Green Economy im E-Commerce. Chancen und Risiken von nachhaltigen Geschäftsmodellen im Online-Handel am Beispiel des Sharing Economy Modells


Bachelorarbeit, 2020

61 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINFOHRUNG

2. NACHHALTIGKEIT-HINTERGRUND UND LIBERBLICK
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
2.2 HandlungsmaBnahmen fur eine nachhaltige Entwicklung im In- und Ausland
2.3 Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
2.3.1 Okologie
2.3.2 Okonomie
2.3.3 Soziologie
2.4 Corporate Social Responsibility (CSR) - Nachhaltigkeit in Unternehmen
2.5 Green Economy

3. SHARING ECONOMY
3.1 Begriffsentstehung und Definition
3.2 Formen des Sharing Economy
3.2.1 Konzept nach Botsman und Rogers
3.2.2 Konzept nach Volker Bruhl
3.3 Vier Prinzipien der Sharing Economy
3.3.1 Kritische Masse - Critical Mass
3.3.1.1 Wahlmoglichkeiten-Choice
3.3.1.2 SozialerBeweis-SocialProof
3.3.2 Unausgelastete Kapazitaten - Power of Idling Capacity
3.3.3 Glaube an die Gemeinschaft - Belief in the Commons
3.3.4 Vertrauen gegenuber Fremden - Trust in Strangers
3.4 Grunde fur die Entstehung einer Sharing Economy
3.4.1 Technologischer Fortschritt
3.4.2 Wandel in der Konsumkultur
3.4.3 Neue Konsumgesellschaft: Generation Y
3.5 Kategorisierung der Sharing Economy
3.5.1 Akteure und Auspragungsformen
3.5.1.1 Corporate Sharing
3.5.1.2 Privatesharing
3.5.1.3 SocialSharing
3.5.2 Unternehmenskonzepte
3.5.2.1 Kostenloses Teilen
3.5.2.1 KostenpflichtigesTeilen
3.5.2.1 Mieten

4. SHARING ALS GESCHAFTSMODELL
4.1 Analyse der Unternehmen
4.1.1 Analyse des Mobilitatssektor am Beispiel BlaBlaCar
4.1.2 Analyse des Unterkunftssektors am Beispiel Airbnb
4.1.3 Analyse der Kleidungsbranche am Beispiel Kleiderkreisel
4.2 Chancen und Risiken der Sharing Economy
4.2.1 Chancen derSharing Economy
4.2.2 Risiken der Sharing Economy

5. FAZIT

6. ABBILDUNGSVERZEICH N IS

7. TABELLENVERZEICHNIS

8. LITERATU R

Kurzfassung

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesonderefurnachfolgende Generationen. Ziel dieser Forschung ist es, Moglichkeiten aufzuzeigen, die eine grunere Wirtschaft fur Unternehmen und Verbraucher bieten. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, wie sich das Bewusstsein fur Nachhaltigkeit entwickelt hat. Auch auf nationaler und internationaler Ebene wurden Maftnahmen fur die Entwicklung ergriffen. Die sogenannte Green Economy verbindet die Themen Okologie und Okonomie und forded nachhaltiges Wachstum auf der Grundlage eines umfassenden Verstandnisses der Zusammenhange in Wirtschaft, Finanzen und Politik. Das Geschaftsmodell der Sharing Economy bietet die Perspektive, diese beiden Themen zu verbinden. Zum besseren Verstandnis dieses Geschaftsmodells werden die Grundprinzipien sowie die Grunde fur die Entstehung der Sharing Economy aufgezeigt. Daruber hinaus ist eine Kategorisierung der einzelnen Akteure und Formen des Teilens relevant. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden drei Unternehmen analysiert, die im Rahmen des Geschaftsmodells tatig sind. Dabei wurden zahlreiche Chancen, aber auch einige Risiken identifiziert, mit denen Unternehmen und Konsumenten konfrontiert sind.

Abstract

The issue of sustainability is becoming increasingly important, especially for future generations. The aim of this research is to identify opportunities that a greener economy offers to businesses and consumers. It is important to understand how the awareness of sustainability has developed. Development measures have also been taken at national and international level. The so-called green economy combines the issues of ecology and economy and promotes sustainable growth based on a comprehensive understanding of the interrelationships in economics, finance and politics. The business model of the Sharing Economy offers the prospect of combining these two issues. For a better understanding of this business model, the basic principles as well as the reasons for the emergence of the Sharing Economy are presented. Furthermore, a categorization of the individual actors and forms of sharing is relevant. In order to answer the research question, three companies operating within the business model were analyzed. Numerous opportunities, but also some risks, were identified with which companies and consumers are confronted.

Keywords: Sharing Economy, Collaborative Consumption, Sustainability, Green Economy

1. Einfuhrung

Wissenschaftler warnen in dem Sonderbericht vom November 2018 des IPCC davor, dass sich unser Fenster zur Verhinderung eines katastrophalen Klimawandels schlieftt (vgl. IPCC, 2018). Ihnen zufolge ist die Uberbeanspruchung der naturlichen Ressourcen, insbesondere in den Industrielandern als Folge unseres nicht nachhaltigen Verbrauchs, Schuld am katastrophalen Artensterben und tragt zur fortgesetzten Emission von Treibhausgasen bei (Grooten und Almond, 2019). Fur das Fortbestehen der Menschheit ist es daher umso wichtiger, dass in der Gesellschaft und der Unternehmenskultur ein Wandel hin zu einer umweltschonenderen und innovationsorientierten Wirtschaft stattfindet.

