Die Wasserfrauenthematik in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine" und Ingeborg Bachmanns "Undine geht"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2019

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte der Wasserfrau
2.1 Egenolf von Staufenberg - Der Ritter von Staufenberg
2.2 Paracelsus - Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus

3. Friedrich de la Motte Fouqué - Undine
3.1 Der Naturzustand
3.2 Die Beseelung

4. Ingeborg Bachmann - Undine geht
4.1 Undine als Liebende und Geliebte
4.2 Undine als Grenzgängern
4.3 Undine als Kunst
4.4 Undine und die Existenzialphilosophie

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wasserfrauen üben seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte eine tiefe Faszination aus, die sich über Jahrhunderte bis in die moderne Popkultur zieht. Das überaus weibliche, fließende Element Wasser, verbunden mit der Schönheit, der Schöpfungsmacht, Magie und Unergründlichkeit der Frau. Unter zahlreichen Namen wie Sirenen, Nymphen, Nixen, Meerjungfrauen, Melusinen und eben Undinen tauchen sie in der abendländischen Kulturgeschichte auf.

Die Epoche der Romantik wiederum bildet in Deutschland eine Zeit, die die Literaturgeschichte, aber auch die Malerei und Musik nachhaltig durch eine Fülle an Werken geprägt hat. Während der Romantik werden eine Vielzahl an literaturgeschichtlichen Figuren und Motiven der vergangenen Jahrhunderte rezipiert. Ihrerseits wirkt die Romantik ebenso, indem sie Werke hervorbringt, die wiederum ganz oder in einzelnen Elementen in der moderneren Literaturgeschichte wiederaufgegriffen werden und sich somit bestens für eine Untersuchung der Rezeptionsgeschichte einzelner Motive oder Figuren eignen.

So ist es auch mit der Figur der Undine, einem weiblichen Wasserwesen, dessen Geschichte vom Mittelalter bis zur Moderne reicht und die sich in zahlreichen literarischen, malerischen und musischen Werken der verschiedenen Jahrhunderte wiederfindet.

Zur Zeit der Romantik ist es der preußische, altadelige Hugenottennachfahre Friedrich de la Motte Fouqué, der die Wasserfrau zum ersten Mal mit Undine1 (1811) zur gleichnamigen Figur macht und die „erste literarisch-märchenhafte Bearbeitung des Undine-Motivs“2 liefert. Genau 150 Jahre später, im Jahr 1961 ist es die Österreicherin Ingeborg Bachmann, die mit Undine geht3 die Tradition der Rezeptionsgeschichte fortsetzt und doch eine ganz neue Variante liefert. Für beide stellt die Bearbeitung des Undinenstoffes ein aus dem Gesamtwerk herausragendes Element dar. Bachmanns Text zählt von Beginn an zu den „unanzweifelbaren Dingen in ihrem Schaffen“4. Beide Werke kreisen um das Thema der Wasserfrau und deren Beziehung zu einem überaus menschlichen Geliebten und beide sind „jeweils in fast krasser Art typisch für ihre Epoche.“5 Daher ist eine Untersuchung im Hinblick auf die verschiedenen Gestaltungen der Undine naheliegend. In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie Undine, der weibliche Wassergeist, von Fouqué und Bachmann literarisch geformt und festgehalten wird. Wie tritt Undine auf und wie ist die Zeit ihrer Entstehung in ihr zu erkennen? Nach der Einleitung folgt vorbereitend eine Vorstellung der Undinengeschichten von Egenolf von Staufenberg und Paracelsus, denn sie bilden ein Fundament für Fouqués Ausarbeitung. Im Hauptteil liegt der Fokus auf der Untersuchung der beiden eigentlichen Primärtexte. Undine wird unter Beachtung der groben Zweiteilung der Erzählung zuerst im Hinblick auf den Nazurzustand untersucht und anschließend im Hinblick auf den Zustand nach der erfolgten Beseelung. Da sich Fouqués Erzählung mit Berücksichtigung der romantischen Naturphilospohie ungleich einfacher und in der Forschungsliteratur auch zahlreich interpretierter aufschlüsseln lässt, soll das Gewicht des Hauptteils auf Ingeborg Bachmanns Undinengeschichte liegen. Der vergleichsweise junge Text bietet Interpretationsmöglichkeiten, die weitaus tiefer liegen. Hier stellt sich die Frage nach der Erscheinung der neueren Undine. Wie schafft es Bachmann, diese uralte Figur wiederaufzugreifen und sie in eine vergleichsweise moderne Welt zu bringen? Undine geht wird dafür unter den ersten beiden Punkten im Hinblick auf die Position als Liebende und Geliebte und die Funktion des Grenzgangs untersucht. Die letzten beiden Punkte fokussieren weniger einen analytischen, mehr einen interpretatorischen Ansatz, der Ingeborg Bachmanns Beschäftigung mit der Sprach- und Existenzialphilosophie und den persönlichen und zeitlichen Hintergrund inkludiert. Abschließend werden die gewonnen Erkenntnisse in einem Fazit zusammengefasst und resümiert.

