Freizeit und Arbeit in einer Justizvollzugsanstalt am Beispiel der JVA Kiel


Hausarbeit, 1999

14 Seiten


Leseprobe


Freizeit und Arbeit in einer Justizvollzugsanstalt am Beispiel der JVA Kiel

0. Einleitung

Im Sommersemester 1999 war ich im Gefängnis. Und zwar im Rahmen eines Kompatkseminares im Fach evangelische Religion. Wir besuchten dort an einem Sonntagmorgen den Gottesdienst in der Gefängniskirche. Am Anschluß an den Gottesdienst, welcher von einem katholischen Vikar gehalten wurde, gab es noch die Möglichkeit, sich mit den erschienenen Häftlingen zu unterhalten. Dort wurde über alles mögliche gesprochen, natürlich auch darüber, weswegen sie inhaftiert waren.

Diese Hausarbeit will sich mit dem Verhältnis von Arbeit und Freizeit, der Institution Justizvollzugsanstalt, dem Alltag und der Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in einer solchen Institution beschäftigen.

Bei den Ausführungen zu dem Alltag in der Justizvollzugsanstalt Kiel stütze ich mich auf das Gespräch mit dem Inhaftierten, sowie auf ein Telefonat mit dem Anstaltsleiter.

1. Freizeit und Arbeit

Freizeit - was ist das überhaupt? Ist das die Zeit, in der man frei ist, das zu tun was man möchte? Oder die Zeit, in der ich frei bin, hinzugehen, wohin ich möchte? Oder ist das nur die Zeit, in der man nicht arbeiten muß? Bei VW am Band kam es zwischen mir und einem Kollegen zu folgendem Dialog:

Kollege: „Was machst du denn so?“

Ich: „Ich bin Student.“

Kollege: „Dann weißt Du ja gar nicht, was Arbeit ist! Höhöhö!“

Ich: „Doch, daß weiß ich. Ich hab‘ nämlich schon in den letzten Semesterferien hier gearbeitet, und zweitens ist es auch Arbeit, eine Hausarbeit zu schreiben, ein Referat zu halten, sich vier langweilige Seminare am Tag anzutun oder für eine Klausur zu lernen“

Kollege: „Ach, so!“

In diesem Beispiel kommt ein unterschiedliches Verständnis von Arbeit und Freizeit zum Vorschein. Für den Kollegen heißt Arbeit folgendes: Um 4 Uhr morgens aufstehen, um 6 Uhr ist Schichtbeginn und um 14 Uhr ist Schichtende (in der Frühschicht). Danach ist Feierabend, man fährt nach Hause und hat Feierabend und somit Freizeit. Bei VW in Emden ist es jedoch so, daß im Schnitt alle Stunde fünfzehn Minuten Pause ist.

Für mich ist Freizeit die Zeit, in der ich frei bin um etwas zu tun, wozu ich gerade lustig bin. Arbeit ist, für mich, im Gegensatz dazu, das, was ich tun muß. Wenn ich zum Beispiel acht Stunden am Tag an einer Examens- oder Hausarbeit sitze, so ist auch dieses Arbeit. Gehe ich aber in meiner Freizeit am Wochenende, wenn ich bei meinen Eltern in Ostfriesland zu hause bin, Arbeiten, so tue ich das dann gerne. Ich muß jetzt aber fairer weise dazu sagen, daß es ich dort nur Autos von einem Platz zum anderen fahre und dafür auch noch bezahlt werde. Man könnte also sagen, daß es in diesem Falle keine Arbeit im herkömmlichen Sinne ist, sondern eher bezahlte Freizeitgestaltung. Da meine Hauptbeschäftigung zur Zeit jedoch Student ist, gehört das verfassen von Hausarbeiten, wie gerade in diesem Moment zu meiner Arbeit.