Die Green Economy - zu Deutsch Grune Wirtschaft - ist eine Chance fur alle, indem sie Okologie und Okonomie verbindet. Die Idee der Green Economy erkennt einerseits die okologischen Rahmenbedingungen mit ihren Grenzen an und zielt andererseits darauf ab, ein umweltvertragliches qualitatives und damit nachhaltiges Wachstum auf der Basis eines umfassenden Verstandnisses der Zusammenhange in Wirtschaft, Finanzen und Politik zu ermoglichen. Damit sollen veranderte, nachhaltige Produktions- und Konsummethoden entwickelt werden, urn Wohlstand und eine hohe Lebensqualitat weltweit und insbesondere fur nachfolgende Generationen zu sichern. Der Weg zur Green Economy ist gekennzeichnet durch einen Veranderungsprozess, der sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt. Er betrifft eine umfassende okologische Modernisierung dergesamten Wirtschaft und ihrerSektoren. Zu den Faktoren einer umweltgerechten Wirtschaft gehoren Ressourcenverbrauch, Emissionsreduktion, Steigerung der Energie- und Rohstoffproduktivitat sowie eine nachhaltige Konzipierung von Produkten, Versorgungssystemen und der Infrastruktur. In direktem Zusammenhang damit stehen auch Fragen der Lebens- und Arbeitsbedingungen, der Konsumgewohnheiten, der Produktlebenszyklen und der Finanzierungsmodelle. (vgl. BMU, 2013, S.5). Wie wichtig, die Green Economy fur die Bundesregierung ist, zeigt sich unter anderem auch darin, dass sie bis 2018 insgesamt 350 Millionen Euro fur die Forschung zur Verfugung gestellt hat (vgl. BMBF, 2018). Das Phanomen der Sharing Economy und ihre Geschaftsmodelle als alternative Form des Konsums tragen ihren Teil dazu bei, dass die Wirtschaft „gruner“ wird. Im Grunde geht es bei der Sharing Economy urn kollektiven Konsum und die systematische gemeinsame Nutzung von Gutern und Dienstleistungen, insbesondere durch Privatpersonen, die so genannten Peers. Einige glauben, dass die Okonomie des Teilens die Losung fur die sozialen Probleme der Industrielander ist, denn die gemeinsame Nutzung von Gutern kann nicht nur die wirtschaftliche Effizienz steigern, sondern auch die Umwelt durch geringeren Ressourcenverbrauch schutzen. Daruber hinaus sorgt ein gerechterer Konsum dafur, dass die voneinander entfremdete Gesellschaft der heutigen Marktgesellschaft wieder zueinanderfindet. (vgl. Dorr, Goldschmidt und Schorkopf, 2018). Mit Sharing Economy entsteht eine Vielzahl neuer Unternehmen, die mithilfe des Internets Kunden und Anbieter von Dienstleistungen zusammenbringen, urn in der realen Welt Geschafte zu machen.

Doch welche Chancen und Risiken dieserGeschaftsmodelle im Kontext der Sharing Economy gibt es?

Um die Forschungsfrage beantworten zu konnen, ist es zunachst notwendig, einen Uberblick uber das Thema Nachhaltigkeit (Kapitel 2) zu gewinnen. Daher wird zuerst der Begriff Nachhaltigkeit erklart und sein geschichtlicher Hintergrund betrachtet. Anschlieftend werden Handlungsmaftnahmen aufgezeigt, die im In- und Ausland stattgefunden haben, urn die nachhaltige Entwicklung zu fordern. Weiterhin werden die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, Okonomie, Okologie und Soziologie aufgefuhrt. Daraufhin wird auf die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung, der Corporate Social Responsibility und dem Thema Green Economy eingegangen.

In Kapitel 3 wird einleitend der Begriff Sharing Economy erlautert und mogliche Definitionsansatze gegeben. Im Anschluss werden verschieden Strukturierungsformen aus der wissenschaftlichen Literatur dargestellt. Darauf anknupfend werden die vier Prinzipien nach Botsman und Rogers, die eine Voraussetzung fur Sharing Economy bilden, elaboriert. Im weiteren Verlauf werden mogliche Grunde fur die Entstehung aufgezahlt und untersucht. Im Anschluss wird ergrundet, welche Akteure sich an der Sharing Economy beteiligen und welche Unterschiede es in der Unternehmensform gibt.

Weiterhin wird im Kapitel 4 untersucht mit welchen Herausforderungen und Chancen die Sharing Economy verbunden ist. Abschlieftend werden darauf eingehend im letzten Kapitel Maftnahmen vorgestellt, die fur den Erfolg von Sharing Economy Geschaftsmodellen relevant sind.

2. Nachhaltigkeit-Hintergrund und Uberblick

Der Begriff Nachhaltigkeit (sustainability) ist heutzutage allgegenwartig und wird mit unterschiedlichen Kontexten und Bedeutungen in Verbindung gebracht. Der Begriff wird gerne fur Marketingzwecke in Form von umweltbewussten Firmenphilosophien verwendet. Viele Unternehmen und Organisationen bezeichnen ihre Produkte oder Dienstleistungen als nachhaltig und versuchen dadurch ein positives Image zu vermitteln (vgl. Renn u. a., 2007, S. 73). Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung (sustainable developement) hat in den vergangenen dreiftig Jahren nicht nur im Online- und Offline-Marketing an Bedeutung gewonnen, sondern spielt auch bei der Frage nach der zukunftigen Entwicklung der Menschheit eine tragende Rolle.

Im folgenden Kapitel wird der Unterschied zwischen den Begriffen Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung geklart. Aufterdem werden auf den geschichtlichen Ursprung der Begrifflichkeiten und der Entwicklung von Nachhaltigkeit eingegangen. Weiterhin werden Handlungsmaftnahmen aufgezeigt, die sowohl national als auch international eine tragende Rolle spielen. Abschlieftend wird untersucht welche Bedeutung das Thema Nachhaltigkeit fur Unternehmen hat und was in diesem Sinne der Begriff Corporate Social Responsibility bedeutet.