2. Die Geschichte der Wasserfrau

Die Faszination mit den Elementarwesen ist epochenübergreifend in Werken der Literaturgeschichte zu erkennen. Der Anspruch dieses Teil kann aber aufgrund des Umfangs dieser Arbeit nicht darin bestehen, einen ganzen Überblick über Wasserfrauen und ihre Bedeutung in der europäischen Literatur zu geben, ausführlich ist das bereits in den Untersuchungen von Beate Otto6, Irmgard Roebling7 und Ruth Fassbinder-Eigenheer8 geschehen. Zwei gewählte Beispiele sollen vorarbeitend für die Analyse der Undine bei Fouqué und Bachmann veranschaulichen, wie die Wasserfrau in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur auftritt.

Wasser und Weiblichkeit werden seit Jahrtausenden miteinander in Verbindung gebracht. „Aus dem Wasser ist schon seit Urzeiten die Herkunft aller Dinge erklärt worden und so wird es in den großen Religionen und Kulturen verehrt; als mütterlicher Ursprung und Quelle geheimnisvoller Mächte und göttlicher Herkunft.“9 Als Najaden, Nereiden oder Okeaniden tauchen beispielsweise die lieblichen Nymphen der griechischen Antike auf, die Odysseus und Orpheus lockenden Sirenen aus Homers Odyssee bilden das furchteinflößende, gefährliche Gegenstück. Wasserfrauen sind in der Literatur bis heute allgegenwärtig, geformt nach dem Zeitgeist ihrer Entstehungsepoche.

2.1 Egenolf von Staufenberg - Der Ritter von Staufenberg

Die Ursprünge des Wasserfrauenstoffes im europäischen Raum lassen sich nicht eindeutig zurückverfolgen und stammen vermutlich aus vorchristlicher Zeit. Im deutschen Raum ist als Beispiel für die Verbindung zwischen einer übernatürlichen Frau und einem Mann besonders die Gründungsgeschichte des Adelsgeschlechtes der Staufenberger bekannt. Egenolf von Staufenberg webt den sagenhaften Stoff um die übernatürliche Frau nach dem Vorbild des französischen Geschlechts Lusignan-Parthenay und der Geschichte der Melusine in die Familiengeschichte hinein. Die Wasserfrauen der europäischen Literatur lassen sich grob in Undinen und Melusinen einteilen. Hervorzuheben für den Melusinenstoff sind die Verarbeitungen von Jean d’Arras, Marie de France und Coudrette im französischen Raum sowie Konrad von Würzburgs Partonopier und Meliur und Thüring von Ringoltingens Melusine.10 Als Fischfrau, Schlange oder einer Mischung zwischen Drachen und Meerfee tritt Melusine auf, furchteinflößend und nur vorrübergehend in die menschliche Gestalt wechselnd.11 Da sie sich deutlich von der in dieser Arbeit fokussierten Undine unterscheidet, soll aber an dieser Stelle nicht weiter auf sie eingegangen werden.