1.1. Definition: Freizeit

Das waren meine Definitionen von Arbeit und Freizeit. In Meyers großem Taschenlexikon von 1998 findet sich folgende Definition von Freizeit:

„Freizeit der (im Einzelnen unterschiedlich definierte) Zeitraum, der dem arbeitenden Menschen neben seinen beruflichen oder berufsähnlichen Verpflichtungen verbleibt. Freizeit wird entweder als Gesamtheit dieser ‚NichtArbeitszeit‘ oder nur als die darin enthaltene ‚Mußezeit‘ definiert; häufig wird Freizeit auch in reproduktive oder regenerative (Ernährung, Schlaf, Körperpflege) und frei disponible, ‚verhaltensbeliebige‘ Zeit (z.B. Vergnügen, Tätigkeiten zur Selbstverwirklichung) unterteilt.[...].“1.

Das ist die Definition, wie sie in einem Lexikon der Allgemeinbildung steht. In einem fachwissenschaftlichen Lexikon sieht das anders aus. Dort steht nämlich:

„[...]solchen Definitionen, die Freizeit als arbeitsfreie Zeit lediglich „negativ“ fassen, stehen ‚positive‘ gegenüber; letztere verstehen Freizeit als relativ autonomen, sinnerfüllten Lebensbereich, beziehen sich auf die Qualität von Freizeit bzw. den Sinn, den Menschen mit Freizeit und Freizeitverhalten verbinden.“2

Für einen Historiker könnte Freizeit einen Zeitpunkt der Geschichte darstellen, an dem überhaupt nichts geschah. Einen Soziologen/eine Soziologin interessiert natürlich, was die Gesellschaft in ihrer Freizeit so treibt, seit wann es den Begriff „Freizeit“ überhaupt gibt, wie sich die Freizeitgesellschaft entwickelt hat, ob an der Änderung der Freizeitgestaltung der in einem bestimmten Land lebenden Menschen, im Laufe der Jahrzehnte, ein Wertewandel allgemein stattgefunden hat. Er/Sie untersucht deswegen „[...]die institutionellen, sozialorganisatorischen und sozialstrulturellen Determinanten und Funktionen von Freizeit[...]“3

Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die industrielle Revolution auch die Arbeitswelt revolutionierte, dachte noch keiner daran, ob man in der Freizeit noch aktiv werden sollte. Damals waren die Arbeiter viel zu müde, um etwas zu unternehmen. Von der harten körperlichen Arbeit, waren viele froh, überhaupt noch den Weg nach Hause zu schaffen.

Ende des 19. Jahrhunderts erkämpften die Gewerkschaften die ersten Rechte für Arbeiterinnen und Arbeiter. Dazu gehörte auch geregelte Arbeitszeiten und erste Versuche, den Arbeitern auch Urlaub zu gewähren. So bekamen die Berufsstände immer mehr Freizeit, obwohl dieses, verglichen mit heutigen Verhältnissen, doch immer noch lächerlich war. Ein Grund für die Verkürzung der Arbeitszeit lag zum einen darin, daß die Arbeiter mehr Konsumieren sollten, (irgendeiner mußte noch Zeit haben, die produzierten Massen auch zu kaufen) und somit die Wirtschaft ankurbeln sollten und zum anderen darin, ein ausgeruhter und zufriedener Arbeiter einen effizienteren Arbeiter abgab.

Nun hatten die Arbeiter mehr Freizeit. Da dem Menschen aber grundsätzlich schnell langweilig wird, wenn er nichts zu tun hat, begann er in seiner Freizeit, beziehungsweise in seinem verhältnismäßig kurzem Urlaub, seine Freizeit zu gestalten. Und so hat sich bis heute eine regelrechte Freizeitindustrie gebildet, in der auch wieder Menschen arbeiten.

1.2. Definition: Arbeit

Auch für den Begriff ‚Arbeit‘ findet sich in Meyers Taschenlexikon eine Definition:

„Arbeit [althochdeutsch ar(a)beit, eigentlich ‚Mühe‘, ‚Plage‘], bewußtes, zielgerichtetes Handeln des Menschen zum Zweck der Existenzsicherung wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen; zugleich wesentliches Moment der Daseinserfüllung.[...]“4

Aus dieser Definition von Arbeit kann also geschlußfolgert werden, daß Arbeit an sich nur ein „notwendiges Übel“ ist, um zu leben, man arbeitet also, um zu leben. Dieses mag auf den ungelernten Fabrikarbeiter zutreffen. In oberen Berufsgruppen scheint es manchmal umgekehrt zu sein, besonders bei Künstlern, für die ihre „Berufung“ keine Arbeit ist. Es gibt bestimmte Berufsgruppen, die laut Schulze5 in bestimmte Milieus einzuordnen sind. Künstler werden dem „Selbstverwirklichungsmilieu“6 zugeordnet.