2.1 Geschichtlicher Hintergrund

Die genaue Herkunft des Prinzips der Nachhaltigkeit lasst sich nicht mehr deutlich nachweisen. Wissenschaftlervermuten, dass der Ursprung dieser Lebensweise bereits in der Kultur sudamerikanischer Indianerstamme vorzufinden ist. Einer dieser indianischen Stamme hat ihren See den weltweit langsten Namen gegeben: „“Lake Chaubunagungamaug". Ubersetzt bedeutet dieser Name so viel wie: ,,Wir fischen auf unserer Seite, ihr fischt auf eurer Seite und niemand fischt in der Mitte“ (vgl. Weizsacker, 1997, S. 240). Mit dieser verstandlichen Vorschrift wird ein nachhaltiger Umgang mit den damals uberlebenswichtigen Ressourcen zum Wohle der Menschheit und der Umwelt beschrieben (vgl. Mumm, 2016, S. 16). In der deutschen Sprache tauchte der Begriff „nachhalten“ zum ersten Mai im Jahr 1713 mit der Bedeutung Jangere Zeit andauern oder bleiben" auf. Der von dem Oberhauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) geschriebene Folioband ..Sylviculture Oeconomica, oder Hauftwirtschaftliche Nachricht und Naturgemafte Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“ brachte den Begriff in den Zusammenhang mit der Nutzung von Waldern, bei der nur so viele Baume gefallt werden durfen, wie durch Aufforstung nachwachsen konnen (vgl. Grober, 1999). Carlowitz fordert zu einer nachhaltigen Forstwirtschaft auf, urn sicherzustellen, dass es eine kontinuierliche, bestandige und zukunftsfahige Nutzung des Waldes gebe.

Aus dem Forstwirtschaftssektor wurde dieses Grundprinzip in den nachfolgenden Jahren auf andere okologische Richtungen ubertragen. In seinem Werk „Grundsatze der Forst- Oeconomie" von dem Forstwirt Wilhelm Gottfried Moser wurde das Prinzip „nur so viel zu nutzen, wie auch nachwachsen kann“ urn einen sozialen Kontext und urn eine zeitliche Komponente erweitert: Ziel einer nachhaltigen Wirtschaft sei es, heutigen und kommenden Generationen einen bestandigen Zugriff auf Ressourcen zu ermoglichen (vgl. Moser, 1757, S. 31). Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem Zusammenprall von Okonomie und Okologie, deren Ziele und Vorgehensweisen inkompatibel erschienen. Derfreie Markt und sein Gesetz von Angebot und Nachfrage sorgten dafur, dass nicht mehr ein konstant hoher Holzertrag, sondern ein moglichst hoher finanzieller Ertrag im Vordergrund stand. Die Industrialisierung und das Streben nach immer hoheren Gewinnen fuhrten dazu, dass auf eine ressourcenschonende Abholzung verzichtet wurde. Das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit verlor an Wert und es dauerte uber hundert Jahre bis die wissenschaftlichen Disziplinen Okologie und Nachhaltigkeitwiederaufgegriffen wurden (vgl. Pufe, 2017, S.39).

Als Ausgangspunkt fur die Ausbreitung der modernen Umweltpolitik kann das Buch "Der stumme Fruhling" (Silent Spring) von der Biologin Rachel Carson aus dem Jahr 1962 gesehen werden. Es handelt von einer fiktiven Kleinstadt, bei der nach dem Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien, die Tier- und Pflanzenwelt ausstirbt und die Einwohner erkranken. Grundlage und Ausloser fur dieses Buch war ein reales Vogelsterben, das auf den Einsatz von DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), einem umstrittenen Insektizid, zuruckgefuhrt wurde. Das Buch sorgte fur Betroffenheit und loste in den USA eine heftige politische Debatte aus, die letztendlich zu einem spateren Verbot von DDT fuhrte. Mit ihren eindringlichen Erzahlungen, Fallbeispielen und Expertenaussagen lautete Carlson eine entscheidende Wende ein: Die Menschen erkennen sich selbst als Ursache okologischer Probleme und das Thema Umweltschutz wurde einem breiteren Publikum zuganglich gemacht (vgl. Mumm, 2016, S. 27). Ein weiteres weltbewegendes Ereignis war das „Earthrise“-Foto, das 1968 von Astronauten der Apollo 8 aufgenommen wurde und den Erdaufgang uber der Mondlandschaft zeigte. Durch diesen Anblick erlangten die Menschen ein starkeres Bewusstsein dafur, dass alle gemeinsam auf der Erde leben.

Neben „The Silent Spring" kennzeichnet auch der veroffentlichte Bericht ,,Grenzen des Wachstums" des Club of Rome (1972) die Menschheit als Verursacher von Umweltproblemen (vgl. Meadows, 1972, S. 17). Der Bericht thematisiert die Knappheit der Ressourcen angesichts einer gleichzeitig wachsenden Weltbevolkerung und eines Konsumstils, der langfristig zu einem Zusammenbruch fuhren wird. Die Veroffentlichung scharfte das Bewusstsein fur die Endlichkeit der naturlichen Ressourcen und fur die Dringlichkeit einer internationalen Umweltpolitik (vgl. Mumm, 2016, S. 30f).

Zunehmende okologische, soziale und wirtschaftliche Probleme erhohten den Handlungsdruck auf die Vereinten Nationen. In Anbetracht dessen grundeten sie im Jahr 1983 eine unabhangige Sachverstandigenkommission, die sogenannte Weltkommission fur Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Developement, WCED). Sie machte es sich zur Aufgabe unter dem Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerprasidentin, Gro Harlem Brundtland, einen Perspektivbericht, auch Brundtland-Bericht genannt, zur Erreichung einer langfristigen, tragfahigen sowie umweltschonenden Entwicklung zu erarbeiten (vgl. Grunwald und Kopfmuller, 2012, S. 23f). In dem Brundtland-Bericht wurde ein wichtiger Aspekt hervorgehoben, der zuvor oft vernachlassigt worden war: Globale Umweltprobleme sind hauptsachlich das Ergebnis nicht nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster im Norden und grower Armut im Suden. Der Bericht hat weiterhin dazu beigetragen, den Begriff der nachhaltigen Entwicklung zum ersten Mai einer breiten Offentlichkeit als globales Leitbild der Entwicklung zuganglich zu machen (vgl. Pufe, 2017, S. 43).

1987 tauchte der Begriff der nachhaltigen Entwicklung im Abschlussbericht des WCED auf, und der folgende Auszug daraus gilt seither als die "klassische" und weitgehend allgemeingultige Definition und Leitbildbeschreibung:

Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedurfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass kunftige Generationen ihre eigenen Bedurfnisse nicht befriedigen konnen (Hauff, 1987, S. 46).