Kern der Versnovelle Ritter von Staufenberg (1310) ist die gestörte Martenehe, ein feststehender Begriff, der die Verbindung zwischen Mensch und einem übernatürlichen Wasserwesen beschreibt, zumeist „eine Nymphe oder eine Wassernixe, eine Meerminne, eine9 10 11

Meerfei.“12 Ritter Staufenberg erblickt eines Tages am Wegesrand eine junge, wunderschöne Frau, die ihn vollkommen gefangen nimmt, „da er die schoene alleine vant, sin herz durch schoß der minne brant.“13 Er gelobt, ihr ewig zu folgen, ist so verzaubert, dass er die körperliche Vereinigung direkt am Ort des Treffens vollziehen will. Die Frau ist aufgrund ihrer zauberischen Ausstrahlung in der absoluten Machtposition. Die Frau des Stauffenbergers offenbart ihre überirdische Natur durch die Erklärung, ihn schon seit jeher beschützt und begleitet zu haben, „das ich dir bin mit truwen mitte“14 sowie durch das Versprechen großen Reichtums, „ich will dir got ze burgen geben“15. Die Verbindung geht aber mit einem Verbot einher. So lange diese nicht gebrochen wird, entstehen aus der Verbindung Reichtum und Ansehen. Wird das Verbot aber gebrochen, folgt meistens der Tod. In den Versen des Staufenberges ist es dem Ritter verboten, eine andere Frau zu ehelichen. „Aber nimmst du ein elich wip, / so stirbet din vil stolzer lip, / dar nach am dritten tag“16, warnt ihn die Wasserfrau dort. Doch auf Drängen seiner Freunde hin, stimmt er bald daraufhin einer richtigen Ehe zu. Das Verbot ist überschritten, die Geliebte prophezeit den Eintritt des Todes durch die Ankündigung ihres nackten Fußes, „ich will lan sehen minen fuoß“17. Zu berücksichtigen ist, dass Egenolf von Stauffenbergs Version zwar die übernatürliche Frau präsentiert, sie aber in der ersten Fassung als „frowe“18 und als „schoener wip“19, also als edle Dame von höherer Geburt vorstellt, die aber mit dem Wasser zunächst nicht zu tun hat. Erst mit dem Druck der handschriftlichen ersten Version und verschiedenen darauffolgenden Ausgaben wird aus der Frau wahlweise eine „merfeye“, „merfaiin“, „Meervein“ oder „Meervenus“.20 Die Novelle des Staufenbergers bildet bereits die an Konditionen gebundene Verbindung eines übernatürlichen und eines natürlichen Menschen ab. Betrachtet man die Frau der Geschichte, so ist sie zwar zunächst als bezauberndes, übermächtiges Wesen charakterisiert, wird jedoch ganz im Sinne einer mittelalterlich-christlichen Auffassung durch einen Bischof zur Teufelin degradiert indem dieser Ritter Staufenbergs Schwärmerei entgegnet, „der tufel sich geschaffen, / hett zu einem wibe“21. Lässt der Ritter nicht von ihr ab, verweigert auch er den christlichen, richtigen Weg, denn „der tufel in der helle, / ist uwer schlaf geselle.“22 Die eheliche Verbindung zwischen Naturwesen und Mensch scheitert an der christlichen Weltsicht, Staufenberg lässt ab und sagt bald die Hochzeit mit einer anderen Königstochter zu. „An der Ehe als geheiligtem Gefüge göttlicher und menschlicher Rechtsordnung hat die frouwe als heidnisches Naturwesen keinen Anteil und sie muss fordern, dass auch ihr Ritter davon ausgenommen bleibe.“23