Nicht umsonst geben viele Künstler an Schulen Kunstunterricht auf Vertragsbasis. Sie bezeichnen diesen Job oftmals als „Brotjob“; leben also, um zu arbeiten, hier ist der zweite Definitionsteil zutreffend, nämlich der, daß die Arbeit zugleich auch einen großen Teil der Selbstverwirklichung ausmacht.

Das Soziologie-Lexikon definiert den Begriff Arbeit differenzierter. Es definiert ihn im Allgemeinen nämlich wie folgt:

„Arbeit. 1. Die bewußte, gezielte körperliche und/oder geistige Tätigkeit, die ein materielles oder immaterielles Produkt hervorbringt und das mittelbar (evtl. über Entlohnung) zur Sicherung der materiellen und geistigen Existent dient[...]“7.

Diese Definition unterscheidet sich meiner Ansicht nach von der des Meyer Lexikons nur in der Wahl der Begrifflichkeit, ansonsten ist sie weitgehend gleich. Daß sie andere Begriffe verwendet liegt wohl darin, daß das Soziologie-Lexikon ein Fachbuch ist und von seinen Leserinnen und Lesern erwarten darf, daß sie verstanden werden. Jedoch werden noch Unterschiede in der Art von Arbeit gemacht. So werden hier noch die einfache Arbeit, die jeder jederzeit ausüben kann, ohne Vorwissen oder Qualifikation, erläutert. Diese Arbeit kenne ich auch, im VW Werk Emden bekommen Arbeiter mit solcher Arbeit einen Mindestlohn von ca. 32,-/Stunde, Studierende immerhin 21,- /Stunde. Bei der Bandarbeit kommt auch noch die Monotonie hinzu, welche den Job langweilig erscheinen läßt. Ferner werden noch die Unterschiede zwischen geistiger, körperlicher und gesellschaftlicher Arbeit dargestellt.

2. Justizvollzugsanstalt

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Dreiteilung der Macht des Staates, die sogenannte Gewaltenteilung. Sie spaltet sich auf in die Legislative (die Gesetzgebende), die Judikative (die Rechtsprechende) und die Exekutive (die Ausführende). Eine Justizvollzugsanstalt, manchmal auch Gefängnis oder millieutypisch auch Knast genannt, ist ein Instrument der Exekutiven. Hier wird die Strafe, die durch die Instrumente der Judikativen (Gerichte, vom Amtsgericht bis hin zum Bundesverfassungsgericht) festgelegt wurde, vollzogen, sofern es sich um eine Freiheitsstrafe handelt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch Geldstrafen können, bei Zahlungsunfähigkeit des Verurteilten, verbüßt werden.

Es gibt zwei Arten von Gefängnissen. Zum einen das oben erwähnte, wo die Strafen ‚abgesessen‘ werden zum anderen solche, in denen man auf den Prozeß wartet, also Untersuchungsgefängnisse. Hier wird die Untersuchungshaft verbracht. Die Untersuchungshaft dient dazu, den Verdächtigen an der Flucht zu hindern. Aber nur dann, wenn ein „[...] dringender Tatverdacht und ein Haftgrund besteht, nämlich Flucht, Flucht- und Verdunkelungsgefahr (bei bestimmten Fällen auch Wiederholungsgefahr) und die Anordnung der U-Haft nicht unverhältnismäßig zur Tat und zur Strafe erscheint.“8 Sie dient also zur Sicherstellung des Beschuldigten/Verdächtigten. Wird der Verdächtigte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, so wird die Untersuchungshaft auf das Strafmaß angerechnet.

In einer Justizvollzugsanstalt werden Freiheitsstrafen verbüßt.