Damit ist gemeint, dass alle Handlungen und Maftnahmen in der Gegenwart zum Wohle der Allgemeinheit und mit Rucksicht auf zukunftige Generationen durchgefuhrt werden sollen. Eine weitere, in eine Gleichung gefasste Definition von der Wissenschaftlerin Iris Pufe (2017, S. 42) bietet die Formel: Nachhaltigkeit = Umwelt + Entwicklung. Sie zeigt in ihrer Dissertation „Klima, Walder, indigene Volker" auf, wie Umweltveranderungen die menschliche Entwicklung beeinflussen. Die besondere Naturverbundenheit von indigenen Volker macht deutlich, wie stark der Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung ist. So bietet beispielsweise der Regenwald die notwendige Grundlage fur kulturelles und wirtschaftliches Uberleben und beeinflusst die Entwicklung einer Gemeinschaft (vgl. Pufe, 2017, S. 43). Dabei gilt es zu beachten, dass es einen Unterschied zwischen den Begriffen Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung gibt. Bei der nachhaltigen Entwicklung handelt es sich urn den Prozess gesellschaftlicher Veranderung, wohingegen der Begriff Nachhaltigkeit das Ende dieses Prozesses beschreibt (vgl. Grunwald und Kopfmuller, 2012, S. 23 ff).

Ein weiterer Meilenstein der Umweltbewegung war die weltweite Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992, die den Hohepunkt gemeinsamer globaler Nachhaltigkeitsbemuhungen markiert. 178 Staaten beteiligten sich 12 Tage lang am „Erd-Gipfel“, urn uber umwelt- und entwicklungspolitische Fragen des 21. Jahrhunderts zu beraten. Dabei wurde das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung als internationales Leitprinzip festgelegt. Ausschlaggebend dafur war die Erkenntnis, dass wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit und die Sicherung der naturlichen Ressourcen gleichermaften wichtige und sich gegenseitig erganzende Interessen sind, die von entscheidender Bedeutung fur den Erhalt der Umwelt sind. Kernstuck von Rio bildete die sogenannte Agenda 21, in der eine neue Entwicklungs- und Umweltpartnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungslandern gefordert wird. Sie umfasst wichtige entwicklungspolitische Ziele, wie die Armutsbekampfung, die nachhaltige Bewirtschaftung der Wasser-, Boden- und Waldressourcen und wichtige Umweltziele wie beispielsweise die Verringerung des Treibhauseffekts. Insgesamt hat der Gipfel von Rio das Konzept der Nachhaltigkeit in die politische Arena gebracht (vgl. Pufe, 2017, S. 48ff).

Nachdem die historischen Stationen des Ursprungs der nachhaltigen Entwicklung aufgezeigt und bereits Einblicke in die politische Umsetzung des Leitbildes gegeben wurden, wie sie im Brundtland-Bericht oder auf der Umweltkonferenz in Rio erwahnt wurden, wird der weitere Verlauf dieser Arbeit zeigen, welche Handlungsmaftnahmen fur eine nachhaltige Entwicklung im In- und Ausland eingeleitet wurden.

2.2 HandlungsmaSnahmen fur eine nachhaltige Entwicklung im In- und Ausland

„Wir konnten die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen, ebenso wie wir die letzte sein konnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten." Diesen beruhmten Satz sagte Ban-Ki Moon, damaliger UN-Generalsekretar von 2007 bis 2016, im Kontext der Agenda 2030.

Im September 2015 wurde die Agenda 2030 auf einem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen von alien Mitgliedsstaaten verabschiedet und gilt fur alle Lander der Welt, sowohl fur die Industrielander als auch fur die Schwellen- und Entwicklungslander. 17 Ziele, die Sustainable Developement Goals (SDG) wurden unter breiter Beteiligung der Bevolkerung auf der ganzen Welt entwickelt und werden von einem neuen globalen Verstandnis von Wohlstand begleitet. Im Mittelpunkt steht nicht mehr das Pro-Kopf Einkommen, sondern die Umgestaltung der Volkswirtschaften hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, beispielsweise durch verantwortungsbewusste Konsum- und Produktionsmuster sowie durch die Forderung umweltfreundlicherer und bezahlbarer Energie. Klimapolitik, nachhaltige Entwicklung und Armutsbekampfung sollen starker als bisher in engem Zusammenhang miteinander gesehen werden.

Die SDGs traten am 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren, folglich bis 2030 in Kraft (vgl. Pufe, 2017, S. 55f). Im Rahmen der Agenda 2030 lassen sich funf Kernbotschaften benennen, die den 17 SDGs als Leitprinzipien („5Ps“) ubergeordnet sind: Menschen, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft bzw. im Englischen: People, Planet, Prosperity, Peace, Partnership (vgl. BMZ, 2020).

Tabelle 1: Kembotschaften derSDGs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Pufe, Geschichte der Nachhaltigkeit und soziopolitischer Hintergrund, 2017, S. 56

Auch in Deutschland wurden Maftnahmen ergriffen, urn die nachhaltige Entwicklung national voranzutreiben.

Im Jahr 1990 trat in Deutschland das sogenannte ,,Gesetz uber die Umweltvertraglichkeitsprufung (UVPG)“ in Kraft, das besagt, dass neben Menschen unter anderem auch Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt und Klima zu den schutzenden Gutern gehoren (vgl. Gesetz uber die Umweltvertraglichkeitsprufung (UVPG), 1990). In der Bundesrepublik Deutschland ist die Umweltvertraglichkeitsprufung Teil eines Verwaltungsverfahrens, das der Entscheidung uber die Zulassigkeit von Projekten, das heiftt von Einzelprojekten einer bestimmten Groftenordnung wie zum Beispiel der Bau eines Flughafens, einer Industrieanlage Oder einer Fernstrafte, dient. Ziel ist es, die potenziellen Umweltauswirkungen des geplanten Projekts zu identifizieren und zu bewerten, damit die gewonnenen Erkenntnisse in die Entscheidung uber die Zulassigkeit des Projekts einflieften konnen. Aufgrund der foderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland ubertragen die Bundeslander Zustandigkeiten und Kompetenzen an die Bundeslander und diese wiederum an die Kommunen. (vgl. Pufe, 2017, S. 158). Zum Beispiel mussten in den vergangenen Jahren in der Region Unterfranken in regelmaftigen Abstanden Umsiedlungen, der vom Aussterben bedrohten Feldhamster, durchgefuhrt werden. Zum wiederholten Male mussten Bauvorhaben aufgrund des Bundesnaturschutzgesetzes verschoben werden (vgl. Bayer, 2017).