2.2Paracelsus - Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus

Die Geschichte der Undine beginnt durch Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus des Schweizer Naturphilosophen Theophrastus von Hohenheim, bekannt als Paracelsus, im 16. Jahrhundert. Detailliert und mit beinahe wissenschaftlichem Interesse werden die in den vier Elementen wohnenden Geister beschrieben, die jeweils einen eigenen Namen tragen und sich sowohl im Reich der Menschen und im Reich der Geister bewegen können. Die Wassergeister werden dabei als Nymphen und als Undinen vorgestellt: „Die im Wasser sind Nymphen [...]. Wiewohl von Wasserleuten Undina der Nam auch ist / und von den Luftleuten Sylvestres / und von den Bergleuten Gnomi und vom Feuer mehr Vulcani als Salamandri [...].“24 Neben der Namensgebung ist Paracelsus auch verantwortlich für die Einführung eines Motivs, dass sich beim Staufenberger noch gar nicht, dafür aber bei Fouqué in zentraler Rolle wiederfindet. Die Elementargeister sind zwar in allen Dingen wie die Menschen, besitzen aber keine Seele. „Dann wiewol sie Vich sind / so haben sie doch all Menschen Vernunfft/ allein die Seel nicht“25 Die Beseelung ist aber möglich, durch die Verbindung mit einem Menschen. Die Elementarwesen suchen darum von sich aus den menschlichen Kontakt. „Und aber so sie mit dem Menschen in Bündnuß kommen / als dann so gibt die Bündnuß die Seel.“26 Mit dieser Darstellung geht eine christliche Wertung einher, das Elementarwesen erscheint als „erlösungsbedürftige Kreatur“27 und kann so aus dem teuflischen Naturzustand, den die mittelalterliche Staufenbergsage aufzeigt, gerettet werden. Obwohl die Geister geschlechtsneutral dargestellt werden, wird doch immer die Verbindung von einer Wasserfrau und einem Menschenmann besprochen. Diese „Paktbeziehung“28 ist wieder an zwei22 23 24 25 26 27 28

Konditionen gebunden. Die Wasserfrau erhält eine Seele, der Mann darf sie aber nicht in Wassernähe kränken. Tut er es doch, muss sie zurück in ihr Element. Heiratet er dann erneut, kehrt sie ein letztes Mal zurück und bringt ihm den Tod.

Nun ist das Naturwesen Wasserfrau bei Paracelsus zwar nicht mehr der teuflische Dämon der mittelalterlichen Sage. Aber das Beseelungsmotiv erfüllt dennoch eine wichtige Funktion. Einerseits kann es eingeführt worden sein, „um den Undinen ihren reinen Naturstatus zu nehmen und sie so aus der Dämonenzuschreibung zu lösen.“29 Denn Paracelsus bezieht sich sogar wörtlich auf die Staufenbergsage und deren verteufelte Zauberfrau. „Nun also ist ein wahrhafftig Historien von der Nymphen in Stauffenberg / die sich mit jhrer Schöny inn Weg gesetzt hatt / und jhren Herrn den sie fürnam / fürwartet. Nun ist es nicht minder / bey den Theologen ist solch ding Teuffelsgespenst: Aber fürwar nicht bei den rechten Theologen.“30 In richtiger christlicher Auffassung spricht nach ihm nichts dagegen, weil „Gott solch Mirackel geschehen leßt“31. Die verdammende, verteufelnde Wertung ist somit verschwunden. Andererseits spricht aus der Möglichkeit der Beseelung ebenso eine deutliche menschliche Hybris, die die Existenz vollkommen seelenloser, nach menschlichem Maßstab unzivilisierter Naturwesen nicht aushält.

3.1 Friedrich de la Motte Fouqué - Undine

Friedrich de la Motte Fouqué ist nicht nur schriftstellerisch tätig, er gibt auch seine eigene Zeitschrift Jahreszeiten heraus. Im Jahr 1811 erscheint in ebendieser auch seine Undine, später wird das Werk nochmal als eigenständiges Buch herausgegeben. Das Kunstmärchen gilt als sein bestes Werk und wird durch die herausragende Verarbeitung der Wasserfrauenthematik sogar als Begründung einer „eigenen Traditionslinie“32 gesehen.

Der vorwärtsblickenden Aufklärung setzt die Romantik eine weitreichende Faszination an der beseelten, mystischen und geheimnisvollen Natur und dem endlosen Schatz der Sagen, Märchen und Geschichten des Mittelalters entgegen. Der Jahrhunderte alte Mythos um die Undine ist ihnen „eine Möglichkeit der Zuflucht vor der aufklärerischen Ratio.“33 Die in Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris von Paracelsus dargestellte Welt eignet sich hervorragend für eine romantische Wiederaufnahme. Für die Epoche der Romantik sind Undinen dann gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zum Element von Bedeutung. Die Natur und ihre Elemente werden in ihrer Magie und Poesie gesehen, Elementargeister werden zu „Figuren des phantastischen Überschreitens der Wirklichkeit.“34 Dass Fouqué sich konkret auf die Quellen Paracelsus und Staufenberg bezieht, weist er selber in einer nach der Erzählung veröffentlichten Notiz nach:

In Nr 239 der Allg. Lit. Zeit. befindet sich eine sinnvolle Recension meiner Zeitschrift, die Jahreszeiten, wo der Wunsch geäußert wird, ich möge die Quellen angeben, aus welcher ich mein dort abgedrucktes Mährchen Undine genommen habe. Mit Vergnügen begegne ich der wohlwollenden Anfrage, berichtend, daß ich aus Theophrastus Paracelsus Schriften schöpfte [,..]Der alte Theophrastus ereifert sich gar ernstlich darüber, daß Leute, die an Wasserfrauen verehlicht seien, solche oftmals für Teufelinnen hielten, und sich nicht mehr nach deren Verschwinden für gebunden erachteten, sondern vielmehr zur zweiten Ehe schritten. Das bringe aber den Tod, und zwar verdientermaßen. Zum Beleg erzählt er ein Ritter von Stauffenberg sei am zweiten Hochzeitstage durch die Rache der beleidigten Wasserfrau gestorben. Alles übrige im Mährchen ist meine Erfindung.35

Ganz und gar romantisch verwebt Fouqué die Geschichte seiner Undine, die „berühmteste Umarbeitung der Staufenberg-Sage“36 in einen mittelalterlichen Schauplatz und Kontext mit Ritter, Turnier, Schloss und einer mystischen, unergründeten Naturwelt. Er ist nicht der erste Romantiker, der sich des Stoffes annimmt. Achim von Arnim fügt sein Lied Ritter Stauffenberg und die Meerfeye (1806) in Des Knaben Wunderhorn ein und Ludwig Tieck verfasst eine Sehr wunderbare Historie von der Melusina (1800). Und ab 1800 tritt eine weitere Wasserfrau der Romantik namens Loreley zahlreich in den Werken von Clemens Brentano, Heinrich Heine und Joseph von Eichendorff auf. Aber Fouqué verleiht der Undine in Anlehnung an den reinen Gattungsbegriff bei Paracelsus ihren eigenen Namen. Zudem gilt seine Undine als der Prototyp der romantischen Wasserfrau, da sich bei ihm die gesamte Naturphilosophie und Geschlechtermoral der Epoche manifestiert.37

Ritter Huldbrand von Ringstetten, im Minnedienst der herzoglichen Pflegetochter Bertalda unterwegs, trifft den an einem abgeschiedenen See lebenden Wassergeist Undine und vermählt sich seiner Verzauberung folgend mit ihr. Undine, die mit ihren Pflegeeltern in einer Hütte an diesem See zusammenlebt, ist von ihrem Oheim, dem Wassergeist Kühleborn angewiesen worden, durch Heirat mit dem Ritter ihren Elementarzustand aufzugeben und eine Seele zu erlangen. Die aufbrausende und ungebändigte Erscheinung der Wasserfrau bringt Huldbrand aber schließlich dazu, sich Bertalda, der Pflegetochter seines Herzogs zuzuwenden. Die Dreieckskonstellation spitzt sich zu. Kühleborn versucht mehrere Male, gegen diese Verbindung vorzugehen, aber Undine beschützt ihren Geliebten. Nachdem Huldbrand sie während einer Schifffahrt schilt, verschwindet sie im Wasser der Donau. Kühleborn droht dem Ritter mit dem Tod, sollte er Bertalda heiraten. Undine warnt ihn, kann aber nicht verhindern, dass Bertalda anlässlich ihrer Hochzeit den Burgbrunnen öffnen lässt. Den Gesetzen der Wassergeister folgend, dringt Undine in die Burg ein und tötet Huldbrand durch einen Kuss. An Huldbrands Grab entspringt schließlich eine kleine, die Erde umfließende Quelle.

[...]


1 de la Motte Fouqué, Friedrich: Undine - Eine Erzählung. Mit einer Nachbemerkung. Reclam, Stuttgart 2001. (Fortlaufend wird für Zitate aus dem Primärtext Undine die Sigle „U", sowie die entsprechende Seitenzahl verwendet).