2.1. Vier Arten der Freiheit

Nach dem Soziologie-Lexikon gibt es vier Arten der Freiheit, nämlich die Freiheit des Willens; die rechtliche Freiheit; die politische Freiheit und die reale Freiheit.9

1. Die Freiheit des Willens behauptet, daß Menschen sich die Freiheit nehmen, sich so zu verhalten, wie sie es gerade wollen. Daher ist zu sagen, daß die Verhaltensweise des Menschen nicht vorherbestimmt werden kann.
2. Die rechtliche Freiheit heißt mit anderen Worten: die Freiheit des einen hört dort auf, wo die des anderen beginnt. Dieses muß durch Institutionen, Gesetze, Rechte und Pflichten geregelt werden, um die Freiheit aller zu gewährleisten.
3. Die politische Freiheit beinhaltet die freie Meinungsäußerung, das aktive und passive Wahlrecht, und das Recht, an der politischen Willensbildung zu partizipieren.
4. „Die reale Freiheit differenziert zwischen Anspruch und Wirklichkeit und fragt danach, ob die garantierte Freiheit auch real existiert; sie ist zugleich die soziale Freiheit.“10

Den Häftlingen wird also Freiheit Nr.2 genommen. Er/Sie hatte sich die Freiheit genommen, gegen das Recht zu verstoßen, vielmehr gegen das Gesetz -es soll Länder auf der Welt geben oder gegeben haben, in denen die Gesetze nicht immer rechtens waren, in der Bundesrepublik Deutschland sind die Gesetze aber rechtens- also hat man ihm/ihr das Recht auf Freiheit genommen.

2.2. Definition: Freiheitsstrafe

Eine Freiheitsstrafe besteht in „[...] der teilweisen oder völligen Entziehung der persönlichen Freiheit[...]“11 Mit dem Entzug der persönlichen Freiheit scheint hier wohl die Bewegungsfreiheit gemeint zu sein. Denn innerhalb der Knastmauern ist der Gefangene, in seiner „Freizeit“ frei zu tun, was er möchte (er kann natürlich nicht ausbrechen).

Die Freiheitsstrafe ist ein Teil des Strafvollzuges. Der Strafvollzug dient dazu „den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen; daneben soll der Strafvollzug auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dienen.“12

Der Gefangene hat ein Anrecht, Besucher zu empfangen und auf unbeschränkten Schriftverkehr. In der JVA Kiel haben die Gefangenen Anspruch auf zwei Stunden Besuchszeit im Monat, die Post wird vom Wachpersonal vor den Augen des Häftlings geöffnet und nach Drogen oder Waffen durchsucht, jedoch nicht gelesen. Es findet also keine Zensur statt.

Die Freiheitsstrafe kann im offenen, beziehungsweise geschlossenen Vollzug verbüßt werden. Unter offenem Vollzug versteht man, daß ein Verurteilter die Nacht in der Anstalt verbringt, ansonsten tagsüber jedoch einer geregelten Arbeit außerhalb der Anstaltsmauern nachgeht. Solche Leute werden als „Freigänger“ bezeichnet. Sie müssen bis zum Einschluß wieder in ihrer Zelle sein.

3. Das Leben im Knast

Freizeit im Knast - gibt es so etwas überhaupt oder kann es so etwas überhaupt geben? Die Leute sind doch, für irgendeine Straftat ihrerseits, inhaftiert und wissen nicht, was sie den lieben langen Tag tun sollen, vermutet sehr wahrscheinlich ein Großteil der, vermeintlich, „ehrlichen“ Bevölkerung.

So ist das jedoch nicht. Auch Häftlinge gehen in einer JVA13 einer geregelten Arbeit nach, da in einem während der Freiheitsstrafe Arbeitspflicht besteht. Folglich gibt es auch so etwas wie einen Feierabend und Freizeit.