In einem 2010 verabschiedeten Maftnahmenprogramm wurden Aufgaben und Ziele zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Verantwortungsbereich der Bundesregierung festgelegt. Fur die Umweltpolitik einige wichtige Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie:

- Energieproduktivitat: zwischen 1990 und 2020 soil sich verdoppeln.
- Treibhausgase 80 bis 95 % bis 2050 (jeweils gegenuber 1990) zu reduzieren.
- Anteil erneuerbarer Energien (Endenergieverbrauch): bis 2050 auf 60 % ansteigen.
- Anteil erneuerbare Energie (Stromverbrauch) auf mindestens 80 % bis 2050 ansteigen.
- Tagliche Flachenverbrauch (Deutschland): bis 2020 auf 30 Hektar reduzieren (vgl.

Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU, o.J.).

Die Strategie und die einzelnen Maftnahmen werden kontinuierlich weiterentwickelt. Die Bundesregierung veroffentlicht alle vier Jahre Fortschrittsberichte. Alle zwei Jahre geben Indikatoren-Berichte detailliert Auskunft daruber, wie sich die Kernbereiche der Nachhaltigkeitspolitik in Deutschland entwickelt haben (vgl. BMU, o.J.).

Laut der Bundesregierung hat auch die Coronavirus-Erkrankung (COVID-19), die Anfang des Jahres 2020 von der WHO zu einer weltweiten Pandemie erklart wurde, Auswirkungen auf die Erreichung der SDGs. Auf der Website der Bundesregierung wird deutlich gemacht, dass ein gesundes Leben und Wohlergehen (SDG 3) nicht getrennt zu Themen, wie Armutsbekampfung (SDG 1), Beseitigung des Hungers in der Welt (SDG 2) und Streben nach Geschlechtergleichheit (SDG 5) betrachtet werden kann. Aufterdem weist die Bundesregierung darauf hin, wie wichtig es ist, auf internationaler Ebene gut zusammenzuarbeiten. Insbesondere urn den schutzbedurftigsten Menschen zu helfen, sei ein internationales Gesundheitssystem (SDG 3) sowie eine internationale Finanzarchitektur einschlieftlich sozialer Sicherungssysteme (SDG 1,2 und 16) zu starken. Auf dem Nachhaltigkeitsgipfel im Herbst 2019 einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, dass die Geschwindigkeit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele deutlich erhoht werden musse, wenn die Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht werden sollen. Nach dem Prinzip „leave no one behind" soil niemand zuruckgelassen werden, war eine der Kernbotschaften des Gipfels. Mit diesem Leitprinzip der Agenda 2030 soil verhindert werden, dass benachteiligte Bevolkerungsgruppen aus dem Entwicklungsprozess ausgeschlossen werden. Dieses Prinzip sei besonders in Krisensituationen wie der aktuellen Pandemie von grower Bedeutung (vgl. Bundesregierung, 2020).

2.3 DreiDimensionen der Nachhaltigkeit

In der wissenschaftlichen Literatur findet sich in der Annaherung an die Bedeutung und die Komponenten der Nachhaltigkeit haufig der Begriff des Nachhaltigkeitsdreiecks. Das Dreieck wird zur Darstellung der Gleichwertigkeit der verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit verwendet. Dabei handelt es sich urn die Kategorien Okologie, Okonomie und Soziales. Diese drei Dimensionen bilden die Grundpfeiler der Nachhaltigkeit oder nachhaltigen Entwicklung. Weiterhin findet man in der Literatur die Begrifflichkeit „Saulen der Nachhaltigkeit", die jedoch die Assoziation eines nebeneinander ablaufenden Wirkens und nicht wie es bei Dimension der Fall ist, auf das weitflachige verwobene In- und Miteinander der drei Bereiche verweisen (vgl. Pufe, 2017, S. 99ff). Im folgenden Abschnitt werden die drei Dimension beschrieben.

2.3.1 Okologie

Die okologische Nachhaltigkeit meint den Erhalt der Natur und der okologischen Vielfalt durch den schonenden Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen. Menschen greifen in das Okosystem ein und verandern es zum Beispiel durch den Abbau von Rohstoffen, Umlenkung von Energiestromen, die Veranderung groftraumiger naturlicher Strukturen und die kritische Belastung von geschutzten Gutern, wie die Atmosphare. Berucksichtigt man die okologische Dimension, bedeutet nachhaltiges Handeln, auf die okologische Tragfahigkeit zu achten. Bei der Nutzung der naturlichen Ressourcen muss deren Regenerationsfahigkeit und -zeit berucksichtigt werden. Daruber hinaus mussen die Grenzen der Aufnahmefahigkeit der Erde fur Abfalle und Emissionen respektiert werden, damit der Natur keine irreversiblen Schaden zugefugt werden. Ein Streitpunkt ist in diesem Sinne der Zeitpunkt wann die Erschopfung der Natur erreicht ist (vgl. ebd., S.101).

Der sogenannte Erduberlastungstag (Earth Overshoot Day), der von der Non-Profit­Organisation Global Footprint Network ins Leben gerufen wurde, markiert jedes Jahr den Tag, an dem die Menschheit alle biologischen Ressourcen verbraucht hat, die die Erde wahrend des ganzen Jahres erneuern kann. Im Jahr 2020 ist dieserTag im Vergleich zum Vorjahr drei Wochen spater und zwar am 22. August errechnet worden.

