschließend dieser unvollständigen Auflistung müssen seine Tagebucheintragungen erwähnt werden, welche Korczaks letzten Lebensweg im Warschauer Ghetto beinhalten.
„Es ist nicht nur die wichtigste biographische Quelle, die wir haben; es ist ein erschütterndes Dokument über den Frühsommer 1942 (…).“ (zit. n. Pelzer in Korczak (1987) )
4. Korczaks Bild vom Kind
Korczaks Sichtweise zum Kind ist die Grundlage seiner Pädagogik, welche er aus seiner erlebten Kindheit und Beobachtungen ebenso Erfahrungen gesammelt und niedergeschrieben hat. Er sieht in jedem Kind einen vollwertigen, fertigen Menschen, welcher genauso ernst genommen werden muss wie ein Erwachsener. Dazu schreibt er: „Wenn ich mit einem Kind spiele oder spreche - dann haben sich zwei gleichwertig reife Augenblicke in meinem und in seinem Leben verbunden; Wir sollten jeden einzelnen Augenblick achten, (…) und immer sollten wir ihn ernst nehmen“ (Korczak (1970), S. 26)
Auch sein Leitgedanke über die Probleme von Kindern ebenso der Kindererziehung formulierte er Öffentlich, welche aus seinen eigenen Erfahrungen ebenso seinen Beobachtungen heraus zur Bewusstseinsveränderung der Bevölkerung beitragen sollte. „Leitgedanke : das Kind ist ein ebenso wertvoller Mensch wie wir“ (Korczak (1970), S. 166) oder „Kinder werden nicht erst zu Menschen - sie sind es bereits“ (Korczak (1979), S. 106), verdeutlichen seine Wertschätzung ebenso seine Achtung gegenüber dem Kind als Individuum. (vgl., Korczak (1995), S. XXIII) Korczaks gesamter Lebensinhalt war auf sein zentrales Anliegen ausgerichtet, welches er bis zu seinem Tod zur Lebensaufgabe machte. Den Kindern eine Welt zu schaffen in der Gleichberechtigung und Friedvolles miteinander herrscht: „Ich habe es gelobt und will dabei bleiben: der Sache des Kindes bin ich verpflichtet“ (Korczak zit. n. Newerly (1995), S. XVII).
Aus dieser Erkenntnis heraus entstand letztendlich sein gesamtes Lebenswerk, welches sich in seinen gesamten Werken wie ein roter Faden hindurchzieht. So schreibt er als Student in der Wochenzeitschrift ‚Spoleczenstow‘(Die Gesellschaft): „Solange wir nicht allen Menschen Brot und ein Dach über den Kopf geben, dazu die Möglichkeit, sich geistig zu vervollkommnen, solange dürfen wir uns nicht der Täuschung hingeben, wir verdienen den Namen ‚Menschliche Gesellschaft‘.“ (vgl., Pelzer (1987), S. 20) Er hat auch keinen Zweifel daran, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Es müsse die Bedeutung der Kindheit für die menschliche ebenso für die gesellschaftliche Entwicklung erkannt werden. Zitate wie: „Ohne eine heitere und vollwertige Kindheit verkümmert das ganze spätere Leben“ (zit. n. Biewend (1974), S. 5) oder „In den Lebensläufen ist die Kindheit jener Berg, von dem der Strom des Lebens seinen Anfang, seinen Anlauf und seine Richtung nimmt“ (zit. n. Mortkowiecz-Olczakowa (1961), S. 14) belegen dies.
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