3.1. Arbeiten in der JVA Kiel

Mit der Arbeit im Gefängnis verhält es sich folgendermaßen: Für einen Häftling besteht während der Freiheitsstrafe Arbeitspflicht, dieses könnte sozusagen auch als Zwangsarbeit verstanden werden14. Laut Artikel 12, Absatz 2 GG ist die Zwangsarbeit verboten. Dort heißt es: „Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.“ In Artikel 12, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es aber weiter: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.“ Dieses wird damit begründet, daß Strafgefangene an einen von der Gesellschaft akzeptierten Lebenswandel herangeführt werden sollen. Dazu zählt eben auch ein geregelter ‚acht-Stunden-am-Tag-arbeiten‘ Job. Ob sie nach Verbüßung ihrer Strafe einen Arbeitsplatz finden werden, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Auch in einem Gefängnis sind die Arbeitsplätze knapp. Wer Arbeit hat, bekommt DM 9,- pro Arbeitstag15. Dieses ergibt am Ende des Monats die stolze Summe von 180 Deutschen Mark. Für die Hälfte davon dürfen sie dann einmal pro Monat im anstaltseigenen „Tante-Emma-Laden“ - zu überteuerten Preisen- einkaufen gehen, die andere Hälfte wird dann für den nächsten Monat gutgeschrieben. Nicht verbrauchtes Kapital wird am Ende der Haftstrafe ausgezahlt. Jedoch werden keine Zinsen gutgeschrieben, es ist sozusagen totes Kapital.

Wer nicht arbeitet, also sozusagen den ganzen Freizeit hat, bekommt DM 62,- im Monat. Der Arbeitswillige bekommt dann ein Taschengeld, sozusagen anstaltsinterne Arbeitslosenunterstützung.

Es besteht aber noch eine andere Möglichkeit, um an den vollen Tagessatz zu kommen. Die Häftlinge nämlich, welche an den Weiterbildungsmaßnahmen der Anstalt teilnehmen, werden wie die arbeitenden Insassen entlohnt. Zu den Weiterbildungsmaßnahmen in der JVA Kiel zählen ein Alphabetisierungsprogramm, d.h. es wird den Analphabeten lesen und schreiben beigebracht, und ein Programm zum Erlangen des Hauptschulabschlusses. Auch sind Umschulungen möglich. Unter Umständen ist es sogar möglich, das Abitur nachzuholen.

Wie jeder Arbeitnehmer auch, haben die Sträflinge einen Anspruch auf Urlaub, ob sie nun arbeiten oder nicht, er heißt nämlich Hafturlaub und bedeutet „Urlaub von der Haft“. Sie haben Anrecht auf 21 Urlaubstage im Jahr, wobei Samstag und Sonntag zusammen wie ein Tag gewertet werden. Um den Urlaub beantragen zu können, muß jedoch schon eine Mindeststrafe von sechs Monaten verbüßt sein, ehe der Hafturlaub beantragt werden kann. Ist der Antrag gestellt, so überprüfen Anstaltsleitung sowie Staatsanwaltschaft den Antragsteller auf eine mögliche Flucht-und Rückfallgefahr. Ist der Antrag bewilligt, so darf der Häftling während der ersten Male nur in Begleitung seinen Hafturlaub antreten, dieses wird meistens vom Anstaltsgeistlichen übernommen. Die Begleitung erfüllt nicht unbedingt den Sinn der Überwachung, sondern soll der Begleiter den Insassen bei der Gewöhnung an die Menschenmassen, z.B. in einer Fußgängerzone am Samstag vor dem 4. Advent.

Hat der Strafgefangene dieses ohne Probleme überstanden, darf er seinen Urlaub antreten.

3.2. Der Alltag in der JVA Kiel

Der Alltag eines Strafgefangenen in der JVA Kiel sieht folgendermaßen aus. Um 630 Uhr ist wecken, danach Waschen und Frühstück. Um 730 Uhr beginnt für die Werktätigen der Arbeitstag bis 1530 Uhr. Anschließend geht es für sie zum Duschen, Anschließend beginnt die „Freistunde“, das heißt nicht, das sie mal eben eine Stunde lang in die Stadt gehen dürfen, sondern sie dürfen in den Gefängnishof. Jeder Gefangene hat das Recht, 60 Minuten am Stück an der frischen Luft zu verbringen, bei regnerischem Wetter dürfen sie auch auf ihr Recht verzichten. Danach haben die Gefangenen, bis zum Einschluß, „Freizeit“. Mit Einschluß bezeichnet man das Abschließen der Zellen. Die Zellen sind ca. 2x4 Meter groß und mit jeweils 2 Mann belegt.