Die Menschheit verbraucht derzeit 60% mehr als das, was erneuert werden kann - oder so viel, als ob wir auf 1,6 Planeten leben wurden. Vom Earth Overshoot Day bis zum Ende des Jahres vergroftert die Menschheit das okologische Defizit, das seit dem Ruckgang des okologischen Overshoot der Welt Anfang der 1970er Jahre stetig zugenommen hat. Dies geht aus den National Footprint & Biocapacity Accounts (NFA) hervor, die auf UN-Datensatzen basieren (mit 15.000 Datenpunkten pro Land und Jahr).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vergangene Earth Overshoot Days weltweit 1970 bis heute

Quelle: Global Footprint Network, 2020

Da sich die UN-Daten nur bis 2016 erstrecken, wurden die globalen Ergebnisse fur 2020 mit Hilfe von erganzenden Daten bewertet. Die Verringerung des okologischen Fuftabdrucks der Menschheit urn 9,3% ist eine direkte Folge der weltweiten COVID-19 Quarantanen. Hauptgrunde sind die Reduktion im Holzverbrauch und der CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (vgl. Mailhes, 2020).

2.3.2 Okonomie

Die okonomische Nachhaltigkeit bezieht sich auf den optimalen Einsatz von Ressourcen und eine effiziente, wirtschaftliche Leistung. Wird die wirtschaftliche Dimension berucksichtigt, bedeutet nachhaltiges Handeln, der nachsten Generation ein funktionierendes Wirtschaftssystem mit ausreichenden Ressourcen zu hinterlassen (vgl. Pufe, 2017, S. 101). Dabei stutzte sich der Begriff auf die Forstwirtschaft, mit dem Ziel, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ohne den Erhalt der Funktionsfahigkeit der Okosysteme nicht moglich ist.

2.3.3 Soziologie

Soziale Nachhaltigkeit bedeutet eine gerechte Verteilung der Ressourcen zur Sicherung der Lebensgrundlagen und der sozialen Gerechtigkeit. Weiterhin geht es darum, eine Losung fur Verteilungsprobleme, wie den Zugang zu Chancen, Ressourcen und grundlegenden Gutern zu finden. Zu den sozialen Grundgutern gehoren zum einen individuelle Guterwie das Leben selbst, Gesundheit, Grundversorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Wohnung und elementare politische Rechte. Sie geben den Menschen die Moglichkeit, ein sicheres, menschenwurdiges und selbstbestimmtes Leben zu fuhren. Andererseits zahlen auch soziale Ressourcen, wie beispielweise Toleranz, Solidarity, Integrationsfahigkeit, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeitssinn dazu. Sie sorgen fur einen dauerhaften sozialen Zusammenhalt und den Erhalt des sozialen Friedens. Dies bedeutet sowohl eine akzeptable Losung der Verteilungsprobleme zwischen Regionen, zwischen sozialen Schichten, Geschlechtern und Altersgruppen als auch Losungen fur das Problem der kulturellen Integration, Zugehorigkeit und Identitat (vgl. Grunwald und Kopfmuller, 2012, S. 58). Daruber hinaus spielt der globale Verteilungskonflikt zwischen den reichen Industrielandern im Norden der Welt und den armen und hoch verschuldeten Schwellen- und Entwicklungslandern im Suden der Welt eine grofte Rolle fur die Verteilungsgerechtigkeit. Eine mogliche Losung ware die Schaffung menschenwurdiger Arbeitsplatze, Chancengleichheit, Bildungschancen und eine angemessene Versorgung jener Generation, die den Arbeitsmarkt verlasst. Unter Berucksichtigung der sozialen Dimension bedeutet nachhaltiges Handeln die Forderung von Gerechtigkeit und Gleichheit in Bezug auf die Chancen und die Lebensqualitat furalle Menschen, die heute und in ZukunftaufderErde leben (vgl. Pufe, 2017, S. 102f).

2.4 Corporate Social Responsibility (CSR) - Nachhaltigkeit in Unternehmen

In der Wirtschaft hat das Leitmodell der nachhaltigen Entwicklung ebenfalls Einzug gehalten. Zahlreiche Unternehmen bemuhen sich nun auch urn die Losung von Umweltproblemen und befassen sich mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Sie haben erkannt, dass die komplexen Herausforderungen fur eine nachhaltige Entwicklung nur mit grofterem Engagement und in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen sowie mit Branchenverbanden, Kunden, dem offentlichen Sektor, gemeinnutzigen Organisationen und der Gesellschaft bewaltigt werden konnen (vgl. Richter, o. J.). Corporate Social Responsibility (CSR), zu Deutsch ,,Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung" bezieht sich auf die 17 Ziele der Agenda 2030 und die Verantwortung von Unternehmen sozial fair und okologisch zu wirtschaften. Als Beispiele fur Maftnahmen, die von Unternehmen freiwillig ergriffen werden konnen, nennt Pufe (2017, S. 265) unter anderem folgende: Diversity Management, Fort- und Weiterbildungen, Kooperationen und Allianzen mit NGOs, Unternehmensstiftungen Oder eine verbesserte Work-Life-Balance. Die Umsetzung dieser Maftnahmen konnten fur die Unternehmen auch eine hohere Attraktivitat als Arbeitsgeber zur Folge haben oder zu einem starkeren Vertrauen bei Stakeholdern fuhren. Aufterdem macht die Autorin deutlich, dass Unternehmen von First-Mover-Vorteilen profitieren und so moglicherweise Gesetzesverscharfungen zuvorkommen konnen. Laut Pufe (2017, S. 264f) zwingen Aspekte, wie Globalisierung, Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Gesetzesverscharfungen, Fachkraftemangel, verandertes Konsum- und Nachfrageverhalten Unternehmen zum Umdenken. Gelingt ihnen dies nicht, werden sie mit den Folgen ihrer Tatenlosigkeit konfrontiert. Nachhaltiges und damit erfolgreiches Wirtschaften kann nur durch ein Zusammenspiel von wirtschaftlicher, okologischer und sozialer Verantwortung erreicht werden.