2 Trüpel-Rüdel, Helga: Undine - eine motivgeschichtliche Untersuchung. Bremen 1987, S. 63.

3 Bachmann, Ingeborg: Undine geht. In: Dies.: Werke. Hrsg.von Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster. Zweiter Band. Erzählungen. München/Zürich 1978. (Fortlaufend wird für Zitate aus dem Primärtext Undine geht die Sigle „UG" sowie die entsprechende Seitenzahl verwendet).

4 von Matt, Peter: Liebesverrat. Die Treulosen in der Literatur. 2. Auflage. München 1994, S. 240.

5 von Matt, S. 230.

6 Roth, Gerline: Hydropsie des Imaginären. Mythos Undine. Paffenweiler 1996

7 Roebling, Irmgard: Sehnsucht und Sirene: Vierzehn Abhandlungen zu Wasserphantasien. Pfaffenweiler 1992.

8 Fassbind-Eigenheer, Ruth: Undine oder die nasse Grenze zwischen mir und mir. Ursprung und literarische Bearbeitungen eines Wasserfrauenmythos. Von Paracelsus über Friedrich de la Motte Fouqé zu Ingeborg Bachmann. Stuttgart 1994.

9 Gutiérrez-Koester, Isabel: „Ich geh nun unter in dem Reich der Kühle, daraus Ich geboren war...". Zum Motiv der Wasserfrau im 19. Jahrhundert. Berlin 2001, S. 18.

10 Vgl. Otto, S. 38-51.

11 Vgl. Stephan, Inge: Inszenierte Weiblichkeit. Coderung der Geschlechter in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Köln 2004, S. 220.

12 Lecouteux, Claude: Das Motiv der gestörten Mahrtenehe als Wiederspiegelung der menschlichen Psyche. In: Janning, Jürgen; Gehrts, Heino; Ossowski, Heino (Hrsg.): Vom Menschenbild im Märchen. Kassel 1980, S. 59.

13 Egenolf von Staufenberg: Der Ritter von Staufenberg. Hrsg. Von Eckhard Grunewald. Tübingen 1979, S. 15.

14 Ebd., S. 18.

15 Ebd., S. 21.

16 Ebd.

17 Ebd., S. 53.

18 Ebd., S. 11.

19 Ebd.

20 Vgl. Malzew, Helena: Menschenmann und Wasserfrau. Ihre Beziehung in der Literatur der deutschen Romantik. Berlin 2004, S. 188f.

21 Staufenberg, S. 50.

22 Staufenberg, S. 50.

23 Röhrich, Lutz: Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Bd. 1. Bern/München 1962, S. 245.

24 Theophrastus von Hohenheim genannt Paracelsus: Liber de nymphis, sylphis, pygmaeis et salamandris et de caeteris spiritibus. Hrgs. Von Robert Blaser. Bern 1960, S. 16f.

25 Ebd., S. 16.

26 Ebd., S. 24.

27 Trüpel-Rüdel, S. 48.

28 Ebd.

29 Trüpel-Rüdel, S. 48.

30 Paracelsus, S. 30f.

31 Paracelsus, S. 31.

32 Stephan, S. 221.

33 Gutiérrez-Koester, S. 77.

34 Trüpel-Rüdel, S. 53.

35 In: Die Musen. Eine norddeutsche Zeitschrift, hrsg. Von Friedrich Baron de la Motte Fouqué und Wilhelm Neumann, 4. Quartal, Berlin 1812, S. 198f.

36 Malzew, S. 194.

37 Vgl. Gutiérrez-Koester, S. 9.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Wasserfrauenthematik in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine" und Ingeborg Bachmanns "Undine geht"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
30
Katalognummer
V1040845
ISBN (eBook)
9783346460516
ISBN (Buch)
9783346460523
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wasserfrauenthematik, friedrich, motte, fouqués, undine, ingeborg, bachmanns
Arbeit zitieren
Felicia Börner (Autor:in), 2019, Die Wasserfrauenthematik in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine" und Ingeborg Bachmanns "Undine geht", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1040845

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