3.3. Freizeit in der JVA Kiel

Der Einschluß beginnt Werktags um 1930 , an Wochenenden um 1730 . Bis dahin sind die Gefangenen in ihren Abteilungen eingeschlossen. Dieses bezeichnen die Sträflinge als „Aufschluß“. Innerhalb ihrer Abteilungen können die Gefangenen sich frei bewegen. In dieser Zeit können sie aller möglichen Freizeitaktivitäten nachgehen oder einfach nur mit ihren Mitinsassen quatschen. Die Freizeitaktivitäten Inhaftierter können natürlich nicht mit denen der „freien“ Menschen außerhalb der Gefängnismauern verglichen werden. Sie ähneln eher denen, die Schülerinnen und Schüler bis zur achten Klasse in einer Jugendherberge unternehmen können.

In ihren Abteilungen gibt es z.B. Tischtennisplatten, Billardtische, Kraftsportgeräte und ähnliches. Das Lesen von Zeitungen darf natürlich auch nicht fehlen, ebensowenig das Kartenspielen. Nach dem Einschluß sind die Gefangenen in ihrer Zelle. Die Zellen sind ca. 8m2 groß und jeweils mit 2 Gefängnisinsassen belegt. Eigentlich sollten es Einzelzellen sein, jedoch sind aus Gründen der Platzknappheit in der Regel zwei Mann in einer Zelle eingesperrt. In der Zeit vom Einschluß bis zum Wecken bleibt den Häftlingen in den Zellen Zeitschriften zu lesen, sich zu unterhalten oder, natürlich, fernzusehen. Fernsehen ist dann auch die Hauptfreizeitbeschäftigung innerhalb der Zellen. Hier ist meiner Meinung nach ein großes Konfliktpotential gegeben, nämlich der Streit um die Programmwahl.

Das waren die Dinge, denen die Inhaftierten täglich nachgehen können. Doch gibt es auch seitens der Anstaltsleitung abteilungsübergreifende Freizeitangebote. Diese sind jedoch nur für die entweder leichteren Fälle oder die, die sich gut führen, zugänglich. In der JVA gibt es nämlich eine Mehrzwecksporthalle. Mehrzweck deshalb, weil diese Halle für die verschiedensten Anlässe genutzt wird. So finden dort die Sportveranstaltungen im Rahmen des Freizeitangebotes statt, wie z.B. Badminton, Volleyball oder Hallenfußball. Am Wochenende findet dort eine abteilungsübergreifende Tischtennisgruppe statt. Diese Angebote werden in der Regel von den Gefängnisinsassen relativ gut wahrgenommen.

In der Turnhalle finden aber nicht nur die sportlichen Veranstaltungen statt. Sie dient auch als Besucherraum oder Kirche. Dort findet nämlich jeden Sonntag ein Gottesdienst statt, welcher im Wechsel von einem evangelischen und einem katholischen Geistlichen gehalten wird. Viele Gefangene nutzen die Möglichkeit des Gottesdienstes, um Kontakte zu knüpfen, andere Gesichter aus anderen Abteilungen zu treffen oder um wirklich einfach mal einen Gottesdienst zu besuchen.

Der Gottesdienst bietet auch die Möglichkeit, einmal in sich selbst zu horchen und um ungestört nachdenken zu können. Der Gottesdienst wird von Gefangenen aller Glaubensrichtungen besucht. Außerdem gibt es Angebote der Kirche. Diese bieten dann zum Beispiel einen Bibelkreis an. Auch gibt es Resozialisierungsvereine, die Selbsthilfegruppen für Alkoholiker und/oder Drogenabhängige anbieten. Andere Vereine wiederum bieten sogar Yogakurse an, gelegentliche Kochkurse und Musikgruppen von Gefangenen sind Angebote, die gerne wahrgenommen werden; sogar der Führerschein kann gemacht werden, ohne den in der heutigen Gesellschaft meistens kein Job zu bekommen ist.