2.5 Green Economy

Neben der ,,unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung" soil auch das Thema Green Economy die Okologie und Wirtschaft verbinden. 2012 war es das zentrale Thema des UN- Nachhaltigkeitsgipfels Rio+20. In der Folge hat das Bundesministerium fur Bildung und Forschung gemeinsam mit dem Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit eine Agenda fur die Green Economy auf den Weg gebracht, urn den Transformationsprozess hin zur Green Economy im Dialog mit Partnern und Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam zu gestalten. Es geht darum, die Transformation zu einer grunen Wirtschaft zu unterstutzen mittels Forschung mit konkretem Anwendungsbezug und unter Einbeziehung der Akteure und Nutzer. Im Rahmen der Agenda wurde gemeinsam mit den wichtigsten Wirtschaftsverbanden, Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGO) eine strategische Forschungsagenda entwickelt, die auf der Green Economy-Konferenz 2014 in Berlin derOffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Agenda umfasstdiefolgenden Handlungsfelder:

- Produktion und Ressourcen: Rohstoffe, Wasser und Land
- Nachhaltigkeit und Finanzdienstleistungen
- Nachhaltiger Konsum
- Nachhaltige Energieversorgung und -nutzung in der Wirtschaft
- Nachhaltige Mobilitatssysteme
- Infrastrukturen und intelligente Versorgungssysteme fur die Zukunftsstadt

Das Bundesministerium hat insgesamt 350 Millionen Euro fur die Forschung der Green Economy bis 2018 zur Verfugung gestellt. Zusatzlich ist nachhaltiges Wirtschaften Teil der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung, mit der die Lebensqualitat in Deutschland gesichert wird (vgl. BMBF, 2018).

Die oben genannten Handlungsfelder zeigen deutlich einen Bezug zum Online Handel. Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstsein ist seit langem ein Trend im E-Commerce. Themen wie Okologie und Nachhaltigkeit, die einen starken Einfluss auf die Zukunft haben, werden von den Konsumenten zunehmend nachgefragt. Deshalb versuchen immer mehr Online-Handler, auf diese Bedurfnisse einzugehen und ihr Geschaftsmodell nachhaltig zu gestalten.

Im Groben und Ganzen hat das Thema Nachhaltigkeit in den vergangenen 40 Jahren eine Welle der Aufmerksamkeit nach sich gezogen. Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker und die allgemeine Bevolkerung suchen nach Losungen fur eine zukunftsorientierte und nachhaltige Entwicklung. Das Geschaftsmodell der Sharing Economy bietet ein Weg dorthin. Im folgenden Kapitel soil daher ein Einblick in das Thema geboten werden.

3. Sharing Economy

Der Lebensraum in den Stadten wird kleiner, die Ressourcen werden knapper und die Bedeutung der Nachhaltigkeit nimmt zu. Inzwischen verfugt mehr als die Halfte der Weltbevolkerung uber einen Zugang zum Internet (vgl. ITU, 2019) und die Technologien unterliegen einem standigen Wandel. Angesichts dieser Entwicklung erfahrt das Thema Sharing Economy eine wachsende Bedeutung. Im Zusammenhang mit einer sich wandelnden Verbraucherkultur werden Flexibility fur die Verbraucher und ein Wertversprechen fur Waren und Dienstleistungen immer wichtiger (vgl. YouGov Analyse: Sharing Economy, 2019, S. 2). Das Ziel des folgenden Kapitels ist es, ein grundlegendes Verstandnis fur Sharing Economy zu schaffen. Zu Beginn wird die Entstehung des Begriffes erlautert und verschieden Ansatze einer moglichen Definition anhand der aktuellen wissenschaftlichen Forschung gegeben. Es werden nachfolgend die Auspragungen der Sharing Economy nach zwei wissenschaftlichen Autoren vorgestellt und anhand von Beispielen genauer erlautert. Auf dieser Basis werden schlieftlich die Voraussetzungen fur das Funktionieren der Sharing Economy abgeleitet. Anschlieftend werden Motivationsfaktoren fur die Nutzung sowie mogliche Ziele der Sharing Economy dargestellt.

3.1 Begriffsentstehung und Definition

Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time machte schon im Jahr2011 deutlich, dass Sharing Economy weitreichende Veranderungen einleiten wird: „Someday we’ll look back on the 20th century and wonder why we owned so much stuff" (Walsh, 2011). Sobaid man sich mit der Sharing Economy beschaftigt und Geschaftsmodelle betrachtet, fallt auf, dass es eine grofte Menge an unterschiedlichen Begriffen und Definitionen gibt. Das liegt zum einen daran, dass die Neuheit des Themas eine Vielzahl an Autoren und Unternehmen dazu verleitet, sich dem Themenfeld mit neuen Ideen und Bezeichnungen zu positionieren. Andererseits fuhrt gerade diese Neuerung auch dazu, dass es nur wenige wissenschaftlich fundierte Publikationen gibt. Folglich werden in den Definitionen unterschiedliche Begriffe verwendet, die an sich nicht einheitlich sind (vgl. Zimmermann, 2016, S. 9). Ab 2008 taucht der Begriff Sharing Economy haufiger in wissenschaftlichen und popularwissenschaftlichen Diskussionen auf und bedeutet ubersetzt soviel wie „teilende Wirtschaft". Neben diesem Begriff werden oft auch die Bezeichnungen ,,Share Economy", „KoKonsum“, „kollaborativer Konsum", „Nutzen-statt-Besitzen“ Oder „Peer-to-Peer Economy" verwendet (vgl. Theurl, 2015, S. 87-90). Da fur das noch relativ junge Forschungsgebiet in der aktuellen Fachliteratur keine einheitliche Definition der Sharing Economy existiert, stellt die Autorin nachfolgend die Erkenntnisse verschiedener Autoren dar, die den Begriff gepragt haben.

Der Harvard Okonom Martin L. Weitzmann, ein Wegbereiter der Sharing Economy, geht in seinem 1984 veroffentlichten und weltweit bekannten Werk ,,The Share Economy - Conquering Stagflation" der Frage nach, ob fixe Oder flexible Gehalter zu einem Wachstum der Beschaftigung fuhren. Dort heiftt es: je mehr untereinander geteilt wird, umso grower ist der Wohlstand aller Marktteilnehmer. In dem Buch wurde eines der ersten Kernkonzepte der heutigen Sharing Economy entwickelt und dargestellt (vgl. Weitzmann, 1984, S. 146).