Ferner werden gelegentlich Filmabende angeboten, neulich hatte der Anstaltsleiter sogar eine Musikgruppe eingeladen, dieses Angebot nahmen aber nur 15 Insassen war. Das fand er sehr schade, da die Gefangenen sich oft über das mangelnde Angebot beschweren.

4. Schlußbetrachtung

Betrachtet man den Alltag in der JVA Kiel, so könnte man meinen, es bestünde dort eine Art der Subkultur oder sozusagen ein Mikrokosmos. Die Welt der Gefangenen scheint eine Welt für sich zu sein. Alles das, was es „draußen“ auch gibt, gibt es auch im „drinnen“. Die Gefangenen gehen zur Arbeit, zur Schule, machen den Führerschein - können nur nirgends hinfahren - und haben Feierabend und gucken fern. Sie müssen noch nicht einmal für ihren Lebensunterhalt während Zeit der Haft aufkommen. Alles ist geregelt. Doch gerade dieses erzieht viele von ihnen zur Unselbständigkeit, sie kommen mit dem Leben draußen nicht mehr klar. Dies mag auch ein Grund für einige Rückfälle sein. Im Gefängnis haben sie ihre Bekannten, ein Dach überm Kopf und bekommen täglich drei Mahlzeiten.

Das eigentlich schlimme am gefangen-sein ist meistens nicht der Freiheitsentzug, sondern meistens die Mitgefangenen. Wie es in einem Knast aussehen muß/kann, kann jeden Abend bei „Big Brother“ und ähnlichen Sendungen nachgeschaut werden.

Literaturverzeichnis

- Meyers Lexikonredatkion (Hrsg.) Meyers Großes Taschenlexikon; 24 Bände, Band 1: A-Asq; Band 7: Fet-Gebo; Band 8: Gebr-Gri; Band 9: Gro-Hob; Band 21: Stab-Tha; Band 22: The-Vene; Mannheim, Wien, Leipzig, Zürich, 6 1998,
- Reinhold Gerd (Hrsg.) et al: Soziologie Lexikon, Oldenbourg Verlag, München,3 1997
- Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart; Campus-Verlag, , Frankfurt am Main, 4 1993
- Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland; in der letzten Änderung vom 27.10.1994; gefunden im Internet am 8. Februar 2001 unter http://www.rewi.hu-berlin.de/Datenschutz/Gesetze/gg.html

[...]


1 Meyers großes Taschenlexikon, 61998, Bd.7 Fet - Gebo, S.205

2 Soziologie-Lexikon, München 31997, S.188

3 Soziologie-Lexikon, München 31997, S.188

4 Meyers Großes Taschenlexikon, 61998; Bd.1: A-Asq; S.246

5 Schulze, Frankfurt am Main, 31993

6 ebd. S.313

7 Soziologie-Lexikon, S.23

8 Meyers Taschenlexikon, Band 9;: Gro-Hob; S.103f

9 Soziologie-Lexikon, S. 187

10 Soziologie-Lexikon; S. 187

11 Meyers Taschenlexikon. Band 7: Fet-Gebo; S. 198

12 Meyers Taschenlexikon, Band 21: Stab-Tha; S.108

13 Justizvollzugsanstalt

14 für Untersuchungshäftlinge gilt diese Arbeitspflicht jedoch nicht, sie sind sozusagen nur „sichergestellt“ und noch nicht verurteilt.

15 1999, in der JVA Kiel

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Freizeit und Arbeit in einer Justizvollzugsanstalt am Beispiel der JVA Kiel
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Autor
Jahr
1999
Seiten
14
Katalognummer
V104212
ISBN (eBook)
9783640025688
Dateigröße
359 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freizeit, Arbeit, Justizvollzugsanstalt, Beispiel, Kiel
Arbeit zitieren
Jan Huismann (Autor:in), 1999, Freizeit und Arbeit in einer Justizvollzugsanstalt am Beispiel der JVA Kiel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104212

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