Ein weiterer bekannter Wirtschaftswissenschaftler, der im Zusammenhang mit Sharing Economy steht, ist der Soziologe und Okonom, Jeremy Rifkin. Haufig gebraucht er den Begriff ,,Commons“, was ubersetzt „Allmende“ Oder auch „Gemeingut“ bedeutet (vgl. Rifkin, 2014, S. 32). Im Jahr 1998 fragte sich Rifkin (2014, S. 339), was passieren konnte, wenn Millionen von Internetnutzern die traditionellen Kanale des Marktes umgehen wurden, indem sie ihre eigenen virtuellen Treffpunkte einrichten wurden, wo sie Ideen, Informationen, Dienstleistungen und Dinge auf einem Commons austauschen konnten - ohne Mittelsmanner, Zwischenhandler, Preisaufschlage Oder Margen der traditionelle kapitalistischen Wertschopfungskette. Jeremy Rifkins gilt als Vordenker der Sharing Economy (vgl. Posselt, 2016, S. 3). Er prognostizierte eine neue Wirtschaftsordnung, die den Marktkapitalismus nicht ersetzen, sondern verandern wird - "ein neues System des Gemeinwohls". Zudem ging er davon aus, dass Eigentum fur den okonomischen Prozess unbedeutender wird: ,,Die Ara des Eigentums geht zu Ende, das Zeitalter des Zugangs beginnt" (Rifkin, 2007, S. 104). Dabei schreibt der Okonom insbesondere dem Fortschritt in der Informationstechnik eine hohe Bedeutung zu, worauf in Kapitel 3.2.1 naher eingegangen wird. Er glaubt auch, dass Netzwerke an die Stelle von Markten treten werden und dass das Streben nach Eigentum zu einem Streben nach Zugang, nach Zugriff zu dem, was diese Netzwerke zu bieten haben, wird (Rifkin, 2007, S. 10). Nach seinerAuffassung werden sich dieVerbraucherneu orientieren:

Sie streben weniger nach dem Eigentum an einer Sache, denn nach ihrer Verfugbarkeit. Zwar werden niedrigpreisige haltbare Dinge auch weiterhin gekauft und verkauft werden, teurere Objekte jedoch, Gerate, Autos Oder Hauser, werden zunehmend von Anbietern gehalten werden, die den Konsumenten uber zeitlich befristete Leasing- oder Mietvertrage, Mitgliedschaften und andere Dienstangebote Zugang und Nutzung gewahren. (Rifkin, 2007, S. 13).

Uberdies sieht er einen positiven Effekt des kollaborativen Konsums und der Sharing Economy in Form der Forderung eines notwendigen nachhaltigeren Lebensstils und einer Reduzierung der Konsumsucht in einerWirtschaft des Uberflusses (vgl. Rifkin, 2014, S. 346).

Nach Meinung von Posselt (2016, S. 3) beruht die Sharing Economy ,,nicht nur ein genereller Uberdruss am Uberfluss zugrunde, sondern auch ein konkreter am Eigentum, das im 21. Jahrhundert[...] immermehrzu belasten scheint".

Sharing Economy ist in Deutschland noch nicht allzu lange ein gelaufiger Begriff. Erst seit Oktober 2014 wird der Begriff regelmaftiger auf der Internet-Suchmaschine Google gesucht, wie man auf Google Trends sehen kann (vgl. Google Trends. Suchbegriff: Sharing Economy, 2020). Gemaft Botsman und Rogers (2011, S. 69) handelt es sich bei Sharing Economy aber nicht urn einen kurzfristigen Trend. Vielmehrfuhrt die Entwicklung von kollaborativem Konsum zu einem kulturellen und politischen Umbruch, der durch Technologieentwicklung und Wertewandel hervorgerufen ist. In ihrem Buch „What's Mine Is Yours - How Collaborative Consumption Is Changing The Way We Live" von 2011 diskutieren, Rachel Botsman und Roo Rogers wesentliche Kontextbedingungen und Ursachen fur die Entstehung alternativer Besitz- und Konsumformen. Sie sind der Meinung, dass den Menschen das Teilen angeboren ist (2011, S. 213), diese Eigenschaft allerdings vor allem in der Nachkriegszeit unterdruckt wurde. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs ist eine Kultur des Hyperkonsums und des Materialismus entstanden (vgl. Botsman und Rogers, 2011, S. 20). Infolgedessen haben sich eine Wegwerfgesellschaft und ungenutzte Ressourcen herausgebildet (vgl. Botsman und Rogers, 2011, S. 7, 24). Gemaft den Autoren (2011, S.41ff) haben Ereignisse wie die Weltwirtschaftskrise im Jahr 2009 Oder auch Naturkatastrophen und Probleme, wie der Klimawandel die Entwicklung von der ..Generation Me" hin zu einer ..Generation We" vorangetrieben. Den von ihnen gepragten Begriff ..Collaborative Consumption” bezeichnen sie als „new promising economic and social mechanism that starts to balance individual needs with those of our communities and planet” (vgl. Botsman und Rogers, 2011, S. 64). Weiterhin bedeutet die Sharing Economy fur sie ein „System, welches die kostenlose Oder kostenpflichtige gemeinsame Nutzung von nicht ausreichend genutzten Vermogenswerten oder Dienstleistungen direkt zwischen Einzelpersonen oder Organisationen erleichtert" (vgl. Botsman, 2016).

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Stampfl (2015, S. 17) versucht sich diesem interdisziplinaren Begriff mit einer kurzen jedoch treffenden Definition zu nahern. Im Wesentlichen wird unter Sharing Economy die gemeinsame Nutzung und systematische Ausleihe verschiedener Produkte, Guter und Dienstleistungen verstanden. Ressourcen konnen vorubergehend ohne die Ubertragung des Eigentums genutzt werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Green Economy im E-Commerce. Chancen und Risiken von nachhaltigen Geschäftsmodellen im Online-Handel am Beispiel des Sharing Economy Modells
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt  (E-Commerce)
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
61
Katalognummer
V1041986
ISBN (eBook)
9783346468499
ISBN (Buch)
9783346468505
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachhaltigkeit, Corona, Share Economy, Sharing Economy, Green Economy, E-Commerce, Collaborative Consumption, Sustainability
Arbeit zitieren
Maria Sendner (Autor:in), 2020, Green Economy im E-Commerce. Chancen und Risiken von nachhaltigen Geschäftsmodellen im Online-Handel am Beispiel des Sharing Economy Modells, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1041986

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